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Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- OLG kassiert Urteil wegen Mängel bei Geschwindigkeits-Messung mit Motorrad
- ✔ Der Fall vor dem OLG Hamm
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Wie funktioniert eine Geschwindigkeitsmessung mittels nachfahrendem Polizeimotorrad?
- Unter welchen Umständen ist eine solche Geschwindigkeitsmessung rechtlich verwertbar?
- Welche Anforderungen müssen die Polizeibeamten bei der Durchführung der Messung beachten?
- Wie kann man sich gegen eine fehlerhafte Messung verteidigen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom OLG Hamm
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Es geht um die Geschwindigkeitsmessung eines Verkehrsteilnehmers durch ein nachfahrendes Polizeimotorrad, die gerichtlich überprüft wurde.
- Der Betroffene wurde wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung und fahrlässigem Überholen verurteilt.
- Die Messungen erfüllten nicht die Anforderungen eines standardisierten Messverfahrens, weshalb ein Sachverständigengutachten herangezogen wurde.
- Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot.
- Der Betroffene legte Rechtsbeschwerde ein und rügte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
- Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
- Das Oberlandesgericht Hamm hob das angefochtene Urteil wegen formaler Fehler auf.
- Die Sache wurde zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
- Das Gericht entschied so, weil die Messung nicht den erforderlichen Standards entsprach und somit nicht verwertbar war.
- Diese Entscheidung hat Auswirkungen auf die Beweiskraft von Messungen durch nachfahrende Polizeimotorräder.
OLG kassiert Urteil wegen Mängel bei Geschwindigkeits-Messung mit Motorrad
Eine Geschwindigkeitsmessung durch ein nachfolgendes Polizeimotorrad ist ein häufig verwendetes Instrument, um Verkehrsteilnehmer zu überführen, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten. Allerdings gibt es in Bezug auf die rechtliche Verwertbarkeit solcher Messungen einige relevante Aspekte zu beachten.scheidend sind hierbei zum einen die technische Funktionsweise der Messgeräte, aber auch die Einhaltung bestimmter Verfahrensregeln durch die kontrollierenden Beamten. Im Folgenden werden wir einen konkreten Fall betrachten, in dem die Verwertbarkeit einer solchen Geschwindigkeitsmessung gerichtlich bewertet wurde.
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✔ Der Fall vor dem OLG Hamm
OLG Hamm kassiert Urteil wegen lückenhafter Beweiswürdigung bei Geschwindigkeitsmessung mittels Polizeimotorrad

In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Lüdenscheid ging es um eine Geschwindigkeitsüberschreitung und ein unzulässiges Überholmanöver des Betroffenen. Das Gericht hatte den Betroffenen, gestützt auf ein Sachverständigengutachten, wegen vorsätzlichem Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit gefahrenen 141 km/h und wegen fahrlässigen Überholens trotz unzureichender Sicht in einer Linkskurve verurteilt.
Gegen das Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde zum OLG Hamm ein. Das OLG hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Amtsgericht.
Begründung: Lückenhafte Beweiswürdigung zur Geschwindigkeitsmessung
Das OLG kritisierte die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft. Da die Messung mittels nachfahrendem Polizeimotorrad wegen Schrägfahrt nicht als standardisiertes Messverfahren gelten könne, sei eine individuelle Prüfung der Messung auf ihre Richtigkeit erforderlich gewesen.
Bei Einholung eines Sachverständigengutachtens müsse das Gericht dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen so darlegen, dass die Überprüfung der Schlüssigkeit möglich ist. Daran fehle es, da nicht dargelegt wurde, welche Fixpunkte der Gutachter wählte, wie deren Abstand bestimmt wurde und welche Zeit für das Zurücklegen dieser Strecke ermittelt wurde.
Einsehbarkeit der Überholstrecke nicht ausreichend dargelegt
Auch zur Frage, ob der Betroffene die Strecke ausreichend einsehen konnte, um gefahrlos zu überholen, seien die Anknüpfungstatsachen des Gutachtens zur ermittelten Geschwindigkeit des überholten Fahrzeugs, den zurückgelegten Strecken und der möglichen Sichtweite nicht konkret dargelegt worden.
Zwar spreche viel für ein unzulässiges Überholen, jedoch könne dies aufgrund der lückenhaften Beweiswürdigung nicht abschließend überprüft werden.
Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Amtsgericht
Wegen der aufgezeigten Darstellungsmängel hob das OLG Hamm das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
Das Urteil macht deutlich, dass gerade bei Geschwindigkeitsmessungen, die nicht auf einem standardisierten Messverfahren beruhen, besonders hohe Anforderungen an eine nachvollziehbare und lückenlose Beweiswürdigung zu stellen sind. Nur so kann gewährleistet werden, dass die gerichtliche Entscheidung revisionsrechtlich überprüfbar ist.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil des OLG Hamm unterstreicht die hohen Anforderungen an die richterliche Beweiswürdigung bei Geschwindigkeitsmessungen, die nicht auf standardisierten Verfahren beruhen. Gerichte müssen in solchen Fällen die Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen von Sachverständigengutachten so darlegen, dass deren Schlüssigkeit überprüfbar ist. Nur durch eine lückenlose und nachvollziehbare Beweiswürdigung kann gewährleistet werden, dass die gerichtliche Entscheidung einer Überprüfung im Rechtsmittelverfahren standhält.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen mittels nachfolgendem Polizeimotorrad wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Wie funktioniert eine Geschwindigkeitsmessung mittels nachfahrendem Polizeimotorrad?
- Unter welchen Umständen ist eine solche Geschwindigkeitsmessung rechtlich verwertbar?
- Welche Anforderungen müssen die Polizeibeamten bei der Durchführung der Messung beachten?
- Wie kann man sich gegen eine fehlerhafte Messung verteidigen?
Wie funktioniert eine Geschwindigkeitsmessung mittels nachfahrendem Polizeimotorrad?
Eine Geschwindigkeitsmessung mittels nachfahrendem Polizeimotorrad erfolgt durch die Verfolgung eines verdächtigen Fahrzeugs, wobei die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs anhand der eigenen Geschwindigkeit des Polizeimotorrads ermittelt wird. Dabei wird ein Videonachfahrsystem verwendet, das die Fahrt aufzeichnet und später ausgewertet wird.
Wichtig ist, dass der Abstand zwischen dem Polizeimotorrad und dem verdächtigen Fahrzeug möglichst konstant bleibt. Bei höheren Geschwindigkeiten muss die Messstrecke länger sein, um genaue Ergebnisse zu erzielen. Beispielsweise sollte bei Geschwindigkeiten über 90 km/h die Messstrecke mindestens 500 Meter betragen und der Abstand nicht mehr als 100 Meter betragen.
Die Messung ist anfällig für Fehler, insbesondere wenn der Abstand nicht konstant gehalten wird oder die Messstrecke zu kurz ist. Auch die Beleuchtung und Sichtverhältnisse spielen eine Rolle, besonders bei Nacht. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, kann die Messung vor Gericht angefochten werden.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn ein Polizeimotorrad einem Fahrzeug bei Nacht über eine kurvige Strecke folgt und dabei die Sichtverhältnisse schlecht sind, kann die Messung ungenau sein. In solchen Fällen ist es ratsam, einen Anwalt für Verkehrsrecht hinzuzuziehen, um die Messung zu überprüfen und gegebenenfalls Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen.
Unter welchen Umständen ist eine solche Geschwindigkeitsmessung rechtlich verwertbar?
Eine Geschwindigkeitsmessung durch ein nachfahrendes Polizeimotorrad ist rechtlich verwertbar, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen betreffen sowohl die technische Durchführung der Messung als auch die Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse.
Zunächst muss der Abstand zwischen dem Polizeimotorrad und dem verdächtigen Fahrzeug konstant gehalten werden. Ein schwankender Abstand kann die Messung ungenau machen und somit die Verwertbarkeit beeinträchtigen. Bei Geschwindigkeiten bis zu 120 km/h sollte der Abstand nicht größer als 100 Meter sein.
Die Messstrecke muss eine ausreichende Länge haben. Bei höheren Geschwindigkeiten ist eine längere Messstrecke erforderlich, um genaue Ergebnisse zu erzielen. Eine zu kurze Messstrecke kann zu erheblichen Messfehlern führen, die die Verwertbarkeit der Messung in Frage stellen.
Das Polizeimotorrad muss mit einem geeichten Tachometer ausgestattet sein. Ein nicht geeichter Tachometer kann zu ungenauen Geschwindigkeitsangaben führen. Regelmäßige Eichungen sind daher unerlässlich, um die Genauigkeit der Messung sicherzustellen.
