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Fahrtenbuchanordnung bei bestehendem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 19.213 – Beschluss vom 03.05.2019

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.800,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, und die hierzu ergangenen Nebenverfügungen.

Am 10. Januar 2018 wurde mit einem auf die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 41 km/h überschritten. Auf ein Anhörungsschreiben des Polizeiverwaltungsamts vom 25. Januar 2018 teilte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Februar 2018 mit, es kämen mehrere Personen als Fahrer in Betracht, da das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt wegen eines Umzugs verliehen gewesen sei. Sie könne anhand der Bildkopie keine sichere Zuordnung des Fahrers durchführen und bitte um einen Bildauszug, auf dem der Fahrer deutlicher erkennbar sei. Dass sie den Fahrer aufgrund der Bildqualität nicht sicher identifizieren könne, machte die Klägerin auch bei ihrer Zeugenvernehmung durch die Polizei am 28. Februar 2018 geltend und berief sich außerdem auf ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Die Polizei konnte den verantwortlichen Fahrzeugführer nicht feststellen, da sie die auf dem Foto gezeigte männliche Person nicht identifizieren konnte. Nur der Ehemann der Klägerin konnte als Fahrer ausgeschlossen werden. Mit Verfügung vom 12. März 2018 wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt.

Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage trug die Klägerin mit Schreiben vom 24. April 2018 vor, es habe sich um einen Fahrzeugverleih innerhalb der Familie gehandelt. Wegen der Unschärfe des Fotos seien zwei Familienmitglieder als Fahrer in Betracht gekommen, die aber den Verkehrsverstoß abgestritten hätten. Da sie niemanden zu Unrecht bzw. nicht mehrere Familienmitglieder habe beschuldigen wollen, was in der Familie kritisch gesehen worden wäre, habe ihr der sachbearbeitende Polizeibeamte geraten, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und ihre Aussage abgekürzt zu Protokoll genommen. Hätte Sie anhand des Fotos den Fahrer zweifelsfrei identifizieren können, hätte sie die gegebenen Umstände direkt mit diesem klären können.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2018 verpflichtete die Beklagte die Klägerin gestützt auf § 31a StVZO, bis zum 15. Juni 2019 ein Fahrtenbuch für das auf sie zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … und ein etwaiges Ersatzfahrzeug zu führen, dieses bis spätestens 14. Juli 2019 zur Prüfung vorzulegen und bis 14. Dezember 2019 aufzubewahren. Hinsichtlich der Vorlagepflicht drohte sie ein Zwangsgeld von 255,- EUR an. Die Schwere des begangenen Verkehrsverstoßes und das darauf beruhende Gewicht der Gefahr, dass es auch künftig zu gleichartigen Verstößen kommen könnte, die ungeahndet bleiben müssten, weil der Täter wiederum nicht ermittelt werden könne, bildeten die Beurteilungskriterien für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Fahrtenbuchauflage. Der Fahrzeughalter könne nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren von einem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Der vorliegende Verkehrsverstoß wäre mit einer Geldbuße von 160,- EUR zu ahnden gewesen und hätte zur Eintragung des Kraftfahrers in das Fahreignungsregister mit zwei Punkten sowie zu einem Fahrverbot von einem Monat geführt. Diese gesetzgeberische Bewertung der Ordnungswidrigkeit rechtfertige es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die Verkehrsübertretung als so gewichtig einzustufen, dass eine Fahrtenbuchauflage auch ohne zusätzliche Umstände verhältnismäßig sei. In Anbetracht der besonders eklatanten Geschwindigkeitsüberschreitung sei eine Auflage von sechs Monaten nicht mehr ausreichend gewesen, sondern eine Auflagedauer von einem Jahr angemessen.

