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Anspruch auf Akteneinsicht in Bußgeldakte für Fahrzeughalter

Fahrzeughalter haben keinen Anspruch auf Akteneinsicht in Bußgeldakte

Das Amtsgericht Eilenburg hat entschieden, dass der in einem Bußgeldverfahren gegen Unbekannt ermittelnden Fahrzeughalterin kein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht. Das Gericht stellte fest, dass die Informationen, die durch die Akteneinsicht erlangt werden könnten, bereits durch die Wahrnehmung der mit dem Zeugenvernehmungsbogen übersandten Tatfotos zugänglich sind. Die Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 OWi 510/23 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Fahrzeughalterin hatte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, da ihr die Akteneinsicht von der Verwaltungsbehörde verwehrt wurde.
  2. Das Gericht wies den Antrag zurück und erklärte ihn für unbegründet.
  3. Die Ansicht des Gerichts war, dass kein Anspruch auf Akteneinsicht besteht.
  4. Die Begründung dafür war, dass die Fahrzeughalterin keine Tatsachen vorgebracht hat, die ein berechtigtes Interesse an der Erlangung der Informationen durch Akteneinsicht erkennen ließen.
  5. Die Tatfotos im Zeugenvernehmungsbogen wurden als ausreichend erachtet, um den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln.
  6. Die hypothetische Möglichkeit, der Antragstellerin die Führung eines Fahrtenbuches gemäß § 31a StVZO aufzuerlegen, wurde als nicht ausreichend für ein berechtigtes Interesse angesehen.
  7. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen durch das gerichtliche Verfahren hat die Antragstellerin zu tragen.
  8. Die Entscheidung ist laut § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.

Zugang zur Information: Akteneinsicht im Bußgeldverfahren

Im deutschen Rechtssystem spielt der Zugang zu Informationen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens eine wesentliche Rolle. Vor allem in Bußgeldverfahren, ob es sich um einen Geschwindigkeitsverstoß oder andere Ordnungswidrigkeiten handelt, ist die Sichtung der Beweismittel oftmals von essentieller Bedeutung. Darunter fällt auch das Aussage-relevante Element der Akteneinsicht.

Akteneinsicht bietet Beteiligten, in diesem Fall insbesondere dem Fahrzeughalter, die Möglichkeit, Einsicht in die gegen sie erhobenen Vorwürfe und Beweise zu nehmen. Das ist insbesondere relevant, um die eigene Verteidigungsstrategie zu planen und zu prüfen, ob die Anschuldigungen gerechtfertigt sind. Doch inwiefern steht dem Fahrzeughalter als Beteiligtem eines Bußgeldverfahrens tatsächlich ein Akteneinsichtsanspruch zu? Und welche Rolle spielt dabei die Verwaltungsbehörde in ihrer Funktion als federführende Stelle des Verfahrens?

In der sich anschließenden Fallstudie wird ein Urteil des Amtsgerichts Eilenburg erörtert, das Fragen rund um den Anspruch auf Akteneinsicht in Bußgeldverfahren beleuchtet. Tauchen Sie ein in die spannende Welt der Bußgeldverfahren und entdecken Sie, welche rechtlichen Feinheiten ein solches Verfahren beeinflussen können.

Der lange Weg zur Akteneinsicht in Bußgeldverfahren

Zu Beginn des Falles brachte die Antragstellerin, eine GmbH, als Fahrzeughalterin des festgestellten Fahrzeugs eine rechtliche Auseinandersetzung auf den Weg. Im Zentrum stand ein Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes, das gegen eine unbekannte Person eingeleitet wurde. Nachdem die Verwaltungsbehörde die Antragstellerin um Angaben zum verantwortlichen Fahrzeugführer bat, forderte sie, durch ihren Prozessbevollmächtigten, Akteneinsicht in die Ermittlungsakte.

Die Abkehr der Verwaltungsbehörde kam jedoch kurz darauf, was dazu führte, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG stellte. Er stützte seine Forderung auf die ihm verwehrte Akteneinsicht, woraufhin die Verwaltungsbehörde die Angelegenheit dem Amtsgericht Eilenburg zur Entscheidung vorlegte.

