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Fahrverbot bei atypischen Rotlichtverstoß – Absehen von der Verhängung

Ein Rechtsanwalt befährt bei Rot mit seinem Auto teilweise einen Fußgängerüberweg – und kommt mit einem blauen Auge davon! Das Amtsgericht Büdingen verhängt lediglich eine Geldbuße von 90 Euro, da keine Fußgänger gefährdet waren und der Anwalt den Bereich gut einsehen konnte. Ein Fahrverbot bleibt ihm erspart, da es sich um einen atypischen Rotlichtverstoß handelte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 60 OWi 901 Js 16834/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Betroffene fuhr trotz Rotlicht in den Kreuzungsbereich ein.
  • Der Betroffene wurde zu einer Geldstrafe von 90 Euro verurteilt.
  • Das Gericht entschied, kein Fahrverbot zu verhängen.
  • Der Betroffene hat keine Vorstrafen im Fahreignungsregister.
  • Der Betroffene ist Rechtsanwalt und die Missachtung des Rotlichts erfolgte fahrlässig.
  • Am Vorfall waren Polizeibeamte beteiligt, die den Verstoß beobachteten.
  • Das Gericht berücksichtigte die Umstände des Verstoßes und sah von einem Fahrverbot ab.
  • Die Entscheidung basiert auf den besonderen Umständen und dem bisherigen Verhalten des Betroffenen.
  • Die Auswirkungen zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen ein Fahrverbot vermieden werden kann.
  • Diese Entscheidung kann als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen, in denen mildernde Umstände vorliegen.

Anwalt mit Rotlichtvergehen: Kein Fahrverbot trotz Fußgängerüberwegbefahrung

Verkehrsverstöße sind ein wichtiges Thema, das sowohl die Verkehrssicherheit als auch die Rechte und Pflichten der Autofahrer betrifft. Ein besonderer Fall ist der sogenannte „atypische Rotlichtverstoß“, bei dem Autofahrer trotz Rotlicht noch in den Kreuzungsbereich einfahren. Hierbei stellt sich die Frage, ob in solchen Fällen ein Fahrverbot verhängt werden muss oder ob unter bestimmten Umständen davon abgesehen werden kann. Diese Entscheidung hat nicht nur rechtliche, sondern auch praktische Konsequenzen für die Betroffenen. Es ist daher wichtig, die geltenden Bestimmungen und die Umstände, unter denen ein Fahrverbot verhängt oder ausgesetzt werden kann, genauer zu betrachten. Im Folgenden wird ein konkreter Fall eines atypischen Rotlichtverstoßes vorgestellt und analysiert, um die rechtlichen Hintergründe und Entscheidungskriterien näher zu beleuchten.

Rotlichtverstoß? Wir kennen den Weg durch den Paragrafendschungel.

Ein Rotlichtverstoß kann schnell zu einem Fahrverbot führen. Doch jeder Fall ist anders, wie das Urteil des Amtsgerichts Büdingen zeigt. Die Kanzlei Kotz kennt die Feinheiten des Verkehrsrechts und setzt sich für Ihre Rechte ein. Lassen Sie uns gemeinsam Ihre Möglichkeiten ausloten. Nehmen Sie jetzt Kontakt auf und sichern Sie sich juristische Klarheit.

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Büdingen


Rotlichtverstoß mit Teilbefahren des Fußgängerschutzbereichs – Gericht sieht von Fahrverbot ab

Atypischer Rotlichtverstoß
Atypischer Rotlichtverstoß mit geringer Gefährdung führt zu Geldbuße ohne Fahrverbot. (Symbolfoto: – AI gen.)

Der Betroffene, ein 53-jähriger Rechtsanwalt, fuhr am 10.03.20.. gegen 7:26 Uhr mit seinem PKW von seiner Wohnung in der … in … los. An der Kreuzung zur … Straße, an der sich eine für beide Richtungen rot zeigende Fußgängerampel befindet, wollte er nach links abbiegen. Zu diesem Zeitpunkt standen bereits mehrere Fahrzeuge vorschriftsmäßig an den Haltelinien. Der Betroffene nutzte die Rotphase, um in die vorfahrtsberechtigte … Straße einzufahren, da es aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens zu dieser Zeit grundsätzlich problematisch ist, von der … kommend in die … Straße einzubiegen.

Der Betroffene vergewisserte sich, dass keine Fußgänger mehr die Fahrbahn überquerten und fuhr langsam los. Dabei überfuhr er mit Teilen seines Fahrzeugs die gestrichelte Linie, welche den für Fußgänger geschützten Bereich kennzeichnet. Er hatte eigentlich geplant, noch vor diesem Bereich zum Stehen zu kommen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Haltelinie selbst überfuhr er nicht.

Gericht folgt im Wesentlichen der Zeugenaussage des kontrollierenden Polizeibeamten

Das Amtsgericht Büdingen folgte im Wesentlichen der Aussage des kontrollierenden Polizeibeamten, der den Rotlichtverstoß beobachtet hatte. Dieser konnte sich noch gut an das Geschehen erinnern, auch wenn er nicht exakt sagen konnte, wie weit der Betroffene die gestrichelte Linie überfuhr. Der Beamte hatte sowohl das Fahrzeug des Betroffenen als auch den geschützten Bereich im Blick. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich getäuscht haben könnte oder die Unwahrheit sagte.

