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Vollstreckung mehrerer Fahrverbote mit und ohne Schonfrist

AG Bielefeld – Az.: 10 OWi-44 Js 2782/09-468/11 – Beschluss vom 25.03.2011

I.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen vom 16.03.2011 gegen die Ablehnung des Parallelvollzugs des Fahrverbots aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.11.2010, Az. 39 OWi – 33 Js 2782/09 – 1545/09 wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.

Gründe

I.

Der Betroffene wendet sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16.03.2011 gegen die Ablehnung des Parallelvollzugs des Fahrverbots aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.11.2010, Az. 39 OWi – 33 Js 2782/09 – 1545/09 mit dem seit dem 03.03.2011 vollziehbaren Fahrverbots aus dem Bußgeldbescheid der Stadt B vom 28.09.2009, Az. 5.3247.061401.5, durch die Staatsanwaltschaft Bielefeld.

Mit Bußgeldbescheid der Stadt B vom 28.09.2009 (Az. 5.3247.061401.5) wurde gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Gleichzeitig wurde ihm die „Viermonatsfrist“ im Sinne des § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG gewährt. Der Betroffene legte zunächst Einspruch gegen den Bescheid ein. Im Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Bielefeld am 03.11.2010 nahm der Betroffene den Einspruch gegen diesen Bußgeldbescheid zurück.

Auch gegen einen weiteren Bußgeldbescheid der Stadt B vom 05.11.2009 (Az. 5.3247.091802.2), in dem ein weiteres Fahrverbot von einem Monat gegen den Betroffenen festgesetzt wurde, legte der Betroffene Einspruch ein. Durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.11.2010 wurde gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Eine „Viermonatsfrist“ gemäß § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG wurde dem Betroffenen nicht eingeräumt, nachdem er zuvor den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der Stadt B vom 28.09.2009 (Az. 5.3247.061401.5) zurückgenommen hatte. Gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.11.2010 legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.

Nach Ablauf der im Bußgeldbescheid der Stadt B vom 28.09.2009 (Az. 5.3247.061401.5) gewährten „Viermonatsfrist“ gemäß § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG am 03.03.2011 gab der Betroffene seinen Führerschein zu dem Aktenzeichen des Bußgeldbescheides in amtliche Verwahrung der Stadt B. Anschließend nahm er am gleichen Tage um 17:33 Uhr die Rechtsbeschwerde zurück. Beide Fahrverbote wurden demnach am 03.03.2011 vollziehbar.

Der Betroffene vertritt die Ansicht, die Abgabe seines Führerscheins sei für beide Bußgeldverfahren parallel zu vollstrecken und begründet dies vor allem in Hinblick auf die ansonsten ungerecht wirkende Handhabung von zwei nicht privilegierten Fahrverboten im Sinne des § 25 Abs. 2 StVG – dort kann eine Parallelvollstreckung erfolgen – und dem Zusammentreffen eines nicht privilegierten Fahrverbotes im Sinne des § 25 Abs. 2 StVG mit einem privilegierten Fahrverbot im Sinne des § 25 Abs. 2 a StVG – hier ist streitig, ob eine Parallelvollstreckung erfolgen kann.

Mit Schreiben vom 14.03.2011 teilte die Staatsanwaltschaft Bielefeld in Bezug auf das aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.11.2010, Az. 39 OWi – 33 Js 2782/09 – 1545/09 zu vollstreckende Fahrverbot mit, dass einer Parallelvollstreckung mit dem Fahrverbot aus dem Bußgeldbescheid der Stadt B vom 28.09.2009 (Az. 5.3247.061401.5) nicht zugestimmt wird.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16.03.2011.

II.

Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet.

Gem. § 25 Abs. 2 a StVG sind die Fristen der gegen den Betroffenen verhängten Fahrverbote nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 a StVG liegen hier vor.

Fahrverbote sind im Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 StVG grundsätzlich mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Als Ausnahme von diesem Grundsatz regelt § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG für den Fall, dass in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen den Betroffenen nicht verhängt worden ist und auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt wird, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend vom Grundsatz des § 25 Abs. 2 S. 1 StVG bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Im Anschluss an diese Ausnahmebestimmung regelt § 25 Abs. 2 a Satz 2 StVG in einem solchen Fall der „Viermonatsfrist“ gemäß § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG, dass, wenn gegen den Betroffenen weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt werden, die Fahrverbotsfristen nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen sind.