Rechtlicher Stolperstein: Kein Anspruch auf Akteneinsicht

Die größte rechtliche Herausforderung dieses Falles lag in der Analyse, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht. Das Gericht entschied, dass dieser Anspruch nicht aus § 49b OWiG in Verbindung mit § 475 Abs. 1, Abs. 2 StPO resultiert. Hierbei geht es um die Regelung, dass ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten kann, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, wenn er hierfür ein berechtigtes Interesse nachgewiesen hat.

Das Gericht nimmt Stellung: Kein berechtigtes Interesse

Das Gericht entschied, dass die Antragstellerin keine Tatsachen vorgetragen hat, die ein berechtigtes Interesse an der Erlangung der Informationen durch Akteneinsicht nachweisen. Sie argumentierte, dass die Akteneinsicht dazu diene, gegebenenfalls den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln und namhaft zu machen. Dieses Argument überzeugte das Gericht jedoch nicht. Es zeigte sich unverständlich, welche zusätzlichen Erkenntnisse die Antragstellerin durch Akteneinsicht gewinnen könnte, im Vergleich zu den Informationen, die bereits durch die übersandten Tatfotos vorlagen.

Klares Urteil und die Folgen: Absage an die Akteneinsicht

Das Gericht wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück. Weiterhin wurden alle Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen aufgrund des gerichtlichen Verfahrens an die Antragstellerin übertragen. Es wurde festgestellt, dass die Antragstellerin kein Recht auf Akteneinsicht hat und ihre Begründung, den verantwortlichen Fahrzeugführer ermitteln zu wollen, nicht ausreicht, um ein berechtigtes Interesse darzulegen.

Dieser Fall markiert ein wichtiges Urteil im Verkehrsrecht und setzt einen Präzedenzfall für ähnliche Fälle, in denen Fahrzeughalter Akteneinsicht in Bußgeldakten begehren. Doch es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen dieses Urteil auf zukünftige ähnliche Fälle haben wird.

Isoliert betrachtet, mag dieser Fall wie ein einzelner Tropfen im Ozean wirken, doch er spiegelt die Komplexität der juristischen Auseinandersetzung um die Akteinsicht im Kontext der Fahrzeughalter wider. Fielen Sie als potenzieller Betroffener schon einmal in eine ähnliche Situation, so bietet dieses Urteil einen aufschlussreichen Blick auf die rechtlichen Feinheiten und Herausforderungen, denen Sie sich wahrscheinlich stellen müssen.

Während wir das letzte Wort des Amtsgerichts Eilenburg zu diesem Fall gehört haben, bleibt die rechtliche Welt des Verkehrsrechts in ständiger Bewegung. Was uns als nächstes erwartet, werden wir im nächsten konkreten Urteil erfahren.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet der Begriff Akteneinsicht?

Der Begriff „Akteneinsicht“ bezieht sich auf das individuelle Verfahrensrecht, das in Deutschland die Einsicht in Akten ermöglicht, welche die für ein Verfahren und dessen Ergebnis maßgeblichen Sachverhalte und behördlichen oder gerichtlichen Erwägungen dokumentieren. Dieses Recht ist ein wesentlicher Bestandteil des rechtsstaatlichen Grundsatzes der „Waffengleichheit“.

Die Akteneinsicht ist von der öffentlichen Auslegung von Planunterlagen zu unterscheiden, die der formellen Bürgerbeteiligung bei raumbedeutsamen Vorhaben dient. Sie ermöglicht es, eigene Interessen wahrzunehmen und die öffentliche Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen.

Im Strafverfahren kann eine Person, die einer Straftat beschuldigt wird, Akteneinsicht beantragen. Dies ermöglicht es dem Beschuldigten, genau zu verstehen, was ihm vorgeworfen wird und wie er sich am besten verteidigen kann. Die Einsicht in die Akten ist Voraussetzung für eine effektive Verteidigungsstrategie. Auch Opfer von Straftaten können im Rahmen einer Nebenklage über ihren Anwalt Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen.

