VG Gelsenkirchen – Az.: 9 K 11497/17 – Urteil vom 11.09.2018
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am 00.00.0000 geborene Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis, die ihm im Jahr 00.00.0000 erteilt worden war.
Bereits im Jahr 00.00.0000 war er mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Essen (Jugendgericht) des gemeinschaftlichen Diebstahls und des gemeinschaftlichen Gebrauchs von Kraftfahrzeugen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen worden, weil er, nachdem ein mit ihm verurteilter Mitschüler während des Unterrichts den Fahrzeugschlüssel einer Lehrerin entwendet hatte, am Lehrerparkplatz der Schule das Fahrzeug der Lehrerin genommen und gefahren hatte.
Im November 00.00.0000 verurteilte das Amtsgericht F1. (Jugendgericht) den Kläger rechtskräftig wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Vor Erteilung der Fahrerlaubnis forderte die Beklagte ein psychologisches Gutachten zu der Frage an, ob zu erwarten sei, dass der Kläger auch zukünftig erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Diese Frage wurde mit am 00.00.0000 vorgelegten Gutachten zugunsten des Klägers verneint.
Im 00.00.0000 gab die Beklagte dem Kläger gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 StVG die Teilnahme an einem Aufbauseminar für verkehrsauffällige Fahranfänger auf, nachdem er am 00.00.0000 – rechtskräftig geahndet seit dem 00.00.0000 – die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h überschritten hatte. Der Kläger legte fristgemäß eine Teilnahmebescheinigung vor.
Im 00.00.0000 wurde der Kläger vom Amtsgericht F. (Jugendgericht) rechtskräftig der Bedrohung schuldig gesprochen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte er im 00.00.0000 den Geschädigten nachts auf der Straße nach einer Zigarette gefragt und diese erhalten, woraufhin beide in die gleiche Richtung weitergegangen waren. Vor einem Geldautomaten der Sparkasse kam es zu einem Streitgespräch, bei dem der Kläger sehr verärgert eine geladene Gaspistole aus seinem Rucksack holte und sie mit der Aufforderung „Hände hoch“ in Richtung des Geschädigten hielt. Dabei wies er eine Blutalkoholkonzentration von 0,85 Promille auf.
Im 00.00.0000 wurde er vom Amtsgericht F. (Jugendgericht) rechtskräftig wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte sich der Kläger an einem frühen Morgen im 00.00.00 in Begleitung anderer im Bereich der F2. Innenstadt aufgehalten und dabei eine Blutalkoholkonzentration etwa i.H.v. 1,69 bis 1,83 Promille gehabt. Dabei kam es zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung, dann zu einer Schlägerei. Im Laufe der Auseinandersetzung griff der Kläger, um im Kampf nicht zu unterliegen, zu einer abgestellten Bierflasche, zerschlug diese an einer Mauer, so dass der Flaschenboden abbrach und sich eine scharfkantige Standfläche ergab. Damit lief er auf den Geschädigten zu und schlug ihm die Flasche mit der Seitenfläche heftig auf den Kopf.
Im K. 2014 wurde gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung geführt. Er bestritt, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Ermittlungsverfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt
Im 00.00.0000 erstattete ein Polizeibeamter Strafanzeige gegen den Kläger. In der Anzeige wird folgender Sachverhalt geschildert: Die eingesetzten Beamten seien verständigt worden, weil sich in einer Diskothek eine blutüberströmte Person, nämlich der Kläger, befunden habe, die die Behandlung verweigere. Die Beamten hätten den Kläger mit einer klaffen Wunde an der Unterlippe angetroffen. Als sie ihn angesprochen hätten, habe er erklärt, den Geschädigten „fertig machen“ zu wollen. Zeitgleich habe er eine umherliegende Flasche zerschlagen, so dass er einen Flaschenhals mit einer ca. handbreiten messerartigen Glasscherbe in der Hand gehalten habe. Mit der so hergestellten Klinge sei er auf den Eingang der Diskothek zugegangen. Auf die Anforderung der Beamten, die Scherbe fallen zu lassen, habe er zweimal geantwortet: „Nein! Verpisst euch!“. Auch nach dem Einsatz von Reizgas habe er die Scherbe noch nicht fallen lassen, sondern sie mit ausgestrecktem Arm auf Brusthöhe im Halbkreis vor sich hin und her bewegt. Auf erneute Ansprache durch die Beamten habe er Stoßbewegungen in deren Richtung sowohl auf Brust- als auch auf Halshöhe ausgeführt. Nach einem gezielten Schlag mit dem Einsatz-Mehrzweckstock gegen den die Scherbe haltenden Arm habe er diese fallenlassen. Danach habe er mit körperlicher Gewalt am Boden festgesetzt, gefesselt, dem Rettungsdienst übergeben und ins Krankenhaus gebracht werden können, wo seine Unterlippe mit mehreren Stichen genäht worden sei. Zur Feststellung der Schuldfähigkeit wurde eine Blutprobe entnommen, die eine Blutalkoholkonzentration von 1,88 Promille ergab. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gemäß § 153 Buchst. a StPO nach vollständiger Erfüllung der Auflage/Weisung ein.