Dass sich der Betroffene durch seine abweichende Einlassung möglicherweise selbst entlasten wollte, konnte nicht ausgeschlossen werden. Die vom Betroffenen vorgelegten Lichtbilder zeigten aber, dass der gesamte Bereich um die Ampel für ihn gut einsehbar war und er sich vergewissert hatte, dass keine Fußgänger gefährdet wurden.

Gericht geht von einem atypischen Rotlichtverstoß aus

Das Gericht sah vorliegend von dem Regelfall eines qualifizierten Rotlichtverstoßes gemäß Nr. 132.3 des Bußgeldkatalogs ab, der neben einer erhöhten Geldbuße auch ein Fahrverbot vorsieht. Stattdessen ging es aufgrund der besonderen Umstände von einem atypischen Rotlichtverstoß aus:

  • Der Betroffene war nur mit einem Teil seines Fahrzeugs und mit langsamer Geschwindigkeit in den geschützten Bereich eingefahren.
  • Es gab zu diesem Zeitpunkt definitiv keine Fußgänger mehr, die hätten gefährdet werden können.
  • Der Bereich um die Ampel war für den ortskundigen Betroffenen gut einsehbar. Er hätte gefahrlos anhalten können, selbst wenn unerwartet noch ein Kind losgelaufen wäre.
  • Das bereits lange Rotlicht wirkte sich hier nicht gefahrerhöhend aus, da alle Fußgänger die Straße schon längst überquert hatten.

Geldbuße von 90 € wegen fahrlässiger Rotlichtmissachtung – kein Fahrverbot

Das Amtsgericht Büdingen verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage zu einer Geldbuße von 90 €. Dieser Betrag entspricht dem Regelsatz gemäß Nr. 132 des Bußgeldkatalogs.

Ein Fahrverbot wurde nicht verhängt. Auch von einer Erhöhung der Regelbuße aufgrund des Absehens vom Regelfahrverbot gemäß § 4 Abs. 4 BKatV wurde abgesehen, da es sich nicht um einen typischen qualifizierten Rotlichtverstoß handelte. Eine höhere Geldbuße als 90 € erschien dem Gericht auch sonst nicht angemessen. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht, dass bei Rotlichtverstößen eine differenzierte Betrachtung der konkreten Tatumstände erforderlich ist. Trotz formaler Erfüllung des Tatbestands kann unter Berücksichtigung der Gesamtsituation, insbesondere der fehlenden Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und des umsichtigen Verhaltens des Betroffenen, ausnahmsweise von einem atypischen Rotlichtverstoß ausgegangen und von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, nicht allein die Dauer des Rotlichts.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das Urteil des Amtsgerichts Büdingen zeigt, dass nicht jeder Rotlichtverstoß automatisch zu einem Fahrverbot führt. Wenn Sie, wie der betroffene Rechtsanwalt, versehentlich bei Rot in einen Kreuzungsbereich eingefahren sind, ohne Fußgänger zu gefährden, könnte das Gericht Ihren Fall als atypischen Rotlichtverstoß einstufen. Das bedeutet, dass Sie möglicherweise keine Angst vor einem Fahrverbot haben müssen.

Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass jedes Gericht den Einzelfall prüft und die Umstände genau abwägt. Ob ein Fahrverbot verhängt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Gefährdung anderer, Ihrer Geschwindigkeit und den Sichtverhältnissen.

Was können Sie tun?

Wenn Sie einen Bußgeldbescheid wegen eines Rotlichtverstoßes erhalten haben, sollten Sie zunächst prüfen, ob die Umstände Ihres Falls denen des Rechtsanwalts ähneln. Falls ja, könnte es sich lohnen, gegen den Bescheid Einspruch einzulegen oder sich von einem Anwalt beraten zu lassen.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Atypischer Rotlichtverstoß wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Was genau ist ein „atypischer Rotlichtverstoß“?

Ein „atypischer Rotlichtverstoß“ liegt vor, wenn besondere Umstände dazu führen, dass trotz des Überfahrens einer roten Ampel keine abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer besteht. Dies kann dazu führen, dass von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen wird, obwohl die Ampel bereits länger als eine Sekunde Rotlicht zeigte.

Ein solcher Verstoß wird als atypisch eingestuft, wenn beispielsweise der Fahrer bei Rot an einer Fußgängerampel anhält, Fußgänger passieren lässt und dann weiterfährt, ohne dass eine Gefährdung vorliegt. Auch Wahrnehmungsfehler, wie das Verwechseln der Ampel für Abbieger mit der für den Geradeausverkehr, können als atypisch gelten. Weitere Beispiele sind das Überfahren der Ampel aufgrund von Ablenkung durch Adressensuche oder Schwierigkeiten beim Anhalten auf glatter Fahrbahn.

Die rechtlichen Konsequenzen eines atypischen Rotlichtverstoßes unterscheiden sich von denen eines typischen Verstoßes. Während bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß, der länger als eine Sekunde andauert, in der Regel ein Fahrverbot verhängt wird, kann bei einem atypischen Verstoß das Fahrverbot entfallen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn keine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorliegt und der Verstoß auf einer leichten Fahrlässigkeit beruht.

