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Absehen von Fahrverbotsverhängung bei atypischem Rotlichtverstoß

Atypischer Rotlichtverstoß: Kein Fahrverbot trotz Missachtung der Ampel

In einem Fall von fahrlässiger Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage hat das Amtsgericht Büdingen entschieden, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen und stattdessen eine Geldbuße von 90 Euro zu verhängen. Der Betroffene, ein Rechtsanwalt, fuhr in einen durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich für Fußgänger ein, während die Ampel bereits länger als eine Sekunde Rot zeigte.

Das Gericht wertete den Vorfall als atypischen Rotlichtverstoß, da der Betroffene nur teilweise und mit langsamer Geschwindigkeit in den geschützten Bereich einfuhr und keine Fußgänger gefährdet wurden. Es wurde berücksichtigt, dass die Fußgänger die Straße bereits verlassen hatten und der Betroffene sich der Situation bewusst war. Das Verhalten wurde nicht als qualifizierter Rotlichtverstoß eingestuft, der üblicherweise ein Fahrverbot nach sich zieht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 60 OWi – 901 Js 16834/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Amtsgericht Büdingen entscheidet auf Geldbuße von 90 Euro statt Fahrverbot für fahrlässige Missachtung des Rotlichts.
  2. Der Fall wird als atypischer Rotlichtverstoß gewertet; keine Fußgänger gefährdet.
  3. Betroffener fuhr teilweise und mit langsamer Geschwindigkeit in den geschützten Bereich ein.
  4. Situation bewusst genutzt, da bekannt war, dass keine Fußgänger anwesend waren.
  5. Kein qualifizierter Rotlichtverstoß, daher kein Fahrverbot.
  6. Berücksichtigung der Ortskenntnis des Betroffenen und der konkreten Verkehrssituation.
  7. Verantwortungsbewusstsein des Betroffenen trotz Fehlverhaltens anerkannt.
  8. Schutz der Fußgänger steht im Vordergrund, aber Sonderfall gerechtfertigt.

Rotlichtverstoß: Atypischer Fall und mögliche Folgen

Rotlichtverstöße zählen zu den häufigsten Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Doch was passiert, wenn ein solcher Verstoß nicht dem typischen Muster entspricht? In manchen Fällen kann es zu einer atypischen Beurteilung kommen, die Auswirkungen auf die Höhe des Bußgeldes und die Frage nach einem Fahrverbot haben kann.

Im Straßenverkehr gilt die Missachtung einer roten Ampel als schwerwiegender Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. In der Regel hat dies ein Bußgeld und oft auch ein Fahrverbot zur Folge. Doch es gibt Situationen, in denen ein Rotlichtverstoß nicht den üblichen Regeln folgt und somit als atypischer Fall eingestuft wird. In diesem Zusammenhang kann es zu abweichenden Entscheidungen bezüglich der Sanktionen kommen. In diesem Beitrag beleuchten wir die Besonderheiten solcher Fälle und die möglichen Auswirkungen auf die betroffenen Verkehrsteilnehmer.

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Kein Fahrverbot trotz Missachtung der Ampel – Das Urteil

atypischer Rotlichtverstoß
Ein atypischer Rotlichtverstoß bezieht sich auf das Überfahren einer roten Ampel, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden oder zu behindern, und wenn die Rotlichtphase ungewöhnlich lang andauert. (Symbolfoto: ako photography /Shutterstock.com)

Am Morgen des 10. März fuhr ein Rechtsanwalt und deutscher Staatsangehöriger in Büdingen mit seinem PKW bei rot über eine Ampel, um in eine stark befahrene Straße einzubiegen. Sein Manöver, das er unter Berücksichtigung der freien Fahrbahn und ohne Gefährdung von Fußgängern ausführte, endete damit, dass Teile seines Fahrzeugs den für Fußgänger geschützten Bereich berührten. Diese Aktion führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die beim Amtsgericht Büdingen unter dem Aktenzeichen 60 OWi – 901 Js 16834/22 verhandelt wurde.

