Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Entscheidung des Kammergerichts Berlin zu Vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung
- Der ursprüngliche Vorfall und die Messung
- Weiterfahrt und erneute Geschwindigkeitsüberschreitung
- Der Weg durch die Instanzen: Vom Bußgeldbescheid zum Amtsgericht
- Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin
- Hohe Geschwindigkeit als Indiz für Vorsatz
- Bedeutung des Urteils für Betroffene
- Abschließende Bewertung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „Vorsatz“ bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung genau?
- Wie beeinflusst der Vorsatz die Höhe des Bußgeldes und andere Strafen, wie z.B. Fahrverbote?
- Welche Beweise werden benötigt, um eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung nachzuweisen?
- Kann ich gegen den Vorwurf der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung vorgehen und wie?
- Was ist der Unterschied zwischen der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II, und welche Konsequenzen hat das Nichtmitführen von Teil I?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 3 ORbs 20/25, 122 SsBs 5/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: KG Berlin
- Datum: 10.03.2025
- Aktenzeichen: 3 ORbs 20/25, 122 SsBs 5/25
- Verfahrensart: Beschluss im Rechtsbeschwerdeverfahren (Ordnungswidrigkeitenrecht)
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Verkehrsrecht
Beteiligte Parteien:
- Betroffener: Person, gegen die der ursprüngliche Bußgeldbescheid erging und die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt hat.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Autofahrer wurde vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Überschreitung der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit (um 33 km/h bei erlaubten 80 km/h), gleichzeitig begangenem (tateinheitlichem) verbotenem Rechtsüberholen und Nichtmitführens der Zulassungsbescheinigung I verurteilt (Fall 1). Eine weitere, separate Verurteilung (Fall 2) erfolgte ebenfalls. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.
- Kern des Rechtsstreits: Überprüfung der Verurteilung durch das Amtsgericht, insbesondere ob das Rechtsüberholen zusammen mit der Geschwindigkeitsüberschreitung geahndet werden kann, sowie die Angemessenheit der festgesetzten Geldbußen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Kammergericht Berlin beschränkte mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft die Verfolgung im Fall 1: Der Vorwurf des verbotenen Rechtsüberholens entfällt. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung (um 33 km/h) zusammen mit dem Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung I bleibt bestehen. Die Rechtsbeschwerde wurde im Übrigen zurückgewiesen. Die Geldbußen wurden neu festgesetzt: 580 Euro für den Fall 1 und 250 Euro für den Fall 2.
- Folgen: Der Betroffene wird für den ersten Tatkomplex nur noch wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung und des Nichtmitführens der Papiere bestraft, nicht mehr für das Rechtsüberholen. Die Geldbußen wurden angepasst. Der Betroffene muss die Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren tragen.
Der Fall vor Gericht
Entscheidung des Kammergerichts Berlin zu Vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung
Das Kammergericht (KG) Berlin hat in einem Beschluss vom 10. März 2025 (Az.: 3 ORbs 20/25, 122 SsBs 5/25) über die Rechtsbeschwerde eines Autofahrers entschieden.

Der Fahrer war zuvor vom Amtsgericht T. wegen zweifacher vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt worden. Das KG bestätigte die Verurteilung im Kern, nahm jedoch eine Anpassung bei den Tatvorwürfen und der Höhe der Geldbußen vor.
Der ursprüngliche Vorfall und die Messung
Am späten Abend des 19. Oktober 2023 befuhr der Betroffene die Bundesautobahn BAB 100 in Berlin. Eine Zivilstreife wurde auf sein Fahrverhalten aufmerksam und folgte ihm. Mittels des im Polizeifahrzeug verbauten Messsystems Provida 2000 wurde die Geschwindigkeit des Fahrers ermittelt. Über eine Messstrecke von knapp 380 Metern ergab die Auswertung nach Abzug einer Toleranz eine Geschwindigkeit von 113 km/h.
Erlaubt waren auf diesem Autobahnabschnitt jedoch nur 80 km/h. Die Überschreitung betrug somit 33 km/h. Zudem führte der Fahrer die notwendige Zulassungsbescheinigung Teil I (früher Fahrzeugschein) nicht mit sich. Dieses Dokument muss bei jeder Fahrt im Original mitgeführt werden.
Weiterfahrt und erneute Geschwindigkeitsüberschreitung
Nachdem der Fahrer die Autobahn verlassen hatte, setzte er seine Fahrt auf dem S.-damm/L.-weg fort. Die Polizeibeamten folgten ihm weiterhin. Auch hier beschleunigte der Betroffene sein Fahrzeug deutlich und erreichte eine Geschwindigkeit von 73 km/h. In diesem innerstädtischen Bereich galt jedoch eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
Die Beamten entschieden sich daraufhin, den Fahrer anzuhalten. Laut den Gerichtsunterlagen gestaltete sich die Kontrolle schwierig. Der Betroffene habe erst nach mehrfacher Aufforderung den Motor abgestellt und sich während der Konfrontation mit den Vorwürfen „patzig und provokativ“ verhalten.
