Voraussetzungen und Konsequenzen bei Verweigerung des Auskunftsanspruchs gemäß SGB II
In einem kürzlich ergangenen Beschluss des OLG Hamm (Az.: III-4 RBs 47/20) vom 11.02.2020 wurde die Rechtsbeschwerde einer Betroffenen abgewiesen, die sich gegen eine Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II gewandt hatte. Der Kern des Falles drehte sich um den Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II und die damit verbundenen rechtlichen Verpflichtungen und Konsequenzen.
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Übersicht
Hintergrund und Feststellungen des Amtsgerichts
Die Betroffene und ihr Zeuge, der in einem bestimmten Zeitraum Leistungen des Jobcenters M bezog, waren getrennt lebende Eheleute. Das Jobcenter M forderte die Betroffene auf, Auskünfte über ihr Einkommen zu erteilen. Trotz Widerspruchs gegen den Bescheid und dessen Ablehnung, gab die Betroffene die geforderten Auskünfte nicht preis,was zur Erlassung eines Bußgeldbescheids führte.
Kernproblem: Auskunftsanspruch und dessen Rechtmäßigkeit
Das Amtsgericht hätte, nach Ansicht des OLG Hamm, den Bestand des Auskunftsanspruchs nach § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht weiter prüfen müssen. Es genügt, dass der Verwaltungsakt, der den Auskunftsanspruch geltend macht, rechtskräftig ist. Dies bedeutet, dass nicht in jedem Fall die materiellen Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs vom Amtsgericht im Detail geprüft werden müssen.
Verwaltungsakzessorietät und ihre Bedeutung
Ein zentrales Element dieses Falles ist das Prinzip der Verwaltungsakzessorietät. Dieses besagt, dass sich die Zuwiderhandlung gegen die Auskunftspflicht als Ungehorsam gegen eine vollziehbare Verwaltungsentscheidung darstellen muss. Die Auskunftspflicht entsteht nicht automatisch, sondern nur auf Anforderung des zuständigen Leistungsträgers. Daher reicht es in solchen Fällen aus, festzustellen, dass ein rechtskräftiger Verwaltungsakt zur Auskunftserteilung vorliegt.
Schlussbemerkungen und Verteidigung
Die Betroffene argumentierte, dass sie in Absprache mit ihrer Verteidigung keine Auskünfte erteilt habe, um den Leistungsträger von Zahlungen an den ehemaligen Ehemann abzuhalten. Dieses Argument wurde jedoch vom Rechtsbeschwerdegericht als nicht relevant angesehen, da es nicht Teil der Feststellungen im angefochtenen Urteil war.
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Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: III-4 RBs 47/20 – Beschluss vom 11.02.2020
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).
Gründe
Zusatz:
Die umfassende Prüfung der(materiellen) Rechtmäßigkeit des Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II lässt besorgen, dass das Amtsgericht den Prüfungsmaßstab bei der Verhängung einer Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II (zumindest teilweise) verkannt hat.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts waren die Betroffene und der Zeuge in dem Zeitraum, in dem Letzterer Leistungen des Jobcenters M bezog (12.08. bis 31.12.2017, wobei es sich – aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erkennbar – jedenfalls auch um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts handelte), getrennt lebende Eheleute. Zuletzt forderte das Jobcenter M die Betroffene mit Bescheid vom 07.11.2017 auf, Auskünfte über ihr Einkommen zu erteilen. Gegen den Bescheid legte die Betroffene Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 05.03.2018 zurückgewiesen wurde. Klage erhob sie nicht. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Auskunft erteilte die Betroffene gleichwohl nicht, worauf hin ein Bußgeldbescheid erlassen wurde.
