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Ansammlungsverbot – Zusammenkunft oder Ansammlung – Corona-Pandemie

OLG Hamm – Az.: 4 RBs 3/21 – Beschluss vom 28.01.2021

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (Alleinentscheidung der mitunterzeichnenden Einzelrichterin).

Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung der mitunterzeichnenden Einzelrichterin).

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Lemgo hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Beteiligung an einer Zusammenkunft und Ansammlung im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen nach § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 27.04.2020 zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt.

Das Amtsgericht hat in der Sache folgende Feststellungen getroffen:

„Am 03.05.2020 hielt sich der Betroffene auf dem Parkplatz der Stadtwerke C, in der Nähe des Jugendzentrums, an der V-Straße in C mit zwei weiteren Personen auf. Die Gruppe stand neben einem Pkw eng beisammen, ein Abstand von 1,5 Metern wurde nicht eingehalten. Die Zeugen T und X von dem Wachschutz C2 sahen die drei Personen auf dem Hinweg zu einem Einsatz und auch noch ca. 10-15 Minuten nach Beendigung ihres Einsatzes auf dem Parkplatz beisammen stehen. Der Wachschutz C2 war von der Stadt C beauftragt, den öffentlichen Raum und das Stadtgebiet zu kontrollieren, ggfs. über Verstöße gegen die CoronaSchVO NRW aufzuklären, solche Verstöße festzustellen und zu dokumentieren und auf freiwilliger Basis Personalien zeigen zu lassen. Darüber hinaus sollte die Polizei hinzugezogen werden.

Die Zeugen T und X hielten an, um den Betroffenen auf die Anordnungen der CoronaSchVO NRW hinzuweisen und um ein Aufklärungsgespräch zu führen. Der Betroffene reagierte verbal aggressiv und ein Gespräch war nicht möglich, sodass die Zeugin X die Polizei rief. Daraufhin lief der Betroffene davon, der Zeuge T lief hinterher. Der Betroffene wurde sodann von der nach nur kurzer Zeit eintreffenden Polizei festgehalten, welche die Personalien des Betroffenen aufnahm.“

Die Feststellungen des Amtsgericht stützen sich dabei maßgeblich auf die Bekundungen der Zeugen T und X.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und den Antrag mit einer Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil zuzulassen und sie – nach Zulassung – als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) zuzulassen (vgl. Tenor zu Ziff. 1) und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden zu übertragen (vgl. Tenor zu Ziff. 2, § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG).

Die Rechtsfragen, ob der Ordnungswidrigkeitentatbestand aus § 12 Abs. 1 i. V.m.

§ 16 Abs. 1, 3 Nr. 2 CoronaSchVO NRW (hier und nachfolgend in der Fassung vom 27.04.2020) von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32, 28 IfSG getragen wird, ob die Norm wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig ist und wann eine Ansammlung bzw. Zusammenkunft i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW vorliegt, ist – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden und klärungsbedürftig. Soweit es bereits oberverwaltungsgerichtliche Entscheidungen insbesondere zu der Verfassungsgemäßheit der CoronaSchVO NRW gibt (vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 06.04.2020 – 13 B 398/20.NE -, juris; OVG Münster, Beschluss vom 15.04.2020 13 B 440/20.NE -, juris; OVG Münster, Beschluss vom 19.05.2020 -13 B 557/20.NE -, juris) sind sämtliche Entscheidungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen, bei dem lediglich eine summarische Prüfung vorgenommen worden ist.

Darüber hinaus ist im Hinblick auf die divergierenden Entscheidungen anderer Amtsgerichte (vgl. insbesondere das nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 02.11.2020 -733 OWi -127 Js 75/20- 64/20-) die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die vorgenannten Fragen sind über den entschiedenen Einzelfall hinaus für die Rechtsprechung im Ganzen von Bedeutung.

III.