Der Weg durch die Instanzen: Vom Bußgeldbescheid zum Amtsgericht
Zunächst erließ die Polizei einen Bußgeldbescheid. Dieser ging noch von fahrlässiger Begehung aus und setzte Geldbußen von 215 Euro (für die Geschwindigkeitsüberschreitungen und das ursprüngliche Rechtsüberholen) und 10 Euro (für die fehlenden Papiere) sowie ein einmonatiges Fahrverbot fest. Der Betroffene legte dagegen Einspruch ein, weshalb der Fall vor dem Amtsgericht T. landete.
Das Amtsgericht verschärfte die Bewertung erheblich. Es ging nach Beweisaufnahme von vorsätzlicher Begehung beider Geschwindigkeitsüberschreitungen aus. Für die Fahrt auf der Autobahn (Überschreitung um 33 km/h) verurteilte es den Fahrer wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Tateinheit mit verbotenem Rechtsüberholen und dem Nichtmitführen der Papiere zu 650 Euro Geldbuße.
Für die anschließende Fahrt innerorts (Überschreitung um 23 km/h) erfolgte eine separate Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Tateinheit mit dem Nichtmitführen der Papiere zu weiteren 280 Euro Geldbuße. Das einmonatige Fahrverbot wurde bestätigt. Das Gericht begründete den Vorsatz unter anderem damit, dass dem Fahrer die überhöhte Geschwindigkeit aufgrund der langsameren Fahrzeuge und der Beschilderung bewusst gewesen sein musste. Er habe die Überschreitung billigend in Kauf genommen.
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin
Der Betroffene legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Rechtsbeschwerde beim Kammergericht Berlin ein. Dieses überprüfte die Entscheidung auf Rechtsfehler. Das KG nahm mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft eine entscheidende Änderung vor: Der Vorwurf des verbotenen Rechtsüberholens im Zusammenhang mit der Autobahnfahrt wurde fallengelassen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 154a Abs. 2 StPO).
Beschränkung des Schuldspruchs
Die Verurteilung bezüglich des ersten Tatkomplexes wurde somit auf das vorsätzliche Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um 33 km/h in Tateinheit mit dem Nicht-bei-sich-Führen der Zulassungsbescheinigung I beschränkt. Solche Beschränkungen können aus prozessökonomischen Gründen erfolgen, wenn die Strafe für die verbleibenden Vorwürfe ausreichend erscheint.
Bestätigung des Vorsatzes und Anpassung der Geldbußen
Im Übrigen verwarf das Kammergericht die Rechtsbeschwerde jedoch als unbegründet. Es bestätigte damit die Einschätzung des Amtsgerichts, dass der Fahrer Vorsätzlich gehandelt hatte. Die Feststellungen des Amtsgerichts zur inneren Tatseite (also zum Vorsatz) hielten der rechtlichen Überprüfung stand.
Aufgrund der geänderten Schuld- und Straffrage passte das KG die Geldbußen an: Für die Autobahnfahrt (Fall 1) wurde die Geldbuße auf 580 Euro reduziert. Für die innerstädtische Geschwindigkeitsüberschreitung (Fall 2) wurde die Geldbuße auf 250 Euro festgesetzt. Das einmonatige Fahrverbot blieb bestehen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens muss der Betroffene tragen.
Hohe Geschwindigkeit als Indiz für Vorsatz
Die Gerichte werteten die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als starkes Indiz für vorsätzliches Handeln. Insbesondere die Feststellung, dass dem Fahrer die Geschwindigkeit aufgrund der Umstände (andere Fahrzeuge, Beschilderung) bewusst sein musste, stützte die Annahme des Vorsatzes in Form des „billigend Inkaufnehmens“ (Dolus eventualis). Hierbei nimmt der Täter den rechtswidrigen Erfolg zumindest als mögliche Folge seines Handelns wahr und findet sich damit ab.
Bedeutung des Urteils für Betroffene
Erhöhtes Risiko bei deutlichen Geschwindigkeitsverstößen
Dieses Urteil verdeutlicht, dass Gerichte bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen eher von Vorsatz ausgehen können. Dies gilt insbesondere, wenn die Umstände nahelegen, dass dem Fahrer die Überschreitung nicht verborgen geblieben sein kann. Die Annahme von Vorsatz führt regelmäßig zu einer Verdoppelung der Regelbuße und kann die Anordnung eines Fahrverbots auch dann rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen bei fahrlässiger Begehung nicht gegeben wären.
Wichtigkeit der Fahrzeugpapiere
Der Fall zeigt auch, dass das Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung Teil I konsequent geahndet wird. Obwohl es sich um eine vergleichsweise geringfügige Ordnungswidrigkeit handelt, führt sie zu einer zusätzlichen Geldbuße und fließt in die Gesamtbewertung des Fehlverhaltens ein. Betroffene sollten stets darauf achten, die notwendigen Dokumente im Original bei sich zu führen.
Folgen des Verhaltens bei der Kontrolle
Obwohl das „patzige und provokative“ Verhalten des Fahrers bei der Polizeikontrolle nicht direkt zu einer höheren Strafe führte, wird es im Urteil erwähnt. Ein kooperatives Verhalten ist zwar keine Garantie für Milde, kann aber dazu beitragen, die Situation nicht unnötig zu eskalieren und wird von den Gerichten zumindest nicht negativ vermerkt.