Der Verkehrsvorfall und seine Folgen

Der Betroffene, ein erfahrener Jurist ohne Eintragungen im Fahreignungsregister, nutzte eine kurze Rotphase, um in die vorfahrtsberechtigte Straße abzubiegen. Dabei überfuhr er teilweise eine gestrichelte Linie, die den geschützten Bereich für Fußgänger markiert, ohne jedoch die eigentliche Haltelinie zu überqueren. Dieses Verhalten führte zu einer polizeilichen Kontrolle und anschließenden Verurteilung zu einer Geldbuße in Höhe von 90 Euro. Die rechtliche Grundlage bildeten §§ 37 Abs. 2, 49 StVO sowie § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG und Nr. 132 des Bußgeldkatalogs.

Rechtliche Bewertung eines atypischen Falls

Die Besonderheit dieses Falles lag in der Beurteilung als atypischer Rotlichtverstoß durch das Gericht. Obwohl der Betroffene die Rotlichtphase missachtete, wurden sein langsames Einfahren in den geschützten Bereich und die Tatsache, dass keine Fußgänger gefährdet wurden, als mildernde Umstände gewertet. Der Richter entschied daher gegen die Verhängung eines Fahrverbots, das normalerweise bei Rotlichtverstößen nach Nr. 132.3 des Bußgeldkatalogs fällig wäre.

Die Entscheidungsfindung des Gerichts

Die Entscheidung des Gerichts basierte auf einer sorgfältigen Abwägung der Umstände. Insbesondere die gute Sichtbarkeit der Straßensituation für den Betroffenen und die Tatsache, dass er sich vergewissert hatte, dass keine Personen gefährdet werden, spielten eine entscheidende Rolle. Das Gericht folgte nicht der Darstellung der Polizei in Gänze, sondern nahm auch die Erklärungen des Betroffenen und die von ihm vorgelegten Beweismittel zur Kenntnis. Letztlich war die Entscheidung geprägt von der Anerkennung, dass nicht jeder Rotlichtverstoß automatisch ein Fahrverbot nach sich ziehen muss, insbesondere wenn besondere Umstände die Situation prägen.

Die Bedeutung der Einzelfallprüfung

Das Urteil unterstreicht die Wichtigkeit einer Einzelfallprüfung und der Berücksichtigung aller relevanten Umstände. Obwohl der Betroffene technisch die Verkehrsregeln missachtete, erkannte das Gericht an, dass sein Verhalten keine typische, gefährliche Missachtung des Rotlichts darstellte. Die Entscheidung zeigt auf, wie wichtig es ist, den Kontext eines Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob ein Fahrverbot eine angemessene Sanktion ist.

Das Gericht legte damit fest, dass die Verkehrssicherheit oberste Priorität hat, aber gleichzeitig Raum für eine differenzierte Betrachtung einzelner Fälle bleibt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe, unter Verzicht auf ein Fahrverbot, spiegelt diesen Grundsatz wider und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Betroffene zwar die Regeln brach, jedoch ohne jemanden zu gefährden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird ein atypischer Rotlichtverstoß definiert?

Ein atypischer Rotlichtverstoß liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände selbst eine abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer völlig ausgeschlossen ist oder wenn die üblicherweise mit einem Rotlichtverstoß verbundene Gefährdungslage nicht gegeben ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Fahrer aufgrund eines Augenblicksversagens, wie dem sogenannten Mitzieheffekt, bei dem der Fahrer irrtümlich annimmt, dass seine Ampel ebenfalls Grün zeigt, weil ein benachbarter Fahrstreifen freigegeben wurde, die rote Ampel überfährt.

