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Reduzierung Regelgeldbuße im Bußgeldverfahren durch freiwillige verkehrspsychologische Beratung

Geldbuße trotz verkehrspsychologischer Beratung: Fahrer wegen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt.

Ein Fahrer wurde vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt. Der Betroffene legte Rechtsbeschwerde ein und rügte die Verletzung materiellen Rechts.

Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass der Fahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte und hielt die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung nicht für ausreichend, um die Geldbuße zu reduzieren. Die Rechtsbeschwerde war teilweise begründet, da das Amtsgericht nicht geprüft hatte, ob die Beratung einen mildernden Umstand darstellt.

Der Senat entschied jedoch, dass die Geldbuße von 100 Euro angemessen sei. Die Regelgeldbuße von 80 Euro wurde aufgrund einer Voreintragung des Betroffenen maßvoll um 20 Euro erhöht. Die Teilnahme an der verkehrspsychologischen Maßnahme führte nicht zu einer Reduzierung der Regelgeldbuße, da keine weiteren mildernden Umstände vorlagen. Die Voreintragung zeigte, dass der Betroffene sich die vorherige Ahndung nicht zu Herzen genommen hatte, weshalb eine Erhöhung des Regelsatzes angezeigt war.


OLG Zweibrücken – Az.: 1 OWi 2 SsRs 64/22 – Beschluss vom 08.03.2023

In dem Bußgeldverfahren wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hier: Rechtsbeschwerde hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken  am 08.03.2023 gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2, 4 StPO, § 79 Abs. 6 OWiG beschlossen:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 13.02.2022 im Ausspruch über die Höhe der Geldbuße aufgehoben. Er wird zu einer Geldbuße in Höhe von 100 Euro verurteilt.

2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

3. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

Die originär zuständige Einzelrichterin hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen und die Sache mit Beschluss vom 21.12.2022 auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a Abs. 1 und 3 OWiG). Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis der Erfolg versagt.

I.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene am 09.11.2020 gegen 19.38 Uhr auf der B 9 Richtung Ludwigshafen am Rhein die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach Abzug einer Toleranz um 26 km/h überschritt. Aufgrund der mehrfachen, beidseitigen Beschilderung vor der Messstelle hätte er die Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung und seinen Verstoß hiergegen erkennen können und müssen.

Das Amtsgericht hat die Regelbuße in Höhe von 80 ? wegen einer früheren Ahndung eines Rotlichtverstoßes um 20 ? erhöht. Im Rahmen der Bemessung der Geldbuße hat es ausgeführt, dass die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung nicht geeignet sei, die Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. Eine solche Maßnahme habe nach § 4 Abs. 7 StVG zur Folge, dass bei einem Punktestand von einem bis fünf Punkten ein bereits erworbener Punkt abgezogen werden, nicht aber, dass zusätzlich bei einer weiteren Verkehrsordnungswidrigkeit die Geldbuße zu reduzieren sei.

II.

Reduzierung Regelgeldbuße im Bußgeldverfahren durch freiwillige verkehrspsychologische Beratung
(Symbolfoto: New Africa/Shutterstock.com)

Die Rechtsbeschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Die sachlich-rechtliche Überprüfung weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen bei der Bemessung der Geldbuße auf. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Ausführungen des Amtsgerichts, dass die Teilnahme an einer freiwilligen verkehrspsycho-logischen Maßnahme nicht zu einer Reduzierung der Geldbuße führen kann, halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Insoweit gilt:

a) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 OWiG ist Grundlage für die Bemessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Vorwurfs, der den Täter trifft. Als Ausgangspunkt für die Bemessung einer Geldbuße, die für eine straßenverkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeit verhängt werden soll, ist grundsätzlich der Bußgeldkatalog heranzuziehen. Dieser dient der gleichmäßigen Behandlung sehr häufig vorkommender, wesentlich gleichgelagerter Sachverhalte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.09.2022 – 3 Ss-OWi 1048/22, juris Rn. 17, vgl. auch BR-Drucks. 140/89 S. 22 f.). Er hat die Qualität eines für Gerichte verbindlichen Rechtssatzes. Die darin enthaltenen Bußgeldbeträge sind Regelsätze (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BKatV) und als solche Zumessungsrichtlinien, die im Rahmen des § 17 Abs. 3 OWiG Berücksichtigung zu finden haben (s. BGH, Beschluss vom 28.11.1991 – 4 StR 366/91, BGHSt 38, 125, 132, OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.09.2022 – 3 Ss-OWi 1048/22, juris 17, jeweils mwN, KG, Beschluss vom 18.05.2015 – 3 Ws [B] 168/15, juris Rn. 8, Janiszewski, NJW 1989, 3113, 3115). Dabei geht § 1 Abs. 2 BKatV von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus. Bei der gleichwohl vorzunehmenden individuellen Zumessungsentscheidung ist zu prüfen, ob Milderungs- oder Erschwerungsgründe vorliegen, die ein Abweichen von den Regelsätzen rechtfertigen (KG, aaO, OLG Karlsruhe, Beschluss 13.10.2006 – 1 Ss 82/06, NJW 2007, 166). Hierbei kann grundsätzlich auch das Verhalten des Betroffenen nach dem begangenen Verstoß Berücksichtigung finden und zu einer Erhöhung oder Ermäßigung der Regelgeldbuße führen (vgl. Mitsch in KK-OWiG, 5. Aufl., § 17 Rn. 66, Krenberger in BeckOK StVR, 18. Ed., § 17 OWiG Rn. 5).