Begrenzte Erfolgschancen bei Rechtsmitteln
Die Entscheidung des KG Berlin macht deutlich, dass Rechtsmittel gegen Urteile wegen Verkehrsverstößen nicht immer zum gewünschten Erfolg führen. Zwar konnte im konkreten Fall der Vorwurf des Rechtsüberholens fallengelassen werden, die Kernvorwürfe der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung und das Fahrverbot wurden jedoch bestätigt. Die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht beschränkt sich auf Rechtsfehler, eine erneute Tatsachenfeststellung findet in der Regel nicht statt.
Abschließende Bewertung
Das Kammergericht Berlin bestätigte im Wesentlichen die Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitungen, reduzierte jedoch die Geldbußen leicht und ließ einen tateinheitlichen Vorwurf fallen. Der Fall unterstreicht, dass hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen schnell als vorsätzlich gewertet werden können, was erhebliche finanzielle Konsequenzen und den Verlust der Fahrerlaubnis nach sich ziehen kann.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Gerichte bei Geschwindigkeitsüberschreitungen auch das Verhalten gegenüber Polizeibeamten während der Kontrolle in die Bußgeldberechnung einbeziehen können, wobei in diesem Fall die respektlose Haltung des Betroffenen zu einer 25% Erhöhung der Geldbuße führte. Die Rechtsbeschwerde gegen die Messmethode wurde zurückgewiesen, was verdeutlicht, dass technische Einwände gegen Geschwindigkeitsmessungen hohe Anforderungen erfüllen müssen, um Erfolg zu haben. Bedeutsam ist zudem die Feststellung, dass vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitungen härter sanktioniert werden als fahrlässige, was Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der Vorschriften motivieren soll.
Benötigen Sie Hilfe?
Unterstützung bei Vorwürfen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung
Werden Verkehrsverstöße als vorsätzlich eingestuft, drohen deutlich höhere Bußgelder und Fahrverbote. Gerade bei erheblichen Tempoüberschreitungen begründen Gerichte den Vorsatz oft mit den konkreten Umständen des Fahrens – viele Betroffene erleben hier überraschend gravierende Konsequenzen, selbst wenn sie das Risiko anders eingeschätzt hatten.
Unsere Kanzlei prüft sorgfältig, ob die Vorsatzannahme rechtlich trägt und ob Verfahrensfehler vorliegen. Wir begleiten Sie diskret durch das Verfahren und entwickeln geeignete Lösungsstrategien, um die Folgen bestmöglich zu begrenzen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Vorsatz“ bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung genau?
Im Zusammenhang mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung unterscheidet man grundsätzlich zwischen fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln. Der Unterschied ist wichtig, denn eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung wird deutlich härter bestraft.
Was ist Fahrlässigkeit?
Fahrlässigkeit bedeutet vereinfacht gesagt, dass Sie aus Versehen oder Unachtsamkeit zu schnell gefahren sind. Sie haben die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.
- Beispiel: Sie übersehen ein Geschwindigkeitsschild, weil Sie kurz abgelenkt waren, oder Sie schätzen Ihre Geschwindigkeit falsch ein. Hier wollten Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht bewusst überschreiten. Die meisten alltäglichen Geschwindigkeitsverstöße gelten als fahrlässig.
Was bedeutet Vorsatz?
Vorsatz liegt vor, wenn Sie wissentlich und willentlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten. Das bedeutet:
- Sie wissen, dass an dieser Stelle eine bestimmte Geschwindigkeitsbegrenzung gilt (oder Sie nehmen es zumindest für möglich an).
- Sie wollen trotzdem schneller fahren oder nehmen es zumindest billigend in Kauf, die Geschwindigkeit zu überschreiten.
Man muss also nicht die feste Absicht haben, zu rasen. Es reicht aus, wenn Sie es für möglich halten, zu schnell zu sein, und dies akzeptieren, um beispielsweise schneller ans Ziel zu kommen. Juristen nennen das „bedingten Vorsatz“.
Wann nehmen Gerichte Vorsatz an?
Ob Vorsatz vorliegt, entscheiden die Behörden und Gerichte im Einzelfall. Es gibt keine feste Grenze, ab wann immer Vorsatz angenommen wird. Stattdessen werden verschiedene Indizien (Anhaltspunkte) geprüft. Dazu gehören zum Beispiel:
- Die Höhe der Überschreitung: Je deutlicher Sie die erlaubte Geschwindigkeit überschreiten (z.B. mehr als 40-50% zu schnell), desto eher kann Vorsatz vermutet werden. Bei einer Verdopplung der erlaubten Geschwindigkeit wird oft von Vorsatz ausgegangen.
- Ihre Ortskenntnis: Wenn Sie die Strecke regelmäßig fahren und die Geschwindigkeitsbegrenzung kennen müssten, spricht das eher für Vorsatz.
- Ihr Fahrverhalten: Fahren Sie über eine längere Strecke konstant zu schnell? Ignorieren Sie eindeutige Schilder oder Gefahrenhinweise?