Gerichte berücksichtigen bei der Bewertung eines atypischen Rotlichtverstoßes die spezifischen Umstände des Einzelfalls. Entscheidend ist, ob durch das Verhalten des Fahrers eine besondere Gefährdungslage entstanden ist. Fehlt diese, kann das Gericht von den üblichen Sanktionen abweichen und lediglich eine Geldbuße verhängen.


Welche Faktoren spielen eine Rolle bei der Entscheidung, ob ein Fahrverbot verhängt wird oder nicht?

Ein Fahrverbot wird in Deutschland bei schwerwiegenden Verkehrsverstößen verhängt. Die Entscheidung, ob ein Fahrverbot ausgesprochen wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Geschwindigkeitsüberschreitungen spielen eine zentrale Rolle. Außerorts droht ein Fahrverbot ab einer Überschreitung von 41 km/h, innerorts bereits ab 31 km/h. Wiederholungstäter, die innerhalb eines Jahres zweimal mit mehr als 26 km/h zu schnell fahren, müssen ebenfalls mit einem Fahrverbot rechnen.

Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ist ein weiterer wichtiger Faktor. Bei Verstößen, die andere gefährden, wie das Überfahren einer roten Ampel, wird in der Regel ein Fahrverbot verhängt. Wenn die Ampel länger als eine Sekunde rot war, ist ein Fahrverbot fast immer die Folge.

Sichtverhältnisse und besondere Umstände können mildernd wirken. Wenn beispielsweise die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht erkennbar war oder mildernde Umstände vorliegen, kann ein Fahrverbot vermieden werden. Auch berufliche und wirtschaftliche Folgen, wie der drohende Verlust des Arbeitsplatzes, können berücksichtigt werden.

Atypische Fälle können zu einer Abweichung vom Regelfall führen. Ein Beispiel ist ein Rotlichtverstoß, bei dem keine konkrete Gefährdung vorliegt und der Fahrer nur langsam in den geschützten Bereich einfährt. In solchen Fällen kann das Gericht von einem Fahrverbot absehen und stattdessen eine Geldbuße verhängen.

Wiederholungstäter haben es schwerer, ein Fahrverbot zu vermeiden. Wer innerhalb von zwei Jahren bereits ein Fahrverbot hatte, kann nicht auf mildernde Umstände hoffen.

Rechtsmittel können eingelegt werden, um gegen ein Fahrverbot vorzugehen. Ein Anwalt kann prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen.

Fahren trotz Fahrverbot ist eine Straftat und wird mit hohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen geahndet. Auch der Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens sechs Monate ist möglich.

Diese Faktoren zeigen, dass die Entscheidung über ein Fahrverbot von vielen individuellen Umständen abhängt.


Welche Rolle spielt die Aussage des Polizeibeamten bei der Beurteilung eines Rotlichtverstoßes?

Die Aussage eines Polizeibeamten spielt bei der Beurteilung eines Rotlichtverstoßes eine zentrale Rolle, insbesondere wenn keine technischen Hilfsmittel zur Beweisführung vorhanden sind. Gerichte stützen sich häufig auf die Beobachtungen der Beamten, um die Dauer der Rotlichtphase zu bestimmen. Diese Schätzungen sind jedoch mit Unsicherheiten behaftet, da das menschliche Zeitgefühl ungenau sein kann.

Ein qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die Ampel länger als eine Sekunde rot zeigt, bevor sie überfahren wird. In solchen Fällen drohen höhere Strafen, einschließlich eines Fahrverbots. Die Aussage des Polizeibeamten muss daher präzise und nachvollziehbar sein. Gerichte verlangen eine detaillierte Darlegung der angewandten Messmethode, um die Schätzung der Rotlichtdauer zu überprüfen. Dies kann durch das Mitzählen von Zahlenreihen oder durch die Orientierung an zeitlich eingrenzbaren Vorgängen geschehen.

Fehlen solche konkreten Angaben, kann die Beweiskraft der Zeugenaussage erheblich eingeschränkt sein. Obergerichte haben wiederholt betont, dass visuelle Schätzungen ohne technische Unterstützung kritisch zu würdigen sind. Beispielsweise hob das OLG Köln ein Urteil auf, weil die Schätzung des Polizeibeamten nicht ausreichend fundiert war. Auch das OLG Düsseldorf stellte klar, dass Schätzungen durch Polizeibeamte nur dann tragfähig sind, wenn sie durch zusätzliche Umstände erhärtet werden.

In Fällen, in denen die Aussage des Polizeibeamten die einzige Beweisgrundlage darstellt, kann die Verteidigung erfolgreich die Genauigkeit der Schätzung anzweifeln. Dies kann dazu führen, dass ein qualifizierter Rotlichtverstoß nicht nachgewiesen werden kann und somit nur ein einfacher Verstoß vorliegt, der geringere Strafen nach sich zieht.

Ein atypischer Rotlichtverstoß, bei dem besondere Umstände vorliegen, kann ebenfalls dazu führen, dass von einem Fahrverbot abgesehen wird. Dies ist der Fall, wenn keine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorliegt oder der Verstoß auf einem Augenblicksversagen beruht. Gerichte berücksichtigen hierbei die spezifischen Umstände des Einzelfalls und können mildernde Umstände anerkennen, die zu einer abweichenden Sanktion führen.