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a)

Die mit der Rechtsbeschwerde beanstandete Mitwirkung eines abgelehnten Richters muss mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), die jedoch nicht in der gebotenen Form erhoben wurde. Erforderlich ist, dass zumindest der wesentliche Inhalt des Ablehnungsgesuchs und des gerichtlichen Beschlusses mitgeteilt werden (BGH, Beschluss vom 30. November 2005 – 2 StR 462/05 -). Diese Anforderungen erfüllt das Rechtsbeschwerdevorbringen bereits nicht, da auch bei wohlwollender Berücksichtigung des gesamten Vortrags nicht nur unklar ist, auf welches Verhalten der Richterin vor oder während der Hauptverhandlung das Ablehnungsgesuch letztlich gestützt wurde, sondern darüber hinaus eine hinreichende inhaltliche Wiedergabe des gerichtlichen Beschlusses fehlt.

b)

Soweit sich der Betroffene gegen die Verwertung der Aussagen der Zeugen X und T richtet, erweist sich die Rüge ebenfalls als unzulässig. Da es sich bei der Geltendmachung eines Beweisverwertungsverbotes um eine Frage des Verfahrensrechts handelt, ist die Rüge der unzulässigen Verwertung eines Beweismittels durch die Erhebung einer den Anforderungen des § 79 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 08.08.2018 – 2 StR 131/18 -). Dabei sind im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen grundsätzlich so vollständig und genau darzulegen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Rechtsmittelbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden (vgl. BGH, a.a.O.).

Zu diesem vollständigen Sachvortrag gehört bei der Rüge der unzulässigen Verwertung eines Beweismittels insbesondere auch das Vorbringen, ob, ggf. wann und mit welcher Angriffsrichtung der Verwertung der Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung widersprochen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2018 – 5 StR 17/18 -; OLG Hamm, Beschluss vom 11.11.2014 – III-1 RBs 145/14 -; Beschluss vom 22.12.2009 – 1 Ss OWi 960/09 -).

Diesen Anforderungen wird das hiesige Beschwerdevorbringen nicht gerecht. So wird in der Rechtsbeschwerdebegründung lediglich angeführt: „Die Rüge der Beweisverwertung erfolgte zu Recht“. Ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt die Rüge überhaupt im Rahmen der Hauptverhandlung erhoben worden ist, ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht.

Die Rüge ist darüber hinaus auch unbegründet. Denn zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Aussagen der Zeugen jedenfalls keinem Verwertungsverbot unterliegen. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass die unzulässige Übertragung hoheitlichen Handelns hier nicht zu einem so erheblichem Eingriff in die Rechtsgüter des Betroffenen geführt hat, der nach Abwägung der betroffenen Rechtsgüter ein Verwertungsverbot rechtfertigen könnte. Die Zeugen haben lediglich den Versuch eines Aufklärungsgesprächs unternommen und sodann unmittelbar die Polizei informiert. Ein Vorspiegeln polizeilicher oder ordnungsbehördlicher Gewalt lag – anders als in der von dem Betroffenen zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.01.2020 – 2 Ss OWi 963/18 -, juris) – gerade nicht vor.

2.

Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht auf.

a)

Das Amtsgericht ist zu Recht von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 12

Abs. 1 CoronaSchVO NRW ausgegangen.

aa)

Zutreffend hat es § 12 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 27.04.2020 angewandt. Auch wenn der zur Tatzeit geltende § 12 CoronaSchVO NRW bis zum Ablauf des 03.05.2020 befristet und somit zum Zeitpunkt der Entscheidung am 26.10.2020 nicht mehr in Kraft war, steht dies einer Verurteilung auf der Grundlage des zur Tatzeit geltenden § 12 CoronaSchVO NRW nicht entgegen. Gemäß § 4 Abs. 4 OWiG ist ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Der weit zu fassende Gesetzesbegriff umfasst dabei nicht nur Gesetze im formellen, sondern auch im materiellen Sinne und somit auch Rechtsverordnungen (KK-Rogall, OWiG, 5. Auflage 2018, § 4 Rn. 37,38; MüKo/Putzke, EGStPO, 1. Auflage 2018, § 7 Rn. 2).

bb)

Rechtsgrundlage für § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vom 27.04.2020 ist § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020.

Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können gemäß § 32 S. 2 IfSG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 32 S. 1 IfSG durch Rechtsverordnungen auf andere Stellen übertragen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten.

Ein Verstoß der Verordnungsermächtigung gem. §§ 32, 28 Abs. 1 IfSG gegen höherrangiges Recht ist nach Auffassung des Senats nicht gegeben (vgl. hierzu auch OVG Münster, Beschluss vom 06.04.2020 – 13 B 398/20 NE.20, juris Rn. 36ff; Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.03.2020 – 20 CS 20.632 -, juris Rn. 39f; Hessischer VGH Beschluss vom 07.04.2020 – 8 B 892/20.N – ,. juris Rn. 34ff; OVG Bremen, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 B 97/20 -, juris Rn. 24ff, die sämtlich die Verfassungsgemäßheit der Norm bejahen).

Insbesondere ergibt sich aus der Tatsache, dass das mit tiefgreifenden Grundrechtseingriffen verbundene Ansammlungsverbot des § 12 CoronaSchVO NRW im Wege der Rechtsverordnung durch die Exekutive erlassen wurde, kein Verstoß gegen den aus Art. 80 Abs. 1 GG folgenden Parlamentsvorbehalt.

Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Dabei betrifft die Normierungspflicht nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben (sog. Wesentlichkeitsdoktrin). Inwieweit es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstands ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 -, juris, Rn. 39; Urteil vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02 -, juris, Rn. 67f, jeweils m.w.N.).

Auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen ermächtigen, können den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, wobei allerdings die wesentlichen Entscheidungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber erfolgen müssen. Dementsprechend muss die Ermächtigungsgrundlage nach Inhalt, Zweck und Ausmaß im Gesetz bestimmt sein, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Ermächtigungsnorm ihrem Wortlaut nach so genau wie nur irgend möglich gefasst ist. Dabei sind umso strengere Anforderungen an das Maß der Bestimmtheit sowie für Inhalt und Zweck der erteilten Ermächtigung zu fordern, je schwerwiegender die grundrechtsrelevanten Auswirkungen für die von der Rechtsverordnung potentiell Betroffenen sind (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 06.04.2020 – 13 B 398/20 – , juris Rn. 37ff).

Allerdings hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Regelung auch von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Dies kann es auch rechtfertigen, die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf den neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (vgl. OVG Münster, a.a.O., Rn. 42; s. auch BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 2005 – 2 BvF 2/01 -, juris, Rn. 276, und vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 -, juris, Rn. 54 ff., jeweils m. w. N.). Vorliegend ist dabei zu berücksichtigen, dass sich das Infektionsschutzrecht nicht nur durch eine komplexe Regelungsmaterie, sondern insbesondere auch durch seine Vielgestaltigkeit und im Hinblick auf die Dynamik des Infektionsgeschehens durch einen hohen Anpassungsbedarf der gesetzlichen Regelungen an das jeweils konkrete Infektionsgeschehen auszeichnet. Vor diesem Hintergrund ist es dem Gesetzgeber angesichts der Anforderungen und der zeitlichen Dauer eines Gesetzgebungsverfahrens nicht immer möglich, die erforderlichen Schutzmaßnahmen vorauszusehen und diese in der nötigen Geschwindigkeit auf die konkrete Situation angepasst in ein Gesetz zu fassen (vgl. OVG Brandenburg, BeckRS 2020, 31502). Auf diese Dynamik kann die Exekutive aufgrund ihrer Handlungsflexibilität zeitnah reagieren, so dass gewährleistet ist, dass die Behörden bei einer Pandemie flexibel, an die örtlichen Gegebenheiten angepasst und damit effektiver reagieren können (vgl. Merz, COVuR 2021, 14).