Die Videoaufzeichnung der Messung muss klar und deutlich sein. Die Aufzeichnung dient als Beweismittel und muss die gesamte Messstrecke sowie den konstanten Abstand dokumentieren. Bei Nachtmessungen sind zusätzliche Anforderungen an die Beleuchtung und Sichtverhältnisse zu beachten, um die Messung nachvollziehbar zu machen.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn ein Polizeimotorrad einem Fahrzeug auf einer kurvigen Strecke bei Nacht folgt, muss die Messstrecke gut beleuchtet sein und der Abstand konstant gehalten werden. Andernfalls kann die Messung vor Gericht angefochten werden.
Die Rechtsprechung verlangt zudem eine detaillierte Dokumentation der Messbedingungen. Dazu gehören Angaben zur Länge der Messstrecke, dem Abstand zwischen den Fahrzeugen und der Geschwindigkeit des Polizeimotorrads. Fehlen diese Angaben oder sind sie ungenau, kann die Messung als nicht verwertbar eingestuft werden.
Ein weiteres Beispiel: Wenn ein Polizeimotorrad einem Fahrzeug bei schlechten Sichtverhältnissen folgt und die Messstrecke nicht klar dokumentiert ist, kann die Messung vor Gericht angefochten werden. Ein Anwalt kann in solchen Fällen Einsicht in das Messprotokoll und das Video verlangen, um mögliche Fehler aufzudecken.
Die Verwertbarkeit der Messung hängt also von der Einhaltung dieser technischen und dokumentarischen Anforderungen ab. Werden diese nicht erfüllt, kann die Messung vor Gericht angefochten und möglicherweise als Beweismittel abgelehnt werden.
Welche Anforderungen müssen die Polizeibeamten bei der Durchführung der Messung beachten?
Polizeibeamte müssen bei der Durchführung einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mehrere Anforderungen beachten, um die Messung rechtlich verwertbar zu machen. Diese Anforderungen betreffen sowohl die technische Durchführung als auch die Dokumentation der Messung.
Zunächst muss der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem verdächtigen Fahrzeug konstant gehalten werden. Ein schwankender Abstand kann die Messung ungenau machen und somit die Verwertbarkeit beeinträchtigen. Der Abstand sollte möglichst gering sein und darf bei Geschwindigkeiten bis zu 120 km/h nicht größer als 100 Meter sein.
Die Messstrecke muss eine ausreichende Länge haben. Bei höheren Geschwindigkeiten ist eine längere Messstrecke erforderlich, um genaue Ergebnisse zu erzielen. Eine zu kurze Messstrecke kann zu erheblichen Messfehlern führen, die die Verwertbarkeit der Messung in Frage stellen. In der Regel sollte die Messstrecke mindestens 300 Meter betragen.
Das Polizeifahrzeug muss mit einem geeichten Tachometer ausgestattet sein. Ein nicht geeichter Tachometer kann zu ungenauen Geschwindigkeitsangaben führen. Regelmäßige Eichungen sind daher unerlässlich, um die Genauigkeit der Messung sicherzustellen.
Die Videoaufzeichnung der Messung muss klar und deutlich sein. Die Aufzeichnung dient als Beweismittel und muss die gesamte Messstrecke sowie den konstanten Abstand dokumentieren. Bei Nachtmessungen sind zusätzliche Anforderungen an die Beleuchtung und Sichtverhältnisse zu beachten, um die Messung nachvollziehbar zu machen.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn ein Polizeimotorrad einem Fahrzeug auf einer kurvigen Strecke bei Nacht folgt, muss die Messstrecke gut beleuchtet sein und der Abstand konstant gehalten werden. Andernfalls kann die Messung vor Gericht angefochten werden.
Die Rechtsprechung verlangt zudem eine detaillierte Dokumentation der Messbedingungen. Dazu gehören Angaben zur Länge der Messstrecke, dem Abstand zwischen den Fahrzeugen und der Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs. Fehlen diese Angaben oder sind sie ungenau, kann die Messung als nicht verwertbar eingestuft werden.
Ein weiteres Beispiel: Wenn ein Polizeifahrzeug einem Fahrzeug bei schlechten Sichtverhältnissen folgt und die Messstrecke nicht klar dokumentiert ist, kann die Messung vor Gericht angefochten werden. Ein Anwalt kann in solchen Fällen Einsicht in das Messprotokoll und das Video verlangen, um mögliche Fehler aufzudecken.
