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Kraftfahrzeugsicherstellung wegen grob verkehrswidrigem Verkehrsverstoß

Sicherstellung bestätigt: Rücksichtsloses Überholmanöver gefährdete die öffentliche Sicherheit

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz sowie gegen die Streitwertfestsetzung zurückgewiesen, wodurch die Sicherstellung eines Fahrzeugs wegen grob verkehrswidrigen Verhaltens des Fahrers bestätigt wurde. Das Gericht bekräftigte, dass das rücksichtslose und gefährdende Überholmanöver des Fahrers eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellte, die die Sicherstellung des Fahrzeugs rechtfertigte, unabhängig von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 B 10593/23.OVG und 7 E 10594/23.OVG >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Bestätigung der Sicherstellung eines Fahrzeugs wegen grob verkehrswidrigem Verhalten des Fahrers durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz.
  • Die Beschwerde gegen die Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzes und die Streitwertfestsetzung wurde zurückgewiesen.
  • Die öffentliche Sicherheit wurde durch das rücksichtslose Überholmanöver des Fahrers gefährdet, was die Sicherstellung des Fahrzeugs rechtfertigt.
  • Unbeeindrucktheit und fehlende Einsicht des Fahrers in die Gefährlichkeit seines Handelns unterstreichen die Notwendigkeit der Sicherstellung.
  • Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis reichte nicht aus, um der Gefahr weiterer Verkehrsverstöße zu begegnen.
  • Die Verhältnismäßigkeit der Sicherstellungsmaßnahme wurde vom Gericht bestätigt.
  • Die Streitwertfestsetzung wurde auf Basis des Auffangwerts korrekt durchgeführt.
  • Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

Grob verkehrswidrige Verkehrsverstöße: Rechtliche Folgen und gerichtliche Praxis

Bei grob verkehrswidrigen Verkehrsverstößen drohen gemäß § 315c StGB erhebliche rechtliche Konsequenzen, darunter Geldstrafen, Freiheitsstrafen und Fahrverbote. Solches Verhalten gefährdet die öffentliche Sicherheit und kann zu weiteren schwerwiegenden Verkehrsverstößen führen.

In der Praxis führt die Beurteilung, ob ein Verkehrsverstoß als „grob verkehrswidrig“ einzustufen ist, zu rechtlichen Herausforderungen. Gerichte wägen dabei verschiedene Faktoren ab, wie die Schwere des Verstoßes, die konkrete Gefährdungssituation und das mögliche Verschulden des Fahrers. Ein aktuelles Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz bietet interessante Einblicke in die gerichtliche Praxis zur Kraftfahrzeugsicherstellung bei grob verkehrswidrigen Verkehrsverstößen.

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Im Zentrum eines juristischen Streits stand die Kraftfahrzeugsicherstellung wegen eines grob verkehrswidrigen Verkehrsverstoßes, der sich in Rheinland-Pfalz ereignete. Dieser Fall zog die Aufmerksamkeit auf sich, nachdem das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in einem Urteil (Az.: 7 B 10593/23.OVG und 7 E 10594/23.OVG) am 29. August 2023 eine Beschwerde zurückwies. Die Beschwerdeführerin, eine Fahrzeughalterin, hatte sich gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße gewandt, welches ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Sicherstellung ihres Fahrzeugs ablehnte.

Kritische Momente auf offener Straße

Auslöser der rechtlichen Auseinandersetzung war ein riskantes Überholmanöver, das von dem Ehemann der Antragstellerin durchgeführt wurde. Laut den Zeugenaussagen von beteiligten Polizeibeamten und weiteren Zeugen handelte der Fahrer rücksichtslos und grob verkehrswidrig, wodurch er die öffentliche Sicherheit gefährdete. Diese Handlungen führten zur Sicherstellung des Fahrzeugs, einem Porsche, durch die Behörden. Die Antragstellerin argumentierte, dass eine Gefahrensituation zum Zeitpunkt der Sicherstellungsanordnung nicht bestanden habe, da ihrem Ehemann bereits die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden sei. Dieser Argumentation folgte das Gericht jedoch nicht.

Die rechtliche Würdigung des Verhaltens

In seiner Entscheidung betonte das Oberverwaltungsgericht die Bedeutung des konkreten Verhaltens des Fahrers und dessen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit. Die Richter verwiesen auf die stichhaltige Einschätzung der Vorinstanz, wonach das Handeln des Ehemanns als rücksichtslos und gefährdend einzustufen sei. Besonders hervorgehoben wurde die fehlende Einsicht des Fahrers in die Gefährlichkeit seines Überholmanövers, was die Entscheidung zur Sicherstellung des Fahrzeugs unterstrich. Diese fehlende Einsicht wurde auch durch das Verhalten des Fahrers nach dem Vorfall verdeutlicht, als er die Vorwürfe als „lächerlich“ abtat und auf seine bisher unfallfreie Fahrhistorie verwies.

Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bestätigt

Die Verhältnismäßigkeit der Sicherstellung des Fahrzeugs wurde vom Gericht ebenfalls bekräftigt. Es wurde klargestellt, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis allein nicht ausreichend gewesen wäre, um der gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch weitere mögliche Verkehrsverstöße zu begegnen. Darüber hinaus wurde die Antragstellerin in die Verantwortung genommen, da sie ihrem Ehemann das Fahrzeug zur Nutzung überlassen hatte und somit auch die Konsequenzen seines Handelns tragen müsse.

Streitwert und Kostenentscheidung

Eine weitere Facette des Falls betrifft die Streitwertfestsetzung und die Kostenentscheidung. Das Verwaltungsgericht setzte den Wert des Streitgegenstandes auf 5.000 Euro fest, eine Bewertung, die vom Oberverwaltungsgericht als angemessen betrachtet wurde. Diese Entscheidung basierte auf dem Auffangwert der Streitwertfestsetzung, der für die Sicherstellung eines Fahrzeugs zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr herangezogen wird. Die Antragstellerin wurde zudem zur Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte mit seinem Urteil die Entscheidung zur Sicherstellung eines Fahrzeugs aufgrund eines grob verkehrswidrigen Verhaltens des Fahrers. Die fehlende Einsicht des Fahrers und die dadurch bedingte gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit waren ausschlaggebend für die Gerichtsentscheidung.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird grob verkehrswidriges Verhalten im Straßenverkehr definiert?

Grob verkehrswidriges Verhalten im Straßenverkehr wird als ein besonders schwerer Verstoß gegen Verkehrsvorschriften definiert, der objektiv eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellt. Dieses Verhalten weicht in einem besonders schwerwiegenden Maße von dem pflichtgemäßen Verhalten eines Kraftfahrers ab und ist durch eine objektive Gefährlichkeit gekennzeichnet. Beispiele für grob verkehrswidriges Verhalten sind Wettfahrten auf belebten Straßen, das Ausnutzen eines Raststättengeländes zum Rechtsüberholen auf der Autobahn, gefährdendes Überholen oder eine bewusst bedrängende Fahrweise.

Die Rechtsprechung hat unter anderem die doppelte Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, das Überholen bei außerordentlich schlechter Sicht oder das Rechtsüberholen mit anschließendem schneidenden Linkseinscheren als grob verkehrswidrig eingestuft.

Zusätzlich zum objektiven Kriterium der groben Verkehrswidrigkeit wird für bestimmte Straftatbestände, wie etwa die Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB, auch Rücksichtslosigkeit als subjektives Merkmal gefordert. Rücksichtslos handelt, wer sich aus eigensüchtigen Gründen oder aus Gleichgültigkeit über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt. Beide Merkmale, grob verkehrswidrig und rücksichtslos, müssen kumulativ vorliegen, um eine Strafbarkeit nach § 315c StGB zu begründen.

Inwiefern trägt die Einsicht oder das Fehlen derselben des Fahrers zur rechtlichen Beurteilung bei?

Die Einsicht oder das Fehlen derselben des Fahrers spielt eine wesentliche Rolle bei der rechtlichen Beurteilung von Verkehrsdelikten, insbesondere im Kontext der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB. Die Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Aspekten der Tat ist hierbei von Bedeutung. Grob verkehrswidriges Verhalten bezieht sich auf objektive Aspekte und meint ein besonders schweres Verstoßen gegen Verkehrsvorschriften, das typischerweise besonders gefährlich ist. Rücksichtslosigkeit hingegen fokussiert auf die subjektive Tatseite und beschreibt ein Handeln, bei dem der Täter sich aus eigensüchtigen Gründen oder aus Gleichgültigkeit über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt.

Die Einsicht des Fahrers, also das Bewusstsein über das Fehlverhalten und dessen potenzielle Gefahren, kann insbesondere bei der Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eine Rolle spielen. Ein Fahrer, der sich der Risiken seines Handelns bewusst ist und dennoch gegen Verkehrsvorschriften verstößt, handelt demnach rücksichtsloser als jemand, dem die Tragweite seines Handelns nicht bewusst ist. Dieses subjektive Element kann bei der Feststellung der Strafbarkeit nach § 315c StGB entscheidend sein, da für eine Verurteilung sowohl grob verkehrswidriges als auch rücksichtsloses Verhalten kumulativ vorliegen müssen.

