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Autofahrt nach ärztlich verordneter Cannabiseinnahme im Krankheitsfall

Ärztlich verordnetes Cannabis am Steuer: Gericht spricht Angeklagten frei

Wenn ärztlich verordnetes Cannabis bestimmungsgemäß zur Behandlung einer Krankheit eingenommen wird, ohne dass es zu Missbrauch oder Überdosierung kommt, ist die fahrlässige Verwirklichung des Tatbestandes, der das Führen eines Fahrzeugs unter Einfluss berauschender Mittel unter Strafe stellt, ausgeschlossen, was zum Freispruch des Betroffenen im vorliegenden Fall führte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 ORbs 2 SsBs 22/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Ärztlich verordnetes Cannabis, das bestimmungsgemäß eingenommen wird, führt nicht zur Strafbarkeit beim Fahren, sofern kein Missbrauch oder Überdosierung vorliegt.
  • Der Fall betraf einen Fahrer, der aufgrund ärztlicher Anweisung Cannabis konsumiert hatte und später von der Anschuldigung, unter Drogeneinfluss gefahren zu sein, freigesprochen wurde.
  • Die ärztliche Verordnung erlaubte dem Fahrer die Einnahme von bis zu einem Gramm Cannabis täglich, ohne seine Fahrtüchtigkeit einzuschränken.
  • Eine Wartezeit von etwa 3 Stunden zwischen Konsum und Fahren wurde vom Arzt empfohlen und eingehalten.
  • Der Freispruch stützt sich auf die sogenannte „Medikamentenklausel“, die die Strafbarkeit ausschließt, wenn die Einnahme des Mittels ärztlich verordnet und nicht missbräuchlich ist.
  • Die Staatsanwaltschafts Rechtsbeschwerde gegen den Freispruch wurde abgewiesen, und die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt.
  • Das Urteil bestätigt die Bedeutung ärztlicher Anweisungen und die legale Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken im Kontext der Fahrtüchtigkeit.
  • Es verdeutlicht die rechtlichen Grenzen und Voraussetzungen für den Konsum von Cannabis bei Fahrzeugführern unter medizinischer Anleitung.
  • Dieser Beschluss könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen, in denen Personen ärztlich verordnetes Cannabis konsumieren und fahren.

Rechtliche Grauzonen beim Fahren unter Cannabiseinfluss

Der Konsum von Cannabis ist in Deutschland nach wie vor ein kontroverses Thema. Besonders im Straßenverkehr gilt es zahlreiche rechtliche Bestimmungen zu beachten. Während der Cannabiskonsum grundsätzlich verboten ist, existieren Ausnahmen für medizinische Zwecke. Hier stellt sich die Frage, inwieweit Personen mit einer ärztlichen Cannabisverordnung noch fahrtüchtig sind.

In den letzten Jahren häuften sich Fälle, in denen Gerichte über die Strafbarkeit von Autofahrten unter Cannabiseinfluss im Krankheitsfall entscheiden mussten. Die Urteile zeigen, dass eine pauschale Bewertung nicht möglich ist. Vielmehr sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend, wie etwa die Art und Dosis der Einnahme sowie der Zeitpunkt der Fahrt.

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➜ Der Fall im Detail


Der rechtliche Rahmen ärztlich verordneter Cannabiskonsum und Autofahren

Im Kern dreht sich der Fall um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen das Führen eines Kraftfahrzeugs nach dem Konsum von ärztlich verordnetem Cannabis als Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz (StVG) zu werten ist. Der Betroffene, gegen den ursprünglich ein Bußgeldbescheid wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis erlassen wurde, hatte Cannabis auf ärztliche Verordnung konsumiert. Dies geschah aufgrund einer depressiven Störung, einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer Schlafstörung. Die ärztliche Verordnung gestattete dem Betroffenen den Konsum von bis zu einem Gramm Cannabis pro Tag, mit dem Hinweis, dass seine Fahrtüchtigkeit bei einer stabilen Dosierung nicht beeinträchtigt sei.