Am 00.00.0000 wurde der Kläger als Führer eines Kraftfahrzeugs im F2. Stadtgebiet von der Polizei kontrolliert. Die Polizeibeamten vermerkten, er habe übertrieben fröhlich und äußerst euphorisch gewirkt und augenscheinlich großen Spaß an der polizeilichen Kontrolle gehabt. Bei der Übergabe der Ausweis- und Fahrzeugpapiere habe er sehr stark gezittert und offensichtlich nervös gewirkt. Bei geschlossenen Augen sei deutliches Lidflattern zu erkennen gewesen. Auf Frage habe der Kläger angegeben, vor längerer Zeit einmal Marihuana probiert zu haben und vor dem Fitnesstraining Eiweißpräparate zu sich zu nehmen. Eine gegen 9:45 Uhr abgegebene Urinprobe sei positiv auf Amphetamin getestet worden. In der um 11:25 Uhr entnommenen Blutprobe hat das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums F. mit Gutachten vom 00.00.0000 keine berauschenden Substanzen bzw. deren Stoffwechselprodukte nachgewiesen. Im Gutachten ist festgehalten, durch die chemisch-toxikologische Untersuchung hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass der Kläger in zeitlicher Nähe zur Blutabnahme relevante Mengen berauschender Mittel zu sich genommen habe.
Mit Schreiben vom 00.00.0000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aufgrund der Verurteilungen durch das Amtsgericht F. von 00.00.0000 wegen Bedrohung, vom 00.00.0000 wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen des Vorfalls in der Diskothek im 00.00.0000 und aufgrund der Verkehrskontrolle von 00.00.0000 seien Bedenken an seiner Kraftfahreignung entstanden. Die von ihm begangenen Straftaten ließen auf ein erhebliches Aggressionspotenzial und auf eine Bereitschaft zu ausgeprägt impulsivem Verhalten schließen und damit auf Verhaltensmuster, die sich so negativ auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken könnten, dass die Verkehrssicherheit gefährdet werde. Es sei zu befürchten, dass er auch in konfliktträchtigen Verkehrssituationen emotional und impulsiv handele, aufgrund seines erhöhten Aggressionspotenzial bzw. seiner nicht beherrschten Affekte in schwerwiegender Weise die Rechte anderer verletze und das Risiko im Straßenverkehr dadurch erhöhe. Die Beklagte gab dem Kläger auf, innerhalb von zwei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu den folgenden Fragen vorzulegen:
1. Besteht noch Alkoholmissbrauch? Liegen als Folge eines unkontrollierten Konsums berauschender Mittel Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellen?
2. Ist aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten mit Anhaltspunkten für ein erhöhtes Aggressionspotenzial zu erwarten, dass der Untersuchte zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?
Der Anordnung beigefügt war ein Vordruck einer Einverständniserklärung, in der die in Betracht kommenden Begutachtungsstellen zum Ankreuzen genannt sind. Die Anordnung selbst enthielt die Hinweise, dass der Kläger die Möglichkeit habe, die an die Gutachterstelle zu übersendenden Unterlagen zuvor einzusehen, sowie dass die Fahrerlaubnisbehörde auf seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen werde, wenn er das Gutachten nicht fristgerecht vorlege.
Mit Schreiben vom 00.00.0000 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an, weil das angeordnete Gutachten ihr nicht vorlag. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte daraufhin ein Schreiben des TÜV Nord vom 00.00.0000 vor, in dem es heißt, die Begutachtungsstelle habe den Vorgang überprüft und erstelle aktuell ein korrigiertes Gutachten. Für den Fehler und die entstandenen Unannehmlichkeiten bitte sie um Entschuldigung.