Zusammenfassend trägt die Einsicht des Fahrers oder deren Fehlen wesentlich zur rechtlichen Beurteilung bei, indem sie insbesondere die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit und damit die subjektive Tatseite beeinflusst. Dies kann wiederum die Strafbarkeit nach § 315c StGB sowie die Schwere der Strafe beeinflussen.

Welche Kriterien sind für die Verhältnismäßigkeit einer Fahrzeugsicherstellung ausschlaggebend?

Für die Verhältnismäßigkeit einer Fahrzeugsicherstellung sind mehrere Kriterien ausschlaggebend. Diese Maßnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem erstrebten Erfolg stehen, wie etwa der Sicherung des Eigentums des Halters oder der Beseitigung einer konkreten Gefahr. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die Sicherstellung des Fahrzeugs darauf abzielt, die öffentliche Sicherheit effektiv zu schützen, insbesondere wenn das Verhalten eines Fahrers eine unmittelbare Gefahr darstellt und weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dieser Gefahr zu begegnen.

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann ein relevanter Faktor für die Entscheidung zur Fahrzeugsicherstellung sein, insbesondere wenn sie als nicht ausreichend angesehen wird, um der Gefahr weiterer erheblicher Verkehrsverstöße zu begegnen. Die Unschuldsvermutung steht der Sicherstellung als präventive Maßnahme nicht entgegen, und die Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Streitwertes müssen ausführlich begründet werden.

Bei der Einziehung eines Fahrzeugs wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis muss ebenfalls die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, wobei der Wert des Fahrzeugs festgestellt werden muss. Eine Einziehung kommt nicht in Betracht, wenn das Fahren ohne Fahrerlaubnis nur fahrlässig begangen wurde.

Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt zudem, dass eine Sicherstellung zu unterbleiben hat, wenn die Sache wertlos oder so geringwertig ist, dass die Sicherstellung unverhältnismäßig wäre.


Das vorliegende Urteil

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 B 10593/23.OVG und 7 E 10594/23.OVG – Beschluss vom 29.08.2023

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. Juni 2023 hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

– 7 B 10593/23.OVG –

II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

– 7 E 10594/23.OVG –

Gründe

I.

Die Beschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtschutzes ist unbegründet.

Die Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt, enthalten keine Gründe, aus denen der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben wäre (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

1. Soweit die Antragstellerin gegen die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr nach § 22 Nr. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG – zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Sicherstellungsanordnung (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 4. September 2018 – 7 B 10912/18.OVG –, ESOVGRP Rn. 7 m.w.N.) einen anderen Geschehensablauf hinsichtlich des zeitlich vorgelagerten Überholvorgangs anführt als das Verwaltungsgericht, vermag sie damit nicht durchzudringen.

Der Senat teilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren die Auffassung der Vorinstanz, die Aussagen der beiden an dem Vorfall am 11. April 2023 beteiligten Polizeibeamten sowie der weiteren Zeugen ließen alleine den Schluss zu, dass der Ehemann der Antragstellerin bei seinem Überholvorgang zwischen A… und B… rücksichtslos und grob verkehrswidrig gehandelt und damit die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt habe. Es ist auch aus Sicht des Senats nichts dafür ersichtlich, dass die übereinstimmenden Angaben der Polizeibeamten sowie der weiteren Zeugen unzutreffend sein oder an deren Wahrheitsgehalt Zweifel bestehen könnten.

2. Der Ansicht der Antragstellerin, eine Gefahrensituation habe bei Erlass der Sicherstellungsanordnung deshalb nicht bestanden, da ihrem Ehemann zu diesem Zeitpunkt die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen worden sei, kann nicht gefolgt werden.