Aufgrund des vorgenannten Zwecks des Bußgeldkatalogs rechtfertigt indes lediglich ein deutliches Abweichen vom Normalfall betreffend die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit oder die Vorwerfbarkeit eine Abweichung vom Bußgeldkatalog. Sind hingegen außergewöhnliche, besondere Umstände hinsichtlich der Tatausführung und der Person des Täters nicht gegeben, darf nicht von ihm abgewichen werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.09.2022 – 3 Ss-OWi 1048/22, juris Rn. 18, OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. November 2018 – 1 Rb 25 Ss 1157/18, juris Rn. 7, vgl. auch Senat, Beschluss vom 31.05.2022 – 1 OWi 2 SsBs 89/21, juris Rn. 10, Janiszewski, NJW 1989, 3113, 3116).

b) Hieran gemessen ist eine freiwillige verkehrspsychologische Maßnahme wie die hier vorliegende nicht schlechterdings ungeeignet, im Rahmen der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung zu finden und gegebenenfalls zu einer Reduzierung der Regelgeldbuße zu führen. Denn sie kann auf ein erhöhtes Maß an Einsicht und Besinnung in die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen hindeuten. Anders als das Amtsgericht meint, handelt es sich vorliegend nämlich nicht um eine Maßnahme, durch die er gemäß § 4 Abs. 7 StVG eine Reduzierung seines bereits eingetragener Punktes im Fahreignungs-Bewertungssystem hätte herbeiführen können. Denn hierzu müsste der Fahrer freiwillig an einem Fahreignungsseminar im Sinne des § 4a StVG teilnehmen, welches aus einer verkehrspädagogischen und einer verkehrspsychologischen Teilmaßnahme besteht (s. § 4a Abs. 2 Satz 1 StVG, § 42 FeV). Der Betroffene hingegen hat nur an einer verkehrs-psychologischen Beratung teilgenommen, die zudem nicht den Vorgaben des § 42 Abs. 6 bis 9 StVG entsprach.

Mit seiner Begründung hat sich das Amtsgericht den Blick dafür verstellt, in einem eigenen Zumessungsvorgang zu prüfen, ob die verkehrspsychologische Beratung vorliegend einen mildern-den Umstand darstellt, der auf die Bemessung der konkreten Geldbuße Einfluss gehabt hätte. Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass das Urteil hierauf beruht.

3. Aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat aber gemäß § 79 Abs. 6 OWiG eine eigene Sachentscheidung treffen. Für die festgestellte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro angemessen.

Der zum Tatzeitpunkt geltende Bußgeldkatalog sah für den vorliegenden Verstoß in Nr. 11.3.5 BKat eine Regelgeldbuße in Höhe von 80 Euro vor. Die bloße Teilnahme an der verkehrspsychologischen Maßnahme führt hier unter Anwendung des oben dargestellten Maßstabs nicht dazu, von dieser abzuweichen. Um zu einer Reduzierung der Regelgeldbuße zu führen, müssen vielmehr weitere Umstände, die zugunsten des Betroffenen sprechen, hinzutreten, um diesen Umstand dergestalt aus den gewöhnlichen Fällen herauszuheben, dass ein Abweichen vom Regelsatz gerechtfertigt erscheint (vgl. insoweit zur Frage der Berücksichtigung einer solch freiwilligen Maßnahme bei der Prüfung des Absehens vom Regelfahrverbot Senat, Beschluss vom 12.05.2017 – 1 OWi 2 SsBs 5/17, juris; OLG Bamberg, Beschlüsse vom 17.03.2008 – 2 Ss OWi 265/08, juris Rn. 12 ff.; vom 02.01.2018 – 3 Ss OWi 1704/17, juris Rn. 7). Entsprechende Umstände sind nicht festgestellt. Einzig zugunsten des Betroffenen spricht noch, dass er sich zur Fahrereigenschaft geständig eingelassen hat. Weitere Umstände ergeben sich weder aus den Urteilsgründen, noch sind sie mit der Rechtsbeschwerdebegründung vorgetragen. Es kann deshalb ausgeschlossen werden kann, dass solche Umstände noch festgestellt werden könnten.

Trotz dieser zugunsten des Betroffenen sprechenden Umstände ist die Regelgeldbuße aufgrund der Voreintragung des Betroffenen maßvoll um 20 Euro zu erhöhen (vgl. § 3 Abs. 1 BKatV). Der im Straßenverkehr begangene Rotlichtverstoß steht in einem sachlichen Zusammenhang mit der vorliegend begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung. Der vorherige Verstoß und seine Ahndung lagen bei Begehung der erneuten Ordnungswidrigkeit auch noch keine zwei Jahre zurück, sodass beide Verkehrsverstöße in einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang standen. Im Hinblick auf die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 200 Euro und eines einmonatigen Fahrverbots kann zudem ausgeschlossen, dass diese dem Betroffenen nach dieser überschaubaren Zeitspanne in Vergessenheit geraten war. Durch die erneute Begehung einer straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeit hat er vielmehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass er sich die Ahndung nicht hat zur Warnung dienen lassen, weshalb auch unter Berücksichtigung der Teilnahme an der verkehrspsychologischen Maßnahme eine Erhöhung des Regelsatzes angezeigt war.

 

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