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Androhung einer Fahrtenbuchauflage – Erhebung von Gebühren zulässig?

VG Osnabrück, Az.: 6 A 139/12, Urteil vom 06.05.2013

Die im Bescheid des Beklagten vom 18.06.2012 enthaltene Kostenentscheidung wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Am 10.01.2012 beging der Fahrer des auf den Kläger zugelassenen LKW mit dem amtlichen Kennzeichen E. auf der B 72 in F. eine Verkehrsordnungswidrigkeit, indem er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h (nach Toleranzabzug) um 20 km/h überschritt. Auf dem anlässlich dieses Verkehrsverstoßes gefertigten Frontfoto war lediglich das Kennzeichen des Fahrzeugs erkennbar. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens übersandte der Landkreis G. als zuständige Verfolgungsbehörde dem Kläger am 23.01.2012 einen Anhörungsbogen, der u. a. folgende Belehrung enthielt:

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Symbolfoto: ginasanders/Bigstock

„Nach § 55 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) gebe ich Ihnen hiermit Gelegenheit, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Sie sind aber in jedem Fall – auch wenn Sie die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben – verpflichtet, die Angaben zu Ihrer Person im Anhörungsbogen (durch Ausfüllen der Nr. 1 der Rückseite) zu berichtigen oder zu vervollständigen …. Sie sind nicht verpflichtet, zur Sache auszusagen. Äußern Sie sich nicht zur Sache oder erheben Sie Einwendungen gegen den Vorwurf, werde ich entscheiden, ob weitere Ermittlungen vorgenommen werden …. Hat eine andere Person die Ordnungswidrigkeit begangen, teilen Sie bitte innerhalb einer Woche neben Ihren Personalien zusätzlich die Personalien der verantwortlichen Person unter Nr. 3 „Angaben zur Sache“ mit, hierzu sind Sie nicht verpflichtet. ….“

Auf die nachfolgende Aufforderung des Landkreises G. vom 22.02.2012, das am Vorfallstag verwendete Fahrtenschreiberschaublatt zu übersenden, meldete sich am 27.02.2012 der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers zu den Akten und bat vor einer etwaigen Einlassung zur Sache um Akteneinsicht; diese wurde ihm (erst) am 16.05.2012 gewährt. Stattdessen ersuchte der Landkreis G. zunächst die Polizeistation H. um Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers. Diese teilte unter dem 23.03.2012 mit, dass die Halteranschrift am 22.03.2012 aufgesucht, der Kläger dort jedoch nicht angetroffen worden sei. Die Ehefrau des Klägers habe erklärt, dass üblicherweise ihr – seinerzeit ebenfalls nicht vor Ort anwesender – Sohn I. mit dem fraglichen LKW unterwegs sei; zum konkreten Tatvorwurf habe sie allerdings keine Angaben machen können. Der Kläger selbst habe am Folgetag fernmündlich erklärt, dass eine Einlassung ausschließlich über seinen Rechtsanwalt erfolgen werde; dabei habe er sich als nicht kooperativ gezeigt. Daraufhin wurde das gegen den Kläger eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren am 05.04.2012 eingestellt. Anschließend leitete der Landkreis G. wegen des genannten Vorfalls ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Sohn des Klägers ein, das jedoch am 13.06.2012 ebenfalls eingestellt wurde.

Mit Bescheid vom 18.06.2012 – ergänzend erläutert in einem nachfolgenden Schreiben vom 27.06.2012 – wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass der für den Verkehrsverstoß vom 10.01.2012 verantwortliche Fahrer nicht habe ermittelt werden können und die Voraussetzungen des § 31 a StVZO deshalb an sich erfüllt seien; ausnahmsweise sehe er im vorliegenden Fall jedoch von einer Fahrtenbuchauflage ab. Gleichzeitig drohte er dem Kläger an, dass er im Wiederholungsfall mit einer solchen Maßnahme rechnen müsse und setzte für diese Androhung eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 10,20 € fest.

