AG St. Wendel, Az.: 1 OWi 67 Js 724/10 (234/10), Urteil vom 23.09.2010
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Landeskasse.
Gründe
Der 27-jährige Betroffene ist von Beruf Bäcker. Er suchte nachts, nachdem er mit seinem dort bereits anwesenden Bruder telefoniert hatte, am 15. 7. 2009 gegen 3.00 Uhr die Veranstaltung „… …“ am Bostalsee auf, die er gegen 5.00 Uhr wieder verließ.
In Neunkirchen/N. wurde er am 5.20 Uhr als Führer seines Kraftfahrzeuges …-… … angehalten und kontrolliert.
Ein Atemalkoholtest mittels Evitec ergab einen Wert von 0,22 o/oo. Ein freiwilliger Drogenvortest auf Speichelbasis mittels Dräger DrugTest 5000 ergab einen positiven Befund auf THC. Die polizeilichen Feststellungen zur Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit (Bl. 6 d.A.) ergaben normale Reaktionen, keine körperlichen Auffälligkeiten, gepflegte äußere Erscheinung, der deutschen Sprache mächtig, die Aussprache deutlich, die Orientierung orientiert, ruhiges beherrschte Stimmung/ Verhalten, sicherer Gang, Alkoholgeruch ja , Bindehäute gerötet, Pupillen rechts 2 mm, links 2 mm, Verhalten während der Amtshandlung gleichbleibend. Sonstige Beobachtung: Lidflattern, bleiche Gesichtsfarbe in Verbindung mit geröteten Bindehäuten, Pupillen dauerhaft eng.

Im ärztlichen Untersuchungsbericht (Bl. 7 d.A.) wurde festgestellt, dass die Bindehäute gerötet, wässrig glänzend, die Pupillendurchmesser 6 mm, die Pupillenlichtreaktion träge, der Drehnachnystagmus hochfrequent, kleine Auslenkung, der Blickrichtungsnystagmus provozierbar war, Lidflattern, sichere Finger, Fingerprobe, sichere Finger-Nasen-Probe, die Orientierung o.p.B., Denkablauf geordnet, Sprache deutlich, Verhalten und Stimmung jeweils o.p.B., Alkoholbeeinflussungseindruck gering, Drogenbeeinflussungseindruck ebenfalls gering waren.
Die Blutalkoholbestimmung ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,11 o/oo.
Der vorläufige Befund der immunchemischen Voruntersuchung kam bei Cannabis zu dem Ergebnis „fraglich“ (Bl. 11 d.A.).
Die toxikologische Untersuchung (Bl. 12, 13 d.A.) zum Nachweis von Cannabinoiden verlief positiv. Bei der quantitativen Bestimmung ergaben sich Werte von 0,002 mg/l Tetrahydrocannabinol, 0,001 mg/l Hydroxy-THC und 0,008 mg/l Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure.
Der Betroffene hat sich eingelassen, er habe 3 Mixery über 3 Stunden getrunken, jedoch kein Cannabis geraucht. Im Bosarium sei trotz Rauchverbot überall geraucht und auch Cannabis konsumiert worden. Insofern könne nur davon ausgegangen werden, dass er als Passivraucher das Cannabis aufgenommen habe.
Von einem fahrlässigen Fahren unter Wirkung berauschender Mittel gemäß §§ 24 a Abs. 2, Abs. 3; 25 Abs. 2 a StVG könne nicht ausgegangen werden.
Dazu hatte der Sachverständige Prof. Dr. med. P. Sch., Arzt für Rechtsmedizin an der Universität Homburg ausgeführt, dass es Anzeichen beim Betroffenen gab, die für einen Cannabiskonsum sprechen, für die es jedoch auch Alternativerklärungen gibt wie beispielsweise das festgestellte leichte Lidflattern und die geröteten Augenlider, was auch ein Zeichen für Müdigkeit sein könne. Die festgestellten engen Pupillen des Betroffenen passen jedoch nach Ausführung des Sachverständigen gerade nicht zu einem Cannabiskonsum; ein Anzeichen für Cannabis sind weite Pupillen.
Weiter hatte der Sachverständige ausgeführt, dass der Wert von 0,008 mg/l Tetrahydracannabiol-Carbonsäure niedrig ist, weit unterhalb eines Bereichs liegt, der bei regelmäßigem Konsum anzutreffen ist. Auch der Wert von 0,002 mg/l Tetrahydrocannabinol ist als gering anzusehen. Wenn der Betroffene Cannabis geraucht hätte, könne dies nicht während des Besuchs der Veranstaltung „… …“ gewesen sein, da die Konzentration nicht mehr ins Zeitfenster passe.
Insgesamt konnte der Sachverständige nicht ausschließen, dass die ermittelten Werte durch ein Passivrauchen während der Veranstaltung entstanden sind.
Dies entspricht auch den Ausführungen von Prof. Dr. von der Universität des Saarlandes (zitiert nach DAR 06, S. 175). Danach kann das „Passivrauchen“ von Cannabis eine geringe positive THC-Konzentration im Blut verursachen wenn diese jedoch unter 1,0 mg/l liegt. Auch haben neueste Untersuchungen an der Universität Tübingen durch Wehner/Wiedemann/Köhling (quantitative Pharmakokinetik der passiven THC-Aufnahme“ ergeben, dass eine THC-Konzentration von 2,0 mg/l bei passivem Konsum von Cannabis auf keinen Fall forensisch gesichert ausgeschlossen werden kann.
Kraftfahrzeugführer, in dessen nach § 91 a Abs. 1 StPO entnommener Blutprobe THC nachgewiesen werden kann, müssen daher nicht zwingend selbst Cannabis geraucht haben.
Da auf Grund der eher geringen Werte ein Nachweis der aktiven Aufnahme nicht geführt werden konnte, war der Betroffene freizusprechen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO iVm § 46 OWiG.