Skip to content
Menü

Verbotswidrige Mobilfunktelefonnutzung – Ablehnung eines Beweisantrags

Das Dilemma der „E-Zigarette oder Mobiltelefon“ Frage

In einem bemerkenswerten Fall hat das Oberlandesgericht Brandenburg (Az.: 2 OLG 53 Ss-OWi 516/21) das Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 22. Juni 2021 aufgehoben und zur Neuverhandlung zurückverwiesen.

Der Beschuldigte war ursprünglich wegen verbotswidriger Nutzung eines elektronischen Geräts und fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldstrafe von 140 € verurteilt worden. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war eindeutig, doch die Frage der Nutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt verursachte juristische Kopfschmerzen. Das Gericht stützte sich auf ein Beweisfoto, auf dem der Beschuldigte anscheinend ein Mobiltelefon in der Hand hielt und damit telefonierte.

Direkt zum Urteil Az: 2 OLG 53 Ss-OWi 516/21 springen.

Der Antrag auf Rechtsbeschwerde

Der Beschuldigte reichte eine Rechtsbeschwerde ein, in der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts anprangerte. Ein wesentlicher Aspekt seiner Beschwerde betraf die Ablehnung seines Antrags auf Inaugenscheinnahme des in der Hand gehaltenen Geräts, das er als „E-Zigaretten-Gerät“ bezeichnete, nicht als Mobiltelefon. Darüber hinaus kritisierte er, dass das Gericht seinen Antrag auf Herausgabe unverschlüsselter Rohmessdaten ignoriert hatte.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragte, den Antrag als unbegründet zu verwerfen. Das Oberlandesgericht jedoch, hielt den Antrag für gerechtfertigt und gab dem Antragsteller in Bezug auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs Recht.

Die Beanstandung hinsichtlich der Nichtübermittlung von Rohmessdaten wurde jedoch abgelehnt, da der Antragsteller nicht klar darlegen konnte, warum die in einem anderen Bußgeldverfahren gestellten Daten für diesen Fall relevant sein sollten.

Der Schlüssel: Inaugenscheinnahme

Die entscheidende Frage, die zur Aufhebung des Urteils führte, war jedoch die Ablehnung der Inaugenscheinnahme des in der Hand gehaltenen Geräts. Die Zurückweisung der Beweiserweiterung durch das Amtsgericht wurde als verfahrensfehlerhaft angesehen, was letztendlich zur Aufhebung des ursprünglichen Urteils führte.

Es bleibt abzuwarten, wie das Amtsgericht in der Neuverhandlung mit der Frage umgehen wird, ob das in der Hand gehaltene Gerät eine E-Zigarette oder ein Mobiltelefon war. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der gründlichen und fairen Betrachtung aller Beweise in einem Gerichtsverfahren, unabhängig von ihrer scheinbaren Klarheit.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 2 OLG 53 Ss-OWi 516/21 – Beschluss vom 06.12.2021

Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 22. Juni 2021 wird zugelassen. Das Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bad Liebenwerda zurückverwiesen.

Gründe

I.

Verbotswidrige Mobilfunktelefonnutzung - Ablehnung eines Beweisantrags
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen verbotswidrigen Benutzens eines elektronischen Gerätes in Tateinheit mit fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung ein Bußgeld von 140 € verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am …. Oktober 2020 mit einem Pkw die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um mindestens 27 km/h überschritten. Darüber hinaus soll er zur Tatzeit verbotswidrig ein elektronisches Gerät benutzt haben, indem er ein Mobiltelefon in der Hand gehalten und damit telefoniert habe. Das Tatgericht hat hierzu auf ein in den Urteilsgründen in Bezug genommenes Fahrerfoto verwiesen und hierzu u. a. Folgendes ausgeführt:

„Bei lebensnaher Betrachtungsweise ist davon auszugehen, dass der Betroffene auf dem Fahrerfoto ein Mobiltelefon in der Hand hält und damit telefoniert. Dafür spricht, dass der Gegenstand wie ein Mobiltelefon aussieht und wie ein Mobiltelefon in der Hand an den Mund gehalten wird.“

Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt und dabei u.a. beanstandet, dass das Amtsgericht willkürlich und unter Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs den Antrag auf Inaugenscheinnahme des auf dem Beweisfoto vom Betroffenen in der Hand gehaltenen “E-Zigarettengerätes“ abgelehnt und darüber hinaus unter Verletzung des Grundsatzes der Gewährung eines fairen Verfahrens einen im Verfahren zum Az. 45 OWi 24/21 gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 6. Mai 2021 auf Herausgabe unverschlüsselter Rohmessdaten nicht beschieden bzw. abgelehnt habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2, § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen entsprechend § 80 Abs. 3 OWiG, § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO zulässige Antrag hat mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs Erfolg.

Die die Übermittlung von Rohmessdaten betreffende Beanstandung versagt allerdings, weil sich dem Antragsvorbringen nicht hinreichend deutlich entnehmen lässt, inwiefern der in einem anderen Bußgeldverfahren gestellte Antrag in der vorliegenden Sache konkret von Bedeutung sein soll (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Demgegenüber hat die Rüge Erfolg, die die Ablehnung einer Inaugenscheinnahme des vom Betroffenen in der Hand gehaltenen Geräts betrifft und die den geltenden Begründungsanforderungen genügt.