Die Verwertbarkeit der Messung hängt also von der Einhaltung dieser technischen und dokumentarischen Anforderungen ab. Werden diese nicht erfüllt, kann die Messung vor Gericht angefochten und möglicherweise als Beweismittel abgelehnt werden.
Wie kann man sich gegen eine fehlerhafte Messung verteidigen?
Gegen eine fehlerhafte Geschwindigkeitsmessung kann man sich auf verschiedene Weise verteidigen. Zunächst ist es wichtig, die Rohmessdaten und Messprotokolle einzusehen. Diese Daten geben Aufschluss darüber, ob die Messung korrekt durchgeführt wurde und ob die verwendeten Geräte ordnungsgemäß geeicht und bedient wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass Betroffene das Recht haben, diese Daten einzusehen, um ein faires Verfahren zu gewährleisten.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Autofahrer wird geblitzt und erhält einen Bußgeldbescheid. Er zweifelt an der Richtigkeit der Messung und beantragt Einsicht in die Rohmessdaten und das Messprotokoll. Dabei stellt sich heraus, dass das Messgerät nicht ordnungsgemäß geeicht war. In diesem Fall kann der Bußgeldbescheid angefochten werden.
Ein weiteres wichtiges Mittel ist die Einschaltung eines Sachverständigen. Ein Sachverständiger kann die Messung auf technische Fehler überprüfen und feststellen, ob die Messung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Dies ist besonders relevant, wenn es Hinweise auf Bedienungsfehler oder technische Mängel gibt.
Ein Beispiel: Ein Autofahrer wird von einem nachfahrenden Polizeimotorrad gemessen. Er zweifelt an der Genauigkeit der Messung und beauftragt einen Sachverständigen. Der Sachverständige stellt fest, dass der Abstand zwischen den Fahrzeugen während der Messung nicht konstant gehalten wurde. Dies kann die Messung ungenau machen und somit die Verwertbarkeit des Messergebnisses beeinträchtigen.
Auch Formfehler im Bußgeldbescheid können zur Anfechtung führen. Ein Bußgeldbescheid muss bestimmte Informationen enthalten, wie die genaue Tatzeit, den Tatort und die verwendeten Beweismittel. Fehlen diese Angaben oder sind sie ungenau, kann der Bußgeldbescheid ungültig sein.
Ein Beispiel: Ein Bußgeldbescheid enthält keine genaue Angabe zur Tatzeit. Der Betroffene legt Einspruch ein und argumentiert, dass der Bescheid aufgrund dieses Formfehlers ungültig ist. Das Gericht gibt dem Einspruch statt und hebt den Bußgeldbescheid auf.
Schließlich kann auch die Überprüfung der Messbedingungen hilfreich sein. Dazu gehört die Frage, ob die Messung unter den vorgeschriebenen Bedingungen durchgeführt wurde, wie etwa die Einhaltung des Mindestabstands und die korrekte Ausrichtung des Messgeräts.
Ein Beispiel: Ein Autofahrer wird von einem stationären Blitzer erfasst. Er zweifelt an der Richtigkeit der Messung und lässt die Messbedingungen überprüfen. Dabei stellt sich heraus, dass der Blitzer nicht korrekt ausgerichtet war. Dies kann die Messung ungenau machen und somit die Verwertbarkeit des Messergebnisses beeinträchtigen.
Insgesamt gibt es also mehrere Möglichkeiten, sich gegen eine fehlerhafte Geschwindigkeitsmessung zu verteidigen. Wichtig ist, dass alle relevanten Daten und Protokolle sorgfältig geprüft werden und gegebenenfalls ein Sachverständiger hinzugezogen wird.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz): Dieser Paragraph regelt die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen. Im vorliegenden Fall hat der Betroffene gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid Rechtsbeschwerde eingelegt, welche nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zulässig ist und letztlich Erfolg hatte.
- § 261 StPO (Strafprozessordnung): Diese Norm betrifft die freie Beweiswürdigung durch das Gericht. Im vorliegenden Fall wurde das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid aufgehoben, da die Beweiswürdigung sowohl bezüglich der gefahrenen Geschwindigkeit als auch der Übersichtlichkeit der Überholstrecke als lückenhaft angesehen wurde und somit der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht standhielt.