Am 00.00.0000 legte der Kläger ein Gutachten vom “ 00.00.0000 / 00.00.0000 (korrigierte Fassung)“ vor. Darin wird die erste zur Begutachtung gestellte Frage zu Gunsten des Klägers verneint: Derzeit bestehe kein Alkoholmissbrauch; es lägen als Folge eines unkontrollierten Konsums berauschender Mittel keine (psychophysischen) Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellten. Die zweite zur Begutachtung gestellte Frage wird zulasten des Klägers bejaht: Es sei aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten mit Anhaltspunkten für ein erhöhtes Aggressionspotenzial zu erwarten, dass der Untersuchte zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Dem Kläger werde empfohlen, sich unter Vorlage dieses Gutachtens an eine verkehrspsychologische Einrichtung zu wenden, wo er bei entsprechend qualifizierten Diplom-Psychologen an einer verkehrspsychologisch fundierten Maßnahme teilnehmen solle. Er solle sich insbesondere um eine vertiefte selbstkritische Auseinandersetzung mit den persönlichen Hintergründen und Ursachen seines Problemverhaltens bemühen, die Maßnahme aber auch nutzen, um tragfähige und konkrete Vorsatzhaltungen zur künftigen Deliktvermeidung zu entwickeln. Der Erfolg müsse in einer erneuten medizinisch-psychologischen Untersuchung überprüft werden, die frühestens nach Abschluss einer derartigen Maßnahme erfolgen könne.
Mit Schreiben vom 00.00.0000 hörte die Beklagte den Kläger erneut zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an.
Mit Verfügung vom 00.00.0000 entzog sie dem Kläger – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung – die Fahrerlaubnis, forderte ihn auf, seinen Führerschein unverzüglich bei ihr abzugeben, drohte für den Fall, dass er dieser Verpflichtung nicht binnen einer Woche nach Zustellung nachkomme, ein Zwangsgeld i.H.v. 500,00 EUR an und setzte Gebühren und Auslagen i.H.v. 129,45 EUR fest.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist mit dem Ergebnis des medizinisch-psychologischen Gutachtens begründet, dem zu entnehmen sei, dass der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei.
Für die Entziehung der Fahrerlaubnis wurde eine Gebühr i.H.v. 125,00 EUR festgesetzt und für die Meldung an das zentrale Fahrerlaubnisregister eine Gebühr von 1,00 EUR. Außerdem wurden 3,45 EUR für die Zustellung erhoben. Zu der für die Entziehung der Fahrerlaubnis erhobenen Gebühr wird ausgeführt: Die Gebührennummer 206 zur Anl. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) sehe einen Gebührenrahmen von 33,20 EUR bis 256,00 EUR vor. Bei der Festsetzung von 125,00 EUR seit der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand angemessen berücksichtigt worden. Diese Erwägungen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. März 2018 wie folgt ergänzt: Die Höhe der festzusetzenden Gebühr richte sich nach dem entstandenen Arbeitsaufwand und der Bedeutung der Angelegenheit. Die vom Gebührentatbestand erfassten Amtshandlungen seien als einfache, mittlere oder aufwändige Fälle einzuordnen. Die hier vorgenommene Amtshandlung (Prüfen der Kraftfahreignung, Entscheiden und Ausfertigen der Verfügung) habe einen mittleren Arbeitsaufwand erfordert. Sie sei als mittlerer Fall einzuordnen. Insbesondere sei die Strafakte anzufordern und auszuwerten gewesen. Die festgesetzte Gebührenhöhe von 125,00 EUR sei deshalb ermessensgerecht.
Der Bescheid wurde dem Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 00.00.0000 zugestellt.
Am 00.00.0000 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
Der Kläger ist der Ansicht: Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig. Die Beklagte übersehe, dass die in Rede stehenden Auffälligkeiten nicht mit dem Straßenverkehr zu tun hätten. Überdies finde die von der Beklagten behauptete Nichteignung keine Stütze in den medizinisch-psychologischen Gutachten. In Betracht gekommen wäre die Auferlegung einer verkehrspsychologischen Beratung oder die Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining für einen gewissen Zeitraum. Der Ordnungsverfügung sei nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte darüber überhaupt Gedanken gemacht habe. Vielmehr habe sie reflexartig auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen und ihm ebenso reflexartig ohne jede Differenzierung schlechterdings die Fahrerlaubnis entzogen. Die dem Kläger vorgeworfenen Taten lägen bereits mehrere Jahre zurück. Außerdem nehme die Beklagte offenbar auch seine Einlassung bei der Verkehrskontrolle im 00.00.0000, er habe einmal Marihuana probiert, zum Anlass, seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen. Anstelle dieses reflexartigen Verhaltens der Behörde wäre ein differenziertes, ihm entgegenkommendes Verhalten zu erwarten gewesen. Auch noch aus dem von der Staatsanwaltschaft F. eingestellten Ermittlungsverfahren Zweifel an seiner Fahreignung herleiten zu wollen, sei mehr als hanebüchen.