Bei dieser Sachlage hätte das Amtsgericht das Bestehen des Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht mehr im Einzelnen prüfen müssen. Voraussetzung der Ordnungswidrigkeit ist, dass der Betroffene (vorsätzlich oder fahrlässig) entgegen § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II eine Auskunft nicht erteilt. § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II bestimmt, dass auf Verlangen der Agentur für Arbeit (bzw. des Jobcenters, vgl. §§ 44b Abs. 1 S. 2 und 3; 6 SGB II; OLG Hamm, Beschl. v. 12.04.2012 – III – 3 RBs 426/11 – juris) unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Auskunft zu erteilen ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Verhängung eines Bußgelds nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II jeweils voraussetzt, dass die materiellen Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs vom Amtsgericht im Einzelnen geprüft werden müssen. Vielmehr reicht (dies ist allerdings auch erforderlich), dass der Verwaltungsakt, mit dem das Auskunftsbegehren geltend gemacht wird, bestandskräftig ist oder Rechtsbehelfe gegen ihn keine aufschiebende Wirkung haben (OLG Hamm, Beschl. v. 12.04.2012 – III – 3 RBs 426/11 – juris; Wieser in: Adolph, SGB II, Stand: November 2019, § 63 Rdn. 12 – zitiert nach juris). Das ergibt sich aus der Verwaltungsakzessorietät der Bußgeldvorschrift, wonach sich die Zuwiderhandlung gegen die Auskunftspflicht als Ungehorsam gegen eine vollziehbare Verwaltungsentscheidung darstellen muss (OLG Hamm a.a.O.; Wieser a.a.O.; vgl. auch BGHSt 23, 86 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2016 – 3 RVs 90/16 – juris). Die Verwaltungsakzessorietät der Bußgeldentscheidung zeigt sich im vorliegenden Fall an der Formulierung des § 60 Abs. 2 S. 1 SGB, wonach es eines Auskunftsersuchens der Bundesagentur für Arbeit bedarf. Die Auskunftspflicht entsteht nicht kraft Gesetzes, sondern nur auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers (Stachnow-Meyerhoff/G. Becker in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl., § 60 (Stand: 26.06.2017), § 60 Rdn. 31). Dementsprechend bedarf es in solchen Fällen für die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit der Ordnungswidrigkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II regelmäßig lediglich der Feststellung, dass ein nicht mehr anfechtbarer (oder vorläufig vollziehbarer) Verwaltungsakt auf Auskunft erlassen worden ist, der nicht nichtig (vgl. § 44 VwVfG) ist (OLG Hamm a.a.O.; Wieser a.a.O.). Weiter bedarf es der Feststellung, dass der oder die Betroffene einer solchen Auskunftsanordnung vorsätzlich oder fahrlässig keine Folge geleistet hat. Der Rechtsschutz des bzw. der Betroffenen wird hierdurch nicht beschnitten. Gegen den Auskunftsverwaltungsakt kann er sich mit den verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfen und ggf. durch eine Anfechtungsklage zur Wehr setzen und – im Falle des Erfolges – so auch die ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung verhindern. Wollte man eine jeweils vollständige, voneinander unabhängige Rechtmäßigkeitsprüfung zulassen, so bestünde letztlich auch die Gefahr, dass das sachfernere Gericht der Bußgeldsache, zu einer gegenüber dem sachnäheren Sozialgericht abweichenden Entscheidung käme.
Im vorliegenden Fall ergeben die Feststellungen des Amtsgerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass der auf Auskunft gerichtete Verwaltungsakt nichtig gewesen sein könnte. Die überobligationsmäßige Rechtmäßigkeitsprüfung beschwert die Betroffene nicht.
Soweit die Verteidigung mit Schriftsatz vom 30.01.2020 vorträgt, die Betroffene habe in Abstimmung mit ihr Auskünfte nicht erteilt, um den Leistungsträger von der Leistung (erschlichener) Zahlungen an den ehemaligen Ehemann abzuhalten, ist dies urteilsfremd und auf die hier allein erhobene Sachrüge hin für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verwertbar, da Grundlage der Prüfung auf die Sachrüge hin die Feststellungen im angefochtenen Urteil sind.