Die Rechtsprechung erkennt solche atypischen Rotlichtverstöße an und kann in diesen Fällen von den üblichen Sanktionen abweichen. Das bedeutet, dass in bestimmten Fällen, trotz eines Rotlichtverstoßes, von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, wenn die Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat beispielsweise entschieden, dass das Verwechseln der Lichtzeichen mehrerer Fahrstreifen keinen atypischen Rotlichtverstoß darstellt.

Die Feststellung, ob ein atypischer Rotlichtverstoß vorliegt, erfolgt durch die Gerichte auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Dabei müssen alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden, wie die Verkehrssituation zum Zeitpunkt des Verstoßes und das Verhalten des Fahrers.

Wie wird die Gefährdung von Fußgängern bei Rotlichtverstößen bewertet?

Die Bewertung der Gefährdung von Fußgängern bei Rotlichtverstößen ist ein wichtiger Aspekt im Verkehrsrecht, da Fußgänger zu den besonders schutzbedürftigen Verkehrsteilnehmern gehören. Bei der Beurteilung eines Rotlichtverstoßes wird zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Rotlichtverstoß unterschieden. Ein einfacher Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die Ampel beim Überfahren maximal eine Sekunde rot zeigt. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß ist gegeben, wenn die Ampel bereits länger als eine Sekunde Rot anzeigt.

Die Gefährdung von Fußgängern spielt insbesondere bei der Ahndung von qualifizierten Rotlichtverstößen eine Rolle. Wird durch das Überfahren einer roten Ampel der freigegebene Fußgänger- oder Radverkehr behindert, sieht der Bußgeldkatalog ein Bußgeld von 100 Euro vor. Kommt es zu einer Gefährdung des freigegebenen Fußgänger- oder Radverkehrs, erhöht sich das Bußgeld auf 150 Euro. In beiden Fällen wird zudem ein Punkt in Flensburg vermerkt.

Die rechtlichen Konsequenzen für Rotlichtverstöße sind also nicht nur von der Dauer der Rotphase abhängig, sondern auch davon, ob durch das Verhalten des Verkehrsteilnehmers eine konkrete Gefährdung für andere, insbesondere für Fußgänger, entstanden ist. Die Bewertung der Gefährdung und die Feststellung, ob eine solche vorliegt, erfolgt im Einzelfall und kann von verschiedenen Faktoren, wie der Verkehrssituation und dem Verhalten der beteiligten Personen, abhängen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Sicherheit von Fußgängern im Straßenverkehr eine hohe Priorität hat. Daher werden Verstöße, die eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer darstellen, entsprechend streng geahndet, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Einhaltung von Ampelsignalen zu schärfen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • §§ 37 Abs. 2, 49 StVO: Diese Paragraphen regeln die Bedeutung von Lichtsignalen und die Folgen ihrer Missachtung im Straßenverkehr. Im konkreten Fall geht es um das Ignorieren eines roten Lichtsignals, was als Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung gewertet wird und zu Sanktionen führt.
  • § 24 Absatz 1, 3 Nr. 5 StVG: Dieser Paragraph definiert die rechtlichen Grundlagen für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, speziell bei Missachtung der Lichtzeichenanlage. Er erklärt, unter welchen Bedingungen ein Bußgeld verhängt werden kann.
  • Nr. 132 Bußgeldkatalog: Der Bußgeldkatalog listet die Sanktionen für Verkehrsordnungswidrigkeiten auf, inklusive der spezifischen Regelungen für Rotlichtverstöße. Hier wird detailliert, welche Bußgelder und Fahrverbote für welche Art von Rotlichtverstoß vorgesehen sind.
  • Atypischer Rotlichtverstoß: Der Begriff bezieht sich auf Fälle, bei denen die Umstände des Rotlichtverstoßes von den üblichen Fällen abweichen. Solche Besonderheiten können die Sanktionen beeinflussen und möglicherweise mildere Strafen rechtfertigen.
  • Fahrlässige Missachtung des Rotlichts: Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Verstoß nicht vorsätzlich erfolgte. Im Kontext des Urteils wurde der Betroffene für das unbeabsichtigte Missachten des Rotlichts verantwortlich gemacht.
  • Verfahrenskosten und Auslagen: Die Verurteilung zu den Kosten des Verfahrens und eigenen Auslagen ist eine übliche rechtliche Konsequenz, die den Verursacher eines Verstoßes dazu verpflichtet, neben möglichen Bußgeldern auch die entstandenen Gerichts- und Verwaltungskosten zu tragen.