Zwar teilt der Senat die Auffassung der Antragstellerin und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass kein allgemeiner Erfahrungssatz besteht, wonach ein von der Polizei ertappter „Verkehrssünder“ sich generell unbelehrbar zeigt und von den ihm angedrohten Bußgeldern, Fahrverboten und Punkten unbeeindruckt bleibt (vgl. BayVGH, Urteil vom 26. Januar 2009 – 10 BV 08.1422 –, juris Rn. 25). Einen solchen hat aber das Verwaltungsgericht nicht angenommen und sich entgegen der Annahme der Antragstellerin nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs begeben. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls und hierbei auf das konkrete Verhalten des Ehemanns der Antragstellerin abgestellt. Dabei ist es zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die handelnden Polizeibeamten im vorliegenden Ausnahmefall aufgrund seines Verhaltens davon ausgehen durften, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausreicht, um einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch weitere erhebliche Verkehrsverstöße des Ehemanns mittels des von ihm geführten Fahrzeugs, Typ Porsche C…, zu begegnen. Denn dieser hat sich von seinem grob verkehrswidrigen, mehrere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdenden Verhalten völlig unbeeindruckt gezeigt. Er hat trotz der ihm von den handelnden Polizeibeamten vor Augen geführten Gefährlichkeit seines Überholmanövers jedwede Einsicht vermissen lassen. So hat er ausweislich der Sachverhaltsdarstellung des PK D… gegenüber diesem und seiner Kollegin angegeben, der ihm von diesen aufgrund des Überholmanövers eröffnete Vorwurf der Gefährdung des Straßenverkehrs wegen groben Fehlverhaltens beim Überholen sei lächerlich. Es sei schließlich nichts passiert. Diese Interpretation der Geschehnisse lässt völlig außer Acht, dass sein äußerst gefährlicher Überholvorgang augenscheinlich nur deshalb keine Kollision mit den übrigen Verkehrsteilnehmern zur Folge gehabt hat, weil sowohl PK D… wie auch die beiden Zeugen diese durch geistesgegenwärtiges Abbremsen bzw. Ausweichmanöver verhindert haben. Das fehlende Einsichtsvermögen des Ehemanns der Antragstellerin wird noch unterstrichen durch seine weitere Angabe gegenüber den Polizeibeamten, er habe bereits zwei Millionen Kilometer Fahrstrecke ohne Zwischenfälle absolviert, sodass ein Fehler seinerseits völlig ausgeschlossen sei. Dies gilt umso mehr, als sein Verkehrsverhalten in der Vergangenheit nicht ohne weiteres als „ohne Zwischenfälle“ zu bezeichnen ist. Vielmehr ist gegen ihn jedenfalls wegen Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr ermittelt worden, wobei dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Anordnung der streitgegenständlichen Sicherstellung noch nicht abgeschlossen war.

Unter Berücksichtigung des rücksichtslosen und grob verkehrswidrigen Verhaltens des Ehemanns der Antragstellerin und seiner völlig fehlenden Einsicht sind die handelnden Polizeibeamten unabhängig von der Bewertung des zweiten Überholvorgangs zu Recht vom Bestehen einer gegenwärtigen Gefahr ausgegangen. Im Übrigen verdeutlicht sein sich unmittelbar an den ersten anschließender weiterer Überholvorgang jedenfalls, dass er sich gänzlich unbeeindruckt von der voran-gegangenen Gefahrensituation gezeigt hat.

3. Der Hinweis der Antragstellerin auf die Unschuldsvermutung hinsichtlich der gegen ihren Ehemann erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe geht ebenfalls fehl. Die Unschuldsvermutung steht der vorliegend in Streit stehenden Sicherstellung als präventiv-polizeilicher Maßnahme nicht entgegen. Denn die Annahme des Verdachts einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Strafgesetzbuch – StGB – im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraus-setzungen einer präventiv-polizeilichen Sicherstellung ist etwas substantiell anderes als eine Schuldfeststellung (vgl. Beschluss des Senates vom 20. September 2022 – 7 D 10865/22.OVG –, n.v.).

4. Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin als nicht verantwortliche Person anzusehen und daher nur unter der Voraussetzung einer „erheblichen“ Gefahr i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 POG in Anspruch genommen werden kann, wie mit der Beschwerde geltend gemacht wird. Denn die danach erforderliche zusätzliche Voraussetzung einer „erheblichen“ Gefahr war im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherstellung ebenfalls erfüllt, da bei Schadenseintritt Nachteile für bedeutsame Individualrechtsgüter, insbesondere Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, wie auch für bedeutende Sachwerte gedroht hätten (vgl. zum Begriff der „erheblichen Gefahr“: Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht Rheinland-Pfalz, 9. Aufl. 2023, § 4 Rn. 11 m.w.N.).