Die Aussage des Polizeibeamten ist somit ein wichtiger, aber nicht allein entscheidender Faktor bei der Beurteilung eines Rotlichtverstoßes. Sie muss durch nachvollziehbare und überprüfbare Methoden gestützt werden, um vor Gericht Bestand zu haben.


Welche rechtlichen Konsequenzen hat ein atypischer Rotlichtverstoß im Vergleich zu einem „normalen“ Rotlichtverstoß?

Ein atypischer Rotlichtverstoß unterscheidet sich von einem „normalen“ Rotlichtverstoß durch besondere Umstände, die die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen oder erheblich mindern. Bei einem normalen Rotlichtverstoß, der in zwei Kategorien unterteilt wird – einfacher und qualifizierter Verstoß – sind die Sanktionen klar definiert. Ein einfacher Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die Ampel weniger als eine Sekunde rot war. Hier drohen in der Regel ein Bußgeld von 90 Euro und ein Punkt in Flensburg. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß, bei dem die Ampel länger als eine Sekunde rot war, zieht ein Bußgeld von 200 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot nach sich.

Ein atypischer Rotlichtverstoß hingegen kann milder beurteilt werden, wenn besondere Umstände vorliegen. Diese können beispielsweise sein, dass der Fahrer nur langsam in den geschützten Bereich eingefahren ist und keine Fußgänger oder andere Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden. In solchen Fällen kann das Gericht von der Verhängung eines Fahrverbots absehen und stattdessen eine geringere Geldbuße verhängen. Ein Beispiel hierfür ist ein Fall, in dem das Amtsgericht Büdingen bei einem atypischen Rotlichtverstoß auf ein Fahrverbot verzichtete und lediglich eine Geldbuße von 90 Euro verhängte.

Die rechtliche Bewertung eines atypischen Rotlichtverstoßes erfolgt durch die Gerichte auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Dabei werden alle relevanten Aspekte wie die Verkehrssituation und das Verhalten des Fahrers berücksichtigt. Ein atypischer Rotlichtverstoß liegt vor, wenn selbst eine abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Fahrer aufgrund eines Augenblicksversagens die rote Ampel überfährt, ohne dass eine konkrete Gefährdung vorliegt.

Insgesamt zeigt sich, dass bei einem atypischen Rotlichtverstoß die Sanktionen milder ausfallen können, insbesondere wenn keine besondere Gefährdungslage vorliegt. Ein Fahrverbot kann in solchen Fällen vermieden werden, während bei einem normalen Rotlichtverstoß, insbesondere bei einem qualifizierten Verstoß, die Sanktionen strenger sind.


Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich einen Bußgeldbescheid wegen eines Rotlichtverstoßes erhalten habe?

Nach Erhalt eines Bußgeldbescheids wegen eines Rotlichtverstoßes bestehen mehrere Handlungsoptionen. Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids kann Einspruch eingelegt werden. Dies muss schriftlich bei der zuständigen Behörde erfolgen. Ein Einspruch lohnt sich besonders bei hohen Bußgeldern oder drohendem Fahrverbot.

Ein qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die Ampel länger als eine Sekunde rot war. Hier drohen mindestens 200 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot. Ein einfacher Rotlichtverstoß, bei dem die Ampel weniger als eine Sekunde rot war, zieht ein Bußgeld von 90 Euro und einen Punkt nach sich.

Ein Anwalt für Verkehrsrecht kann den Bußgeldbescheid auf formelle und technische Fehler prüfen. Häufige Fehlerquellen sind fehlerhafte Messungen oder nicht ordnungsgemäß geeichte Geräte. Ein Anwalt kann Akteneinsicht beantragen, um die Messung und die eingesetzten Geräte zu überprüfen.

Ein atypischer Rotlichtverstoß kann vorliegen, wenn besondere Umstände eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen. Beispiele sind das Verwechseln der Ampel für Abbieger mit der für den Geradeausverkehr oder das Überfahren der Ampel bei Rot aufgrund einer Notstandslage. In solchen Fällen kann von einem Fahrverbot abgesehen werden.