- Äußerungen von Ihnen: Geben Sie selbst an, dass Sie es eilig hatten oder die Begrenzung bewusst ignoriert haben?
- Nutzung technischer Hilfsmittel: Die (versuchte) Nutzung von Radarwarnern oder Blitzer-Apps kann ein Indiz für vorsätzliches Handeln sein.
Welche Folgen hat Vorsatz?
Wird Ihnen Vorsatz nachgewiesen, hat das erhebliche Konsequenzen:
- Das Regelbußgeld wird in der Regel verdoppelt.
- Ein Fahrverbot kann auch dann angeordnet werden, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung nach dem Bußgeldkatalog eigentlich noch kein Fahrverbot für einen fahrlässigen Verstoß vorsieht.
- Ein bereits vorgesehenes Fahrverbot kann länger ausfallen.
Die Anzahl der Punkte in Flensburg ändert sich durch den Vorsatzvorwurf normalerweise nicht, aber die finanzielle Belastung und die Dauer eines möglichen Führerscheinentzugs steigen erheblich.
Wie beeinflusst der Vorsatz die Höhe des Bußgeldes und andere Strafen, wie z.B. Fahrverbote?
Ja, ob Sie eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich oder nur fahrlässig begangen haben, kann einen deutlichen Unterschied bei den Konsequenzen machen, insbesondere bei der Höhe des Bußgeldes und der Frage, ob ein Fahrverbot verhängt wird.
Was ist der Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit?
- Fahrlässig handeln Sie, wenn Sie die zulässige Geschwindigkeit aus Versehen, Unaufmerksamkeit oder einer Fehleinschätzung überschreiten. Sie wollten also eigentlich nicht zu schnell fahren, haben aber beispielsweise ein Schild übersehen oder Ihre Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Dies ist der Regelfall, von dem die Bußgeldkataloge meist ausgehen.
- Vorsätzlich handeln Sie hingegen, wenn Sie wissentlich und willentlich zu schnell fahren. Das bedeutet, Sie wissen, dass Sie die erlaubte Geschwindigkeit überschreiten, und nehmen dies zumindest billigend in Kauf, zum Beispiel, um schneller anzukommen.
Ob die Behörde von Fahrlässigkeit oder Vorsatz ausgeht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Anhaltspunkte für Vorsatz können zum Beispiel eine sehr erhebliche Überschreitung der Geschwindigkeit sein oder wenn Sie sich bewusst über Tempolimits hinwegsetzen.
Höhere Bußgelder bei Vorsatz
Der entscheidende Punkt für Ihr Portemonnaie: Wird Ihnen Vorsatz unterstellt, kann das im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelbußgeld in der Regel verdoppelt werden. Grundlage hierfür ist eine Regelung in der Bußgeldkatalog-Verordnung (§ 3 Abs. 4a BKatV).
- Beispiel: Beträgt das normale Bußgeld für eine bestimmte Geschwindigkeitsüberschreitung laut Katalog 150 Euro, kann es bei unterstelltem Vorsatz auf 300 Euro ansteigen.
Auswirkungen auf Fahrverbot und Punkte
- Fahrverbot: Vorsätzliches Handeln kann auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Fahrverbot angeordnet wird, selbst wenn die reine Geschwindigkeitsüberschreitung vielleicht noch knapp unter der Grenze für ein Regelfahrverbot lag. Auch die Dauer eines Fahrverbots kann durch den Vorsatz beeinflusst werden.
- Punkte: Die Anzahl der Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg richtet sich nach der Schwere des Verstoßes (also wie viel zu schnell Sie gefahren sind) gemäß dem Bußgeldkatalog. Der Vorsatz an sich ändert in der Regel nichts an der Anzahl der Punkte, die für diese spezifische Geschwindigkeitsüberschreitung vorgesehen sind. Die gravierenderen Folgen des Vorsatzes liegen also primär beim deutlich höheren Bußgeld und der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Fahrverbots.
Welche Beweise werden benötigt, um eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung nachzuweisen?
Um eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung nachzuweisen, muss die zuständige Behörde oder später ein Gericht davon überzeugt sein, dass Sie nicht nur zu schnell gefahren sind, sondern dies auch wussten und wollten (oder es zumindest billigend in Kauf genommen haben). Das ist der Unterschied zur Fahrlässigkeit, bei der man einfach nur unachtsam war.
Da man niemandem in den Kopf schauen kann, wird der Vorsatz meist durch Indizien bewiesen. Das bedeutet, die Behörde sammelt verschiedene Hinweise, die zusammengenommen darauf schließen lassen, dass der Fahrer absichtlich zu schnell war.
Welche Beweismittel und Indizien gibt es?
Die Behörde kann verschiedene Beweismittel heranziehen, um Indizien für einen Vorsatz zu sammeln:
- Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung: Eine sehr hohe Überschreitung (z.B. wenn Sie die erlaubte Geschwindigkeit um 40% oder 50% oder mehr überschreiten) ist oft ein starkes Indiz für Vorsatz. Gerichte gehen hier davon aus, dass eine solch deutliche Überschreitung dem Fahrer bewusst gewesen sein muss.
- Messprotokoll und Messdaten: Diese belegen objektiv, wie schnell Sie gefahren sind.
