Skip to content
Menü

Vergütung für medizinisch-psychologische Untersuchung – Werklohnfälligkeit

AG Koblenz – Az.: 412 C 1321/19 – Urteil vom 09.06.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 936,65 € festgesetzt.

Tatbestand

Gestritten wird um Vergütung für eine medizinisch-psychologische Untersuchung.

Die Klägerin ist ein amtlich anerkannter Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung. Der Beklagte wurde wegen des Konsums von Betäubungsmitteln und Alkohol im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen von der zuständigen Führerscheinstelle aufgefordert, ein (positives) MPU-Gutachten vorzulegen, wolle er den Führerschein zurückerhalten. Bei einem Gespräch in den Räumen der Fahrerlaubnisbehörde unterzeichnete der Beklagte am 13.4.2015 unter anderem eine „Einverständniserklärung“ (Bl. 55 d.A.), wonach eine medizinisch-psychologische Untersuchung auf seine Kosten bei der Klägerin durchgeführt werden solle und die Behörde zu diesem Zwecke die Unterlagen an die Klägerin übersenden solle. Außerdem unterzeichnete er eine „Erklärung über den Verzicht auf eine formelle Gutachtenanordnung“ (Bl. 56 d.A.), in der er bestätigte, dass ihm bekannt sei, dass auf seine Kosten eine MPU durchzuführen sei. Die Fahrerlaubnisbehörde übersandte daraufhin noch am selben Tag die Akte an die Klägerin mit der Bitte, die Untersuchung durchzuführen. Die Klägerin begann mit Vorarbeiten für die Begutachtung, der Beklagte wirkte jedoch in der Folge bei der Erstellung eines Gutachtens nicht mit, so dass ein Gutachten letztlich nicht erstellt werden konnte. Eine Zahlung an die Klägerin leistete der Beklagte nicht.

Die Klägerin ist der Meinung, von dem Beklagten wirksam beauftragt worden zu sein. Sie meint, daher einen Anspruch in der in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgelegten Höhe von 936,65 € brutto zu haben. Diese Gebühr sei bereits mit der Beauftragung angefallen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 936,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.5.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe nicht gewusst, was er unterzeichnet habe. Er habe bei der Führerscheinstelle ausdrücklich gesagt, er wolle keine MPU machen. Ihm sei von der Mitarbeiterin der Zulassungsstelle gesagt worden, die ihm vorgelegten Unterlagen stellten lediglich eine Anwesenheitsbestätigung dar, die er unterschreiben müsse, sonst werde eine hohe Strafe / ein Bußgeld auf ihn zukommen. Beim Durchlesen der Unterlagen sei er von der Mitarbeiterin der Zulassungsstelle unterbrochen worden mit der Bemerkung, er brauche das nicht zu lesen. Der Beklagte meint, er könne daher seine Erklärung anfechten.

Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im Einzelnen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der geforderten 936,65 € aus § 631 Abs. 1 BGB. Die Klage ist unschlüssig. Nach dem Klagevorbringen ist der Anspruch nicht fällig. Er ist zudem der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt.

1. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist als privatrechtlicher Werkvertrag zu qualifizieren. Das entspricht einhelliger Meinung (statt aller: MüKoStVR/Geiger, FeV § 66 Rn. 33-39; BVerwG, NZV 1998, 300, beck-online) und wird auch von den Parteien so gesehen.

2. Der Werklohn ist nach dem Klagevorbringen nicht fällig. Die Vergütung ist bei Abnahme des Werkes zu entrichten, § 641 Abs. 1 S. 1 BGB. Das in Auftrag gegebene Gutachten wurde bisher gar nicht erstellt. Eine Beendigung des Vertrages durch Kündigung oder eine endgültige Abnahmeverweigerung durch den Beklagten wird von der Klägerin nicht vorgetragen. Soweit sie die Meinung vertritt, die Vergütung sei gem. § 6 GebOSt bereits mit der Beauftragung angefallen und fällig, ist das nicht überzeugend. Die Klägerin macht Werklohn geltend. Dessen Fälligkeit ist in § 641 BGB geregelt. Die GebOSt regelt verwaltungsrechtliche Gebühren bei Amtshandlungen. Die von der Klägerin vorgelegten (durchaus zahlreichen) Urteile überzeugen das erkennende Gericht ebensowenig. Sowohl die Argumentation der Klägerin als auch die von ihr vorgelegten Urteile laufen darauf hinaus, dass in einem Privatrechtsverhältnis eine öffentlich-rechtliche Gebühr zugesprochen wird. Das erscheint dem erkennenden Gericht schlechterdings unhaltbar.