- Standardisiertes Messverfahren: Hiermit sind spezielle Anforderungen an das Messverfahren gemeint, das von der Polizei genutzt wird, insbesondere bezüglich der Gerätenormierung und der Einhaltung bestimmter Verfahrensweisen. Das Amtsgericht stellte fest, dass das ProVida-System der Polizei aufgrund von Schrägfahrt während des Messvorgangs diesen Anforderungen nicht genügte, wodurch die Messung nicht als standardisiertes Messverfahren anerkannt wurde.
- ProVida-System: Ein spezielles Messsystem zur Geschwindigkeitsüberwachung, das von der Polizei genutzt wird. Im konkreten Fall wurde das ProVida-System verwendet, dessen Messergebnisse wegen der Schrägfahrt des nachfolgenden Polizeimotorrads nicht als zuverlässig eingestuft wurden.
- Sachverständigengutachten: Hierbei handelt es sich um eine unabhängige Expertise, die zur Beweisführung herangezogen wurde. Das Amtsgericht stützte sich auf ein Sachverständigengutachten, da die Geschwindigkeitsmessung nicht den Anforderungen genügte. Die Kritik des OLG Hamm an der Beweiswürdigung deutet darauf hin, dass das Gutachten in seiner Darstellung der Anknüpfungstatsachen lückenhaft war.
- Vorsätzliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit: Dies beschreibt die vorgeworfene Tat des Betroffenen, der mit 141 km/h auf einer Straße fuhr, auf der maximal 100 km/h erlaubt sind. Dieses Verhalten wurde im Urteil bemängelt.
- Fahrlässiges Überholen: Der Betroffene überholte in einer unübersichtlichen Linkskurve, was als fahrlässig eingestuft wurde, da er die Kurve nicht einsehen konnte und somit das Risiko einer Gefährdung des entgegenkommenden Verkehrs bestand.
- Zurückverweisung zur neuen Entscheidung: Das OLG Hamm hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen, damit dort neue Feststellungen getroffen und eine erneute Entscheidung gefällt wird. Dies betrifft auch die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, über die ebenfalls neu zu entscheiden ist.
⇓ Das vorliegende Urteil vom OLG Hamm
OLG Hamm – Az.: III-5 RBs 334/22 – Beschluss vom 09.01.2023
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Lüdenscheid hat den Betroffenen im angefochtenen Urteil wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und fahrlässigem Überholen, obwohl nicht übersehbar war, dass während des gesamten Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen war, zu einer Geldbuße von 370 EUR verurteilt. Zugleich hat es gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub verhängt.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Betroffene am 00.00.0000 die L539 in W., auf welcher eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erlaubt ist, mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 141 km/h und überholte einen PKW vor bzw. noch in einer Linkskurve, obgleich er die Kurve nicht ausreichend einsehen konnte. Da die Messung nicht den Anforderungen genügte, die an ein standardisiertes Messverfahren zu stellen sind, hat das Amtsgericht seine Überzeugungsbildung sowohl betreffend die gefahrene Geschwindigkeit als auch betreffend die fehlende Übersichtlichkeit der Überholstrecke auf ein Sachverständigengutachten gestützt.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin (vorläufigen) Erfolg.
1)
Die der Verurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung erweist sich sowohl (a)) bezüglich der gefahrenen Geschwindigkeit als auch (b)) bezüglich der Übersichtlichkeit der Überholstrecke als lückenhaft und hält damit sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 261 StPO).
a)
Im Ansatz zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Geschwindigkeitsmessung mittels des ProVida-Systems vorliegend wegen der Schrägfahrt des nachfahrenden Polizeimotorrades während des Messvorgangs nicht den Anforderungen genügt, welche an ein standardisiertes Messverfahren zu stellen sind.
aa)
Es liegt vielmehr lediglich ein individuelles Messverfahren ohne die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit vor, sodass das Amtsgericht – wovon es selbst auch zutreffend ausgegangen ist – die Korrektheit des Messergebnisses individuell zu prüfen hatte (OLG Naumburg DAR 2016; 403; OLG Bamberg ZfS 2017, 171; OLG Düsseldorf BeckRS 2012, 01983; Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 27. Aufl. 2022, § 3 StVO Rn. 85). Holt das Gericht aus diesem Grund – wie vorliegend – ein Sachverständigengutachten ein und misst diesem Beweisbedeutsamkeit bei, so muss es nach ständiger Rechtsprechung die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch gerade in Bußgeldsachen nur gedrängt) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wenigstens insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist (stRspr; BGH, Urteil vom 20.03.1991 – 2 StR 610/90 -, Rn. 11, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 31.05.2021 – 3 OWi 32 SsBs 97/21 -, Rn. 10, juris; Senatsbeschluss vom 10.05.2022 – 5 RBs 111/22).