- Ortskenntnis: Wenn Sie nachweislich ortskundig sind (z.B. weil Sie die Strecke täglich fahren), kann die Behörde argumentieren, dass Ihnen die Geschwindigkeitsbegrenzung bekannt sein musste.
- Verhalten des Fahrers:
- Äußerungen: Was Sie direkt nach dem Anhalten oder später sagen, kann als Beweis verwendet werden.
- Frühere Verstöße: Wiederholte Geschwindigkeitsverstöße können ein Indiz sein, aber nicht automatisch Vorsatz beweisen.
- Fahrweise: Hat der Fahrer kurz vor der Messstelle beschleunigt? Hat er mehrere Schilder ignoriert? Solche Beobachtungen können auf Vorsatz hindeuten.
- Nutzung technischer Hilfsmittel: Der Einsatz von Radarwarnern oder Blitzer-Apps kann als starkes Indiz für vorsätzliches Handeln gewertet werden, da diese Geräte ja gerade dazu dienen, Geschwindigkeitskontrollen bewusst zu umgehen.
- Zeugenaussagen: Polizeibeamte oder andere Zeugen können Angaben zur Fahrweise, zu den Umständen oder zu Äußerungen des Fahrers machen.
- Videoaufzeichnungen: Aufnahmen aus Polizeifahrzeugen oder von stationären Anlagen können das Fahrverhalten dokumentieren.
Die Behörde oder das Gericht bewertet alle diese Indizien in einer Gesamtschau. Es gibt also nicht den einen Beweis. Erst das Zusammenspiel mehrerer Hinweise führt zur Annahme von Vorsatz.
Muss ich als Fahrer aussagen?
Nein, Sie müssen keine Angaben zur Sache machen. In Deutschland gilt der Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss. Sie haben das Recht zu schweigen. Ob Sie von diesem Recht Gebrauch machen, ist Ihre persönliche Entscheidung. Ihr Schweigen allein darf Ihnen nicht negativ ausgelegt werden.
Warum ist der Nachweis von Vorsatz wichtig?
Wird Ihnen Vorsatz nachgewiesen, hat das erhebliche Konsequenzen:
- Das im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelbußgeld wird in der Regel verdoppelt.
- Auch wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich noch kein Fahrverbot zur Folge hätte, kann bei nachgewiesenem Vorsatz trotzdem ein Fahrverbot verhängt werden oder ein bereits vorgesehenes Fahrverbot länger ausfallen.
Grundsätzlich geht die Behörde erst einmal von Fahrlässigkeit aus. Der Vorsatz muss Ihnen also konkret nachgewiesen werden.
Kann ich gegen den Vorwurf der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung vorgehen und wie?
Ja, Sie haben die Möglichkeit, sich gegen den Vorwurf einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zur Wehr zu setzen. Der entscheidende Unterschied liegt darin, ob Ihnen lediglich Unachtsamkeit (Fahrlässigkeit) oder bewusstes und gewolltes Zu-Schnell-Fahren (Vorsatz) vorgeworfen wird. Dieser Unterschied ist wichtig, da bei Vorsatz oft höhere Bußgelder (in der Regel eine Verdoppelung des Regelsatzes) und leichter ein Fahrverbot verhängt werden können.
Der Weg: Einspruch und mögliches Gerichtsverfahren
Der erste Schritt, um gegen einen Bußgeldbescheid – und damit auch gegen den darin enthaltenen Vorsatzvorwurf – vorzugehen, ist der Einspruch.
- Sie müssen den Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde einlegen, die den Bußgeldbescheid erlassen hat.
- Wichtig ist die Frist: Der Einspruch muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids bei der Behörde eingehen. Versäumen Sie diese Frist, wird der Bescheid rechtskräftig.
- Nach Ihrem Einspruch prüft die Behörde den Fall erneut. Hält sie an ihrer Entscheidung fest, wird die Angelegenheit in der Regel über die Staatsanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht abgegeben. Dort findet dann eine Hauptverhandlung statt, in der über den Vorwurf entschieden wird.
Was bedeutet „Vorsatz“ bei Geschwindigkeitsüberschreitungen?
Vorsatz bedeutet, dass Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung kannten und bewusst entschieden haben, schneller zu fahren, oder es zumindest billigend in Kauf genommen haben, zu schnell zu sein. Das ist mehr als nur ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit (Fahrlässigkeit).
Behörden und Gerichte gehen unter bestimmten Umständen eher von Vorsatz aus, zum Beispiel:
- Bei sehr deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen (oft ab einer Überschreitung von 40% oder mehr der erlaubten Geschwindigkeit).
- Wenn Sie sich im betreffenden Bereich gut auskennen (Ortskunde) und die Geschwindigkeitsbegrenzung daher bekannt sein musste.
- Wenn Sie kurz zuvor ein Geschwindigkeitsschild passiert haben.
Es kommt jedoch immer auf die Umstände des Einzelfalls an.