Dies zugrundegelegt ist mit § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG, bei dem es sich nach Auffassung des Senats um eine Konkretisierung der in § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG normierten Generalklausel handelt (ebenso OVG Bautzen, BeckRS 2020, 30493 Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2020 31502 Rn.23; Bay. VGH, Beschluss vom 30.03.2020 – 20 CS 20-611, NJW 2020, 1240; Kießling, InfektionsschutzG, 1. Auflage 2020, § 28 Rn. 3; Merz, COVuR 2021, 14, m.w.N.), eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage vorhanden, jegliche Ansammlungen im öffentlichen Raum zu verbieten, um das hohe Risiko der Weiterverbreitung des Coronavirus zu verringern. Soweit auch § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG unter der Beschränkung des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG auf „notwendige Schutzmaßnahmen“ steht, ist das Ausmaß der dem Verordnungsgeber erteilten Rechtsmacht durch den Parlamentsgesetzgeber hinreichend bestimmt (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 06.04.2020, a.a.O., Rn. 54).

cc)

§ 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW findet in § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage.

(1)

Formelle Bedenken gegen das Zustandekommen der CoronaSchVO NRW bestehen nicht. Insbesondere war der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen für den Erlass zuständig. Von der Befugnis des § 32 S. 2 IfSG ist in Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht worden. Durch § 10 ZVO-IfSG hat die nordrhein-westfälische Landesregierung die ihr eingeräumte Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung auf das für Gesundheit zuständige Ministerium übertragen.

(2)

Das für den öffentlichen Raum bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen von mehr als zwei Personen gemäß § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW ist auch materiell rechtmäßig.

Für die Anordnung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen ist es nach § 28 Abs. 1 IfSG erforderlich, aber auch ausreichend, wenn eine übertragbare Krankheit aufgetreten ist, deren Weiterverbreitung verhindert werden soll. Das war vorliegend zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung im März 2020 der Fall, da insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen bereits eine Vielzahl von Infektionsfällen mit dem Coronavirus SARS-CoV -2 bestätigt waren. Dass es sich hierbei um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, unterliegt keinem Zweifel und wird auch im hiesigen Verfahren von dem Betroffenen nicht in Frage gestellt (vgl. auch Robert-Koch Institut, Situationsberichte, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberich-te/Archiv_März.html).

Durch das Ansammlungsverbot des § 12 CoronaSchVO NRW hat der Verordnungsgeber von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen rechtsmäßigerweise Gebrauch gemacht. Insoweit gilt Folgendes:

(a)

Die Begriffe „Zusammenkünfte und Ansammlungen“ im Sinne des § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW werden vom Verordnungsgeber synonym verwendet. Hierfür spricht die teilweise Verwendung nur eines der Begriffe, ohne aber erkennbar eine Abgrenzung zu dem anderen Begriff vornehmen zu wollen, wie beispielsweise in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 der Verordnung. Auch der Bundesgesetzgeber verwendet im Normtext des § 28 Abs. 1 IfSG nur den Begriff „Ansammlungen von Menschen“, versteht hierunter aber „alle Zusammenkünfte von Menschen“ (so der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.).

Was unter dem Begriff der Ansammlung zu verstehen ist, wird allerdings auch im IfSG nicht ausdrücklich definiert.  Ansammlungen wurden in § 43 BSeuchG in der bis zum Jahr 1979 geltenden Fassung beispielhaft beschrieben mit „Veranstaltungen in Theatern, Filmtheatern, Versammlungsräumen, Vergnügungs- oder Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen, sowie die Abhaltung von Märkten, Messen, Tagungen, Volksfesten und Sportveranstaltungen“. Auf diese Aufzählung verzichtete der Gesetzgeber des Jahres 2000, ohne jedoch einzelne dieser Veranstaltungen fortan ausnehmen zu wollen. Er wollte vielmehr durch die offenere Fassung sicherstellen, dass alle Zusammenkünfte von Menschen erfasst werden, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen (BT-Drs. 14/2530, 75).