Der Kläger hat hiergegen am 18.07.2012 Klage erhoben und geltend gemacht, dass die Androhung einer Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt sei; demzufolge könne hierfür auch keine Gebühr festgesetzt werden. Die Nichtfeststellbarkeit des verantwortlichen Fahrzeugführers sei nicht auf sein Verhalten, sondern auf die völlig unprofessionelle Bearbeitung der Angelegenheit durch die zuständige Bußgeldstelle zurückzuführen. Anstatt das zunächst gegen ihn eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren fortzuführen und seinem Verfahrensbevollmächtigten die erbetene Akteneinsicht zu gewähren und dessen angekündigte Stellungnahme abzuwarten, habe die Bußgeldstelle dieses Verfahren am 05.04.2012 völlig überraschend eingestellt, obwohl er selbst seine Fahrereigenschaft zu keinem Zeitpunkt bestritten habe und auch seine zwischenzeitlich von der Polizei befragte Ehefrau keine (anderweitigen) Angaben zum konkreten Tatvorwurf habe machen können. Stattdessen sei anschließend aus nicht näher bekannten Gründen ein Verfahren gegen seinen Sohn eingeleitet worden, das dann allerdings kurze Zeit später ebenfalls eingestellt worden sei. Eine derartige, ersichtlich nicht von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragene Ermittlungstätigkeit könne nicht Grundlage für eine gebührenpflichtige Androhung einer Fahrtenbuchauflage sein.

Der Kläger beantragt, die im Bescheid des Beklagten vom 18.06.2012 enthaltene Kostenentscheidung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt aus den Gründen des angefochtenen Bescheides, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage kann nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO).

Die Klage ist zulässig und begründet.

Gemäß § 6 a Abs. 1 Nr. 1 StVG i. V. m. §§ 1 Abs. 1 und 4 Abs. 1 Nr. der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) können nach Maßgabe dieser Gebührenordnung für Amtshandlungen im Bereich des Straßenverkehrsrechts Gebühren von demjenigen erhoben werden, der die Amtshandlung veranlasst hat. Eine in diesem Sinne gebührenpflichtige Amtshandlung, für die eine Festgebühr von 10,20 € zu entrichten ist, stellt gemäß Ziff. 398 des Gebührentarifs zur GebOSt grundsätzlich auch die Androhung der Anordnung einer der im 2. Abschnitt genannten Maßnahmen dar; zu letzteren zählt u. a. die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches (Ziff. 252 des Gebührentarifs). Die – gebührenpflichtige – Androhung einer solchen Maßnahme kommt nach vorherrschender Auffassung dann in Betracht, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt auch die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage als solche gerechtfertigt hätte (vgl. OVG Koblenz, B. v. 19.03.2007 – 7 A 11420/06 -; VG Freiburg, U. v. 02.12.2008 – 4 K 913/06 -; VG Augsburg, U. v. 22.08.2000 – Au 3 K 00.449 –, jew. juris; a. A. bezüglich der Gebührenpflicht: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 31 a StVZO Rn. 9 a m. w. N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Nach § 31 a Abs. 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen die Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Eine „Unmöglichkeit“ in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn die Behörde nach den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist zu ermitteln, obwohl sie alle nach Lage der Dinge angemessenen, zumutbaren und Erfolg versprechenden Ermittlungen angestellt hat (vgl. BVerwG, U. v. 23.04.1971 – VII C 66.70 –, DAR 1972, 26; U. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 –, VRS 64, 466; B. v. 17.07.1986 – 7 B 234.85 –, NJW 1987, 143). Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. BVerwG, B. v. 21.10.1987 – 7 B 162.87 –, VRS 74, 233). An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn dieser den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder keine Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer macht. Der Behörde werden in diesen Fällen weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht zugemutet (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 08.11.2004 – 12 LA 72/04 –, DAR 2005, 231 u. v. 31.10.2006 – 12 LA 463/05 –, VerkMitt 2007 Nr. 6). Insbesondere ist nicht in jedem Fall eine gesonderte Zeugenanhörung geboten; vielmehr ist eine solche Pflicht regelmäßig zu verneinen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Zeugenvernehmung unter keinen Umständen erfolgversprechend gewesen wäre (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 24.04.2012 – 12 ME 33/12 –, juris).