Das vorliegende Urteil

AG Büdingen – Az.: 60 OWi – 901 Js 16834/22 – Urteil vom 19.10.2022

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage zu einer Geldbuße i.H.v. 90 € verurteilt.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften: §§ 37 Abs. 2, 49 StVO; § 24 Absatz 1, 3 Nr. 5 StVG; Nr. 132 Bußgeldkatalog.

Gründe

I.

Der 53 Jahre alte Betroffene ist deutscher Staatsangehöriger und verheiratet. Von Beruf ist er Rechtsanwalt. Das Fahreignungsregister enthält über den Betroffenen keine Eintragungen.

II.

Der Betroffene wohnt in der … in … . Am 10.03.20.. gegen 7:26 Uhr fuhr der Betroffene mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … von dieser Adresse los. Er wollte dabei nach links in die … Straße abbiegen. An dieser Stelle, wo die … in die … Straße mündet, befindet sich auf der … Straße eine Lichtzeichenanlage (Fußgängerampel). Diese zeigte zu diesem Zeitpunkt für beide Richtungen auf der … Straße rot an. Der Zeuge POK … befuhr mit einer Kollegin zu diesem Zeitpunkt mit einem Streifenwagen die … Straße in südliche Richtung. Der Streifenwagen kam hinter einem Fahrzeug zum Stehen, das bereits vor der Haltelinie der rot zeigenden Lichtzeichenanlage stand. Der Abstand zwischen der Haltelinie und dem für Fußgänger geschützten Bereich (gestrichelte Linie) beträgt ca. 2,50 m. Aus der Gegenrichtung (Süden) kommend standen bereits ebenfalls zwei Fahrzeuge vorschriftsmäßig an der dortigen Haltelinie. Die Startstoppautomatik des Streifenwagens schaltete den Motor aus. Der Betroffene wollte die Rotphase nutzen, um in die an sich vorfahrtsberechtigte … Straße einzufahren. Aufgrund des zu dieser Zeit regelmäßig herrschenden hohen Verkehrsaufkommens ist es grundsätzlich problematisch von der … kommend in die … Straße einzufahren. Die Lichtzeichenanlage zeigte bereits deutlich länger als eine Sekunde rot, als der Betroffene mit seinem Fahrzeug auf die … Straße einbog. Weil dem Betroffenen die Örtlichkeit und das hohe Verkehrsaufkommen zu dieser Zeit gut bekannt sind und auch seine eigenen Kinder des Betroffene zu diesem Zeitpunkt in unmittelbarer Nähe auf dem Weg zum Bus waren, vergewisserte er sich, dass keine Personen auf der Fahrbahn waren. Der Betroffene fuhr mit Teilen seines Fahrzeuges in den für Fußgänger geschützten Bereich der Lichtzeichenanlage ein. Dabei überfuhr er die gestrichelte Linie die den für Fußgänger geschützten Bereich kennzeichnet. Er wollte allerdings noch vor dem geschützten Bereich (also zwischen Haltelinie und der gestichelten Linie) mit seinem Fahrzeug zum Stehen kommen, was nicht gelang. Dies hätte er bei hinreichender Aufmerksamkeit erkennen und vermeiden können. Die Haltelinie überfuhr der Betroffene dabei zuvor nicht, da die Vordergasse etwa in Höhe der Haltelinie in die … Straße mündet.