Eine Erstberatung durch einen Anwalt kann helfen, die Erfolgsaussichten eines Einspruchs zu bewerten. Bei einer Rechtsschutzversicherung werden die Kosten für den Anwalt in der Regel übernommen. Andernfalls können Anwaltskosten anfallen, die jedoch durch eine erfolgreiche Anfechtung des Bußgeldbescheids kompensiert werden können.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 37 Abs. 2 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung): Bestimmt die Bedeutung und Einhaltung der Lichtzeichenanlagen (Ampeln). Ein Rotlichtverstoß liegt vor, wenn ein Fahrer bei Rotlicht in den geschützten Bereich der Kreuzung einfährt. Im vorliegenden Fall hat der Betroffene die Fußgängerampel bei Rot überfahren, was nach dieser Vorschrift eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
  • § 49 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung): Listet Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr auf, darunter auch den Verstoß gegen die Vorschriften über die Benutzung von Lichtzeichenanlagen. Dieser Paragraph ist die rechtliche Grundlage für die Ahndung des Rotlichtverstoßes des Betroffenen.
  • § 24 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Nach Absatz 1 liegt bei einem Rotlichtverstoß eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einer Geldbuße geahndet wird. Absatz 3 Nr. 5 spezifiziert, dass auch Verstöße gegen Lichtzeichenanlagen hierunter fallen, was zur Ahndung des Betroffenen führt.
  • Nr. 132 Bußgeldkatalog (BKatV): Gibt konkrete Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten nach der StVO vor. Für das Überfahren einer roten Ampel, die länger als eine Sekunde rot zeigt, ist in der Regel ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen. In diesem Fall wurde jedoch aus atypischen Gründen von einem Fahrverbot abgesehen und eine Geldbuße von 90 € verhängt.
  • Beweiswürdigung durch Gerichte (§ 261 StPO – Strafprozessordnung): Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Aussage des Polizeibeamten berücksichtigt, der den Verstoß beobachtet hat. Die Beurteilung durch das Gericht basiert auf der freien richterlichen Überzeugung und berücksichtigt alle vorgelegten Beweismittel, darunter Zeugenaussagen und die Situation an der Kreuzung.
  • Ermessensspielraum der Gerichte (§ 17 OWiG – Gesetz über Ordnungswidrigkeiten): Dieser Paragraph gibt Gerichten einen gewissen Spielraum bei der Bemessung der Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten, abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Der atypische Charakter des vorliegenden Falles, wie das bekannte hohe Verkehrsaufkommen und das Fehlen von Gefährdung, spielte eine Rolle in der Entscheidung, von einem Fahrverbot abzusehen.
  • Rechtsmittel bei Bußgeldbescheiden (§ 67 OWiG – Gesetz über Ordnungswidrigkeiten): Betroffene haben das Recht, gegen Bußgeldbescheide Einspruch einzulegen. Dies ist auch im vorliegenden Fall von Bedeutung, denn bei Unsicherheiten über die Tatbestandsmerkmale oder die Höhe der Sanktionen kann der Betroffene rechtlichen Beistand suchen und den Bußgeldbescheid anfechten.

⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Büdingen

AG Büdingen – Az.: 60 OWi 901 Js 16834/22 – Urteil vom 19.10.2022

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage zu einer Geldbuße i.H.v. 90 € verurteilt.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften: §§ 37 Abs. 2, 49 StVO; § 24 Absatz 1, 3 Nr. 5 StVG; Nr. 132 Bußgeldkatalog.

Gründe

I.

Der 53 Jahre alte Betroffene ist deutscher Staatsangehöriger und verheiratet. Von Beruf ist er Rechtsanwalt. Das Fahreignungsregister enthält über den Betroffenen keine Eintragungen.

II.

Der Betroffene wohnt in der … in … . Am 10.03.20.. gegen 7:26 Uhr fuhr der Betroffene mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … von dieser Adresse los. Er wollte dabei nach links in die … Straße abbiegen. An dieser Stelle, wo die … in die … Straße mündet, befindet sich auf der … Straße eine Lichtzeichenanlage (Fußgängerampel). Diese zeigte zu diesem Zeitpunkt für beide Richtungen auf der … Straße rot an. Der Zeuge POK … befuhr mit einer Kollegin zu diesem Zeitpunkt mit einem Streifenwagen die … Straße in südliche Richtung. Der Streifenwagen kam hinter einem Fahrzeug zum Stehen, das bereits vor der Haltelinie der rot zeigenden Lichtzeichenanlage stand. Der Abstand zwischen der Haltelinie und dem für Fußgänger geschützten Bereich (gestrichelte Linie) beträgt ca. 2,50 m. Aus der Gegenrichtung (Süden) kommend standen bereits ebenfalls zwei Fahrzeuge vorschriftsmäßig an der dortigen Haltelinie. Die Startstoppautomatik des Streifenwagens schaltete den Motor aus. Der Betroffene wollte die Rotphase nutzen, um in die an sich vorfahrtsberechtigte … Straße einzufahren. Aufgrund des zu dieser Zeit regelmäßig herrschenden hohen Verkehrsaufkommens ist es grundsätzlich problematisch von der … kommend in die … Straße einzufahren. Die Lichtzeichenanlage zeigte bereits deutlich länger als eine Sekunde rot, als der Betroffene mit seinem Fahrzeug auf die … Straße einbog. Weil dem Betroffenen die Örtlichkeit und das hohe Verkehrsaufkommen zu dieser Zeit gut bekannt sind und auch seine eigenen Kinder des Betroffene zu diesem Zeitpunkt in unmittelbarer Nähe auf dem Weg zum Bus waren, vergewisserte er sich, dass keine Personen auf der Fahrbahn waren. Der Betroffene fuhr mit Teilen seines Fahrzeuges in den für Fußgänger geschützten Bereich der Lichtzeichenanlage ein. Dabei überfuhr er die gestrichelte Linie die den für Fußgänger geschützten Bereich kennzeichnet. Er wollte allerdings noch vor dem geschützten Bereich (also zwischen Haltelinie und der gestichelten Linie) mit seinem Fahrzeug zum Stehen kommen, was nicht gelang. Dies hätte er bei hinreichender Aufmerksamkeit erkennen und vermeiden können. Die Haltelinie überfuhr der Betroffene dabei zuvor nicht, da die Vordergasse etwa in Höhe der Haltelinie in die … Straße mündet.