Unstreitig ist, dass § 25 Abs. 2 a Satz 2 StVG die Fälle erfasst, in denen der Betroffene mit zwei Fahrverboten belegt worden ist und jeweils eine Bestimmung der Verwaltungsbehörde oder des Gerichts nach § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG ergangen.

Unterschiedlich werden hingegen die Fälle beurteilt, in denen ein Fahrverbot mit der „Viermonatsfrist“ und ein weiteres Fahrverbot ohne „Viermonatsfrist“ gemäß § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG aufeinandertreffen.

Soweit die Auffassung vertreten wird, dass in einem sogenannten „Mischfall“ ein Parallelvollzug der Fahrverbote möglich sei, wird diese damit begründet, dass durch den Nacheinandervollzug von zwei Fahrverboten nach § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG und § 25 Abs. 2 Satz 1 StVG der weniger hartnäckige Verkehrssünder, dem nämlich als Ersttäter zumindest einmal die Vergünstigung des § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG zuteil wurde, schlechter gestellt wird, als der Betroffene, der Wiederholungstäter ist und gegen den zwei Fahrverbote nach § 25 Abs. 2 Satz 1 StVG oder sogar nach § 44 StGB vollstreckt werden. Denn es ist unstreitig, dass es möglich ist, in solchen Fällen die Fahrverbote parallel zu vollstrecken.

Dieser Umstand ist jedoch auch dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung des § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG bewusst gewesen, da noch im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 07.02.1997 (BT-Drs. 13/6914) eine umfassende Regelung geschaffen werden sollte, wonach in § 25 Abs. 5 StVG nach Satz 2 folgende Sätze angefügt werden sollten: „Sind gegen den Betroffenen mehrere Fahrverbote wirksam, so laufen die Verbotsfristen nacheinander. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.“ Eine entsprechende Regelung sollte auch in § 44 StGB eingefügt werden. Zur Begründung wurde im Gesetzesentwurf angeführt, dass es sowohl aus verkehrserzieherischen als auch aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend notwendig sei, Fahrverbotsfristen mehrerer Verbote nicht gleichzeitig zu berechnen, sondern nacheinander wirken und gegebenenfalls vollstrecken zu lassen. Das Fahrverbot habe die Funktion eines deutlichen Denkzettels. Es könne nicht im Interesse der Verkehrssicherheit sein, wenn ein hartnäckiger Täter die Möglichkeit hat, nach Begehen eines schwerwiegenden, in der Regel mit Fahrverbot bedrohten Verkehrsverstoßes weitere Verstöße von gleichem Gewicht zu begehen, ohne das Risiko, für einen zusätzlichen Zeitraum auf den Führerschein verzichten zu müssen.

Dass letztlich nur die heutige Regelung in § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG Gesetzeskraft erlangt hat, zeigt, dass der Gesetzgeber die Parallelvollstreckung in den Ausnahmefällen, in denen eine Parallelvollstreckung durch gleichzeitige Rechtskraft gemäß 25 Abs. 2 Satz 1 StVG entsteht, tolerieren wollte. Denn hierbei ist zu bedenken, dass solche Fälle in der Regel nur als seltene Ausnahmen entstehen können, wenn durch taktisches Verhalten in beiden Verfahren ein gleichzeitiger Eintritt der Rechtskraft erreicht werden kann.