III.

Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der in der Hauptverhandlung verwerteten Beweismittel.

Die Feststellung zur Person beruhen auf den glaubhaften Angaben des Betroffenen.

Zur Sache hat der Betroffene sich dahin eingelassen, dass der polizeiliche Vermerk des Zeugen … so nicht richtig sei. Er sei nicht aufgebracht gewesen. Er habe sich über sich selbst geärgert, weil die Kontrolle ca. 20 Minuten gedauert habe, da er seinen Kfz Schein nicht gefunden habe. Er habe gefragt, was Anlass der Kontrolle sei. Daraufhin habe die Polizeibeamtin auf den Boden geschaut. Der Zeuge … habe ihm dann einen Rotlichtverstoß vorgeworfen. Die Ampel sei bestimmt schon 8-10 Sekunden auf Rot gewesen. Fußgänger seien längst keine mehr auf der Straße gewesen. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens zu dieser Zeit, komme man dort aus der … nur sehr schlecht heraus. Die Fahrzeuge würden dort meist schneller als die erlaubten 30 km/h fahren. Er habe Blickkontakt mit dem ersten Fahrzeugführer, der direkt vor der Haltelinie gestanden habe, gehabt. Diese habe ihn reingewunken. Er sei dann langsam eingefahren, habe aber die gestrichelte Linie nicht überfahren. Dies könnten seine beiden Kinder, die sich in der Nähe aufhielten, sogar bestätigen. Nach seiner Erinnerung hätten vor dem Polizeifahrzeug noch 2 weitere Fahrzeuge gestanden. Ärgerlich sei gewesen, dass er erst im … angehalten worden sei. Die Verkehrskontrolle habe dort ein Chaos angerichtet, da auch noch der Schulbus mit den Kindern an dieser Engstelle aufgrund der Verkehrskontrolle habe warten müssen.

Anhand der von ihm vorgelegten und in Augenschein genommenen Lichtbilder (Bl. 29, 30, 31, 32, 33 d. A.) hat der Betroffene nachvollziehbar erläutert, dass er eine Gefährdung von Personen aufgrund der Übersichtlichkeit der Örtlichkeit an der Lichtzeichenanlage ausschließen konnte. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Lichtbilder verwiesen und sie werden zum Gegenstand des Urteils gemacht. Darauf ist zu erkennen, dass der gesamte Bereich um die Lichtzeichenanlage aus Sicht des Betroffenen kommend gut einzusehen ist und Fußgänger gut zu sehen sind, bevor sie die Straße an dieser Stelle überqueren. Unter anderem auf dem Lichtbild Bl. 29 sind die Lichtzeichenanlage mit deren geschützten Bereich sowie auch die Haltelinien und auch der Abstand zwischen Haltelinie und geschützten Bereich, der ca. 2,50 m beträgt, gut zu erkennen.

Der Zeuge POK … bestätigte im Wesentlichen die Angaben in dem ihm vorgehaltenen Vermerk vom 10.03.2022 (Bl. 7 Rückseite, 8 der Akte). Ein Auto habe an der Lichtzeichenanlage vor ihm vor der Haltelinie gestanden und zwei weitere Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Seite vor der Haltelinie. Fußgänger seien bereits vorübergegangen. Der Betroffene sei mit dem … dann quer auf die Straße gefahren. Die von ihm angefertigte Skizze (Bl. 8 Rückseite der Akte) sei nicht maßstabsgetreu, sie solle lediglich zur Verdeutlichung dienen. Die vom Betroffenen vorgelegten Lichtbilder (Bl. 29-33 der Akte) würden die Örtlichkeit authentisch wiedergeben. Auf der … Straße gelte Tempo 30.

Wegen der Einzelheiten wird auf diese Skizze (Bl. 8 Rückseite der Akte) verwiesen und sie werden zum Gegenstand des Urteils gemacht.