III.

Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der in der Hauptverhandlung verwerteten Beweismittel.

Die Feststellung zur Person beruhen auf den glaubhaften Angaben des Betroffenen.

Zur Sache hat der Betroffene sich dahin eingelassen, dass der polizeiliche Vermerk des Zeugen … so nicht richtig sei. Er sei nicht aufgebracht gewesen. Er habe sich über sich selbst geärgert, weil die Kontrolle ca. 20 Minuten gedauert habe, da er seinen Kfz Schein nicht gefunden habe. Er habe gefragt, was Anlass der Kontrolle sei. Daraufhin habe die Polizeibeamtin auf den Boden geschaut. Der Zeuge … habe ihm dann einen Rotlichtverstoß vorgeworfen. Die Ampel sei bestimmt schon 8-10 Sekunden auf Rot gewesen. Fußgänger seien längst keine mehr auf der Straße gewesen. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens zu dieser Zeit, komme man dort aus der … nur sehr schlecht heraus. Die Fahrzeuge würden dort meist schneller als die erlaubten 30 km/h fahren. Er habe Blickkontakt mit dem ersten Fahrzeugführer, der direkt vor der Haltelinie gestanden habe, gehabt. Diese habe ihn reingewunken. Er sei dann langsam eingefahren, habe aber die gestrichelte Linie nicht überfahren. Dies könnten seine beiden Kinder, die sich in der Nähe aufhielten, sogar bestätigen. Nach seiner Erinnerung hätten vor dem Polizeifahrzeug noch 2 weitere Fahrzeuge gestanden. Ärgerlich sei gewesen, dass er erst im … angehalten worden sei. Die Verkehrskontrolle habe dort ein Chaos angerichtet, da auch noch der Schulbus mit den Kindern an dieser Engstelle aufgrund der Verkehrskontrolle habe warten müssen.

Anhand der von ihm vorgelegten und in Augenschein genommenen Lichtbilder (Bl. 29, 30, 31, 32, 33 d. A.) hat der Betroffene nachvollziehbar erläutert, dass er eine Gefährdung von Personen aufgrund der Übersichtlichkeit der Örtlichkeit an der Lichtzeichenanlage ausschließen konnte. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Lichtbilder verwiesen und sie werden zum Gegenstand des Urteils gemacht. Darauf ist zu erkennen, dass der gesamte Bereich um die Lichtzeichenanlage aus Sicht des Betroffenen kommend gut einzusehen ist und Fußgänger gut zu sehen sind, bevor sie die Straße an dieser Stelle überqueren. Unter anderem auf dem Lichtbild Bl. 29 sind die Lichtzeichenanlage mit deren geschützten Bereich sowie auch die Haltelinien und auch der Abstand zwischen Haltelinie und geschützten Bereich, der ca. 2,50 m beträgt, gut zu erkennen.

Der Zeuge POK … bestätigte im Wesentlichen die Angaben in dem ihm vorgehaltenen Vermerk vom 10.03.2022 (Bl. 7 Rückseite, 8 der Akte). Ein Auto habe an der Lichtzeichenanlage vor ihm vor der Haltelinie gestanden und zwei weitere Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Seite vor der Haltelinie. Fußgänger seien bereits vorübergegangen. Der Betroffene sei mit dem … dann quer auf die Straße gefahren. Die von ihm angefertigte Skizze (Bl. 8 Rückseite der Akte) sei nicht maßstabsgetreu, sie solle lediglich zur Verdeutlichung dienen. Die vom Betroffenen vorgelegten Lichtbilder (Bl. 29-33 der Akte) würden die Örtlichkeit authentisch wiedergeben. Auf der … Straße gelte Tempo 30.

Wegen der Einzelheiten wird auf diese Skizze (Bl. 8 Rückseite der Akte) verwiesen und sie werden zum Gegenstand des Urteils gemacht.

Er könne nicht sicher sagen, wie weit der Betroffene über die gestrichelte Linie gefahren sei. Er sei aber in jedem Fall etwas über die Linie gefahren. Ob es mit der Hälfte des Fahrzeugs oder weniger gewesen sei, wisse er nicht mehr. Der Betroffene sei an der Haltelinie vorbeigefahren, nicht darüber, da dort ja ein Fahrzeug vor der Haltelinie gestanden habe. Der Betroffene sei nicht schnell gefahren. Ob der Betroffene von dem Führer des ersten Fahrzeugs an der Haltelinie reingewunken worden sei, könne er nicht sagen. Kinder hätten die Straße bereits geräumt. Die Ampel würde lange relativ lange auf Rot für Autos stehen. Aufgrund des Verstoßes sei der Betroffene dann einer Verkehrskontrolle unterzogen worden.