Nach dem Sprachgebrauch versteht man unter einer Ansammlung das Zusammenkommen einer Mehrzahl von Personen. Auch wenn der Begriff der Ansammlung somit weit zu fassen ist, benötigt man jedenfalls einen inneren Bezug oder eine äußere Verklammerung (vgl. Kießling, a.a.O., § 28 Rn. 37), andernfalls würde jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen im Interesse der individuellen Bedarfsdeckung, wie beim Einkaufen oder auch bei einem bloßen Spaziergang im öffentlichen Raum zu einer verbotenen Ansammlung i.S.d. §12 Abs.1 CoronaSchVO NRW führen. Dies kann nicht der Wille des Verordnungsgebers gewesen sein (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.06.2020 -13 MN 192/20, das den Begriff der Zusammenkunft oder Ansammlung dahingehend auslegt, dass hierunter nur jedes gezielte Zusammensein von Menschen an einem Ort um der kollektiven Ansammlung willen, nicht aber jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen zu verstehen ist). Von der Versammlung ist die Ansammlung dadurch abzugrenzen, dass sich erstere durch den Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung auszeichnet (vgl. BVerfG, NJW 1985, 2395, 2396).

Im Hinblick darauf, dass § 28 Abs.1 S. 1 IfSG den Verordnungsgeber nur zur Anordnung notwendiger Schutzmaßnahmen ermächtigt, soweit und solange dies zur Verhinderung der übertragbaren Krankheit erforderlich ist, setzt eine (bußgeldbewehrte) Zusammenkunft i.S.d. § 12 CoronaSchVO NRW auch das Vorliegen einer räumlichen Komponente voraus. Denn im Falle der verlässlichen Wahrung eines eine Übertragung der Krankheit ausschließenden Mindestabstands ist das Verbot einer Ansammlung nicht mehr zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich (vgl. hierzu auch Merz, a.a.O.). Zwar ist es aus Sicht des Senats nicht geboten, das Vorliegen einer verbotenen Ansammlung i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW an die kumulative Tatbestandsvoraussetzung der tatsächlichen Unterschreitung eines Mindestabstandes von 1,50 Meter zu knüpfen (bejahend AG Reutlingen, Urteil vom 03.07.2020 – 5 OWi 26 Js 12311/20 -, COVuR 2020, 611 für §§ 3 bzw. 9 Corona-VO BW; vgl. auch Merz, a.a.O.). Ein diesbezügliches Erfordernis ergibt sich nicht daraus, dass der Verordnungsgeber in § 12a Abs. 1 CoronaSchVO NRW geregelt hat, dass im öffentlichen Raum zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten ist. Daraus lässt sich nach Auffassung des Senats nicht eine generelle Wertung des Verordnungsgebers dahingehend ableiten, dass bei einem Mindestabstand von 1,5 Metern die Gefahr einer Übertragung zu verneinen sei. Nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, auch zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung, ist die Einhaltung eines Mindestabstandes von 1,5 Metern zwar geeignet, das Infektionsrisiko deutlich zu verringern. Es wird jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen und auch von weiteren Faktoren, wie etwa den konkreten Umständen der Zusammentreffen (außerhalb oder innerhalb geschlossener Räume, Anzahl der Personen etc.) beeinflusst (vgl. hierzu Robert Koch -Institut, Infektionsschutzmaßnahmen, abrufbar unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQListe_Infektionsschutz.html).

Ohnehin begründet das Zusammenkommen mehrerer Personen häufig die Gefahr, dass hinreichende Mindestabstände – wenngleich auch häufig unbeabsichtigt – gerade nicht verlässlich eingehalten werden. Daher bedarf es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einer dahingehenden Einschränkung, dass eine verbotene Ansammlung i.S.d. § 12 CoronaSchVO NRW dann nicht vorliegt, wenn eine derartig deutliche räumliche Trennung bzw. Distanz besteht, aufgrund derer von vorneherein die typische Gefahr der Unterschreitung eines ein Infektionsrisiko ausschließenden Mindestabstands zu verneinen ist.