Mögliche Argumente gegen den Vorsatzvorwurf
Um den Vorwurf des Vorsatzes zu entkräften, können verschiedene Argumente vorgebracht werden. Ziel ist es, darzulegen, dass Sie die Geschwindigkeit nicht bewusst überschritten haben:
- Fehlender Vorsatz trotz Überschreitung: Sie können argumentieren, dass die Überschreitung auf einem Versehen beruhte. Beispiele hierfür könnten sein:
- Ein kurzzeitiges Übersehen eines Verkehrsschildes.
- Eine Fehleinschätzung der gefahrenen Geschwindigkeit, eventuell durch Ablenkung (die aber nicht grob verkehrswidrig sein darf).
- Sie haben sich auf eine (möglicherweise ungenaue) Tachoanzeige verlassen.
- Zweifel an der Messung: Wenn die Geschwindigkeitsmessung selbst fehlerhaft war, entfällt die Grundlage für den Vorwurf insgesamt oder zumindest für die Annahme von Vorsatz aufgrund einer hohen Überschreitung. Mögliche Fehlerquellen sind:
- Das Messgerät war nicht korrekt geeicht.
- Das Gerät wurde falsch aufgestellt oder bedient.
- Es liegen Protokollierungsfehler vor.
Ob diese Argumente im konkreten Fall Aussicht auf Erfolg haben, hängt stark von den jeweiligen Umständen und den vorhandenen Beweismitteln ab. Das Gericht prüft alle vorgebrachten Punkte und entscheidet dann, ob von Fahrlässigkeit oder Vorsatz auszugehen ist.
Was ist der Unterschied zwischen der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II, und welche Konsequenzen hat das Nichtmitführen von Teil I?
Die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II sind zwei zentrale Dokumente für jedes zugelassene Fahrzeug in Deutschland. Sie haben unterschiedliche Funktionen und Aufbewahrungsorte.
Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein): Der „Ausweis“ für unterwegs
Die Zulassungsbescheinigung Teil I, die viele noch als Fahrzeugschein kennen, ist sozusagen der „Personalausweis“ Ihres Fahrzeugs für den täglichen Gebrauch im Straßenverkehr. Sie enthält wichtige technische Daten des Fahrzeugs (wie Maße, Gewichte, Leistung), das amtliche Kennzeichen, den Namen und die Anschrift des Halters sowie den Termin der nächsten Hauptuntersuchung (HU).
Entscheidend ist: Sie müssen die Zulassungsbescheinigung Teil I immer im Original mitführen, wenn Sie mit dem entsprechenden Fahrzeug fahren. Bei einer Verkehrskontrolle dient sie als Nachweis, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß für den Straßenverkehr zugelassen ist.
Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief): Der Eigentumsnachweis
Die Zulassungsbescheinigung Teil II, der frühere Fahrzeugbrief, ist hingegen der Nachweis über die Verfügungsberechtigung für das Fahrzeug. Man könnte sagen, sie dokumentiert, wem das Fahrzeug „gehört“ bzw. wer darüber verfügen darf. Sie enthält ebenfalls wichtige Fahrzeugdaten (insbesondere die Fahrzeug-Identifizierungsnummer – FIN) und den Namen des aktuellen und gegebenenfalls vorheriger Halter.
Dieses Dokument benötigen Sie hauptsächlich für Verwaltungsvorgänge wie die An-, Um- oder Abmeldung des Fahrzeugs oder bei einem Verkauf. Bewahren Sie die Zulassungsbescheinigung Teil II unbedingt an einem sicheren Ort auf – niemals im Fahrzeug selbst! Gelangt sie zusammen mit dem Fahrzeug in falsche Hände (z.B. bei Diebstahl), erleichtert dies den Tätern den Missbrauch erheblich.
Konsequenzen bei Nichtmitführen von Teil I
Wenn Sie während der Fahrt mit Ihrem Fahrzeug die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht im Original dabeihaben und in eine Polizeikontrolle geraten, begehen Sie eine Ordnungswidrigkeit. Die Pflicht zum Mitführen ist in § 11 Absatz 6 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) festgelegt.
Ein Verstoß gegen diese Mitführpflicht wird in der Regel mit einem Verwarnungsgeld geahndet. Gemäß dem aktuellen Bußgeldkatalog beträgt dieses üblicherweise 10 Euro. Es hat keine Auswirkungen auf Punkte in Flensburg oder das Fahrverbot.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Rechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel im deutschen Recht, das insbesondere in Bußgeldverfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) vorkommt. Anders als bei einer Berufung, bei der auch Tatsachen neu bewertet werden können, dient die Rechtsbeschwerde ausschließlich der Überprüfung von Rechtsfehlern des angefochtenen Urteils (hier: des Amtsgerichts). Das höhere Gericht (hier: das Kammergericht) prüft also nur, ob das vorherige Gericht das Gesetz richtig angewendet hat, nicht aber, ob es die Fakten richtig festgestellt hat (von Ausnahmen abgesehen). Im vorliegenden Fall hat der Betroffene dieses Rechtsmittel genutzt, um das Urteil des Amtsgerichts anzufechten.