Dagegen lässt sich eine Parallelvollstreckung, wenn ein Fahrverbot gemäß § 25 Abs. 2 a StVG privilegiert ist, leichter bewerkstelligen, da lediglich die Rechtskraft eines Fahrverbots „gesteuert“ werden muss. Um dem entgegenzutreten, bestimmt § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG, dass die Fahrverbote nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen sind. Durch § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG sollen durch die Privilegierung entstehende Missbrauchsgefahren (BT-Drs. 13/8655 v. 01.10.1997) ausgeglichen werden. Diese Gefahr der Zusammenlegung von mehreren Verfahren ist bereits bei Verhängung eines privilegierten Fahrverbotes mit Schonfrist gem. § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG gegeben (vgl. AG Viechtach, DAR 2008, 276). Gegen diese Auslegung wird vorgebracht, dass es im Ergebnis fragwürdig erschiene, wenn der bisher nicht durch ein Fahrverbot Vorgewarnte die gegen ihn verhängten Fahrverbote hintereinander zu absolvieren hätte, während der schon zumindest einmal erheblich einschlägig in Erscheinung Getretene sie gleichzeitig verbüßen könnte (vgl. AG Bremen, NZV 2011, 50; AG Viechtach, DAR 2007, 411). Diese Konsequenz ist aber noch als sachgerecht bzw. folgerichtig zu betrachten (AG Viechtach, DAR 2008, 276, in Übereinstimmung mit Albrecht, NZV 1998, 131, 133; Deutscher, NZV 1999, 111, 115). Denn durch die gesetzgeberische Entscheidung, wie sie in § 25 Abs. 2 a StVG zum Ausdruck kommt, sollten gerade die Vor- und Nachteile ausgeglichen werden, indem die mit der „Viermonatsfrist“ bewirkte Besserstellung des Betroffenen mit einer durch den Nacheinandervollzug verbundenen Schlechterstellung des Betroffenen kombiniert wird, um Missbräuche auszuschließen. Darin ist ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung des über § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG privilegierten Betroffenen gegenüber dem mit zwei Fahrverboten nach § 25 Abs. 2 StVG oder § 44 StGB Betroffenen gerechtfertigt. Dies gilt auch in den sogenannten Mischfällen, so dass auch hier keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt (AG Viechtach, DAR 2008, 276).

Entscheidend für diese Auffassung spricht jedoch das Wortlautargument, da eine Beschränkung auf Fahrverbote nach § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG nicht zu entnehmen ist. Der Gesetzeswortlaut spricht grundsätzlich von weiteren Fahrverboten – irgendeine bestimmte Klassifizierung wird nicht vorgenommen (Fromm, Anm. zu AG Bremen v. 20.08.2010, NZV 2011, 50, 52). Weder dem Wortlaut noch der Stellung des § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG lässt sich somit entnehmen, dass dieser nur bei einem Zusammentreffen zweier privilegierter Fahrverbote Anwendung finden soll. Gegen eine solche Auffassung sprich zudem, dass das Zusammentreffen zweier Fahrverbote gemäß § 25 Abs. 2 a StVG schon aufgrund der dortigen Voraussetzungen eigentlich nicht möglich sein sollte. § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG dahingehend einschränkend auszulegen, dass der Gesetzgeber eine Sonderregelung nur für einen nach Gesetzeslage höchstens ausnahmsweise vorkommenden Fall geschaffen hat, kann nicht angenommen werden. Auch dies zeigt, dass diese Norm gerade auch für die sogenannten „Mischfälle“ gelten muss (AG Viechtach, DAR 2008, 276). Dabei ergibt sich aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG, dass dieser auch in der vorliegenden „Mischfall“-Konstellation Anwendung findet. Denn durch die systematische Stellung in § 25 Abs. 2 a StVG bezieht sich § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG zunächst auf Fahrverbote nach § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG. Werden bei Vorliegen eines solchen Fahrverbots weitere Fahrverbote rechtkräftig verhängt, so sind die Fahrverbotsfristen nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG kommt es daher für dessen Anwendung gerade nicht darauf an, in welcher Reihenfolge die Rechtskraft eintritt; es kommt nur auf das Vorliegen eines Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG an. Lediglich die Berechnung der Fahrverbotsfristen erfolgt dann in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen; die Fahrverbote werden jedoch unabhängig von der Reihenfolge der Rechtskraft nacheinander vollstreckt.

Daher sind auch die Fahrverbote aus dem Bußgeldbescheid der Stadt B vom 28.09.2009, Az. 5.3247.061401.5 und dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.11.2010, Az. 39 OWi – 33 Js 2782/09 – 1545/09 gemäß § 25 Abs. 2 a S. 2 StVG nacheinander zu vollstrecken.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 103 Abs. 1 Nr. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO.

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