Im Zivilprozess steht den Beteiligten gemäß § 299 der Zivilprozessordnung Akteneinsicht zu. Dies dient dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der im Grundgesetz verankert ist.

Die Durchführung der Akteneinsicht erfolgt in der Regel vor Ort in den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts. Technische und organisatorische Maßnahmen müssen gewährleisten, dass Dritte im Rahmen der Akteneinsicht keine Kenntnis vom Akteninhalt nehmen können.

Es gibt jedoch bestimmte Einschränkungen und Ausnahmen. So kann die Akteneinsicht verweigert werden, wenn der Beschuldigte durch die Akteneinsicht Wissen erlangen könnte, das die Ermittlungen oder schutzwürdige Interessen Dritter beeinträchtigen würde. Auch für die Akteneinsicht durch den Rechtsanwalt können Beschränkungen gelten.


Das vorliegende Urteil

AG Eilenburg – Az.: 8 OWi 510/23 – Beschluss vom 30.08.2023

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufgrund des gerichtlichen Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin – eine GmbH – wurde als Fahrzeughalterin des festgestellten Fahrzeugs in einem gegen Unbekannt eingeleiteten Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes als Zeugin seitens der Verwaltungsbehörde mit Schreiben vom 26.07.2023 befragt und sollte in diesem Zusammenhang Angaben zum verantwortlichen Fahrzeugführer machen.

Mit Schriftsatz vom 01.08.2023 zeigte sich für die Antragstellerin unter anwaltlicher Versicherung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigte an und begehrte Akteneinsicht in die Ermittlungsakte. Dies hat die Verwaltungsbehörde mit Schreiben vom 02.08.2023 abgelehnt.

Daraufhin stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.08.2023 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG im Hinblick auf die ihm verwehrte Akteneinsicht, dem die Verwaltungsbehörde nicht abgeholfen und die Sache mit Verfügung vom 23.08.2023 dem Amtsgericht Eilenburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Der gemäß §§ 49b Nr. 5, 62 OWiG i. V. m. §§ 475, 480 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässige Antrag ist unbegründet. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Akteneinsicht zu.

Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 49b OWiG i. V. m. § 475 Abs. 1, Abs. 2 StPO. Danach kann ein Rechtsanwalt unbeschadet des § 57 BDSG für Privatpersonen bzw. sonstige Stellen Auskünfte aus Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären erhalten, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt (§ 475 Abs. 1 Satz 1 StPO). Derartige Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat (§ 475 Abs. 1 Satz 2 StPO). Die darüber hinausgehende Akteneinsicht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde (§ 475 Abs. 2 StPO).

Diese Voraussetzungen liegen bereits deshalb nicht vor, weil die Antragstellerin keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich ein berechtigtes Interesse an der Erlangung der mit der Akteneinsicht verfolgten Informationen herleiten lässt. Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, dass die Akteneinsicht dazu diene, gegebenenfalls den verantwortlichen Fahrzeugführer ermitteln und namhaft machen zu können, vermag sie damit nicht durchzudringen, da es dem Gericht völlig unverständlich erscheint, was die Antragstellerin bzw. ihr Geschäftsführer bei einer Akteneinsicht mehr hätten an Erkenntnissen gewinnen können, als durch die Wahrnehmung der bereits mit dem Zeugenvernehmungsbogen übersandten Tatfotos, auf denen insbesondere auch der verantwortliche Fahrzeugführer klar zu erkennen ist.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass in einer derartigen Verfahrenskonstellation auch die hypothetische Möglichkeit, der Antragstellerin die Führung eines Fahrtenbuches gemäß § 31a StVZO aufzuerlegen, für die Annahme eines berechtigten Interesses nicht ausreicht (vgl. auch LG Kassel, Beschl. v. 20.12.2002 – 5 AR 13/02 -, NZV 2003, 437).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

3. Die Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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