Vorsätzlich
Vorsätzlich handelt, wer eine Tat (hier: die Geschwindigkeitsüberschreitung) mit Wissen und Wollen begeht. Das bedeutet, der Handelnde kennt die Umstände, die sein Verhalten rechtswidrig machen (z. B. das Tempolimit), und er will die Tat trotzdem ausführen oder nimmt den Erfolg zumindest billigend in Kauf (sog. Dolus eventualis). Letzteres liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des rechtswidrigen Erfolgs für möglich hält und sich damit abfindet. Dies steht im Gegensatz zur Fahrlässigkeit, bei der jemand die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Im Text wurde dem Fahrer Vorsatz unterstellt, weil er trotz erkennbarer Umstände (andere Autos, Schilder) deutlich zu schnell fuhr, was zu einer Verdoppelung der Regelgeldbuße führte (§ 3 Abs. 4a BKatV).
Beispiel: Wer in einer klar ausgeschilderten 30er-Zone bewusst 60 km/h fährt, weil er schnell ankommen will, handelt vorsätzlich. Wer kurz abgelenkt ist und deshalb das Schild übersieht, handelt eher fahrlässig.
Betroffener
Der Betroffene ist die Person, gegen die sich ein Bußgeldverfahren richtet (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. der Strafprozessordnung). Es ist die offizielle Bezeichnung im Ordnungswidrigkeitenrecht für die Person, der eine Ordnungswidrigkeit (wie z. B. eine Geschwindigkeitsüberschreitung) vorgeworfen wird. Dieser Begriff entspricht im Strafverfahren ungefähr dem „Beschuldigten“ (im Ermittlungsverfahren) oder dem „Angeklagten“ (im Gerichtsverfahren). Im Text ist der Autofahrer der Betroffene im Verfahren wegen der Geschwindigkeitsverstöße.
Bußgeldbescheid
Ein Bußgeldbescheid ist die formelle Mitteilung einer Behörde (z. B. der Bußgeldstelle der Polizei), mit der eine Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Er enthält den Tatvorwurf, die Beweismittel, die Höhe der Geldbuße und eventuelle Nebenfolgen wie ein Fahrverbot. Der Betroffene hat nach Zustellung in der Regel zwei Wochen Zeit, Einspruch einzulegen (§ 67 OWiG). Tut er dies nicht, wird der Bescheid rechtskräftig und die Sanktion muss akzeptiert bzw. bezahlt werden. Im Text war der ursprüngliche Bußgeldbescheid der Ausgangspunkt des Verfahrens, der noch von Fahrlässigkeit ausging.
Einspruch
Der Einspruch ist das Rechtsmittel, das der Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid einlegen kann (§ 67 OWiG). Legt der Betroffene fristgerecht Einspruch ein, wird der Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig. Die Behörde prüft den Fall dann erneut und kann den Bescheid zurücknehmen oder das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgeben, die es dann dem zuständigen Amtsgericht vorlegt. Das Gericht führt dann eine Hauptverhandlung durch, prüft den Sachverhalt und entscheidet neu. Der Fahrer im Text legte Einspruch ein, weshalb sein Fall vor dem Amtsgericht landete.
Tateinheit
Tateinheit (§ 19 OWiG bzw. § 52 StGB, der über § 46 OWiG Anwendung findet) liegt vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Ordnungswidrigkeiten oder Straftatbestände verletzt oder denselben Tatbestand mehrmals verletzt. Alle durch die eine Handlung verwirklichten Verstöße werden dann als eine Tat behandelt und es wird nur eine (Gesamt-)Strafe oder Geldbuße festgesetzt, die sich am schwersten verletzten Gesetz orientiert, aber angemessen erhöht werden kann. Im Text wurde die erste Geschwindigkeitsüberschreitung zunächst in Tateinheit mit verbotenem Rechtsüberholen und dem Nichtmitführen der Papiere gesehen; die zweite Überschreitung in Tateinheit mit dem Nichtmitführen der Papiere.
Beispiel: Wer bei Rot über eine Ampel fährt (Rotlichtverstoß) und dabei einen Fußgänger gefährdet (Gefährdung), begeht beide Verstöße durch dieselbe Handlung (das Fahren bei Rot) – das ist Tateinheit.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 3 Nr. 2 StVO: Innerhalb geschlossener Ortschaften beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h, soweit nicht durch Streckenverbote oder Zeichen 274 eine andere Geschwindigkeit vorgeschrieben ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene überschritt innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h und 33 km/h, was eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
- § 4 Abs. 2a StVO: Rechts überholen ist außerhalb geschlossener Ortschaften zulässig, wenn die Fahrbahn für jede Richtung mindestens zwei Fahrstreifen für Kraftfahrzeuge hat und die Fahrzeuge auf dem linken Fahrstreifen kolonnenartig fahren oder sich auf unterschiedlichen Fahrstreifen befinden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Ursprünglich wurde dem Betroffenen auch verbotenes Rechtsüberholen vorgeworfen, dieser Anklagepunkt wurde jedoch im Laufe des Verfahrens fallen gelassen.
- § 11 Abs. 6 FZV: Wer ein zulassungspflichtiges Fahrzeug führt, muss die Zulassungsbescheinigung Teil I mitführen und sie zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung aushändigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene führte die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht mit, was ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit darstellt und geahndet wird.