Die Ablehnung einer Erweiterung der Beweisaufnahme hinsichtlich des vom Betroffenen in der Hand gehaltenen Gerätes erweist sich als verfahrensfehlerhaft und stellt darüber hinaus angesichts der gegebenen Begründung eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Das Amtsgericht hat hierzu allein auf das in Bezug genommene Messfoto und das darauf erkennbare Aussehen und die Handhabung des vom Betroffenen gehaltenen Gerätes verwiesen und die Ablehnung weiterer Sachaufklärung durch Inaugenscheinnahme auf eine „lebensnaher Betrachtungsweise“ und darauf gestützt, dass es nicht darauf ankomme, ob der Betroffene ein E-Zigarettengerät besitze, sondern darauf, „ob er dieses oder ein Mobiltelefon zur Tatzeit genutzt“ habe. Damit hat das Tatgericht eine Erweiterung der Beweisaufnahme ermessensfehlerhaft und darüber hinaus ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung abgelehnt (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), was eine Verletzung des Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör darstellt (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG; vgl. hierzu BVerfG NJW 1992, 2811f.; OLG Thüringen, Beschl. v. 18. März 2004 – 1 Ss [OWi] 33/04; OLG Hamm, Beschl. v. 28. Februar 2005 – 2 Ss OWi 123/05, zit. nach Juris).

Dass das Messfoto „bei lebensnaher Betrachtungsweise“ die Benutzung eines Mobiltelefons zeigt, trifft ersichtlich nicht zu. Aufgrund des prozessordnungsgemäßen Verweises auf das betreffende Foto in den Urteilsgründen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) kann der Senat dieser Beurteilung aus eigener Anschauung treffen. Abgesehen davon, dass der auf der Abbildung erkennbare Gegenstand nicht ohne weiteres klar als Mobiltelefon identifiziert werden kann, ist entgegen der Annahme des Tatgerichts eine für das Führen eines Telefonats typische Handhaltung des Betroffenen darauf gerade nicht zu erkennen. Die Begründung, mit der das Amtsgericht angenommen hat, dass eine weitere Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, ist angesichts dieser Sachlage nicht mehr verständlich und nachvollziehbar.

Der Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Davon betroffen ist wegen der tateinheitlichen Begehungsweise auch die an sich nicht rechtsfehlerhafte Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.


Häufig gestellte Fragen

1. Kann ich gegen ein Gerichtsurteil Rechtsbeschwerde einlegen?

Ja, Sie können gegen bestimmte Gerichtsentscheidungen eine Rechtsbeschwerde einlegen. Sie ist die letzte Instanz der rechtlichen Überprüfung und wird in der Regel nur dann zugelassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Urteil von anderen Gerichtsentscheidungen abweicht. Beachten Sie, dass Fristen gelten und Sie in der Regel einen Anwalt benötigen, um eine Rechtsbeschwerde einzureichen.

2. Wie kann ich meine Rechte auf rechtliches Gehör durchsetzen?

Das Recht auf rechtliches Gehör ist ein grundlegendes Prinzip des deutschen Rechts. Es bedeutet, dass Sie die Möglichkeit haben sollten, sich zu den gegen Sie erhobenen Vorwürfen zu äußern, Beweise vorzulegen und Einwände gegen Beweise zu erheben, die gegen Sie vorgelegt werden. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt wurde, sollten Sie dies mit Ihrem Anwalt besprechen. Möglicherweise können Sie eine Beschwerde einlegen oder das Urteil anfechten.

3. Was ist eine Inaugenscheinnahme und warum ist sie wichtig?

Die Inaugenscheinnahme ist ein Beweismittel im Gerichtsverfahren. Sie ermöglicht es dem Gericht, einen direkten Eindruck von einer Sache, einer Person oder einem Ort zu gewinnen. Sie ist besonders wichtig, wenn der Sachverhalt oder die Umstände des Falls visuell oder physisch verifiziert werden müssen. In diesem speziellen Fall hätte eine Inaugenscheinnahme des angeblich genutzten Geräts dazu beitragen können, festzustellen, ob es sich tatsächlich um ein Mobiltelefon oder um eine E-Zigarette handelte.

4. Kann ich die Herausgabe von Rohmessdaten verlangen?

Ja, Sie können die Herausgabe von Rohmessdaten verlangen, insbesondere wenn Sie eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder einen ähnlichen Verstoß bestreiten. Diese Daten können Aufschluss darüber geben, wie die Messung durchgeführt wurde und ob es möglicherweise Fehler gab. Beachten Sie jedoch, dass nicht alle Gerichte die Herausgabe von Rohmessdaten als notwendig erachten, und die Anforderungen können von Fall zu Fall variieren.

5. Was passiert, wenn ein Gerichtsurteil aufgehoben wird?

Wenn ein Gerichtsurteil aufgehoben wird, bedeutet dies, dass das ursprüngliche Urteil nicht länger gilt. Der Fall wird in der Regel zur Neuverhandlung an das ursprüngliche Gericht zurückverwiesen. Dies bedeutet, dass das Gericht den Fall erneut prüfen und ein neues Urteil fällen muss, das die Gründe für die Aufhebung des ursprünglichen Urteils berücksichtigt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!