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Betriebsleiter – Verantwortlicher nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 OWiG

KG – Az.: 3 Ws (B) 25/20 – Beschluss vom 19.02.2020

In der Bußgeldsache wegen Verstoßes gegen sonstiges Wirtschaftsrecht hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 19. Februar 2020 beschlossen:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 25. Oktober 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Bezirksamt T. – K. von B. hat mit Bußgeldbescheid vom 6. März 2019 gegen den Betroffenen als Geschäftsführer und Betriebsleiter der E. GmbH wegen des am 15. Januar 2019 nicht ordnungsgemäßen Betreibens einer Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (Lagerung) gemäß §§ 17 Abs. 1 Nr. 3, 65 Nr. 14 AwSV i.V.m. § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a WHG eine Geldbuße von 1600 Euro verhängt. Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch hat ihn das Amtsgericht am 25. Oktober 2019 als Betriebsleiter der zuvor erwähnten GmbH wegen desselben Vorwurfes zu einer Geldbuße von 1000 Euro verurteilt.

Der Betroffene hat diese Entscheidung mit seiner auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde angefochten.

II.

Das Rechtmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrüge nicht mehr ankommt.

Das Urteil enthält folgende Feststellungen:

„Der Betroffenen ist Maschinen- und Anlagenmonteur von Beruf und war ab 1.6.2018 Betriebsleiter einer in … gelegenen Niederlassung der E. GmbH…. Bereits bevor der Betroffene Betriebsleiter wurde, mussten die zuständigen Mitarbeiter vom Umweltamt des Bezirksamtes T. – K. bei Kontrollen erhebliche Mängel feststellen. Der Betroffene sorgte zunächst für die Abstellung der (vom Gericht im einzelnen ausgeführten – Anmerkung von Senat) Mängel, insbesondere sorgte er dafür, dass die erforderliche Anzahl von Auffangwannen angeschafft und die Lagerung und das Abfüllen der wassergefährdenden Stoffe auf bzw. über diesen Wannen erfolgte, weshalb die – zuvor angekündigte – Kontrolle durch die Mitarbeiter des Umweltamtes am 3.8.2018 beanstandungsfrei verlief.

In der Folgezeit wurden die vertriebenen wassergefährdenden Öle und Reiniger teilweise direkt auf dem undichten Fußboden, ohne Auffangwannen gelagert und umgefüllt. Dies erfolgte in Kenntnis des Angeklagten (Betroffenen – Korrektur durch den Senat) und mit seiner Billigung“ (UA S. 2/3).

Im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 3) führt das Amtsgericht aus, dass die den Tatvorwurf bestreitende Einlassung des Betroffenen mit der Behauptung „die Fässer seien jeweils leer gewesen“ durch die „glaubhaften Bekundungen“ zweier Mitarbeiter des Umweltamtes des Bezirksamtes, die als Zeugen gehört worden sind, „widerlegt sei. Beide (die Zeugen – Ergänzung durch den Senat) schilderten die Vorgeschichte und ihre Feststellungen vom 15.1.2019.“

Es folgen in den Gründen die Bekundungen der Zeugen zur Vorkontrolle vor Weihnachten 2018 durch Betrachten durch die Fenster der mit Fässern gefüllten Lagerhalle auf dem Gelände der Niederlassung der E. und zur Situation am 15. Januar 2019 durch Begehung dieser Lagerhalle.

Das Gericht kommt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung, „dass der Betroffene, handelnd als Betriebsleiter der Zweigniederlassung des E. GmbH, bewusst und gewollt die Fässer mit wassergefährdenden Stoffen ohne die erforderlichen Auffangeinrichtungen lagern und umfüllen ließ.

„… der Betroffene war als Betriebsleiter verantwortlich im Sinne § 9 Abs. 2 Nr. 1 OWiG, denn die Lagerung der wassergefährdenden Stoffe ohne Auffangwannen erfolgte mit seinem Wissen und Wollen.“

II.

Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Betroffenen nicht ausreichend sind.

Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatgerichts. Das Rechtsbeschwerdegericht hat aber auf die Sachrüge zu prüfen, ob ihm dabei ein Fehler unterlaufen ist. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 2 StR 275/16, juris). Zudem muss die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2018 – 2 StR 141/18 –, juris, NStZ 2019, 594; Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, juris) und die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen müssen sich nicht etwa lediglich als eine Annahme oder als bloße Vermutung erweisen, die letztlich nicht mehr als einen – wenn auch möglicherweise schwerwiegenden – Verdacht zu begründen vermögen (Senat, Beschluss vom 14. Februar 2020 – 3 Ws (B) 6/20 – m.w.N.)

Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung nicht in jeder Hinsicht gerecht. Sie bleibt hinsichtlich der Überzeugung von der Verantwortlichkeit des Betroffenen lückenhaft und begründet derzeit nicht mehr als einen – wenn auch erheblichen – Verdacht.

Die Überzeugung des Gerichts von der Verantwortlichkeit des Betroffenen und dessen vorsätzlicher Begehung der Ordnungswidrigkeit ergibt sich weder aus der den Vorwurf bestreitenden Einlassung des Betroffenen noch aus den Bekundungen der Zeugen noch aus der Gesamtheit der Urteilsgründe. Der Senat wird nicht in die Lage versetzt, die Wertung des Gerichts nachzuvollziehen.

Den in den Urteilsgründen dargestellten Bekundungen der Zeugen sind die dem Betroffenen zugeschriebenen Handlungen der Mängelbeseitigung und seiner Kenntnis zu den am 15. Januar 2019 festgestellten Mängeln nicht zu entnehmen. Zwar ist es denkbar, dass das Gericht aufgrund der Schilderung der „Vorgeschichte“ durch die Zeugen auch auf diese Feststellungen geschlossen hat, aber aus den weiteren Urteilsdarlegungen erscheint es naheliegender, dass mit der „Vorgeschichte“ lediglich die Angaben der Zeugen zur Vorkontrolle vor Weihnachten 2018 gemeint war, bei der sie aber nach den Urteilsgründen keinen Verantwortlichen auf dem Gelände angetroffen haben. Die Bekundungen ergeben des Weiteren nicht, ob und in welcher Funktion die Zeugen mit dem Betroffenen in der Zeit zwischen seinem Arbeitsbeginn am 1. Juni 2018 bis zur verfahrensgegenständlichen Kontrolle am 15. Januar 2019 Kontakt hatten, was dem Gericht Rückschlüsse auf seine tatsächliche Leitungsfunktion für die Niederlassung erlaubt hätte. Offensichtlich fußen die gerichtlichen Schlussfolgerungen auf der Beschäftigung des Betroffenen als „Betriebsleiter“. Aber allein die Bezeichnung „Betriebsleiter“ ist nicht entscheidend (vgl. Gürtler in Göhler OWiG, 17. Aufl. § 9 Rn. 19). Auch wenn die Bezeichnung als Indiz gewertet werden kann, bedarf es dennoch ausreichender Feststellungen dazu, ob dem Betroffenen die Leitung und nicht nur die Aufsicht des Betriebes verantwortlich übertragen worden ist und er dementsprechend auch tatsächlich selbstständig anstelle des Betriebsinhabers gehandelt hat (Rogall in KK OWiG, 5. Aufl. § 9 Rn. 84). Diese sind dem Urteil auch nicht unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Urteilsgründe zu entnehmen. Auch wenn es nahe liegt, dass der Betroffene verantwortlich für die verfahrensgegenständliche vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeit ist, besteht derzeit nach den Urteilsgründen nicht mehr als ein erheblicher Verdacht.

Auf diesem Mangel beruht das Urteil. Der Senat hebt daher das Urteil auf und verweist das Verfahren nach § 79 Abs. 6 OWiG an das Amtsgericht – auch wegen der Kosten der Rechtsbeschwerde – zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Für die neue Hauptverhandlung merkt der Senat an, dass die Schuldform bei einer Ordnungswidrigkeit, die – wie im vorliegenden Fall – sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann (vgl. § 65 AwSV), in den Urteilstenor nach §§ 71 Abs.1 OWiG, 260 Abs. 4 StPO mit aufgenommen werden muss, sofern sie sich nicht bereits aus der gesetzlichen Überschrift ergibt, was vorliegend wiederum nicht der Fall ist (vgl. Seitz/Bauer in Göhler a.a.O., § 71 Rn. 41).

 

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