Gegen den Bescheid ließ die Klägerin am 9. Juli 2018 durch ihren Bevollmächtigten Anfechtungsklage erheben und gleichzeitig beantragen (M 23 S 18.3369), die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Mit Urteil und Beschluss jeweils vom 19. November 2018, zugestellt am 9. Januar 2019, wies bzw. lehnte das Verwaltungsgericht München die Klage und den Eilantrag ab. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 31a StVZO seien gegeben. Mit dem Fahrzeug der Klägerin sei ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen, obwohl die zuständige Behörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit dürfe sich an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehne dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so sei es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Der Umstand, dass die Behörde mit ihrem Anhörungsschreiben eine Frist von zwei Wochen überschritten habe, sei unerheblich, da ein zur Identifizierung ausreichendes Lichtbild vorliege und die Identifizierung somit keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern nur an das Erkenntnisvermögen des Fahrzeughalters stelle. Nach Überzeugung des Gerichts sei das Tatbild auch von ausreichender Qualität, um der Klägerin dem Grunde nach die Identifizierung des Fahrers zu ermöglichen. So sei sie auch zu der Erkenntnis gekommen, dass nur zwei Personen aus dem Familienkreis in Betracht kämen. Gleichwohl habe sie diese nicht namentlich benannt und damit zielführende Ermittlungen der Polizei unmöglich gemacht. Bei schlechter Qualität des Messfotos wäre die Polizei erst recht auf eine kooperative Mitwirkung der Klägerin angewiesen gewesen, die sich jedoch auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe. Die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts führe nicht zu einem Nachteil für die Klägerin. Es entspreche der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung, dass der Fahrzeughalter nicht verlangen könne, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er von einem Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch mache. Hierauf sei die Klägerin im Schreiben vom 25. Januar 2018 ausdrücklich hingewiesen worden. Eines erneuten Hinweises durch die Polizei habe es daher nicht bedurft. Nach Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts und dem Ausscheiden des Ehemanns als Fahrer aufgrund eines polizeilichen Personenabgleichs hätten aus Sicht einer verständigen und objektiven Ermittlungsperson keine realistischen Ermittlungsansätze mehr bestanden. Ferner begegne die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von zwölf Monaten in Anbetracht des Gewichts des Verkehrsverstoßes keinen Bedenken. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung ihre nicht zu beanstandende Verwaltungspraxis dargelegt, wonach sie bei einem bepunkteten und mit Fahrverbot geahndeten Verkehrsverstoß regelmäßig eine zwölfmonatige Dauer anordne.

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, macht die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es werde auf den Schriftsatz vom 25. Februar 2019 aus dem Beschwerdeverfahren Bezug genommen. Dort werde dargelegt, dass eine Fahrtenbuchauflage neben einem Verkehrsverstoß von einigem Gewicht auch voraussetze, dass der Schluss auf die Unzuverlässigkeit des Fahrzeugführers gerechtfertigt sei. Von einer bestehenden bzw. wiederholten Unzuverlässigkeit der Klägerin könne aber nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe hierzu keine Auskünfte aus dem Fahreignungsregister eingeholt. Die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage kollidiere mit dem verfassungsrechtlich garantierten Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht, das von der Verwaltungsbehörde nicht durch eine Sanktion wie der Fahrtenbuchauflage und der vorgeschobenen Begründung einer vorbeugenden Gefahrenabwehr unterlaufen werden dürfe. Die Argumentation, es solle künftig die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich sein und die Klägerin habe die Auferlegung eines Fahrtenbuchs durch ihr Schweigen selbst zu vertreten, belege den Sanktionscharakter der Maßnahme. Außerdem sei für die Beklagte ersichtlich gewesen, dass es sich bei dem Fahrer nur um ein Mitglied aus einem beschränkt überschaubaren Familienkreis hatte handeln können. Hierzu habe sie aber keine Ermittlungen angestellt. Die Einsichtnahme in die Einwohnermeldeunterlagen und die dort lagernden Fotos der Familienangehörigen wäre innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit zumutbar und möglich gewesen. Dem Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht, aus dessen Wahrnehmung keine Nachteile durch eine Verwaltungsmaßnahme entstehen dürften, gebühre Verfassungsrang. Es könne nicht mit der Verhängung einer Fahrtenbuchauflage und der vorgeschobenen Begründung einer angeblich notwendig vorbeugenden Gefahrenabwehr unterlaufen werden, für deren Notwendigkeit es keine Anhaltspunkte gebe. Mangels ausreichender Ermittlungsansätze habe die Beklagte nicht das ihr zustehende Ermessen ausgeübt. Die Fahrtenbuchauflage widerspreche im Ergebnis den Grundsätzen eines fairen Verfahrens ebenso dem grundsätzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Hätte die Klägerin sofort ihren Ehemann als Fahrer benannt, wäre von der Auflage eines Fahrtenbuchs Abstand genommen worden. Dies allein zeige, dass die Auflage tatsächlich nur eine Sanktion darstelle und die behaupteten Anhaltspunkte der Unzuverlässigkeit nicht stichhaltig seien.

Mit Beschluss vom 1. April 2019 (11 CS 19.214) wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gegen den Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zurück.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), sind nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da sie weder einen tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, B.v. 21.12.2009 – 1 BvR 812/09 – NJW 2010, 1062/1063; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106/118).

Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, setzt nach § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl I S. 522), in Kraft getreten zum 20. Mai 2018, voraus, dass nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war. Darüber hinaus setzt die Vorschrift nach ihrem Wortlaut oder ihrer Auslegung in der Rechtsprechung nicht voraus, dass der Fahrzeugführer oder – was hier gemeint sein dürfte – der Fahrzeughalter unzuverlässig ist, dass ihm die Behörde dies nachzuweisen hat oder dass der Schluss hierauf gerechtfertigt ist. Woraus sich diese weitere Voraussetzung ergeben soll, hat die Klägerin nicht dargelegt.