Der Fall: Zwischen medizinischer Notwendigkeit und rechtlicher Bewertung

Der Betroffene wurde am 30. März 2021, etwa drei Stunden nach dem Cannabiskonsum, beim Führen eines Fahrzeugs in Ludwigshafen angehalten. Eine Blutuntersuchung ergab einen THC-Wert von 27 ng/mL. Der Fall gelangte vor das Amtsgericht Ludwigshafen, das einen Freispruch aussprach, woraufhin die Staatsanwaltschaft Frankenthal Rechtsbeschwerde einlegte. Die zentrale rechtliche Fragestellung drehte sich um die Anwendung des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG, insbesondere die Interpretation der „Medikamentenklausel“ in Absatz 2 Satz 3, die besagt, dass die Vorschrift nicht gilt, wenn das berauschende Mittel aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken

Das OLG Zweibrücken bestätigte den Freispruch des Amtsgerichts Ludwigshafen. Das Gericht legte dar, dass die bestimmungsgemäße Einnahme von Cannabis auf ärztliche Verordnung, ohne Missbrauch oder Überdosierung, die fahrlässige Verwirklichung des Tatbestandes des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG ausschließt. Diese Entscheidung basierte auf den Feststellungen, dass der Betroffene das Cannabis gemäß der ärztlichen Anweisung konsumiert und die vom Arzt empfohlene Wartezeit eingehalten hatte. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wurde als unbegründet verworfen.

Die Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen

Bei der Bewertung der Beweislage betonte das Gericht, dass die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts sei und grundsätzlich zu respektieren ist, solange keine Rechtsfehler vorliegen. Das Gericht führte aus, dass die Feststellungen des Amtsgerichts den Freispruch tragen und die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden sei. Besonders hervorgehoben wurde die medizinische Indikation für den Cannabisgebrauch und die Einhaltung der ärztlichen Verordnung.

Die rechtlichen Folgen und der Umgang mit medizinischem Cannabis

Diese Entscheidung unterstreicht die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit medizinischem Cannabis im Straßenverkehr. Sie zeigt auf, dass eine gründliche medizinische Dokumentation und die strikte Befolgung der ärztlichen Anweisungen essenziell sind, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Zudem wird die Bedeutung der „Medikamentenklausel“ im § 24a StVG hervorgehoben, die eine differenzierte Betrachtung des Konsums berauschender Mittel im medizinischen Kontext ermöglicht.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Darf ich nach der Einnahme von ärztlich verschriebenem Cannabis Auto fahren?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Patienten, die ärztlich verordnetes medizinisches Cannabis einnehmen, grundsätzlich am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Allerdings gibt es dabei einige wichtige Einschränkungen und Voraussetzungen zu beachten:

  • Die Fahrtüchtigkeit darf durch die Cannabismedikation nicht beeinträchtigt sein. Der Patient muss also in der Lage sein, das Fahrzeug sicher zu führen. Treten während der Fahrt Ausfallerscheinungen auf, die auf die Medikamente zurückzuführen sind, drohen strafrechtliche Konsequenzen.
  • Das Cannabis muss bestimmungsgemäß nach ärztlicher Verordnung eingenommen werden. Bei missbräuchlicher Einnahme, z.B. in zu hoher Dosierung, gilt die Ausnahme nicht mehr. Der Patient muss sich strikt an die ärztliche Verordnung halten, ansonsten besteht keine Fahreignung.
  • Besondere Vorsicht ist in der Einstellungs- und Eingewöhnungsphase geboten. Zu Beginn der Therapie kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sein. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat rät davon ab, sich in dieser Phase ans Steuer zu setzen.
  • Es wird empfohlen, beim Autofahren eine Ausfertigung des Betäubungsmittelrezepts oder eine ärztliche Bescheinigung mitzuführen, um die medizinische Verordnung nachweisen zu können. Eine gesetzliche Pflicht dazu besteht aber nicht.
  • Zusätzlicher Konsum von illegal beschafftem Cannabis führt zum Ausschluss der Fahreignung. Auch Mischkonsum mit Alkohol oder anderen psychoaktiven Stoffen ist nicht erlaubt.

Insgesamt müssen Cannabispatienten also sehr verantwortungsvoll mit der Teilnahme am Straßenverkehr umgehen. Wenn sie sich nicht 100%ig fahrtüchtig fühlen, sollten sie im Zweifelsfall auf das Autofahren verzichten. Die Frage der Fahrtüchtigkeit muss nicht nur zu Beginn, sondern vor jeder Fahrt neu gestellt werden.

Wie wirkt sich der Konsum von medizinischem Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit aus?