Das Gericht folgt im Wesentlichen der Aussage des Zeugen … . Dieser hat zeitnah einen Vermerk gefertigt und konnte sich auch noch gut an das wesentliche Geschehen erinnern, auch wenn er nicht sagen konnte, wie weit der Betroffene die gestrichelte Linie überfuhr. Der Zeuge konnte von seinem Fahrzeug aus sowohl das Fahrzeug des Betroffenen als auch den für Fußgänger geschützten Bereich sehen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Zeuge sich bezüglich des Befahrens der Linie getäuscht hat oder gar bewusst die Unwahrheit sagen würde. Insofern folgt das Gericht nicht der Einlassung des Betroffenen. Zum einen ist es in dieser konkreten Situation, in der der Betroffene auf den Fahrzeugverkehr und auch auf mögliche Fußgänger achten musste, nicht einfach, exakt zu beurteilen, ob man eine Linie etwas überfahren hat oder noch davor zum Stillstand gekommen ist. Dies gilt besonders, weil die Linie, wenn man sich unmittelbar davor befindet, aus dem Fahrzeug heraus, zumindest, wenn man sich fast quer zur Linie nähert, nicht ohne weiteres zu sehen ist. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass der Betroffene sich mit seiner Einlassung entlasten will. Dass die Lichtzeichenanlage bereits seit deutlich mehr als eine Sekunde Rotlicht zeigte, bekundeten sowohl der Zeuge als auch der Betroffene selbst. Dass der Betroffene von dem Fahrzeugführer des Fahrzeuges, das unmittelbar an der Haltelinie wartete, hereingewunken wurde, konnte der Zeuge zwar nicht bestätigen. Er konnte es aber auch nicht ausschließen. Insofern kann dies nicht ausgeschlossen werden, zumal es durchaus plausibel wäre, wenn der Betroffene erst nach einem entsprechenden Zeichen in die vorfahrtsberechtigte Straße eingebogen wäre. Dass der Betroffenen nicht bewusst in den geschützten Bereich einfuhr, ergibt sich aus dessen Einlassung, die durch die Lichtbilder gestützt wird. Aus der Aussage des Zeugen … ergibt sich nicht, dass der Betroffene die Linie bewusst überfahren haben muss.

IV.

Indem der Betroffene zumindest mit Teilen seines Fahrzeugs in den durch die Lichtzeichenanlage für Fußgänger geschützten Bereich einfuhr, während die Lichtzeichenanlage für ihn Rotlicht zeigte, hat er sich der fahrlässigen Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage gemäß §§ 37 Abs. 2, 49 StVO; § 24 Absatz 1, 3 Nr. 5 StVG, Nr. 132 Bußgeldkatalog schuldig gemacht. Dass der Betroffene nur teilweise und auch nicht schnell in den geschützten Bereich eingefahren ist und darüber hinaus keine Fußgänger in der Nähe waren und gefährdet werden konnten, lässt diesen Tatbestand nicht entfallen. Insbesondere zum Schutz der Fußgänger ist ein solches Verhalten nicht zu dulden und zu recht mit Bußgeld bewehrt.

Allerdings ist vorliegend aufgrund eines atypischen Rotlichtverstoßes nicht von dem grundsätzlich gegebenen Regelfall der Nr. 132.3 des Bußgeldkataloges auszugehen. Zwar zeigte die Lichtzeichenanlage zum Zeitpunkt, als der Betroffene in den geschützten Bereich einfuhr deutlich länger als eine Sekunde Rotlicht. Aber nicht jede Missachtung eines Wechsellichtzeichens trotz bereits länger als eine Sekunde andauernder Rotphase stellt eine typische, die Verhängung der erhöhten Geldbuße sowie eines Fahrverbotes nach Nr. 132.3 BKat indizierende Pflichtverletzung dar (BayObLG, Beschluss vom 13.12.2021 – 201 ObOWi 1543/21 -, NZV 2022, 82 ff.). Insbesondere wenn der Betroffene nicht mit überhöhter, sondern eher mit einer geringen Geschwindigkeit in den geschützten Bereich eingefahren ist, es keinen Fußgänger- und Fahrradverkehr gab, fehlt es an der besonderen Gefährdungslage, die bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß üblicherweise das Verhängen eines Fahrverbotes erforderlich macht (KG, Beschl. vom 17.2.2015 − 3 Ws (B) 24/15 – 122 Ss 171/14 -, NZV 2016, 442 f.).

Liegen ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines „atypischen Rotlichtverstoßes“ vor, ist der Tatrichter aufgrund der Gesamtumstände nicht von der Prüfung entbunden, ob die Regelsanktion ausnahmsweise unangemessen erscheint und ob die besondere Gefährdungslage, die üblicherweise das Verhängen eines Fahrverbotes erforderlich macht, vorliegt (KG, Beschl. vom 17.2.2015 − 3 Ws (B) 24/15 – 122 Ss 171/14 -, NZV 2016, 442 f.).