Er könne nicht sicher sagen, wie weit der Betroffene über die gestrichelte Linie gefahren sei. Er sei aber in jedem Fall etwas über die Linie gefahren. Ob es mit der Hälfte des Fahrzeugs oder weniger gewesen sei, wisse er nicht mehr. Der Betroffene sei an der Haltelinie vorbeigefahren, nicht darüber, da dort ja ein Fahrzeug vor der Haltelinie gestanden habe. Der Betroffene sei nicht schnell gefahren. Ob der Betroffene von dem Führer des ersten Fahrzeugs an der Haltelinie reingewunken worden sei, könne er nicht sagen. Kinder hätten die Straße bereits geräumt. Die Ampel würde lange relativ lange auf Rot für Autos stehen. Aufgrund des Verstoßes sei der Betroffene dann einer Verkehrskontrolle unterzogen worden.

Das Gericht folgt im Wesentlichen der Aussage des Zeugen … . Dieser hat zeitnah einen Vermerk gefertigt und konnte sich auch noch gut an das wesentliche Geschehen erinnern, auch wenn er nicht sagen konnte, wie weit der Betroffene die gestrichelte Linie überfuhr. Der Zeuge konnte von seinem Fahrzeug aus sowohl das Fahrzeug des Betroffenen als auch den für Fußgänger geschützten Bereich sehen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Zeuge sich bezüglich des Befahrens der Linie getäuscht hat oder gar bewusst die Unwahrheit sagen würde. Insofern folgt das Gericht nicht der Einlassung des Betroffenen. Zum einen ist es in dieser konkreten Situation, in der der Betroffene auf den Fahrzeugverkehr und auch auf mögliche Fußgänger achten musste, nicht einfach, exakt zu beurteilen, ob man eine Linie etwas überfahren hat oder noch davor zum Stillstand gekommen ist. Dies gilt besonders, weil die Linie, wenn man sich unmittelbar davor befindet, aus dem Fahrzeug heraus, zumindest, wenn man sich fast quer zur Linie nähert, nicht ohne weiteres zu sehen ist. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass der Betroffene sich mit seiner Einlassung entlasten will. Dass die Lichtzeichenanlage bereits seit deutlich mehr als eine Sekunde Rotlicht zeigte, bekundeten sowohl der Zeuge als auch der Betroffene selbst. Dass der Betroffene von dem Fahrzeugführer des Fahrzeuges, das unmittelbar an der Haltelinie wartete, hereingewunken wurde, konnte der Zeuge zwar nicht bestätigen. Er konnte es aber auch nicht ausschließen. Insofern kann dies nicht ausgeschlossen werden, zumal es durchaus plausibel wäre, wenn der Betroffene erst nach einem entsprechenden Zeichen in die vorfahrtsberechtigte Straße eingebogen wäre. Dass der Betroffenen nicht bewusst in den geschützten Bereich einfuhr, ergibt sich aus dessen Einlassung, die durch die Lichtbilder gestützt wird. Aus der Aussage des Zeugen … ergibt sich nicht, dass der Betroffene die Linie bewusst überfahren haben muss.

IV.

Indem der Betroffene zumindest mit Teilen seines Fahrzeugs in den durch die Lichtzeichenanlage für Fußgänger geschützten Bereich einfuhr, während die Lichtzeichenanlage für ihn Rotlicht zeigte, hat er sich der fahrlässigen Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage gemäß §§ 37 Abs. 2, 49 StVO; § 24 Absatz 1, 3 Nr. 5 StVG, Nr. 132 Bußgeldkatalog schuldig gemacht. Dass der Betroffene nur teilweise und auch nicht schnell in den geschützten Bereich eingefahren ist und darüber hinaus keine Fußgänger in der Nähe waren und gefährdet werden konnten, lässt diesen Tatbestand nicht entfallen. Insbesondere zum Schutz der Fußgänger ist ein solches Verhalten nicht zu dulden und zu recht mit Bußgeld bewehrt.