5. Die Sicherstellung des Fahrzeugs, Typ Porsche C…, der Antragstellerin erweist sich entgegen ihrer Annahme auch als verhältnismäßig. Soweit sie anführt, die Maßnahme sei nicht geeignet gewesen, da einer Gefahr nur durch die Sicherstellung sämtlicher Fahrzeuge, auf die ihr Ehemann im Haushalt Zugriff habe, hätte begegnet werden können, überzeugt dies nicht. Vielmehr war die Sicherstellung dieses Fahrzeugs zum Anordnungszeitpunkt ausreichend, um die bestehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch weitere erhebliche Verkehrsverstöße ihres Ehemanns in der konkreten Situation auszuschließen. Die Sicherstellung war entgegen ihrer Ansicht im vorliegenden Ausnahmefall auch erforderlich, da die handelnden Polizeibeamten zum Erlasszeitpunkt davon ausgehen durften, dass eine bloße vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kein gleich wirksames Mittel darstellen würde, um der bestehenden gegenwärtigen Gefahr zu begegnen. Die angegriffene Maßnahme erweist sich auch als verhältnismäßig im engeren Sinne. Zwar ist die Antragstellerin Eigentümerin des Fahrzeugs. Da den handelnden Polizeibeamten zum Entscheidungszeitpunkt kein gleich effektives Mittel zur Gefahrenabwehr zur Verfügung stand, musste sie die Sicherstellung unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr jedoch dulden. Eine Duldungspflicht ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass sie ihrem Ehemann das Fahrzeug zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt hat und somit auch die Folgen seines Fehlverhaltens hinsichtlich der Nutzung des Fahrzeuges hinnehmen muss.

6. Soweit die Antragstellerin schließlich rügt, das Verwaltungsgericht habe ihrem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Herausgabe des Fahrzeuges unzutreffend nicht entsprochen, wird sie bereits nicht den von ihr im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu beachtenden Darlegungsanforderungen gerecht. Sie setzt sich nicht hinreichend mit der tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass einer Eilbedürftigkeit und damit einem Anordnungsgrund hinsichtlich des begehrten Eilrechtsschutzes entgegenstehe, dass ihr und ihrem Ehemann offensichtlich weitere Fahrzeuge dauerhaft zur Verfügung stünden.

Unabhängig davon hätte die Antragstellerin eine Eilbedürftigkeit auch aus Sicht des Senates nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Ihr Ehemann hat ausweislich des Vermerks zur Sicherstellung ihres Fahrzeugs sowie der Sachverhaltsdarstellung des PK D… gegenüber diesem und seiner Kollegin angegeben, dass nur er das sichergestellte Fahrzeug führen würde und er seiner Frau verboten hätte, mit dem Fahrzeug zu fahren. Auf entsprechende Nachfrage hat er nochmals bestätigt, alleiniger Nutzer des Fahrzeugs zu sein. Die Antragstellerin hat sich zu keinem Zeitpunkt dahingehend eingelassen, dass sie das Fahrzeug nunmehr anderweitig nutzen, insbesondere selbst fahren möchte, noch, dass ihr Ehemann seine Fahrerlaubnis zwischenzeitlich wiedererlangt habe. Daher ist davon auszugehen, dass das sichergestellte Fahrzeug derzeit nicht bestimmungsgemäß genutzt werden kann und es somit auch aus diesen Erwägungen an der erforderlichen Eil-bedürftigkeit fehlt.

7. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 35.1 und 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (LKRZ 2014, 169).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

II.

Die Streitwertbeschwerde ist ebenfalls unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert der Höhe nach zutreffend auf 5.000 € festgesetzt.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Sicherstellung eines Kraftfahrzeugs nach § 22 Nr. 1 POG zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr – insbesondere zur Verhinderung weiterer Fahrten ohne Fahrerlaubnis – regelmäßig der Auffangwert der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen (vgl. Beschluss des Senates vom 3. Juni 2022 – 7 E 10145/22.OVG –, n.v. m.w.N.). Jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – mit der angefochtenen Sicherstellung das Fahrzeug nach den erkennbaren Umständen nicht dauerhaft, sondern nur zeitlich begrenzt entzogen werden soll, entspricht es nicht der Bedeutung der Sache für den Kläger bzw. Antragsteller, als Streitwert den Verkehrswert des Fahrzeugs zugrunde zu legen. Vielmehr ist dann, sofern keine anderweitigen, besonderen Anhaltspunkte vorliegen, regelmäßig vom Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG auszugehen.

Da solche besonderen Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich sind, ist der Wert des Streitgegenstandes sowohl für den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 14. April 2023 und Herausgabe des sichergestellten Fahrzeugs, Typ Porsche C…, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 und 3 VwGO als auch für ihren Antrag auf Herausgabe nach § 123 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 25 POG ausgehend vom Auffangwert mit jeweils 2.500,00 € zu bewerten. Der Senat sieht in den beiden Anträgen der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO bzw. nach § 123 Abs. 1 VwGO zwei selbständige Begehren mit jeweils eigenständiger Bedeutung, so dass eine Addition der beiden Streitwerte zu erfolgen hat (§ 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs). In Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs erscheint es sachgerecht, die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde zu legen, sodass das Verwaltungsgericht diesen im angegriffenen Beschluss der Höhe nach zutreffend auf 5.000 € festgesetzt hat.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 68 Abs. 3 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

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