Vorliegend ist aufgrund der Gesamtumstände von einem solchen Ausnahmefall auszugehen, so dass die anzuordnende Rechtsfolge nicht dem qualifizierten Rotlichtverstoß der Nr. 132.3 des Bußgeldkataloges zu entnehmen ist. Zum einen ist der Betroffene mit seinem Fahrzeug nur teilweise in den geschützten Bereich eingefahren. Weiterhin ist dies mit langsamer Geschwindigkeit geschehen. Darüber hinaus hatten die Fußgänger die Straße zu diesem Zeitpunkt bereits längst geräumt, wovon sich der Betroffene auch ausdrücklich überzeugt hatte. Dass die Lichtzeichenanlage zu diesem Zeitpunkt bereits schon sehr lange (deutlich länger als eine Sekunde) Rotlicht für den Betroffenen zeigte, wirkte sich vorliegend nicht gefahrerhöhend, sondern im Gegenteil aus. So hatten die Fußgänger die Straße bereits längst geräumt. Auch ist der Bereich um die Lichtzeichenanlage vom konkreten Standpunkt des Betroffenen aus gut einzusehen gewesen, so dass er selbst dann gefahrlos hätte sein Fahrzeug zum Stehen bringen können, wenn ein Kind plötzlich unvermittelt im Vollsprint versucht hätte, die Straße zu überqueren. Denn der Betroffene ist relativ langsam gefahren und nur knapp über die gestrichelte Linie hinweg. Darüber hinaus hatte er den gesamten Straßenbereich aufmerksam im Blick, weil er ortskundig ist und ihm bewusst war, dass zu dieser Zeit Schulkinder, u. a. auch seine eigenen, unterwegs waren und diese Straße überqueren.

Auch der Vergleich zu den typischen qualifizierten Rotlichtverstößen zeigt, dass hier eine identische Einordnung unangemessen wäre. Denn typischerweise fährt ein Kraftfahrzeugführer bei einem solchen Verstoß noch zügig über die für ihn Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage, wenngleich diese bereits schon eine Sekunde Rotlicht anzeigt. Diese Situation ist grundsätzlich äußerst gefährlich, weil der kreuzende Fußgängerverkehr in der Regel bereits grünes Licht erhalten hat (bzw. zumindest Fußgänger im Vertrauen auf das Rotlicht für die Kraftfahrzeuge bereits loslaufen), so dass mit schweren Unfällen zu rechnen ist. Dies gilt zumal die gefahrene Geschwindigkeit regelmäßig nicht gering sein dürfte. Denn bei länger als eine Sekunde andauernder Rotlichtverstoßes kann sich bereits Querverkehr in dem durch das Rotlicht gesperrten Bereich befinden und die Einfahrt in den durch das rote Wechsellichtzeichen geschützten Bereich erfolgt regelmäßig mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit ((KG, Beschl. vom 17.2.2015 − 3 Ws (B) 24/15 – 122 Ss 171/14 -, NZV 2016, 442 f.). Es entspricht typischen Verhaltens, bei zu später Realisierung des Rotlichts (bzw. bei bewusster oder unbewusster Nichtbefolgung des Rotlichts) das Fahrzeug gerade nicht zu verlangsamen, sondern noch eher zu beschleunigen.

Das vorliegende Verhalten des Betroffenen kann dem nicht gleichgesetzt werden. Vielmehr ist vorliegend aufgrund der Gesamtumstände von einem einfachen fahrlässigen Rotlichtverstoß auszugehen.

Ein vorsätzliches Handeln des Betroffenen konnte nicht festgestellt werden, weshalb auch ein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) nicht veranlasst war. Dass der Betroffene bewusst in den geschützten Bereich eingefahren ist, konnte nicht festgestellt werden und ist auch keinesfalls zwingend, weil das Fahrzeug des Betroffenen lediglich in den geschützten Bereich hineinragte. Zwar beträgt der verbleibende Platz zwischen geschützten Bereich um Haltelinie nur etwa 2,50 m. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, wie nah das erste Fahrzeug an die Haltelinie herangefahren ist, so dass der verbleibende Platz durchaus deutlich größer gewesen und den Betroffenen zu dem festgestellten Fahrmanöver, im Vertrauen darauf, zwischen dem bereits stehenden Fahrzeug und noch vor dem geschützten Bereich anhalten zu können, bewogen haben könnte.

V.

Gemäß § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG i. V. m. § 17 Abs. 2 OWiG kann die von dem Betroffenen begangene fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit im Höchstmaß mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro geahndet werden. Zur Ahndung der Tat und zur Einwirkung auf den Betroffenen hat das Gericht eine Geldbuße in Höhe von 90 Euro für tat- und schuldangemessen erachtet. Der Bußgeldkatalog sieht in Nr. 132 für einen Rotlichtverstoß regelmäßig eine Geldbuße i.H.v. 90 € vor. Weil im Ergebnis von keinem qualifizierten Verstoß (Nr. 132.3 BKat) auszugehen war und auch sonst keine relevanten Besonderheiten vorliegen, war von dieser Regelbuße auszugehen.

Für die Verhängung eines Fahrverbotes bestand konsequenterweise kein Anlass. Auch war die Geldbuße nicht gemäß § 4 Abs. 4 BKatV zu erhöhen. Zwar wurde vorliegend von einem Regelfahrverbot abgesehen. Allerdings ist aufgrund der atypischen Gesamtumstände insgesamt nicht von einem qualifizierten Rotlichtverstoß auszugehen, so dass hier nicht von einem Regelfahrverbot abgesehen wurde. Im Übrigen erscheint eine höhere Geldbuße als 90 € im konkreten Fall nicht angemessen.

VI.

Weil der Betroffene verurteilt worden ist, hat er die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen (§ 465 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

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