AG Bitterfeld-Wolfen – Az.: 2 OWi 593 Js 9051/12 (428/12) – Beschluss vom 25.07.2012
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Landeskasse zu tragen, seine notwendigen Auslagen hat der Betroffene zu tragen.
Gründe
Das Verfahren ist gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206 a StPO einzustellen, weil ein dauerndes Verfahrenshindernis gegeben ist. Die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit ist verjährt. Die am 04.11.2011 mit Begehung der Tat beginnende Verjährung wurde vor Erlass des Bußgeldbescheides vom 14.02.2012 zu keinem Zeitpunkt wirksam unterbrochen. Die insoweit in Betracht kommende, mit Verfügung vom 18.11.2011 angeordnete Anhörung des Betroffenen hat die Verjährung nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen. Voraussetzung dafür, dass die Anordnung der Anhörung die Verjährung unterbricht ist u.a., dass das Tatgeschehen hinreichend konkretisiert, also einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang dem Betroffenen vorgehalten wird und dieser von denkbaren ähnlichen oder gleichartigen Sachverhalten unterscheidbar ist (z. B. Gürtler in Göhler, OWiG 15. Aufl., Rdnr. 56 a zu § 33 OWiG, m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn die an den Betroffenen sowohl im vorliegenden als auch im beigezogenen Parallelverfahren 56.6807 89.4 übersandte Anhörung weist als Tatort km 59,5 auf der BAB 9 auf, obwohl die Feststellungen zur Ordnungswidrigkeit tatsächlich an km 95,9 auf dieser Autobahn getroffen wurden. Zwischen vermeintlicher und tatsächlicher Messstelle liegen mithin mehr als 35 km, was es dem Betroffenen nicht ermöglicht, die Örtlichkeit zutreffend einzuordnen und sich im Rahmen der Anhörung zutreffend zu äußern. Vielmehr ist es aus dessen Sicht ohne weiteres auch möglich, dass ihm zwei verschiedene Sachverhalte an verschiedenen Orten vorgeworfen werden, weil für ihn nicht auszuschließen ist, dass zwei Messungen in diesem Abstand voneinander erfolgt sind. Unerheblich ist eine solche falsche Angabe nur dann, wenn gleichwohl für den Betroffenen ersichtlich bleibt, welche Ordnungswidrigkeit tatsächlich Gegenstand des Verfahrens ist. Dies ist vorliegend jedoch bis zur erstmaligen Berichtigung des Tatortes im Bußgeldbescheid vom 14.02.2012 nicht der Fall. Der Abstand der tatsächlichen Messstelle von der in der Anhörung und im Bußgeldbescheid vom 22.12.2011 angegebenen ist so erheblich, dass keine ausreichende Verfahrensgrundlage mehr gegeben ist. Insbesondere ist der Betroffene vor Ort nicht angehalten worden, was ein solch einschneidender Umstand wäre, dass er jegliche Zweifel über die Örtlichkeit beim Betroffenen trotz der falschen Angabe des Messortes im Anhörungsschreiben beseitigen könnte. Auch sonst sind keine Umstände gegeben, welche diesen erheblichen Mangel in der Tatortkonkretisierung relativieren würden.
Der am 22.12.2011 ergangene Bußgeldbescheid konnte die Verjährung nicht nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrechen, weil dieser unwirksam ist, da er die gleiche falsche Tatortangabe enthält wie bereits das Anhörungsschreiben. Voraussetzung für eine wirksame Unterbrechung der Verjährung durch Erlass eines Bußgeldbescheides ist dessen Wirksamkeit (z. B. Gürtler in Göhler, a.a.O., Rdnr. 35 zu § 33 OWiG, m.w.N.), welche dann nicht gegeben ist, wenn der Bußgeldbescheid unter schwerwiegenden Mängeln leidet (Seitz in Göhler, a.a.O., Rdnr. 38 zu § 66 OWiG, m.w.N.). Dies ist u.a. dann der Fall, wenn die Begrenzung des Tatgeschehens unzureichend ist, also nicht einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang zur Entscheidung des Gerichts gestellt wird (z. B. Seitz, a.a.O., Rdnr. 39 zu § 66 OWiG, m.w.N.). Unter einem solchen Mangel leidet dieser erste Bußgeldbescheid aus denselben Gründen, aus welchen bereits das Anhörungsschreiben die Verjährung nicht unterbrechen konnte.
Soweit dann am 14.02.2012 ein neuer Bußgeldbescheid mit der zutreffenden Beschreibung des Tatortes an km 95,9 ergangen ist, vermochte dieser die Verjährung nicht mehr zu unterbrechen, weil die Verjährungsfrist, welche am 04.11.2011 begann, gemäß § 26 Abs. 3 StVG mit Ablauf des 03.02.2012 abgelaufen ist, dieser neue Bußgeldbescheid also danach erging und die Verjährung daher nicht mehr unterbrechen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 StPO. Von der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Landeskasse kann abgesehen werden, wenn eine Verurteilung nur deshalb nicht erfolgt, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Ausreichend ist bei einer Einstellung außerhalb der Hauptverhandlung, dass ein hinreichender Tatverdacht fortbesteht (z. B. BGH, NStZ 2000, 300; Göhler, a.a.O., Rdnr. 16 zu § 467 OWiG m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall.