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EU- Fahrerlaubnis – Aberkennung Gültigkeit wegen gelegentlichen Cannabiskonsums

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 20.367 – Beschluss vom 25.05.2020

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, und die Verpflichtung, den Führerschein zur Eintragung der Aberkennung vorzulegen.

Der am … 1991 geborene und im Bundesgebiet lebende Kläger ist Inhaber einer am 30. September 2009 erteilten polnischen Fahrerlaubnis. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 2. Juni 2015 wurde ihm als Fahrzeugführer wegen drogentypischer Auffälligkeiten eine Blutprobe entnommen, deren Untersuchungsergebnis folgende Feststellungen ergab: THC 1,4 ng/ml, 11-Hydroxy-THC 0,8 ng/ml, THC-Carbonsäure (COOH) 21 ng/ml. Gegen den Kläger wurde deswegen ein Bußgeldbescheid vom 24. September 2015 erlassen, der seit dem 13. Oktober 2015 rechtskräftig ist. Gegenüber den kontrollierenden Polizeibediensteten hatte der Kläger angegeben, er habe zuletzt vor zwei Tagen Marihuana konsumiert.

Mit Schreiben vom 7. Januar 2016 forderte die Beklagte den Kläger zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens auf, um sein Konsumverhalten abzuklären. Nachdem der Kläger dieses Gutachten innerhalb der gesetzten Frist nicht beigebracht, jedoch bei einer Vorsprache bei der Beklagten am 2. Juni 2016 angegeben hatte, er habe bis zum 2. Juni 2015 gelegentlich Cannabis konsumiert und sei seitdem völlig abstinent, forderte die Beklagte ihn mit Schreiben vom 3. Juni 2016 auf, innerhalb von 13 Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, das ein Drogenkontrollprogramm über ein Jahr zum Nachweis der Abstinenz beinhalte. Die hierzu vom Kläger beauftragte … GmbH bescheinigte ihm am 20. Juni 2017 die Teilnahme an insgesamt sechs Urinscreenings, bei denen weder Cannabinoide noch andere Drogensubstanzen nachgewiesen worden seien.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 forderte die Beklagte den Kläger, der bis zu diesem Zeitpunkt kein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hatte, nochmals auf, ein solches Gutachten innerhalb von drei Monaten vorzulegen. Daraufhin reichte der Kläger am 18. April 2018 ein am 12. Oktober 2017 erstelltes Gutachten der … GmbH ein, demzufolge zu erwarten sei, dass er zukünftig Betäubungsmittel einnehme, so dass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei. Es hätten sich zwar keine Befunde ergeben, die auf einen aktuellen Drogenkonsum hinweisen würden. Die trotz Nachfragen aufrechterhaltene Behauptung des Klägers, das letzte Mal zwei Tage vor der Kontrolle am 2. Juni 2015 Marihuana geraucht zu haben, stehe jedoch im Widerspruch zu dem bei der Blutuntersuchung festgestellten Hydroxy-THC-Wert. Wegen nicht hinreichender Offenheit könne dem Kläger, der auch auf seine früheren Konsumgewohnheiten nicht in problembewusster Weise eingegangen sei, daher keine günstige Prognose erstellt werden. Er habe seinen Konsum vor allem im Hinblick auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis verändert. Hierbei handele es sich lediglich um eine kurzfristige Änderungsperspektive.

Nach Ablehnung der Bitte des Klägers, die dreimonatige Frist zur Vorlage eines weiteren medizinisch-psychologischen Gutachtens zu verlängern, erkannte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 1. Juni 2018 das Recht ab, von der polnischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und verpflichtete ihn, den polnischen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche ab Bestandskraft des Bescheids, zur Eintragung der Aberkennung vorzulegen. Der Kläger habe gelegentlich Cannabis konsumiert und gegen das Trennungsgebot verstoßen. Das medizinisch-psychologische Gutachten vom 12. Oktober 2017 sei negativ. Ein weiteres Gutachten habe er nicht mehr vorgelegt.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 19. Dezember 2019 abgewiesen. Es sei unschädlich, dass die Beklagte im Tenor ihres Bescheids nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis verfügt, sondern unmittelbar das Recht aberkannt habe, von der polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Ebenfalls unschädlich sei es, dass die Beklagte die Aberkennung auf die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV gestützt habe Der Kläger sei gelegentlicher Cannabiskonsument gewesen und habe gegen das Trennungsgebot verstoßen. Er sei aufgrund des von ihm vorgelegten und verwertbaren Gutachtens vom 12. Oktober 2017 als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, ohne dass es noch auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung der Beklagten ankomme. Trotz einiger Mängel lege das Gutachten im Ergebnis nachvollziehbar dar, dass der Kläger im Falle der zu erwartenden Einnahme von Cannabis das erforderliche Trennungsvermögen nicht aufweise, da er keine plausiblen Vorsätze zu einer Verkehrsteilnahme ohne THC-Einfluss gefasst habe. Die nachgewiesene Abstinenz von Juni 2016 bis Juni 2017 sei zwar Voraussetzung für eine positive Prognose, reiche hierfür aber allein nicht aus. Auch wenn das Gutachten die Einlassung des Klägers, seine Freundin sei schwanger und er könne es sich als künftiger Vater nicht leisten, weiterhin mit seinen Freunden abzuhängen, die außerdem „alle woanders“ seien, nicht gewürdigt habe, stütze es seine negative Prognose letztlich maßgeblich und überzeugend auf die mangelnde Offenheit des Klägers und seine verharmlosenden Äußerungen zu seinem früheren Konsumverhalten. Die Beklagte sei daher auch nicht gehalten gewesen, dem Kläger eine weitere Fristverlängerung zur Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens zu gewähren. Da es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankomme, sei ohne Bedeutung, dass der Kläger nunmehr einen verkehrspsychologischen Vorbereitungskurs abgeschlossen habe.

Zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil, dem die Beklagte entgegentritt, lässt der Kläger im Wesentlichen vorbringen, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und die Rechtssache weise besondere tatsächliche Schwierigkeiten auf. Da die Beklagte keinen Sofortvollzug ihres Bescheids angeordnet habe, nehme der Kläger seit der Anlasstat ununterbrochen und unauffällig am Straßenverkehr teil. Er habe auch glaubhaft dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er kein Cannabis mehr konsumiere. Die medizinisch-psychologische Untersuchung weise zahlreiche Fehler auf, die in der Summe zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens führen würden. Das Gutachten sei überschießend und mangelhaft. Da das Trennungsvermögen nicht Untersuchungsgegenstand der behördlichen Fragestellung gewesen sei, handele es sich bei der Antwort um ein Zufallsergebnis. Außerdem gehe das Gutachten nicht auf die Ausführungen des Klägers zur Schwangerschaft seiner Freundin und zur künftigen Vaterschaft ein, die möglicherweise begründen könnten, warum nicht mehr von einem Rückfallrisiko auszugehen sei. Schon die Angabe des Klägers, zuletzt zwei Tage vor der Fahrt Cannabis konsumiert zu haben, belege sein Trennungsvermögen. Das Gutachten thematisiere nicht, dass der Kläger keinen Joint geraucht, sondern pures Cannabis ohne Beimischung von Tabak mit einer Wasserpfeife konsumiert habe. Die Beklagte habe es ihm zu Unrecht verwehrt, an einer weiteren medizinisch-psychologischen Untersuchung teilzunehmen. Auch die Ausführungen im Urteil zur Austauschbarkeit der Rechtsgrundlagen für die Entziehung der Fahrerlaubnis könnten nicht anerkannt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Solche Zweifel ergeben sich aus der Antragsbegründung jedoch nicht.

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis (§ 3 Abs. 2 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 6 Satz 1 FeV). Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FeV).

Im Falle einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Kraftfahreignung nur dann gegeben, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt.

b) Vom erforderlichen Trennungsvermögen bzw. von der erforderlichen Trennungsbereitschaft kann beim Kläger nach den insoweit nachvollziehbaren und verwertbaren Ausführungen in dem vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachten nicht ausgegangen werden.

aa) Der Kläger hat – wie er selbst eingeräumt hat – von 2007 bis zum 2. Juni 2015 gelegentlich Cannabis konsumiert. Er hat bei seiner Fahrt am 2. Juni 2015 gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV verstoßen. Aufgrund des Ergebnisses der ca. 40 Minuten nach der Fahrt entnommenen Blutprobe (Gutachten vom 24.8.2015) von 1,4 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) ist eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – NJW 2019, 3395 Rn. 15-33). Auch der nur gelegentlich konsumierende Fahrerlaubnisinhaber ist ungeeignet, wenn er nicht bereit oder in der Lage ist, zwischen dem Konsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen. Eine positive gutachterliche Prognose setzt wahrheitsgemäße Angaben des Betroffenen über sein bisheriges Konsumverhalten und über den Zeitpunkt des letzten Konsums vor der Fahrt voraus. Daran fehlt es hier.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Fahreignungsgutachten unabhängig davon, ob die Anordnung gerechtfertigt war, verwertet werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2012 – 3 C 30.11 – NJW 2012, 3669 = juris Rn. 23; U.v. 28.4.2010 – 3 C 2.10 – BVerwGE 137, 10 Rn. 27 ff.; BayVGH, U.v. 8.8.2016 – 11 B 16.595 – juris Rn. 24 m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn. 26). Hat der Kraftfahrer das von ihm geforderte Gutachten vorgelegt, kann er nicht einwenden, die Behörde habe ihre Erkenntnisse rechtswidrig erlangt oder das Gutachten enthalte Ausführungen zu Fragen, die von der behördlichen Beibringungsanordnung nicht erfasst seien. Das Ergebnis des Gutachtens schafft eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten. Einem Verwertungsverbot steht auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben.

cc) Die für die Begutachtungsstellen entwickelten Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP], Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM], 3. Auflage 2013), die mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27. Januar 2014 (VkBl 2014, 132) als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt sind, verlangen für eine positive Begutachtung fallgruppenübergreifend, dass die zur Beantwortung der behördlichen Fragestellung erforderlichen Befunde bei der Untersuchung erhoben werden konnten und dass sie im Rahmen der Befundwürdigung verwertbar sind (Hypothese 0). Unter anderem dürfen die Angaben des Klienten weder dem gesicherten Erfahrungswissen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen und/oder der Aktenlage (Kriterium 0.4 N) noch den Befunden widersprechen (Kriterium 0.5 N) (Beurteilungskriterien S. 97). Insbesondere dürfen die Angaben zum Zeitpunkt des Konsums eines Betäubungsmittels dem Nachweis des Wirkstoffs im Blut im Zusammenhang mit einem Vergehen nach § 24a StVG nicht widersprechen (Kontraindikator Nr. 3 [5] zu Kriterium 0.4 N; Beurteilungskriterien S. 116). Zwar stellen einzelne nicht verwertbare Aussagen noch nicht die Verwertbarkeit des Explorationsbefundes insgesamt in Frage. Auch muss der Gutachter zunächst versuchen, die Verwertbarkeit durch Rückmeldung und detaillierte Rückfragen herzustellen (Beurteilungskriterien S. 113). Wenn es aber dem Gutachter trotz aller professionellen Bemühungen nicht gelungen ist, den Klienten so weit zur Mitarbeit zu motivieren, dass verwertbare Befunde zu erheben sind, kann dies allein tragend zu einer negativen Prognose führen (Beurteilungskriterien S. 88).

Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass das vorgelegte Gutachten und ihm folgend die Beklagte und das Verwaltungsgericht von unzutreffenden Angaben des Klägers zum letzten Konsumzeitpunkt vor der Fahrt und damit von einer nicht ausreichenden Basis für eine positive Prognose hinsichtlich seines Trennungsvermögens ausgegangen sind. Der Kläger hat trotz mehrfacher Nachfrage des Gutachters im psychologischen Untersuchungsgespräch wiederholt ausgeführt, er habe zwei Tage vor der Kontrolle das letzte Mal Marihuana geraucht. Auch in der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2019 hat er an dieser Einlassung festgehalten. Diese Behauptung ist jedoch bei nur gelegentlichem Cannabiskonsum mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Abbau der psychoaktiven Stoffe THC und Hydroxy-THC nicht in Einklang zu bringen. Der Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar. Bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten sind bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festzustellen. Lediglich bei häufigem Cannabiskonsum kann ggf. selbst 24 bis 48 Stunden nach dem letzten Konsum noch eine positive THC-Konzentration im Serum nachgewiesen werden (vgl. Daldrup, Blutalkohol 55, 122/124 ff.; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage 2018, S. 322). Diese Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2017 – 11 CS 16.2401 – Blutalkohol 54, 140 = juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Hiervon ausgehend kann der beim Kläger um 18:01 Uhr festgestellte THC-Wert von 1,4 ng/ml nicht auf den Konsum eines Joints ca. zwei Tage zuvor zurückzuführen sein. Vielmehr muss der Kläger, um einen solchen Wert zu erreichen, entweder kurz vor der Fahrt nochmals oder aber häufiger als angegeben Cannabis konsumiert haben. Seine Einlassung, nur gelegentlich und zuletzt zwei Tage vor der Fahrt einen Joint geraucht zu haben, ist jedenfalls keine plausible Erklärung für den festgestellten THC-Wert.

Gleiches gilt, worauf das Gutachten (S. 18) zutreffend hinweist, für den festgestellten 11-Hydroxy-THC-Wert von 0,8 ng/ml. Nur bei chronischem/regelmäßigem Cannabiskonsum ist mit einem Nachweis von 11-Hydroxy-THC auch nach mehr als 20 Stunden seit dem letzten Konsum zu rechnen. Bei gelegentlichem oder einmaligem Konsum ist bei einem positiven 11-Hydroxy-THC Nachweis immer von einem zeitnahen letztmalig in Konsum auszugehen (Daldrup, Blutalkohol 48, 72/76 m.w.N.).

Soweit der Kläger in der Antragsbegründung erstmals vorträgt, er habe keinen Joint geraucht, sondern eine Wasserpfeife mit purem Cannabis konsumiert, ergibt sich daraus zum einen nicht, dass dies auch bei einem länger zurückliegenden Konsum zu den festgestellten THC- und 11-Hydroxy-THC-Werten führen könnte. Zum anderen steht diese Einlassung im Widerspruch sowohl zu seiner aktenkundigen Erklärung bei der Verkehrskontrolle, er habe „am letzten Wochenende Marihuana konsumiert“, als auch gegenüber dem Psychologen im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung, wo er ebenfalls angegeben hat, nur Marihuana geraucht zu haben (Gutachten S. 14). Ohne dass es darauf ankäme, verstärkt dies eher die Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Einlassungen.

Zwar bemängelt der Kläger zu Recht, worauf auch das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, dass das Gutachten sich nicht ausdrücklich mit seiner Einlassung befasst, er werde demnächst Vater. Allerdings ist der Widerspruch zur auch nach Vorhalt durch den Gutachter aufrechterhaltenen Behauptung, zuletzt zwei Tage vor der Fahrt Cannabis konsumiert zu haben, und den hierzu im Rahmen der Blutuntersuchung festgestellten Werten so auffällig, dass sich allein daraus eine negative Prognose ergibt.

dd) Der Kläger kann auch nichts zu seinen Gunsten daraus herleiten, dass er bisher nicht nochmals negativ im Straßenverkehr durch Cannabiskonsum aufgefallen ist und dass die Beklagte davon abgesehen hat, die Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. die Aberkennung ihrer Inlandsgültigkeit für sofort vollziehbar zu erklären. Auch die zumindest für ein Jahr von Juni 2006 bis Juni 2007 nachgewiesene Abstinenz ist kein Beleg dafür, dass der Kläger über das erforderliche Trennungsvermögen bzw. die erforderliche Trennungsbereitschaft verfügt. Hierfür bedürfte es einer gutachtlich nachgewiesenen positiven Prognose unter Berücksichtigung der Hypothesen 0 und D4 der Beurteilungskriterien, die unter anderem eine widerspruchsfreie Einlassung des Klägers und bei Aufrechterhaltung der Abstinenz eine nicht nur kurzfristig und zweckorientiert aufgrund der Führerscheinproblematik aufgenommene, sondern auf Dauer angelegte Verhaltensänderung voraussetzt (vgl. Beurteilungskriterien S. 194 zu Kriterium D 4.3 N, Nr. 7).

ee) Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dem Kläger vor Erlass des Bescheids nicht nochmals die Möglichkeit eingeräumt hat, ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Die ursprünglich mit der ersten Beibringungsaufforderung vom 3. Juni 2016 aufgrund der Abstinenzbehauptung des Klägers gesetzte Frist von 13 Monaten war ausreichend. Auch wenn die Beklagte den Kläger zunächst mit Schreiben vom 22. Januar 2018 nochmals zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert hatte, stand mit dem am 18. April 2018 vorgelegten negativen Gutachten fest, dass der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die im Bescheid verfügte Maßnahme duldete daher keinen Aufschub.

c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht daraus, dass die Beklagte ihren Bescheid auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV und nicht auf § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV gestützt hat. Die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig ist, richtet sich, sofern höherrangiges oder spezielleres Recht nichts Abweichendes vorgibt, nach dem Recht, das geeignet ist, seinen Spruch zu tragen. Erweist sich dieser aus anderen als den angegebenen Rechtsgründen als rechtmäßig, ohne dass diese anderen Rechtsgründe wesentliche Änderungen des Spruchs erfordern würden, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (BVerwG, U.v. 19.8.1988 – 8 C 29.87 – BVerwGE 80, 96; BayVGH, B.v. 23.6.2016 – 11 CS 16.907 – juris Rn. 23 ff.). Daher kann ein Bescheid, der auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützt ist, auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 Satz 1 oder des 11 Abs. 7 FeV rechtmäßig und aufrechtzuerhalten sein, wenn die Nichteignung des Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt feststeht. Es handelt sich nicht um Ermessensvorschriften, sondern um zwingendes Recht. Die Rechtsgrundlagen sind daher insoweit austauschbar.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Hierzu fehlt es an der nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen Darlegung.

3. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anhang zu § 164 Rn. 14).

5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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