bb)
Den vorstehend beschriebenen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung mangels vollständiger Darlegung der Anknüpfungstatsachen nicht. So teilt das Amtsgericht zwar mit, dass der Sachverständige das Messvideo ausgewertet und aufgrund von sogenannten Orthofotos zwei Fixpunkte bestimmt habe. Die hiernach ermittelte Wegstrecke und Zeit habe unter Abzug näher dargelegter Toleranzen eine Mindestgeschwindigkeit von 141 km/h ergeben. Den Darlegungen in der Beweiswürdigung lässt sich jedoch nicht entnehmen, welche Fixpunkte gewählt worden sind, welcher Abstand zwischen den Fixpunkten bestand und auf welcher Weise dieser Abstand bestimmt worden ist sowie welche Zeit das Motorrad des Betroffenen zur Zurücklegung der Wegstrecke zwischen den Fixpunkten benötigte und wie diese Zeitspanne ermittelt worden ist. Aufgrund dieser fehlenden Darlegung wird der Senat nicht – was indes erforderlich wäre – in die Lage versetzt, die Geschwindigkeitsermittlung zu überprüfen.
Soweit zugunsten des Betroffenen zudem angenommen wird, dass für den Beginn der Messung auf die Position des vorderen und für das Ende der Messung auf die Position des hinteren Motorrades abgestellt wird, weil eine Vertauschung der Position der Motorräder nicht auszuschließen sei, ist das Urteil ferner nicht aus sich heraus verständlich. Weder den Feststellungen noch der Beweiswürdigung lässt sich entnehmen, ob und wie ein zweites Motorrad im Messvideo auftaucht.
b)
Ferner werden auch die Anknüpfungstatsachen zur Übersichtlichkeit der Überholstrecke nicht hinreichend dargelegt.
aa)
Nach § 5 Abs. 1 und 2 StVO darf nur überholen, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Überholende einen Abschnitt der Gegenfahrbahn einsehen kann, der zumindest so lang ist, wie die für den Überholvorgang benötigte Strecke, zuzüglich des Weges, den ein entgegenkommendes, mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit fahrendes Fahrzeug während des Überholens zurücklegt, es sei denn, die Breite der Straße lässt ein gefahrloses Überholen auch bei Gegenverkehr zu (OLG Hamm NStZ-RR 2013, 181).
Die erforderliche Mindestsichtweite für das Überholen ergibt sich demnach aus der Summe der Strecken des Überholenden und des Gegenverkehrs bis zur Begegnung (Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, a.a.O. § 5 StVO 19).
bb)
Diesbezüglich trifft das Amtsgericht zwar eine Reihe von Annahmen zu Gunsten des Betroffenen. So geht es (1) vom Beginn des Überholvorgangs möglichst nah an der Kurve im Hinblick auf die bessere Einsehbarkeit aus, legt (2) nur die Strecke zu Grunde, die das Motorrad zurückgelegt hat, nachdem es sich in Höhe des überholten PKWs befunden hatte und berücksichtigt (3) den Weg des entgegenkommenden Fahrzeugs nicht. Diese Annahme legen ein ordnungswidriges Überholen in der Tat sehr nahe. Gleichwohl sind auch die diesbezüglichen Ausführungen für den Senat nicht überprüfbar. So wird die vom Sachverständigen ermittelte Geschwindigkeit des überholten Fahrzeugs von 70 km/h, die zurückgelegten Strecken nach dem Einscheren von 98 m bzw. 120 m und die Einsehbarkeit der Strecke von maximal etwa 70m – 90m lediglich mitgeteilt, ohne dass konkret dargelegt wird, wie diese jeweils durch den Sachverständigen ermittelt wurden.
2)
Da das Urteil bereits auf die Sachrüge hin aufzuheben ist, bedarf es keiner Entscheidung über die Verfahrensrüge.
3)
Aufgrund des aufgezeigten Darstellungsmangels war die Sache daher unter Aufhebung auch der Feststellungen an das Amtsgericht zurückzuverweisen.