Auf das medizinisch-psychologische Gutachten könne die Beklagte die Annahme der Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht stützen. Das Gutachten sei nicht tragfähig. In der ursprünglichen Fassung habe der TÜV Nord ein völlig falsches Gutachten erstellt. Die Gutachtenfrage sei falsch beantwortet worden. Erst durch massive Einwirkung habe sich der Gutachter einsichtig gezeigt und das Gutachten korrigiert. In diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass der Gutachter das Gutachten reflexartig mit Textbausteinen aufgefüllt habe und dabei ohne Beachtung der wissenschaftlich erforderlichen Sorgfalt von einem völlig falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Schon aufgrund dieser ursprünglichen Fehler sei das korrigierte Gutachten nicht verwertbar und der ergänzenden Stellungnahme nur wenig Vertrauen zu schenken.
Die Beklagte habe ihre Entscheidung auf einer falschen Entscheidungsgrundlage getroffen. Dies bedeute in der Gesamtbetrachtung, dass sie den angegriffenen Bescheid rechtswidrig erlassen habe. Dies sei ihr auch entweder bekannt gewesen oder hätte ihr bekannt sein müssen, weil sie den Fehler mühelos, das heiße, bei sorgfältiger, in zeitlicher Hinsicht nur mit einem geringen Aufwand verbundenen Lesetätigkeit hätte erkennen können.
Schließlich benötige er beruflich eine gültige Fahrerlaubnis. Er befinde sich in der Ausbildung zum Elektriker und müsse auch auf Baustellenmontage fahren.
Der Kläger beantragt: die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 00.00.0000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt: die Klage abzuweisen.
Die Voraussetzungen zur Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der Kraftfahreignung des Klägers hätten gemäß § 13 Nr. 2e und § 11 Abs. 11, Abs. 3 Nr. 7 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -) vorgelegen. Die Anordnung sei zu Recht erfolgt. Nach dem vorgelegten Gutachten sei der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet. Die Fahrerlaubnis sei damit zwingend zu entziehen. Der Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten mit Anhaltspunkten für ein erhöhtes Aggressionspotenzial zu erwarten sei, dass auch zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Die Argumentation des Klägers, die begangenen Straftaten mit Anhaltspunkten für eine hohe Aggressionsbereitschaft stünden nicht im Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr, verkenne, dass aufgrund des in diesen Straftaten zum Ausdruck kommenden impulsive Durchsetzen der eigenen Interessen unter Zurückstellung der Belange anderer zu befürchten sei, dass der Kläger auch bei konflikthaften Verkehrssituationen emotional impulsiv handeln werde und dadurch das Risiko einer gefährdenden Verkehrssituation erhöhe.
Mit Schriftsatz vom 00.00.0000 hat die Beklagte zur Begründung der Gebührenfestsetzung ergänzend ausgeführt: Die Höhe der festzusetzenden Gebühr richte sich nach dem entstandenen Arbeitsaufwand und der Bedeutung der Angelegenheit. Die vom Gebührentatbestand erfassten Amtshandlungen würden als einfache, mittlere oder aufwändige Fälle eingeordnet. Die hier vorzunehmenden Amtshandlungen (Prüfung der Kraftfahreignung, Entscheidung und Ausfertigung der Verfügung) habe einen mittleren Arbeitsaufwand erfordert und sei daher als mittlerer Fall einzuordnen gewesen. Insbesondere sei die Strafakte anzufordern und auszuwerten gewesen. Die Festsetzung der Gebühr i.H.v. 125,00 EUR sei daher ermessensgerecht.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 12. Dezember 2017 hat das Gericht im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (9 L 3257/17) die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung, den Führerschein abzuliefern, wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung angeordnet. Der Beschluss ist unter anderem wie folgt begründet (Seite 6 ff. des Beschlussabdrucks):
„Die erste Frage hat der Gutachter zugunsten des Antragstellers verneint: Körperliche Zeichen, die für einen gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch oder alkoholbedingte Auswirkungen eines Langzeitkonsums sprechen könnten, seien in der medizinischen Beurteilung nicht nachweisbar gewesen. Die Ergebnisse der Leberfunktionsproben hätten im Referenzbereich gelegen und stünden damit in Übereinstimmung mit den Angaben des Antragstellers zu einem zuletzt moderaten Alkoholkonsum. In der Vergangenheit sei er durch mehrfache Straftaten unter zum Teil hohe Alkoholisierung aufgefallen. Eine Beurteilung der zukünftigen Verhaltensprognose hinsichtlich der Straftaten unter Alkoholeinfluss, die eine nachvollziehbare Darstellung früherer Trinkgewohnheiten und Strategien zum zukünftigen Umgang mit Alkohol erforderlich machen würden, sei nicht Gegenstand der behördlichen Fragestellung. Der Antragsteller habe nun angegeben, seit Anfang 2016 vollständig im Sinne einer Abstinenz auf Alkoholkonsum zu verzichten. Hinweise, die diese Angabe widerlegen könnten, hätten sich in der psychologischen Untersuchung nicht gefunden. Da die Angabe zum Alkoholverzicht jedoch nicht durch verwertbare Abstinenzbelege gestützt werde, könne von einer auf Dauer angelegten Abstinenzentscheidung bisher nicht ausgegangen werden. Hinweise darauf, dass aktuell Alkoholmissbrauch bestehe, hätten sich aber nicht gefunden. Derzeit bestehe kein Alkoholmissbrauch. Es lägen als Folge eines unkontrollierten Konsums berauschender Mittel keine (psychophysischen) Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellten.