(b)

Soweit § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW Ansammlungen und Zusammenkünfte nach der vorgenannten Auslegung bereits ab einer Personenzahl von mehr als zwei Personen verbietet, ist dies nach Auffassung des Senats ebenfalls von der Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG gedeckt. Wie auch von der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, BeckRS, 2020, 9803; OVG Lüneburg, BeckRS 12899) und in der Literatur (Siegel, NVwZ 2020, 577; Kießling, a.a.O., § 28 Rn. 39; Merz, a.a.O. m.w.N.) anerkannt, umfasst der Begriff der Ansammlung in § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG jegliche Ansammlung, ohne dass es sich um solche einer größeren Anzahl von Menschen handeln muss.

In der amtsgerichtlichen Rechtsprechung wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, der Begriff der Ansammlung im Sinne von § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG sei dahingehend auszulegen, dass für eine Ansammlung eine größere Anzahl von Menschen erforderlich sei (vgl. hierzu AG Dortmund, Urteil v. 02.11.2020 – 733 OWi 127 Js 75/20-64/20  – , bislang nicht rechtskräftig). Dies ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber bei der Änderung des Wortlautes des § 28 IfSG mit der Streichung der Formulierung „einer größeren Anzahl“ keine inhaltliche Änderung des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG habe vornehmen wollen, so dass bei der Auslegung des Begriffes der Ansammlung nach wie vor davon auszugehen sei, dass hierfür eine größere Anzahl von Menschen erforderlich sei und eine Ansammlung von drei Personen daher noch nicht als Ansammlung im Sinne von § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG angesehen werden könne (vgl. AG Dortmund, a.a.O.). Dieser Auffassung ist jedoch nach Ansicht des Senats nicht zu folgen. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung aus Anlass der Änderung des Wortlauts des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG, dass es sich um eine Anpassung „aus Gründen der Normenklarheit handelt“ (vgl. BT-Drs.19/18111, S. 24), lässt nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe mit der vorbezeichneten Streichung keine inhaltliche Änderung des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG vornehmen wollen (so auch Merz, a.a.O.). Denn eine Änderung aus Gründen der Normenklarheit schließt eine inhaltliche Änderung keineswegs aus, weil die Notwendigkeit, eine Norm im Hinblick auf ihre Bestimmtheit und Verständlichkeit anzupassen, auch eine inhaltliche Änderung erfordern kann (vgl. Merz, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung in der Gesetzesbegründung vielmehr so zu verstehen, dass der Gesetzgeber den Begriff der Ansammlung dahingehend konkretisieren wollte, dass es hierfür einer unbestimmten größeren Menge von Mensche n gerade nicht bedarf (vgl. ausführlich Merz, a.a.O.; im Ergebnis auch Rau, in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Auflage 2020, § 19 Straf- und Strafprozessrecht, Rn. 23).

Nicht zuletzt wird die Auslegung, dass bereits eine Menschenmenge von mindestens drei Personen vom Begriff der „Ansammlung des § 28 Abs. 1 S 2 erfasst ist, vom Wortlaut dieses Begriffs gedeckt. Wie bereits ausgeführt ist nach dem Sprachgebrauch unter dem Begriff „Ansammlung“ lediglich eine Mehrzahl von Personen zu verstehen, ohne dass es sich um eine größere Anzahl von Personen handeln muss (vgl. Merz, a.a.O.; Sachs/Höfling, GG, 8. Auflage 2018, Art. 8 Rn. 13).

(c)

Der Umstand, dass die verfahrensgegenständliche Regelung die gesamte Bevölkerung, die sich im Geltungsbereich der Verordnung aufhält, in Anspruch nimmt, steht ihrer Rechtmäßigkeit ebenfalls nicht entgegen. Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde gerade nicht dahin, dass Schutzmaßnahmen allein gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen vielmehr gegenüber einzelnen wie auch mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht jedenfalls der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahren- und Abwehrrechts als „Störer“ anzusehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.12.2020 – 13 MN 569/20 -, juris). Aber auch Dritte („Nichtstörer“) können nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie selbst vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, NJW 2012, 2823, 2826; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.12.2020 – 13 MN 569/20).

Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht maßgeblich ist allein der Bezug der durch die konkrete Maßnahme in Anspruch genommenen Person zur Infektionsgefahr. Dabei gilt für die Gefahrenwahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen zu erfassender Maßstab. Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglichweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen  (§§ 1 Abs. 1, 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen unterschiedlich gefährlich sind (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.12.2020, a.a.O.). Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion sogar zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen kann, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass bereits die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt.

Zudem erlaubt § 28 Abs. 1 IfSG auch Maßnahmen gegenüber Dritten (sog. „Nichtstörer“), wenn ein Tätigwerden allein gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern (sog. „Störern“) eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16/11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; OVG Münster, Beschluss vom 06.04.2020, a.a.O., juris, Rn. 70). So verhält es sich hier schon deshalb, weil aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist, da eine Übertragung des Virus durch eine infizierte Person schon mehrere Tage vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden kann (vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neu-artiges_Coronavirus/Steckbrief.html).

(d)

Die Regelung des §  12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW entspricht schließlich auch dem in § 28 Abs. 1 IfSG zum Ausdruck kommenden Gebot strikter Verhältnismäßigkeit.

Die Beschränkungen in Form des zum Tatzeitpunkt geltenden Ansammlungsverbots waren geeignet, den damit gewünschten Erfolg – die Verhinderung der Verbreitung einer ansteckenden Krankheit – zu erreichen. Denn nach den einschlägigen fachwissenschaftlichen Erkenntnissen können durch eine Reduzierung des unmittelbaren persönlichen Kontaktes zu anderen Personen die Ausbreitung des sich insbesondere im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus jedenfalls verlangsamt und damit die Infektionsdynamik verzögert werden (vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit- 2019 (COViD-19) Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/nneuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html).

Darüber hinaus war das Ansammlungsverbot auch erforderlich. Ein milderes, den Grundrechtsträger weniger belastendes Mittel war im Geltungszeitraum der hiesigen Verordnung nicht gegeben. In Anbetracht der hohen Infektiosität bereits vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen erfolgt ein hoher Anteil von Übertragungen unbemerkt, so dass diese durch eine Verhaltensänderung der Betroffenen allein nicht wirksam verhindert werden können (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 19.05.2020 -13 B 557/20.NE, BeckRS 2020, 9803 Rn. 52). Zudem handelt es sich bei einem Ansammlungsverbot im Vergleich etwa zu einer Ausgangsbeschränkung ersichtlich um das mildere Mittel.

Schließlich war die Beschränkung von Ansammlungen im öffentlichen Raum gemäß § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW mit Blick auf den vom Verordnungsgeber verfolgten Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter und die – gerade zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 – von zahlreichen Unbekannten gekennzeichnete und stetig fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnislage auch angemessen. Zwar führte das Ansammlungsverbot zu Grundrechtseinschränkungen erheblicher Intensität, wobei in erster Linie das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen war. Im Rahmen der gebotenen Abwägung ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine vollständige Beschränkung der sozialen Kontakte handelte, sondern das Verbot nur Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum betraf. Treffen mit mehr als zwei Personen in häuslicher Umgebung waren nicht verboten. Auch sind Ansammlungen, wie bereits oben ausgeführt, nicht verboten worden, sofern diese aufgrund der räumlichen Gegebenheiten von vornherein keine Infektionsgefahr begründeten.

Zudem wurde die Eingriffsintensität durch die in § 12 Abs. 1 S. 2 CoronaSchVO NRW enthaltenen Ausnahmen erheblich abgemildert (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 19.05.2020, a.a.O., Rn. 57). Schließlich erfolgte eine zeitliche Begrenzung der Maßnahme durch eine Befristung auf wenige Wochen, wodurch die Beobachtungs- und Prüfungspflicht des Verordnungsgebers gewährleistet wurde (vgl. hierzu Merz, a.a.O.).

dd)

Die auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.