Das Verwaltungsgericht und die Beklagte sind zu Recht davon ausgegangen, dass die ermittelnde Behörde angesichts der erkennbar fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin mit ihrer Vorladung als Zeugin und dem Abgleich des Messfotos mit einem Lichtbild ihres Ehemanns ihren Pflichten genügt hat und nicht gehalten war, weitere in Betracht kommenden Familienmitglieder zu ermitteln und zu befragen. Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei (BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – NJW 1979, 1054 = juris Rn. 16). § 31a StVZO verpflichtet die Polizei nicht zur Anwendung bestimmter Ermittlungsmethoden (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.1993 – 11 B 113.93 – juris Rn. 4; U.v. 13.10.1978 a.a.O.). Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (BVerwG, B.v. 23.12.1996 – 11 B 84.96 – juris Rn. 3). Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – juris Rn. 7). Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden (BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 11 ZB 15.171 – VRS 128, 216 = juris Rn. 11; vgl. auch OVG NW, B.v. 15.3.2007 – 8 B 2746/06 – juris Rn. 11 f.). Auch wenn – wie hier – der Fahrer auf einer Lichtbildaufnahme nicht identifiziert werden kann, ist der Fahrzeughalter insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt (BayVGH, a.a.O.). Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 9.12.1993 a.a.O.; U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – juris Rn. 7; BayVGH, a.a.O.); zumal Ermittlungsbemühungen nur dann sinnvoll sind, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit noch mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann (vgl. VGH BW, B.v. 21.7.2014 – 10 S 1256/13 – juris Rn. 5). Schickt der Fahrzeughalter den ihm übersandten Anhörungsbogen unausgefüllt oder kommentarlos zurück oder reagiert auf diesen nicht oder lehnt er – wie hier – unter ausdrücklichem Hinweis auf sein Zeugnis- oder Aussagverweigerungsrecht pauschal jede Mitwirkung an der weiteren Aufklärung ab, darf die Ermittlungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von einer fehlenden Bereitschaft ausgehen, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.1994 – 11 B 130.93 – VRS 88, 158 juris Rn. 4 m.w.N.; VGH BW, B.v. 10.8.2015 – 10 S 278/15 – VerkMitt 2015, Nr. 61 = juris Rn. 8 m.w.N.; OVG NW, B.v. 25.1.2018 – 8 A 1587/16 – juris Rn. 11). Dies gilt nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auch und gerade in den Fällen, in denen – wie hier – der Fahrzeughalter in dem Anhörungsschreiben vorsorglich auch als Zeuge angesprochen worden ist, aber bis zuletzt jede sachdienliche Äußerung abgelehnt hatte (BVerwG, B.v. 1.3.1994 a.a.O.). Erst wenn sich im Einzelfall besondere Beweisanzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten, oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls es naheliegend erscheinen lassen, dass der Halter bei Kenntnis bestimmter Ermittlungsergebnisse doch mitwirkungsbereit sein könnte, muss die Behörde weiter ermitteln (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 39 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 11 CS 18.1240 – juris Rn. 14). Solche Umstände lagen hier jedoch nicht vor.

Soweit die Klägerin die Annahme der Beklagten angreift, das Messfoto habe eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrers zugelassen, war dies nicht entscheidungserheblich. Denn für das Verwaltungsgericht war maßgebend, dass die Klägerin anhand dieses Fotos erkennen konnte, dass zwei männliche Personen als Fahrzeugführer in Betracht kamen, und sodann an der Aufklärung nicht mitgewirkt hat, indem sie sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat. Ihr Vortrag, es sei unstreitig, dass sie das Fahrzeug zwei Familienangehörigen überlassen habe, trifft im Übrigen nicht zu. Vielmehr ist ungeklärt, ob sie das Zeugnisverweigerungsrecht zu Recht in Anspruch genommen hat, da sie insofern lediglich nicht nachprüfbare Angaben gemacht hat. Dies ist jedoch ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