Der Konsum von medizinischem Cannabis kann sich auf verschiedene Weise auf die Fahrtüchtigkeit auswirken:

  • Cannabis kann die kognitiven Funktionen, die Aufmerksamkeit und die Reaktionszeit beeinträchtigen. Daher sollten die Patienten ihre individuelle Reaktion auf das Medikament sorgfältig überwachen und gegebenenfalls auf das Fahren verzichten, wenn sie sich beeinträchtigt fühlen. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum unmittelbar nach dem Konsum.
  • Die Wirkung von Cannabis hängt von vielen Faktoren ab, wie der Zusammensetzung (THC-Gehalt), der Dosis, der Konsumform und der individuellen Verträglichkeit. Je nach Ausprägung dieser Faktoren kann es zu Müdigkeit, Schwindel und Konzentrationsstörungen kommen, welche die Fahrtüchtigkeit einschränken.
  • Besondere Vorsicht ist in der Einstellungs- und Eingewöhnungsphase geboten. Zu Beginn der Therapie kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sein. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat rät davon ab, sich in dieser Phase ans Steuer zu setzen.
  • Die im Blut festgestellte THC-Konzentration entspricht oft nur zu einem geringen Grad der messbaren Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit. Auch lässt die THC-Konzentration keine sicheren Rückschlüsse auf die tatsächlich konsumierte Menge zu.
  • Andererseits kann medizinisches Cannabis bei manchen Patienten, z.B. mit starken chronischen Schmerzen, das Autofahren überhaupt erst wieder ermöglichen, indem es Symptome lindert, die ansonsten die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen würden. Eine Rauschwirkung ist dabei nicht das Ziel der Therapie.

Letztlich muss jeder Patient unter ärztlicher Anleitung für sich selbst entscheiden, ob er sich in der Lage fühlt, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Die behandelnden Ärzte spielen eine wichtige Rolle bei der Aufklärung über mögliche Auswirkungen und der Überwachung der Dosierung und Verträglichkeit. Im Zweifelsfall sollte auf das Führen eines Fahrzeugs verzichtet werden.

Was besagt die „Medikamentenklausel“ im § 24a StVG?

Die sogenannte „Medikamentenklausel“ ist in § 24a Abs. 2 Satz 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) geregelt. Sie besagt, dass der Ordnungswidrigkeitentatbestand des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten berauschenden Mittels nicht erfüllt ist, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Die festgestellte Substanz wurde ausschließlich bestimmungsgemäß als ärztlich verordnetes Arzneimittel eingenommen. Es muss also eine eindeutige Verschreibung für eine symptombezogene Indikation (konkrete Krankheit) durch einen Arzt vorliegen.
  • Die Dosierungs- bzw. Gebrauchsanweisung wurde beachtet. Der Patient darf die verordnete Menge nicht überschreiten.
  • Es liegt kein Substanzmissbrauch vor, also kein regelmäßig übermäßiger Gebrauch der Substanz über die ärztliche Verordnung hinaus. Zusätzlicher Konsum von illegalen Drogen neben dem verschriebenen Medikament lässt die Anwendung der Medikamentenklausel nicht zu.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt kein ordnungswidriges Verhalten nach § 24a StVG vor, auch wenn die Substanz im Blut nachgewiesen wird. Der Patient fährt dann gerade nicht in einem berauschten Zustand, sondern ist durch die Medikation überhaupt erst in der Lage, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.

Wichtig ist aber, dass der Patient trotz Anwendbarkeit der Medikamentenklausel weiterhin selbst für seine Fahrtüchtigkeit verantwortlich ist. Treten Ausfallerscheinungen auf, die auf die Medikation zurückzuführen sind, macht er sich strafbar.

Was sollte ich tun, wenn ich nach Einnahme von medizinischem Cannabis kontrolliert werde?

Wenn Sie als Patient, der medizinisches Cannabis einnimmt, in eine Verkehrskontrolle geraten, sollten Sie Folgendes beachten:

  • Bleiben Sie freundlich und ruhig. Die Polizisten machen nur ihre Arbeit. Provozieren oder belehren Sie die Beamten nicht, da dies die Situation nur verschlimmern kann.
  • Geben Sie Ihre Personalien an und zeigen Sie Ihren Ausweis und Führerschein. Sie müssen aber ansonsten keinerlei Aussagen machen.
  • Erwähnen Sie Ihren Status als Cannabispatient nach Möglichkeit nicht von sich aus. Beantworten Sie die Frage, ob Sie illegale Drogen konsumiert haben, einfach mit „Nein“. Es geht die Polizei grundsätzlich nichts an, welche Medikamente Sie verordnet bekommen.
  • Sollten die Beamten dennoch Verdacht schöpfen und konkret nach Ihrem Cannabiskonsum fragen, erklären Sie sachlich, dass Sie Cannabis legal und bestimmungsgemäß als verschriebenes Arzneimittel einnehmen.
  • Es ist ratsam, eine Kopie des Betäubungsmittelrezepts oder eine ärztliche Bescheinigung mitzuführen, um die medizinische Verordnung belegen zu können. Eine gesetzliche Pflicht dazu besteht aber nicht.
  • Betonen Sie, dass Sie sich strikt an die ärztliche Verordnung halten und kein zusätzliches Cannabis illegal konsumieren. Mischkonsum mit Alkohol oder anderen Drogen ist tabu.
  • Sollte ein Drogentest angeordnet werden, weisen Sie erneut auf die legale medizinische Einnahme hin. Ein positiver THC-Befund allein reicht dann nicht für eine Sanktion aus.