(1)

Zutreffend ist das Amtsgericht für den vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass das Treffen unter Beteiligung des Betroffenen auf dem Parkplatz der Stadtwerke eine Ansammlung i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW darstellt. Die oben genannten Voraussetzungen eines Zusammenkommens von mehr als 2 Personen liegen hier unzweifelhaft vor. Öffentlich ist unter Heranziehung der Grundsätze des Straßenverkehrs- und Versammlungsrechts jeder Raum, der für die Öffentlichkeit frei zugänglich, für den also ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.07.2020 – 13 MN 280/20 – , juris, Rn. 26, m.w.N.). Auch private Grundstücke, die von jedermann betreten werden können, zählen deshalb zum öffentlichen Raum, z.B. Parkhäuser, Parkplätze (vgl. Rau, in: Schmidt, COVID 19, a.a.O., § 19 Rn. 21). Bei dem Parkplatzgelände der Stadtwerke handelte es sich vorliegend um eine solche Örtlichkeit, die dem Zutritt durch die Allgemeinheit eröffnet war.

Zwar hat das Amtsgericht eine nähere Darlegung versäumt, anhand welcher – möglichst objektivierbarer – Umstände (z. B. durch vergleichende Entfernungsangaben zu Gebäuden, Fahrzeugen o. ä. oder auch durch den schlichten Hinweis auf etwa „eine Körperlänge“) festgestellt worden ist, dass der Betroffene und die weiteren Personen „einen Abstand von 1,5 m nicht eingehalten“ haben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe geht allerdings für den Senat noch ausreichend hervor, dass bei einem „engen Beisammenstehen neben einem Pkw“ fest davon ausgegangen werden kann, dass jedenfalls kein Abstand eingehalten worden ist, der ein Infektionsrisiko von vornherein sicher ausgeschlossen hätte.

Ein Ausnahmetatbestand gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 CoronaSchVO NRW lag nach den Urteilsfeststellungen unzweifelhaft nicht vor.

(2)

Soweit das Amtsgericht lediglich von einer fahrlässigen Tatbegehung statt einer vorsätzlichen ausgegangen ist, ist der Betroffene hierdurch jedenfalls nicht beschwert. Der Senat weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass es für das Vorliegen des Vorsatzes nicht entscheidend darauf ankommt, ob dem Betroffenen das Verbot, sich mit mehr als einer weiteren Person im öffentlichen Raum zu treffen, bekannt war. Ein etwaiger Irrtum über die bestehenden Regelungen könnte allenfalls zu einem Verbotsirrtum gemäß § 11 Abs. 2 OWiG führen, der jedoch den Vorsatz nicht ausschließt (vgl. Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 11 Rn. 19).

b)

Der Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts weist ebenfalls keine Rechtsfehler auf.

Dass die nordrhein-westfälische Landesregierung von der Befugnis des §  32 S. 2 IfSG Gebrauch gemacht und durch § 10 ZVO-IfSG die ihr eingeräumte Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung auf das für Gesundheit zuständige Ministerium übertragen hat, steht der Einordnung eines Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW als Ordnungswidrigkeit (§ 16 Abs. 3 CoronaSchVO NRW) nicht entgegen. Der Gebrauch der Delegationsmöglichkeit des § 32 S.2 IfSG berührt nicht das Vorliegen einer Rechtsverordnung i.S.d. § 32 S. 1 IfSG, so dass allein dessen Aufzählung in § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG ausreicht.

Die Höhe der verhängten Geldbuße ist nicht zu beanstanden.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Berichtigungsbeschluss vom 2. März 2021

Wegen eines offensichtlichen Schreibversehens wird der Senatsbeschluss vom 28.01.2021, mit dem die Rechtsbeschwerde des Betroffenen – nach ihrer Zulassung und Übertragung der Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden – als unbegründet verworfen worden ist, dahingehend berichtigt, dass der Beschluss unter dem 28.01.2021 datiert.

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