Weiter ist das Verwaltungsgericht der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung folgend zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausübung eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts der Anwendbarkeit des § 31a StVZO nicht entgegensteht. Macht der Halter eines Kraftfahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, von seinem Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren Gebrauch, muss er gemäß § 31a StVZO die Auflage in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (BVerwG, B.v. 11.8.1999 – 3 B 96.99 – BayVBl 2000, 380 = juris Rn. 3; B.v. 22.6.1995 – 11 B 7.95 – DAR 1995, 459 = juris Rn. 3; OVG Hamburg, B.v. 28.6.2016 – 4 Bf 97/15.Z – VRS 130, 328 = juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 28.1.2015 – 11 ZB 14.1129 – juris Rn. 24 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 – 3 B 90/14 – LKV 2015, 39 = juris Rn. 5). Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht, da es dem sicherheitsrechtlichen Zweck des § 31a StVZO widerspräche (BVerwG, B.v. 22.6.1995, a.a.O. Rn. 4 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 – NJW 1982, 568 = juris Rn. 7; BayVGH, a.a.O.). Es ist nicht dargelegt oder ersichtlich, welche rechtlichen Folgerungen insofern aus dem Einwand einer angeblich fehlenden ordnungsgemäßen Belehrung über ein Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht resultieren sollen. Ungeachtet dessen sind der Klägerin bereits mit Schreiben vom 25. Januar 2018 (Seite 2, Ziffer I. und III.) sämtliche erforderlichen Belehrungen zutreffend erteilt worden. Auch hat sie ein Formular mit entsprechenden Belehrungen anlässlich ihrer Zeugeneinvernahme am 28. Februar 2018 unterschrieben und selbst vorgetragen, auf den Rat des sachbearbeitenden Polizeibeamten hin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht zu haben.

Ferner hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage auch bei Inanspruchnahme eines Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrechts verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Allein durch die in erster Linie polizeilich begründete Mitwirkungspflicht, die der Gewährleistung der Freiheit und Sicherheit des Straßenverkehrs für alle zu dienen bestimmt ist, werden etwaige Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte in Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren sowie auch mögliche entsprechende Rechte in verwaltungsbehördlichen Verfahren noch nicht berührt (BVerfG, B.v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 – NJW 1982, 568 = juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 3.1.2006 – 8 B 1847/05 – juris Rn. 23 f.). Bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage handelt es sich der Zielsetzung nach nicht um eine Sanktion für die Inanspruchnahme eines Rechts, sondern um eine präventive Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 3 C 13.14 – BVerwGE 152, 180 = juris Rn. 19), deren Anknüpfungspunkt die verkehrsrechtliche Verantwortlichkeit des Halters für sein Fahrzeug ist. Bei der Betrachtung der beteiligten Interessen geht es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um ein „Recht“ der Beklagten, eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen, sondern um den Schutz höchstrangiger Rechtsgüter, nämlich das Leben und die Gesundheit der Verkehrsteilnehmer, denen die Anordnung zu dienen bestimmt ist. Von Verfassungs wegen ist es nicht geboten, dass sich der Fahrzeughalter seiner verkehrsrechtlichen Verantwortung durch die Inanspruchnahme eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts entziehen kann (vgl. BVerfG, B.v. 1.6.1989 – 2 BvR 239/88 u.a. – BVerfGE 80, 109 = juris Rn. 39 zur Kostenhaftung gemäß § 25a StVG). Auch schützt die Verfassung ohne entsprechende gesetzliche Verankerung nicht davor, dass aus – auf zulässigen Verpflichtungen zur Führung von Akten, Büchern oder Registern beruhenden – Aufzeichnungen Erkenntnisse über die Täter von Verkehrsordnungswidrigkeiten abgeleitet werden, auch wenn es sich dabei um den Aufzeichnenden selbst oder jemanden handelt, hinsichtlich dessen dem Aufzeichnenden ein Aussageverweigerungsrecht zusteht (BVerwG, B.v. 11.8.1999, a.a.O. Rn. 3). Die Buchführungs-, Vorlage- und Aufbewahrungspflichten, die mit der Anordnung eines Fahrtenbuchs verbunden sind, kommen auch keiner Sanktion gleich. Sie sind nicht derart einschneidend oder freiheitsbeschränkend, dass sie faktisch einen Zwang zur Selbstbezichtigung oder zum Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht bewirken könnten oder in Anbetracht der rechtlichen Folgen für den für die Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlichen Fahrzeugführer eine ernsthafte Konfliktsituation schaffen würden, die das Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht verhindern will (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 36 ff. zu § 25a StVG). Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, dass die Beklagte bei Benennung des Ehemanns als Fahrer von der Anordnung eines Fahrtenbuchs abgesehen hätte, ist nicht nachvollziehbar, da sie den Ehemann als in Betracht kommenden Fahrer ausscheiden konnte.

Soweit die Klägerin einen Widerspruch gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens und europäisches Verfahrensrecht bemängelt, genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht ansatzweise den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

2. Soweit sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, ist schon nicht erkennbar, welche konkrete, fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36), aufgeworfen wird. Eine § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung von Berufungszulassungsgründen hätte jedoch eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes erfordert (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 59).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

4. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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