Allerdings ist vorliegend aufgrund eines atypischen Rotlichtverstoßes nicht von dem grundsätzlich gegebenen Regelfall der Nr. 132.3 des Bußgeldkataloges auszugehen. Zwar zeigte die Lichtzeichenanlage zum Zeitpunkt, als der Betroffene in den geschützten Bereich einfuhr deutlich länger als eine Sekunde Rotlicht. Aber nicht jede Missachtung eines Wechsellichtzeichens trotz bereits länger als eine Sekunde andauernder Rotphase stellt eine typische, die Verhängung der erhöhten Geldbuße sowie eines Fahrverbotes nach Nr. 132.3 BKat indizierende Pflichtverletzung dar (BayObLG, Beschluss vom 13.12.2021 – 201 ObOWi 1543/21 -, NZV 2022, 82 ff.). Insbesondere wenn der Betroffene nicht mit überhöhter, sondern eher mit einer geringen Geschwindigkeit in den geschützten Bereich eingefahren ist, es keinen Fußgänger- und Fahrradverkehr gab, fehlt es an der besonderen Gefährdungslage, die bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß üblicherweise das Verhängen eines Fahrverbotes erforderlich macht (KG, Beschl. vom 17.2.2015 − 3 Ws (B) 24/15 – 122 Ss 171/14 -, NZV 2016, 442 f.).

Liegen ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines „atypischen Rotlichtverstoßes“ vor, ist der Tatrichter aufgrund der Gesamtumstände nicht von der Prüfung entbunden, ob die Regelsanktion ausnahmsweise unangemessen erscheint und ob die besondere Gefährdungslage, die üblicherweise das Verhängen eines Fahrverbotes erforderlich macht, vorliegt (KG, Beschl. vom 17.2.2015 − 3 Ws (B) 24/15 – 122 Ss 171/14 -, NZV 2016, 442 f.).

Vorliegend ist aufgrund der Gesamtumstände von einem solchen Ausnahmefall auszugehen, so dass die anzuordnende Rechtsfolge nicht dem qualifizierten Rotlichtverstoß der Nr. 132.3 des Bußgeldkataloges zu entnehmen ist. Zum einen ist der Betroffene mit seinem Fahrzeug nur teilweise in den geschützten Bereich eingefahren. Weiterhin ist dies mit langsamer Geschwindigkeit geschehen. Darüber hinaus hatten die Fußgänger die Straße zu diesem Zeitpunkt bereits längst geräumt, wovon sich der Betroffene auch ausdrücklich überzeugt hatte. Dass die Lichtzeichenanlage zu diesem Zeitpunkt bereits schon sehr lange (deutlich länger als eine Sekunde) Rotlicht für den Betroffenen zeigte, wirkte sich vorliegend nicht gefahrerhöhend, sondern im Gegenteil aus. So hatten die Fußgänger die Straße bereits längst geräumt. Auch ist der Bereich um die Lichtzeichenanlage vom konkreten Standpunkt des Betroffenen aus gut einzusehen gewesen, so dass er selbst dann gefahrlos hätte sein Fahrzeug zum Stehen bringen können, wenn ein Kind plötzlich unvermittelt im Vollsprint versucht hätte, die Straße zu überqueren. Denn der Betroffene ist relativ langsam gefahren und nur knapp über die gestrichelte Linie hinweg. Darüber hinaus hatte er den gesamten Straßenbereich aufmerksam im Blick, weil er ortskundig ist und ihm bewusst war, dass zu dieser Zeit Schulkinder, u. a. auch seine eigenen, unterwegs waren und diese Straße überqueren.