Eine andere Beurteilung ist allerdings geboten, wenn sich aus den Umständen gerade deshalb nicht darauf schließen lässt, eine Zeugenvernehmung sei nicht erfolgversprechend gewesen, weil die Behörde durch ihre Mitteilungen bei dem betreffenden Fahrzeughalter die – irrige – Vorstellung erweckt, er sei zu Angaben zum Fahrer des Fahrzeugs im Vorfallszeitpunkt nicht verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (B. v. 24.04.2012 – 12 ME 33/12 – aaO. unter Verweis auf VGH Mannheim, B. v. 04.08.2009 – 10 S 1499/09 –, NJW 2009, 3802; ebenso B. v. 29.06.2012 – 12 ME 76/12 –, V. n. b.) ist allein der Umstand, dass der Halter die Personalien des Fahrers nicht mitgeteilt hat, nicht geeignet, den Schluss zuzulassen, dass er auch bei einer etwaigen Vernehmung als Zeuge keine Angaben zum Fahrer machen werde, wenn seine Anhörung im Ordnungswidrigkeitenverfahren „mit dem falschen, weil deutlich zu weit gehenden Hinweis verbunden ist, zu dieser Mitteilung sei er nicht verpflichtet“. Die Anhörung des Halters als Zeuge stellt sich in einem solchen Fall noch als erfolgversprechende und der Behörde ohne weiteres zumutbare Aufklärungsmaßnahme dar, die sie zunächst zu ergreifen hat, bevor sie bestimmte Rückschlüsse auf die Mitwirkungsbereitschaft des Halters zieht.

So liegt der Fall auch hier. Der Landkreis G. hat den Kläger in seinem Anhörungsschreiben vom 23.01.2012 zunächst – insoweit zutreffend – darauf hingewiesen, dass er in seiner Eigenschaft als Beschuldigter nicht verpflichtet sei, zur Sache auszusagen. Darüber hinaus hat er den Kläger jedoch für den Fall, dass eine andere Person die Ordnungswidrigkeit begangen haben sollte, aufgefordert, die Personalien der verantwortlichen Person mitzuteilen und diese Aufforderung mit dem Hinweis versehen, dass der Kläger „hierzu nicht verpflichtet sei.“ Damit hat der Landkreis G. den Kläger zugleich als potentiellen Zeugen angesprochen, ihn dann aber unzutreffend über seine diesbezüglichen Mitteilungspflichten belehrt. Denn als Zeuge wäre der Kläger grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet gewesen und hätte nur bei Vorliegen eines Zeugnisverweigerungsrechts Angaben zum Fahrer verweigern dürfen. Allein aus dem Verhalten des Klägers in dem seinerzeit gegen ihn als Beschuldigten geführten Ordnungswidrigkeitenverfahren, sich nur über seinen Verfahrensbevollmächtigten zur Sache einlassen zu wollen, kann daher nicht ohne weiteres geschlossen werden, er wäre auch als Zeuge nicht bereit gewesen, weiterführende Angaben zum Fahrzeugführer zu machen. Von daher kann – anders als im Schreiben des Beklagten an den Bevollmächtigten des Klägers vom 27.06.2012 angedeutet – nicht von einer „von vornherein erkennbar verweigerten Mitwirkung“ des Klägers ausgegangen werden. Vielmehr entsprach sein „Schweigen“ bis zur Einstellung des Verfahrens dem ihm vom Landkreis G. erteilten Hinweis, er sei zur Angabe der Personalien des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht verpflichtet. Angesichts dieser Gesamtumstände ist der Landkreis G. seiner Verpflichtung zu zumutbaren und angemessenen Ermittlungen jedenfalls deshalb nicht nachgekommen, weil er den Kläger über Art und Reichweite seiner Aussagepflichten nicht hinreichend belehrt hat. Demgemäß kommt vorliegend weder der Erlass oder die Androhung einer Fahrtenbuchauflage noch die Erhebung einer Gebühr für die erfolgte Androhung in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i. V. m. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

BESCHLUSS:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10,20 € festgesetzt.

Gründe: Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

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