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Abschleppkosten bei ordnungsgemäß geparktem Fahrzeug bei Wasserrohrbruch

VG Düsseldorf – Az.: 14 K 1577/19 – Urteil vom 03.03.2020

Der Leistungs- und Gebührenbescheid des Beklagten vom 4. Februar 2019 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Leistungs- und Gebührenbescheid, der im Zusammenhang mit einer Umsetzungsmaßnahme erlassen wurde.

Am Sonntag, dem 00. K.  2017 kam es um 15:25 Uhr an der I….straße in P.  zu einem Polizeieinsatz. Ausweislich der „Erstmeldung/Lagemeldung“ war es im Bereich der I….straße /H….straße zu einem Rohrbruch gekommen, infolgedessen eine nicht unerhebliche Wassermenge aus dem Gehweg getreten sei. Der genannte Bereich wurde durch die eingesetzte Streifenwagenbesatzung vorläufig abgesperrt und das Rheinisch-Westfälische Wasserwerk (RWW) beauftragt, die Gefahr zu beseitigen.

Der Pkw der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen „XX-XX 000“ befand sich ordnungsgemäß abgeparkt in der I….straße 00, wobei sich die Klägerin im Zeitpunkt des Rohrbruchs im Urlaub befand und den Schlüssel für den Pkw einem Bekannten, dem benannten Zeugen H1.  , überlassen hatte.

Die Polizeibeamten beauftragten ein Abschleppunternehmen, das das Fahrzeug um einige Meter versetzte.

Mit Schreiben vom 15. September 2017 hörte der Beklagte die Klägerin als Halterin wegen der beabsichtigten Erhebung von Gebühren und der Erstattung der Kosten für die Abschleppmaßnahme an. Diese hat sich mit Schreiben vom 25. September 2017, das sich nicht im Verwaltungsvorgang befindet – aber ausweislich des angefochtenen Bescheides dem Beklagten bekannt war – , dahingehend eingelassen, dass sie sich im Urlaub befunden habe. Ihr Bekannter, dem sie den Schlüssel für das Fahrzeug überlassen hatte, sei zu der Stelle gekommen, nachdem das Fahrzeug um 3-4 m versetzt worden sei. Die Polizei habe ihm gesagt, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handele, aus der keine Kosten entstünden.

Mit Leistungs- und Gebührenbescheid vom 4. Februar 2019 erhob der Beklagte für die Versetzung des Fahrzeugs eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 113,00 Euro und machte die Kosten der Umsetzung i.H.v. 107,10 Euro (insgesamt 220,10 Euro) geltend. Zur Begründung führte er aus, dass die Maßnahme zur Eigentumssicherung und zur Gefahrenabwehr notwendig gewesen sei. Es sei zu einem Wasserrohrbruch gekommen, infolgedessen eine nicht unerhebliche Wassermenge aus dem Gehweg ausgetreten sei und diesen habe absacken lassen. Da die Klägerin nach § 5 PolG NRW für den Zustand ihres Fahrzeugs verantwortlich sei, jedoch für die Polizei zum Einsatzzeitpunkt nicht erreichbar gewesen sei, sei die Firma T.  mit der Umsetzung des Pkw beauftragt worden. Die Maßnahme sei auf die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr gerichtet gewesen. Gemäß § 52 Abs. 2 Polizeigesetz NRW (PolG NRW) habe die Klägerin die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen.

Die Klägerin hat am 22. Februar 2019 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie bestreite, dass überhaupt eine tatsächliche Gefahrensituation vorgelegen habe. Weder sei ein wirklicher Rohrbruch zu verzeichnen gewesen noch sei die Fahrbahn stark beschädigt gewesen oder habe gedroht abzusacken. Es habe lediglich einen Hinweis auf den Austritt von Wasser gegeben, der aber eine derart übereilte Reaktion nicht erforderlich gemacht habe. Es habe lediglich ein kleines Rinnsal gegeben, von welchem zwei Gehwegplatten betroffen gewesen seien. Die Klägerin bestreitet, dass in irgendeiner Form die Beschädigung oder Zerstörung des Fahrzeugs zu befürchten gewesen sei. Auch bestreitet die Klägerin, dass ein ungehindertes Arbeiten des Rheinisch-Westfälischen Wasserwerks nicht möglich gewesen wäre, ohne das Fahrzeug der Klägerin (Fiat Panda) umzusetzen. Darüber hinaus habe die Polizei nicht den Versuch unternommen, die Halterin ausfindig zu machen.