- § 24 StVG: Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstößt, insbesondere Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreitet oder die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht mitführt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Vorschrift bildet die Grundlage für die Ahndung der Geschwindigkeitsüberschreitungen und des Nicht-Mitführens der Zulassungsbescheinigung als Ordnungswidrigkeiten.
- § 25 Abs. 1 StVG: Ein Fahrverbot von ein bis drei Monaten kann verhängt werden, wenn eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG begangen wurde und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet ist oder die Beharrlichkeit des Betroffenen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit erkennen lässt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl im Bußgeldbescheid und erstinstanzlich ein Fahrverbot verhängt wurde, wird im Beschluss des KG Berlin das Fahrverbot nicht explizit erwähnt, was aber im ursprünglichen Kontext relevant war.
- § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 154a Abs. 2 StPO: Die Verfolgungsbehörde kann in bestimmten Fällen von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit absehen oder sie beschränken, insbesondere wenn die Tat von geringer Bedeutung ist oder ein anderes Verfahren schwerer wiegt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Kammergericht hat die Verfolgung hinsichtlich des Rechtsüberholens beschränkt, was auf die Anwendung dieser Vorschriften hindeutet und eine Verfahrensvereinfachung ermöglicht.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Autofahrer zum Thema Bußgelder bei Verkehrsverstößen
Schnell mal nicht aufgepasst oder bewusst das Tempolimit ignoriert? Ein Bußgeldbescheid kann teuer werden, besonders wenn Ihnen Vorsatz unterstellt wird. Hier einige Punkte, die Sie als Autofahrer beachten sollten, wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Vorsatz kann teuer werden
Wenn Ihnen nicht nur Fahrlässigkeit, sondern Vorsatz bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird (also absichtliches zu schnelles Fahren), kann das Bußgeld erheblich höher ausfallen als im normalen Bußgeldkatalog vorgesehen. Gerichte können aus den Umständen (z. B. eine sehr hohe Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit) auf vorsätzliches Handeln schließen.
⚠️ ACHTUNG: Die reine Behauptung, Sie hätten die Geschwindigkeit nur versehentlich überschritten, reicht oft nicht aus, um den Vorwurf des Vorsatzes zu entkräften, besonders bei deutlichen Verstößen.
Tipp 2: Fahrzeugpapiere immer mitführen
Das Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung Teil I (früher: Fahrzeugschein) ist eine eigenständige Ordnungswidrigkeit. Sie kann zusätzlich zu anderen Verkehrsverstößen (wie überhöhter Geschwindigkeit) geahndet werden und zu einem separaten Bußgeld führen. Stellen Sie sicher, dass Sie dieses Dokument immer im Original dabeihaben.
Tipp 3: Mehrere Verstöße gleichzeitig (Tateinheit)
Begehen Sie mehrere Verkehrsverstöße zur selben Zeit am selben Ort (z. B. zu schnell fahren und dabei verbotenerweise rechts überholen), liegt juristisch oft „Tateinheit“ vor. Zwar kann es sein, dass im Verfahren ein Teil des Vorwurfs fallen gelassen wird (wie im Beispielfall das Rechtsüberholen), verlassen Sie sich aber nicht darauf. Der verbleibende Verstoß kann dennoch mit einem (ggf. erhöhten) Bußgeld geahndet werden.
Tipp 4: Bußgeldbescheid genau prüfen und ggf. anfechten
Prüfen Sie einen erhaltenen Bußgeldbescheid genau, insbesondere die Höhe des Bußgeldes und die Begründung (wird z. B. Vorsatz angenommen?). Wenn Ihnen der Vorwurf oder die Höhe des Bußgeldes unverhältnismäßig erscheint, kann es sinnvoll sein, Einspruch einzulegen und den Fall anwaltlich prüfen zu lassen. Manchmal können Fehler im Messverfahren oder in der rechtlichen Bewertung vorliegen.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Der Fall zeigt, dass Gerichte bei der Bemessung der Geldbuße einen Spielraum haben, insbesondere wenn Vorsatz im Spiel ist. Die Standard-Regelsätze des Bußgeldkatalogs gelten primär für fahrlässige Verstöße. Zudem ist das Rechtsmittelverfahren (hier: Rechtsbeschwerde) komplex und erfordert oft juristische Expertise, um erfolgreich zu sein. Auch wenn ein Teil des Vorwurfs entfällt, bedeutet das nicht automatisch, dass keine Strafe mehr droht.
✅ Checkliste: Bußgeldbescheid erhalten
- Vorwurf prüfen: Was genau wird Ihnen vorgeworfen (Geschwindigkeit, Vorsatz, andere Delikte)?
- Begründung lesen: Wird Vorsatz unterstellt und wie wird dies begründet?
- Papiere vergessen? Wird ein zusätzliches Bußgeld für fehlende Dokumente gefordert?
- Höhe des Bußgeldes: Entspricht die Höhe dem Regelsatz oder ist sie (z. B. wegen Vorsatz) erhöht?
- Frist beachten: Für einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gilt eine Frist von zwei Wochen nach Zustellung! Bei Unsicherheit oder hohen Beträgen rechtzeitig Rechtsrat einholen.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORbs 20/25, 122 SsBs 5/25 – Beschluss vom 10.03.2025
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