Auch der Vergleich zu den typischen qualifizierten Rotlichtverstößen zeigt, dass hier eine identische Einordnung unangemessen wäre. Denn typischerweise fährt ein Kraftfahrzeugführer bei einem solchen Verstoß noch zügig über die für ihn Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage, wenngleich diese bereits schon eine Sekunde Rotlicht anzeigt. Diese Situation ist grundsätzlich äußerst gefährlich, weil der kreuzende Fußgängerverkehr in der Regel bereits grünes Licht erhalten hat (bzw. zumindest Fußgänger im Vertrauen auf das Rotlicht für die Kraftfahrzeuge bereits loslaufen), so dass mit schweren Unfällen zu rechnen ist. Dies gilt zumal die gefahrene Geschwindigkeit regelmäßig nicht gering sein dürfte. Denn bei länger als eine Sekunde andauernder Rotlichtverstoßes kann sich bereits Querverkehr in dem durch das Rotlicht gesperrten Bereich befinden und die Einfahrt in den durch das rote Wechsellichtzeichen geschützten Bereich erfolgt regelmäßig mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit ((KG, Beschl. vom 17.2.2015 − 3 Ws (B) 24/15 – 122 Ss 171/14 -, NZV 2016, 442 f.). Es entspricht typischen Verhaltens, bei zu später Realisierung des Rotlichts (bzw. bei bewusster oder unbewusster Nichtbefolgung des Rotlichts) das Fahrzeug gerade nicht zu verlangsamen, sondern noch eher zu beschleunigen.

Das vorliegende Verhalten des Betroffenen kann dem nicht gleichgesetzt werden. Vielmehr ist vorliegend aufgrund der Gesamtumstände von einem einfachen fahrlässigen Rotlichtverstoß auszugehen.

Ein vorsätzliches Handeln des Betroffenen konnte nicht festgestellt werden, weshalb auch ein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) nicht veranlasst war. Dass der Betroffene bewusst in den geschützten Bereich eingefahren ist, konnte nicht festgestellt werden und ist auch keinesfalls zwingend, weil das Fahrzeug des Betroffenen lediglich in den geschützten Bereich hineinragte. Zwar beträgt der verbleibende Platz zwischen geschützten Bereich um Haltelinie nur etwa 2,50 m. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, wie nah das erste Fahrzeug an die Haltelinie herangefahren ist, so dass der verbleibende Platz durchaus deutlich größer gewesen und den Betroffenen zu dem festgestellten Fahrmanöver, im Vertrauen darauf, zwischen dem bereits stehenden Fahrzeug und noch vor dem geschützten Bereich anhalten zu können, bewogen haben könnte.

V.

Gemäß § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG i. V. m. § 17 Abs. 2 OWiG kann die von dem Betroffenen begangene fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit im Höchstmaß mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro geahndet werden. Zur Ahndung der Tat und zur Einwirkung auf den Betroffenen hat das Gericht eine Geldbuße in Höhe von 90 Euro für tat- und schuldangemessen erachtet. Der Bußgeldkatalog sieht in Nr. 132 für einen Rotlichtverstoß regelmäßig eine Geldbuße i.H.v. 90 € vor. Weil im Ergebnis von keinem qualifizierten Verstoß (Nr. 132.3 BKat) auszugehen war und auch sonst keine relevanten Besonderheiten vorliegen, war von dieser Regelbuße auszugehen.

Für die Verhängung eines Fahrverbotes bestand konsequenterweise kein Anlass. Auch war die Geldbuße nicht gemäß § 4 Abs. 4 BKatV zu erhöhen. Zwar wurde vorliegend von einem Regelfahrverbot abgesehen. Allerdings ist aufgrund der atypischen Gesamtumstände insgesamt nicht von einem qualifizierten Rotlichtverstoß auszugehen, so dass hier nicht von einem Regelfahrverbot abgesehen wurde. Im Übrigen erscheint eine höhere Geldbuße als 90 € im konkreten Fall nicht angemessen.

VI.

Weil der Betroffene verurteilt worden ist, hat er die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen (§ 465 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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