3. Jedenfalls ist der Vortrag der Klägerin zur Höhe des geschuldeten Werklohnes nicht schlüssig.

a) Eine ausdrückliche Abrede in dem Vertrag fehlt. Das ist unstreitig.

b) Das Gericht teilt auch nicht die Auffassung der Klägerin, es habe im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im April 2015 eine taxmäßige Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 1. Alt. BGB gegolten. Die zu dieser Zeit geltende Anlage zur von der Klägerin herangezogenen Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr ist keine solche Taxe. Sie betrifft als verwaltungsrechtliche Norm schon nicht die privatrechtlich handelnden Parteien, sondern legt öffentlich-rechtliche Gebühren „für Amtshandlungen“ fest, § 1 Abs. 1 GebOSt. Selbst wenn man die zum damaligen Zeitpunkt geltende Gebührenordnung als Versuch ansehen wollte, eine Taxe gem. § 632 Abs. 2 BGB festzulegen, wäre dies aber nicht wirksam geschehen: Denn eine solche, die Privatautonomie einschränkende Rechtsverordnung bedürfte einer gesetzlichen Grundlage, die hier aber fehlte: Die maßgebliche Grundlage in § 6a Abs. 1 Nr. 1a StVG a.F. betraf nur die Gebührenerhebung „für Amtshandlungen“, nicht auch für Preisregelungen auf dem Gebiet des Privatrechts. Wollte man die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende GebOSt als Taxe gem. § 632 Abs. 2 BGB begreifen, wäre sie also jedenfalls wegen Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG unwirksam (ausführlich: Geiger: Staatlich festgesetzte Gebühren für die Medizinisch-Psychologische Untersuchung? in: DAR 2014, 256).

Der Gesetzgeber hat dies im Übrigen erkannt und (nach dem hier relevanten Zeitpunkt) im Jahr 2016 in § 6f Abs. 2 StVG eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung geschaffen, mit der eine taxmäßige Vergütung festgelegt werden kann (vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 18/8559 vom 25.5.2016); davon wurde bisher allerdings noch nicht Gebrauch gemacht.

c) Als vereinbart anzusehen ist daher die übliche Vergütung, § 632 Abs. 2 2. Alt. BGB. Dazu fehlt es – trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichts – an jeglichem Vortrag der Klägerin. Es kann auch nicht einfach unterstellt werden, dass üblicherweise die in der GebOSt genannten Gebühren als Werklohn vereinbart werden. Weder behauptet die Klägerin das, noch liegen dem Gericht dafür irgendwelche Anhaltspunkte vor. Der Vortrag der Klägerin lässt vielmehr darauf schließen, dass Vereinbarungen zur Höhe überhaupt nie getroffen werden.

d) Wollte man (etwa wegen der fehlenden Mitwirkung des Beklagten oder der von ihm erklärten Anfechtung) eine Unmöglichkeit der Fertigstellung oder eine Vertragskündigung annehmen, wäre der (hier ohnehin schon nicht schlüssig dargestellte) Werklohnanspruch zwar fällig, jedoch aus einem weiteren Grund nicht schlüssig dargelegt: In diesem Falle nämlich hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung des vollständigen Werklohnes, sie könnte dann nur einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung verlangen, § 645 Abs. 1 S. 1 BGB, bzw. müsste sich die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, § 648 S. 2 2. HS BGB. Dazu fehlt es – trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichts – an jeglichem Vortrag.

4. Die Frage, ob der Beklagte das Rechtsgeschäft wirksam angefochten hat, kommt es nach alledem nicht an.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!