Die Klägerin beantragt, den Leistungs- und Gebührenbescheid vom 4. Februar 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

In seiner Klageerwiderung führt er aus, dass die Versetzungsmaßnahme rechtmäßig gewesen sei. Die in § 43 Nr. 1 PolG NRW vorausgesetzte gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit habe vorgelegen, da das Fahrzeug der Klägerin an seinem Standort eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargestellt habe. Weder die Klägerin noch ein von ihr Bevollmächtigter seien zu diesem Zeitpunkt vor Ort gewesen. Die Polizeibeamten hätten versucht, die jeweiligen Halter oder Nutzer der vor Ort abgeparkten Fahrzeuge zu erreichen. Dies sei indes im Falle der Klägerin ohne Erfolg geblieben. Durch die Umsetzung sei eine Beschädigung oder Zerstörung des Fahrzeugs verhindert worden, zum anderen sei ein ungehindertes Arbeiten des Rheinisch-Westfälischen Wasserwerks gewährleistet worden.

Die Klägerin sei auch zu Recht als Pflichtige für die Kosten herangezogen worden, da sie als die für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit verantwortliche Störerin die durch eine rechtmäßige Ersatzvornahme entstandenen Kosten zu tragen habe.

Ausweislich einer während des Klageverfahrens angefertigten dienstlichen Stellungnahme vom 22. März 2019 seien über eine größere Distanz der I….straße Gehwegplatten abgesackt und eine nicht unerhebliche Wassermenge ausgetreten. In der Stellungnahme heißt es unter anderem wörtlich:

Abschleppkosten bei ordnungsgemäß geparktem Fahrzeug bei Wasserrohrbruch
(Symbolfoto: Von aapsky/Shutterstock.com)

„Im weiteren Verlauf des Einsatzes wurde der Bereich großzügig abgesperrt, da eine weitere Absenkung nicht ausgeschlossen werden konnte. Hierbei waren sowohl der Gehweg, der Parkstreifen, als auch die Fahrbahn von einer polizeilichen Absperrung betroffen. … Da es sich um eine nicht unerhebliche Menge an Wasser handelte, welche vermehrt aus dem Gehweg, aus dem Parkstreifen und der Fahrbahn gesprüht war, war eine Umsetzung der betroffenen Fahrzeuge unausweichlich. Nach unserer Einschätzung handelte es sich hierbei um eine konkrete Gefahr für Gegenstände und Personen, welche sich im oben genannten Bereich aufhielten … Nachdem Mitarbeiter des RWW eingetroffen waren, wurde uns auch von diesen mitgeteilt, dass eine Umsetzung der Pkw notwendig sei, damit die hier notwendigen Arbeiten zur Bekämpfung des Wasserrohrbruchs durchgeführt werden konnten. Um eine Beschädigung oder Zerstörung, der sich in der Gefahrenzone befindlichen Pkw und ein ungehindertes Arbeiten der Arbeiter des RWW zu gewährleisten, wurde eine Umsetzung des oben genannten Pkw durchgeführt.“

Mit Beschluss vom 23. Januar 2020 ist das Verfahren der Vorsitzenden zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Leistungs- und Gebührenbescheid des Beklagten vom 4. Februar 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Der Beklagte hat zum einen die Abschleppkosten in Höhe von 107,10 Euro zu Unrecht von der Klägerin gefordert. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 77 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Nr. 8 Ausführungsverordnung zum VwVG NRW (VO VwVG NRW) in Verbindung mit § 52 Abs. 2 PolG NRW liegen nämlich nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizeibehörde als Vollstreckungsgläubigerin die Kosten einer rechtmäßigen Ersatzvornahme von demjenigen verlangen, der die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung nicht erfüllt. Dabei muss es sich um einen nach § 4 oder § 5 PolG NRW Verantwortlichen handeln.

Es kann hier dahinstehen, ob überhaupt eine Gefahr im Sinne des § 1 Abs. 1 PolG NRW vorlag. Selbst das Vorliegen einer Gefahr unterstellt, ging diese indes im Sinne des § 5 PolG NRW nicht vom Fahrzeug der Klägerin, sondern von dem Wasserrohrbruch und dem dadurch versursachten Absacken des Gehweges aus.

Es kann weiter dahinstehen, ob die Sicherstellung als Gefahrenabwehrmaßnahme auf der „Primärebene“ als rechtmäßig anzusehen ist, wofür allerdings einiges spricht.