Damit enthält das Gutachten, soweit es die Frage 1 beantwortet, unabhängig davon, ob es insoweit zu Recht angeordnet worden ist, keine hinreichenden Anhaltspunkte, um zulasten des Klägers auf einen Alkoholmissbrauch oder eine (sonst) rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit zu schließen.
Die zweite Frage hat der Gutachter zu Ungunsten des Antragstellers beantwortet: Der Antragsteller sei jeweils unter teilweise erheblichem Alkoholeinfluss mit Straftaten im Bereich der Körperverletzung aufgefallen. Eine ausreichend selbstkritische Auseinandersetzung mit dem früheren Fehlverhalten sei nicht erkennbar gewesen. Verantwortung für sein zum Teil brutales Verhalten habe er kaum übernehmen können. Vielmehr habe er die jeweiligen Situationen im Sinne eines „zur-falschen-Zeit-am-falschen-Ort“-Geschehens geschildert und noch nicht herausgearbeitet, dass die Häufung der aggressiven Verhaltensweisen nicht zufällig zu Stande gekommen sei. Zudem habe er die Ursache der Aggressionsdelikte eher in der Unbeherrschtheit anderer Personen begründet gesehen als in einem eigenen Fehlverhalten. Ohne eine Auseinandersetzung mit den persönlichen Hintergründen des früheren Verhaltens könne nicht ausgeschlossen werden, dass er bei einer zukünftigen Verkehrsteilnahme nicht über eine ausreichende Verhaltenskontrolle verfüge. Somit sei das Risiko für verkehrsrechtliche Auffälligkeiten als erhöht zu bewerten. Bezüglich der strafrechtlichen Auffälligkeiten habe keine problemangemessene Auseinandersetzung mit dem früheren Fehlverhalten deutlich gemacht werden können. Die Wahrscheinlichkeit für weitere Aggressionsdelikte – auch gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr – bestehe somit weiter fort. Aufgrund der dargestellten Eignungszweifel könne daher derzeit bezüglich der strafrechtlichen Fragestellung keine günstige Prognose erfolgen. Aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten mit Anhaltspunkten für ein erhöhtes Aggressionspotenzial sei zu erwarten, dass der Untersuchte zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.
Liegt ein für den Kraftfahrer negatives medizinisch-psychologisches Gutachten vor, kommt es auf die Berechtigung der Anordnung nicht mehr an. Die Berechtigung der Prüfungsanordnung ist nur rechtserheblich, wenn der Betroffene die Prüfung verweigert hat und die Bedeutung dieser Weigerung als Kennzeichen der Ungeeignetheit des Kraftfahrers zu beurteilen ist. Hat sich jedoch der Kraftfahrer der angeordneten Prüfung gestellt, so hat sich dadurch die Anordnung in einer Weise erledigt, dass von einer seitens der Behörde rechtswidrig erlangten Begutachtung nicht mehr gesprochen werden kann. Zudem schafft ein eindeutig negatives Ergebnis einer durchgeführten Begutachtung eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Einem Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, stünde das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1982 – 7 C 69/81 -, juris Rn. 20 m.w.N., = BVerwGE 65, 157; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 K 2495/13 -, juris Rn. 52 f.
Aus dem vorgelegten Gutachten auf die Nichteignung des Kraftfahrers zu schließen, ist jedoch nur möglich, wenn das für ihn negative Begutachtungsergebnis nachvollziehbar und schlüssig ist. Daran fehlt es hier. Dem Gutachten fehlt eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum der Gutachter aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten, die jeweils unter erheblichem Alkoholeinfluss begangen worden sind, zu dem Schluss kommt, dass der Antragsteller künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, obwohl nach der gutachterlichen Feststellung, es lägen keine Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs als Folge eines unkontrollierten Konsums berauschender Mittel in Frage stellten, mit einer alkoholbeeinflussten Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr nicht zu rechnen ist. Dass in der Vergangenheit unter der enthemmenden Wirkung einer erheblichen Alkoholisierung begangene Straftaten dafür sprechen, der Betroffene werde künftig ohne erwartbaren Alkoholeinfluss gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen, bedürfte zumindest der näheren Darlegung.“
Die Beklagte hat die Begutachtungsstelle daraufhin um eine ergänzende Stellungnahme zum Gutachten gebeten. Diese hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 00.00.0000 vorgelegt.
Die Stellungnahme nimmt Bezug auf die medizinisch-psychologische Begutachtung des Klägers vom 00.00.0000 und das unter dem 00.00.0000 erstellte Gutachten.
Sie verweist zunächst auf die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung. Darin heiße es: Wer Straftaten begangen habe, sei nach § 2 Abs. 4 StVG ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn diese im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stünden oder wenn diese auf ein hohes Aggressionspotenzial schließen ließen, sei es auf eine Neigung zu planvoller, bedenkenloser Durchsetzung eigener Anliegen ohne Rücksicht auf berechtigte Interessen anderer oder auf eine Bereitschaft zu ausgeprägt impulsivem Verhalten, z.B. bei Raub, schwerer oder gefährlicher Körperverletzung oder Vergewaltigung, und dabei Verhaltensmuster deutlich würden, die sich so negativ auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken könnten, dass die Verkehrssicherheit gefährdet werde. Die Voraussetzungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen könnten nach solchen Straftaten nur dann als wiederhergestellt gelten, wenn die Persönlichkeitsbedingungen, Krankheitsbedingungen und sozialen Bedingungen, die für das frühere gesetzwidrige Verhalten verantwortlich gewesen seien, sich entscheidend positiv verändert oder ihre Bedeutung soweit verloren hätten, dass negative Auswirkungen auf das Verhalten als Kraftfahrer nicht mehr zu erwarten seien. Davon sei – immer noch nach den Begutachtung-Leitlinien – nur dann auszugehen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt seien: Erstens eine unter den entscheidenden Aspekten positiv zu wertende Veränderung der Lebensweise sei deutlich erkennbar und werde durch die jetzigen Lebensverhältnisse gestützt, zweitens die Veränderung sei von dem Betroffenen aus einem Problembewusstsein heraus vollzogen worden (gegebenenfalls initiiert oder begleitet von einer angemessenen sozialpädagogischen, therapeutischen oder verhaltensmodifizierenden Intervention), und sie werde als zufriedenstellend erlebt, drittens generelle Fehleinstellungen oder Störungen, die eine soziale Einordnung verhinderten, ließen sich nicht mehr feststellen, und viertens die Voraussetzungen hätten sich über einen gewissen Zeitraum, in der Regel etwa ein K. , als stabil erwiesen.
Hieraus ergebe sich im Fall des Klägers Folgendes: Der Kläger habe bei allen im Gutachten aufgeführten Straftaten (zum Teil unter erheblichem) Alkoholeinfluss gestanden. Alkohol sei ein zentralwirkendes Nervengift, das jedoch nicht zwangsläufig zu Aggressionen führe, sondern lediglich eine enthemmende Wirkung habe, was die Verhaltenskontrolle mit dem Grad der Alkoholisierung deutlich einschränke. Jedoch sei Alkohol an sich keinesfalls die alleinige Ursache eines aggressiven Verhaltens. Daher müssten bei Vorliegen solcher Verhaltensstrukturen die persönlichen Hintergründe für das vorhandene erhöhte Aggressionspotenzial herausgefunden und aufgearbeitet werden. Dies bedürfe einer ausreichend selbstkritischen Sichtweise, da ohne die notwendige Einsicht und Motivation zur Verhaltensänderung keine Stabilität des angegebenen, veränderten Verhaltens zu erwarten sei. Gerade dies sei bei dem Kläger noch nicht gegeben. Vielmehr habe er, wie bereits im Gutachten ausgeführt, die jeweiligen Situationen der aktenkundigen Auffälligkeiten im Sinne eines Anfangszeichen unten zur falschen Zeit, am falschen Ort“-Geschehens geschildert. Die Häufung der aggressiven Verhaltensweisen habe er sich im Untersuchungsgespräch nicht erklären können. Zudem habe er die Verantwortung für sein aggressives Verhalten weitgehend nach außen verlagert. Dies werde deutlich, wenn er die Ursache der Aggressionsdelikte eher in der Unbeherrschtheit anderer Personen als in seinem eigenen Fehlverhalten begründet sehe. Selbst trotz mehrfacher Verurteilungen sehe er sich eher als Schlichter denn als Täter („wie er sich die Häufung der Auffälligkeiten erkläre? Falsche Zeit am falschen Ort, sage ich mal. Das glaube ich. Ich