Insgesamt gilt: Solange Sie Cannabis nur im verordneten Rahmen und nicht missbräuchlich einnehmen und Ihre Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt ist, dürfen Sie auch als Cannabispatient am Straßenverkehr teilnehmen. Verhalten Sie sich kooperativ, aber bestehen Sie auf Ihr Recht als Patient. Im Zweifelsfall sollten Sie einen spezialisierten Anwalt hinzuziehen.

Wie kann ich nachweisen, dass mein Cannabis-Konsum medizinisch notwendig ist?

Um nachzuweisen, dass Ihr Cannabis-Konsum medizinisch notwendig ist, sollten Sie folgende Dokumente griffbereit haben:

  • Das Betäubungsmittelrezept (BTM-Rezept), auf dem Ihr Arzt Ihnen Cannabis verordnet hat. Dieses Rezept belegt eindeutig, dass Sie Cannabis legal und auf ärztliche Anweisung einnehmen. Es enthält Angaben zu Sorte, Menge und Dosierung des verschriebenen Cannabis.
  • Alternativ oder zusätzlich eine ärztliche Bescheinigung, die Ihre Erkrankung und die Notwendigkeit einer Behandlung mit Cannabisarzneimitteln bestätigt. Diese Bescheinigung sollte möglichst von dem Arzt ausgestellt sein, der auch das Rezept verordnet hat.
  • Eventuell einen Medikationsplan, wenn Sie noch weitere Medikamente einnehmen. Daraus geht hervor, dass die Cannabismedikation Bestandteil einer ärztlich überwachten Therapie ist.

Es ist ratsam, diese Dokumente oder beglaubigte Kopien davon stets mitzuführen, insbesondere im Straßenverkehr. So können Sie bei einer Kontrolle die Legalität Ihres Cannabiskonsums belegen.

Eine gesetzliche Pflicht, das Rezept oder eine Bescheinigung ständig bei sich zu haben, besteht zwar nicht. Die Mitführung kann Ihnen aber viel Ärger und Rechtfertigungsdruck ersparen, falls doch mal ein Drogentest positiv ausfällt.

Wichtig ist, dass die Dokumente aktuell sind und eindeutig Ihnen als Patient zugeordnet werden können. Bewahren Sie die Originale an einem sicheren Ort auf.

Beachten Sie aber, dass die Dokumente Sie nicht von Ihrer Pflicht entbinden, vor Fahrtantritt kritisch Ihre eigene Fahrtüchtigkeit zu prüfen. Nur wenn diese uneingeschränkt gegeben ist, dürfen Sie sich auch mit ärztlicher Verordnung ans Steuer setzen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 24a StVG (Straßenverkehrsgesetz)
    • Regelt die Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Führen von Fahrzeugen unter Einfluss berauschender Mittel. Der konkrete Bezug zum Thema ergibt sich durch die Betrachtung der Ausnahmeregelung für den Fall, dass das berauschende Mittel (Cannabis) auf ärztliche Verordnung hin eingenommen wurde. Die Regelung ist entscheidend für die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit nach der Einnahme von medizinisch verschriebenem Cannabis.
  • § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG
    • Enthält die sogenannte „Medikamentenklausel“, die festlegt, dass die Vorschriften über den Einfluss berauschender Mittel nicht anwendbar sind, wenn die Einnahme des Mittels ärztlich verordnet wurde und nicht missbräuchlich erfolgt. Diese Spezifizierung ist zentral für den hier diskutierten Fall und erklärt, warum eine ordnungsgemäße Einnahme von Cannabis unter bestimmten Umständen nicht zur Fahrunsicherheit führt.
  • § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz)
    • Erläutert die Zulässigkeit von Rechtsmitteln in Ordnungswidrigkeitenverfahren und ist relevant für das Verständnis der rechtlichen Prozesse, die im Falle einer angefochtenen Entscheidung, wie einem Bußgeldbescheid wegen Fahrens unter Drogeneinfluss, gefolgt werden müssen. Die Vorschrift bildet die rechtliche Grundlage für das Einlegen einer Rechtsbeschwerde.
  • § 349 Abs. 2 StPO (Strafprozessordnung) i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG
    • Befasst sich mit den Grundsätzen der Überprüfung von Rechtsbeschwerden und ist für die Beurteilung der Rechtsbeschwerde gegen den Freispruch des Betroffenen wesentlich. Es verdeutlicht, unter welchen Umständen eine Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen wird.
  • § 261 StPO
    • Regelung zur freien Beweiswürdigung durch das Gericht, die im Kontext der Beurteilung von Beweisen und der Feststellung der Fahrtüchtigkeit nach Cannabiskonsum von Bedeutung ist. Diese Norm erklärt, warum und wie das Gericht zu seinem Urteil gelangen kann, insbesondere bei der Bewertung der Fahrtüchtigkeit unter medikamentösem Einfluss.
  • § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG
    • Bestimmt die Regelungen zur Kostenentscheidung in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren. Im hier analysierten Kontext ist sie relevant für das Verständnis, wer die Kosten des Verfahrens trägt, insbesondere nach einem Freispruch im Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs unter Einfluss ärztlich verordneten Cannabis.


Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 1 ORbs 2 SsBs 22/23 – Beschluss vom 22.08.2023

Leitsatz

Wird ein in der Anlage zu § 24a StVG genanntes berauschendes Mittel als ein für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenes Arzneimittel bestimmungsgemäß eingenommen, beruht die Einnahme auf einer ärztlichen Verordnung und wird das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet, ist auch die fahrlässige Verwirklichung des Tatbestandes des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG ausgeschlossen (§ 24a Abs. 2 Satz 3 StVG).


1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 16.09.2022 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

Die Zentrale Bußgeldstelle in Speyer hat gegen den Betroffenen am 10.09.2021 einen Bußgeldbescheid wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis erlassen und darin eine Geldbuße von 1.000,00 EUR festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat den Betroffenen auf dessen rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit Urteil vom 16.09.2022 freigesprochen.

Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde vom 30.09.2022 erstrebt die Staatsanwaltschaft Frankenthal die Verurteilung des Betroffenen aufgrund einer fahrlässigen Begehungsweise der Tat.

Die Einzelrichterin hat die Sache mit Beschluss vom heutigen Tag an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Das gem. § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erweist sich auf die Sachrüge hin als unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 30.03.2021 um 17:20 Uhr die F… Straße in Ludwigshafen mit dem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …. Circa 3 Stunden vor der Fahrt hatte der Betroffene Cannabis konsumiert, welches ihm aufgrund einer depressiven Störung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Schlafstörung durch Attest des Arztes Dr. med. … vom 09.03.2021 verschrieben worden ist. Die Untersuchung der am 30.03.2021 um 18:00 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen Wert von 27 ng/mL THC. Nach dem Attest ist es dem Betroffenen gestattet, bis zu einem Gramm Cannabis pro Tag zu konsumieren. Die Reaktionsfähigkeit und Fahrtüchtigkeit ist laut dem Attest bei stabiler Dosierung nicht eingeschränkt. Der Betroffene ist darüber aufgeklärt worden, dass zwischen Konsum des Cannabis und dem Fahren eines Fahrzeuges circa 3 Stunden vergehen müssen.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

1. Die Feststellungen in den Urteilsgründen tragen den Freispruch des Betroffenen und sind insbesondere nicht lückenhaft.

a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Betroffenen frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 12.02.2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 m.w.N.). Dabei hat das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (BGH, Urteil vom 24.03.2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179).

b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat die be- und entlastenden Umstände in seine Würdigung eingestellt und sich insbesondere mit dem wechselnden Einlassungsverhalten des Betroffenen, dem ärztlich verordneten Cannabis und einer möglichen Überdosierung, auch unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens, auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Amtsgerichts lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum.

2. Das Amtsgericht musste sich, nach Anwendung der Medikamentenklausel aus § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG, insbesondere nicht mehr mit einer fahrlässigen Begehungsweise der Tat auseinandersetzen. Hiernach gilt die Vorschrift des § 24 a Abs. 2 S. 1 StVG nicht, wenn das berauschende Mittel aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, wobei die Einnahme des Arzneimittels auf einer ärztlichen Verordnung beruhen muss und das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet worden sein darf. Dies schließt auch die fahrlässige Tatbestandsverwirklichung aus (OLG Bamberg, Beschluss vom 02.01.2019 – 2 Ss OWi 1607/18, juris, Rn. 7). Dass das Cannabis hier gemäß ärztlicher Anweisung eingenommen und hiernach auch die vom Arzt angeordnete Wartezeit eingehalten wurde, hatte das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Aufgrund dessen war das Verhalten des Betroffenen nicht ordnungswidrig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

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