Jedenfalls ist die Inanspruchnahme der Klägerin für die Kosten der Maßnahme rechtswidrig. Denn die Möglichkeit, erforderliche Gefahrenabwehrmaßnahmen (auf der Primärebene) tatsächlich durchführen zu können, ist nicht von der Frage abhängig, von wem (auf der Sekundärebene) die Kosten hierfür getragen werden müssen. Dies gilt gerade in den Fällen, in denen kurzfristig die Straße wegen eines Rohrbruchs oder Straßenarbeiten in Anspruch genommen werden muss. Derartige Gründe stammen nicht aus der Verantwortungs- und Risikosphäre des Fahrzeughalters,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. Mai 2018 – 3 C 25.16 – juris, Rdnr. 26.

In diesen Fällen geht von einem Fahrzeug nach Abschluss des Parkvorgangs keine Gefahr aus, so dass der Fahrzeughalter als Nichtstörer gemäß § 6 PolG NRW anzusehen ist, dem ein polizeirechtlicher Entschädigungsanspruch zustünde. Entsprechend kann dieser Nichtstörer nicht für die Kosten der im Sofortvollzug ausgeführten behördlichen Maßnahme in Anspruch genommen werden, auch wenn sie mittelbar auch sein Eigentum schützen sollte, weil ihm zugleich ein Entschädigungsanspruch wegen eben dieser Kostenbelastung zuwüchse,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster), Beschluss vom 14. Juni 2000 – 5 A 95/00 – juris, Rdnr. 10 und 12; Kießling, Nichtstörer und andere Unbeteiligte als Adressaten von Polizeiverfügungen, Juristische Ausbildung 2016, S. 483 ( 493).

Die Klägerin war hier als Halterin des Fahrzeugs, das sich in einem Bereich befand, der von einem Wasserrohrbruch betroffen war, keine Störerin. Sie hatte ihr Fahrzeug ordnungsgemäß abgeparkt und befand sich im Urlaub. Vielmehr war der Verantwortliche für den Wasserrohrbruch als Störer anzusehen, der eine Gefahr verursacht hat. Es hätte nahegelegen, ihn als Zustandsstörer gemäß § 5 PolG für die Kosten der Maßnahme in Anspruch zu nehmen.

Dabei wäre es zumindest auch erforderlich gewesen, ein Ermessen dahingehend auszuüben, welche Person in Bezug auf die Kosten in Anspruch genommen wird. Dabei hätten sich die Ermessenserwägungen vorrangig am Gebot der gerechten Lastenverteilung ausrichten müssen,

vgl. : Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, 12. Aufl., 2018, § 52, Rdnr. 11; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, S. 381, Rdnr. 698.

Dadurch, dass der Bescheid lediglich ausführt, dass gemäß § 52 Abs. 2 PolG NRW der Betroffene, also die Klägerin, die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen habe, fehlt ihm eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit des Auseinanderfallens zwischen dem Adressaten einer Maßnahme und der Kostentragungspflicht. Letztlich fehlt dem Bescheid jegliche Ermessenserwägung in Bezug auf den Adressaten der Kostentragungspflicht und eine Begründung dafür, aus welchem Grund gerade die Klägerin als Nichtstörerin Adressatin des Leistungs-und Gebührenbescheides war.

Es liegt damit ein Ermessensausfall vor, der im Gerichtsverfahren nicht heilbar ist und ebenso zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt,

vgl. : Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 25. Aufl., 2019, § 114, Rdnr. 50; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 20. Aufl., 2019, § 40, Rdnr. 86.

Zum anderen erweisen sich die gemäß §§ 77 VwVG, 15 Abs. 1 Nr. 7 VO VwVG NRW erhobenen Verwaltungsgebühren in Höhe von 113,00 EUR vor diesem Hintergrund ebenfalls als rechtswidrig. Zwar hat der Beklagte hinsichtlich der Höhe der Gebühren sein Ermessen fehlerfrei betätigt,

vgl. dazu: OVG Münster, Beschluss vom 24. März 2017 – 9 E 197/17 -, Rn. 8, juris; OVG Münster, Beschluss vom 12. April 2017 – 9 B 384/17 -, Rn. 7, juris.

Im Übrigen wird indes hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Bescheides im Hinblick auf die Inanspruchnahme des Nichtstörers und des Ermessensausfalls hinsichtlich der Kostentragung auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 220,10 Euro festgesetzt.

Gründe: Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 GKG erfolgt.

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