bin ja ein recht offener Mensch, vielen passt das gar nicht, wenn ich sage… Das ist jetzt scheiße, was du da machst… Das können manche nicht ab und werden gereizt dadurch…“). Bereits den Vorhalt, er habe aggressiv gehandelt, weise er zurück: „Wie das Aggressionspotenzial zu diesen Angaben passe? Gar nicht. Selbst durch Boxen, da wurde mir eingetrichtert, das ist nicht Kämpfen, reiner Sport. Ich weiß nicht, wie man das verbindet, dass ich jetzt Aggressionspotenzial in mir trage…“. Der Kläger habe zwar in der Theorie deutlich machen können, wie man sich regelgerecht verhalten solle, er berufe sich hierbei jedoch lediglich auf die seit dem letzten Delikt im K. 2015 verstrichene Zeit. Diese sei als alleiniger Indikator für eine Veränderung der Einstellung und des Verhaltens, die früher Aggressivität begünstigt hätten, nicht ausreichend. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich trotz mehrfacher Aggressionsdelikte selbst noch immer nicht für aggressiv halte und somit weder Übernahme von Verantwortung für das frühere Verhalten deutlich werde, noch Problemeinsicht bestehe. Auch wenn er gegenwärtig auf den Konsum von Alkohol verzichte, sei zudem nicht gewährleistet, dass er dauerhaft keinen Alkohol mehr trinke. Bei der Begutachtung habe er einen Alkoholkonsum in der Zukunft nicht ausgeschlossen: „Ob er sich zukünftig vorstellen könne, was zu trinken? Ich habe keine Lust, ich kann das jetzt nicht sagen, dass ich nicht trinken würde, aber ich habe keine Lust…“. Zusammenfassend müsse jedenfalls auch ohne Alkoholeinfluss aufgrund der fehlenden Aufarbeitung der Hintergrundproblematik noch erwartet werden, dass künftig durch andere äußere Einflüsse, die subjektiv frustrierend wirkten, die Impulskontrolle derart beeinträchtigt werde, dass mit entsprechenden nachteiligen Folgen für die Verhaltenskontrolle unter anderem im Sinne erneuter Verkehrsstraftaten gerechnet werden müsse.
In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin der Beklagten die in der Ordnungsverfügung vom 00.00.0000 enthaltene Aufforderung, den Führerschein abzugeben, und die dazugehörige Zwangsgeldandrohung aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Einzelrichterin ist zuständig, da die Kammer ihr den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. November 2017 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat.
Soweit das Verfahren in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Im verbliebenen Umfang ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Entziehung der Fahrerlaubnis findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger – im für die Anfechtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung vom 00.00.0000 – nicht und war damit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet. Dies steht aufgrund des Gutachtens des TÜV Nord vom 00.00.0000, ergänzt durch die im 00.00.0000 vorgelegte Stellungnahme fest.
Es erfüllt die Anforderungen der § 2 Abs. 8 StVG, § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a zur FeV. Jedenfalls zusammen mit der ergänzenden Stellungnahme ist es auch schlüssig und nachvollziehbar im Sinne der Nr. 2 a) der Anlage 4a. Die Stellungnahme erläutert das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung des Klägers vom 00.00.0000 über das Gutachten vom 00.00.0000 hinaus. Sie kann zur Beurteilung der Kraftfahreignung des Klägers im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung herangezogen werden. Die Maßgeblichkeit dieses Beurteilungszeitpunkts für die Begründetheit der Anfechtungsklage schließt die Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse für die Beurteilung der früheren Sachlage nicht aus.
Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 101 m.w.N.
Die Nachbesserung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach Erlass der Ordnungsverfügung ist deshalb möglich.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1996 – 11 B 14/96 -, juris Rn. 3; VG München, Beschluss vom 8. Juli 2016 – M 6 16.1537 -, juris Rn. 39 f.
Jedenfalls aus dem Gutachten vom 00.00.0000 zusammen mit der Stellungnahme von 00.00.0000 ergibt sich die Schlussfolgerung des Gutachters, es sei aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten mit Anhaltspunkten für ein erhöhtes Aggressionspotential zu erwarten, dass der Kläger zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, nunmehr gut nachvollziehbar. Die vom Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für erforderlich gehaltene Erklärung dafür, dass in der Vergangenheit unter der enthemmenden Wirkung einer erheblichen Alkoholisierung begangene Straftaten dafür sprächen, der Betroffene werde künftig ohne erwartbaren Alkoholeinfluss gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen, ist nunmehr mit der ergänzenden Stellungnahme erfolgt. Der Gutachter hat nachvollziehbar ausgeführt, dass Alkohol nicht die alleinige Ursache für das strafrechtlich geahndete aggressive Verhalten des Klägers war, sondern dass dieses in einer Einstellung und Verhaltensstruktur begründet liegt, die er noch nicht hinreichend reflektiert und überwunden hat und die – ohne diese Reflektion und Bearbeitung – auch ohne Alkoholeinfluss zu Tage treten kann.
Liegt ein nachvollziehbares, die Kraftfahreignung des Betroffenen negativ beurteilendes Gutachten vor, kommt es auf die Rechtmäßigkeit von dessen Anordnung nicht mehr an. Hat sich der Betroffene der angeordneten Begutachtung gestellt und liegt der Behörde das Gutachten vor, so ist dies eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat; ihre Verwertbarkeit hängt nicht von der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung ab.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1996 – 11 B 14/96 -, juris Rn. 3.
Ob die Beklagte das Gutachten – wie der Kläger meint – zu Unrecht angeordnet hat, bedarf deshalb keiner Entscheidung.
Gemäß § 3 Abs. 1 StVG war dem Kläger die Fahrerlaubnis wegen fehlender Kraftfahreignung zu entziehen. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte nicht gehalten, mildere Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Auch darauf, dass der Kläger als Elektriker in der Ausbildung auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist, kommt es nicht an.
Die Gebührenfestsetzung ist jedenfalls nach der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 00.00.0000 vorgenommenen Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden. Zuvor dürfte die Gebührenfestsetzung rechtswidrig gewesen sein, soweit die Beklagte eine über die in Ziffer 206 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOStV) vorgesehene Mindestgebühr von 33,20 EUR zuzüglich der Gebühr für die Meldung an das Zentrale Fahreignungsregister und der Zustellungskosten hinausgehende Gebühr festgesetzt hat. Die Beklagte hatte den ihr eingeräumten Gebührenrahmen erkannt und bezüglich ihrer Erwägungen festgehalten, dass sie den mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwand berücksichtigt habe. Diese Erwägungen dürften der Ergänzung bedurft haben, weil sich aus ihnen nicht ergibt, dass die Beklagte in Ausübung ihres Ermessens die vom Gebührentatbestand erfassten Amtshandlungen innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens als einfache, mittlere oder aufwendige Fälle eingeordnet hat.
Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2017 – 9 A 2655/13 -, NWVBl. 2017, 338 = juris, Rn. 108, und Beschlüsse vom 24. März 2017 – 9 E 197/17 -, juris, Rn. 10, sowie vom 1. Februar 2018 – 16 E 724/17 -, (noch) nicht veröffentlicht.
Diese Einordnung hat sie mit dem Schriftsatz vom 00.00.0000 vorgenommen. Diese Ergänzung der Ermessenserwägungen war nach § 114 Satz 2 VwGO prozessual möglich.
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, die Kosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen, weil sie hinsichtlich des erledigten Teils im Rechtsstreit nach Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage voraussichtlich unterlegen wäre. Die Beschwer des Klägers durch den erledigten Teil der Ordnungsverfügung – die Anordnung, den Führerschein abzuliefern, verbunden mit der Zwangsgeldandrohung – setzt das Gericht mit einem Viertel des Kostenstreitwerts an. Im Übrigen richtet sich die Kostenentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.129,45 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei setzt die Kammer in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 -, juris Rn. 2,
in Hauptsacheverfahren, die die Entziehung der Fahrerlaubnis betreffen, den Auffangwert an (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse, aufgrund dessen der Streitwert zu verdoppeln ist, ist weiterhin in Fällen beruflicher Nutzung der Fahrerlaubnis anzunehmen. Hierfür ist jedoch nicht ausreichend, wenn ein Kraftfahrzeug lediglich – wie es bei einem großen Teil der Fahrerlaubnisinhaber der Fall ist – als Transportmittel zur Arbeitsstätte benötigt wird. Vielmehr muss die berufliche Tätigkeit – wie im Fall des Klägers nicht dargelegt – gerade im Führen eines Kraftfahrzeugs bestehen. Die Aufforderung, den Führerschein abzuliefern, führt nicht zu einer Streitwerterhöhung. Die Zwangsgeldandrohung, die mit dem Grundverwaltungsakt verbunden ist, bleibt nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ebenfalls unberücksichtigt. Die festgesetzte Verwaltungsgebühr ist mit ihrer Höhe zu berücksichtigen (§ 52 Abs. 3 GKG).