Strenge Auflagen für Führerscheinrücknahme nach Trunkenheitsdelikt
Der Entzug der Fahrerlaubnis ist eine der möglichen Konsequenzen einer Trunkenheitsfahrt. Um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen, müssen strenge Auflagen erfüllt werden. Insbesondere muss der Betroffene seine dauerhafte Abstinenz und Verhaltensänderung nachweisen. Hierfür sind medizinische Gutachten und Haarnachweisuntersuchungen erforderlich, die eine verlässliche Prognose über die Fahreignung erlauben.
Die Dauer der geforderten Abstinenzzeit hängt maßgeblich von der Schwere des Einzelfalls ab. Bei besonders hohen Blutalkoholwerten oder Rückfällen kann eine mehrjährige Abstinenzphase verlangt werden, bis die Fahrerlaubnis neu erteilt wird. Oftmals ist zudem die Teilnahme an einer Therapie oder verkehrspsychologischen Schulung verpflichtend.
Im folgenden Gerichtsfall aus Bayern geht es um einen Mann, der sich nach einer Trunkenheitsfahrt der Herausforderung stellen musste, seine dauerhafte Abstinenz und Verhaltensänderung glaubhaft darzulegen…
Übersicht
- Strenge Auflagen für Führerscheinrücknahme nach Trunkenheitsdelikt
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- ➜ Der Fall im Detail
- Fahrerlaubnisneuerteilung nach Trunkenheitsdelikt und langfristiger Abstinenz
- Rechtliche Rahmenbedingungen und Anforderungen für die Neuerteilung
- Vorgehensweise des Landratsamts und geforderte Nachweise
- Gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung
- Auswirkungen der Entscheidung auf den Kläger und vergleichbare Fälle
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 ZB 23.742 >>>]
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Abgelehnter Antrag auf Berufungszulassung: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag auf Zulassung der Berufung im Fall der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt abgelehnt.
- Kosten des Verfahrens: Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zur Zulassung der Berufung.
- Festgesetzter Streitwert: Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wurde auf 5.000 Euro festgelegt.
- Längerer Abstinenznachweis erforderlich: Trotz mehrerer Abstinenznachweise wurde die Fahrerlaubnisneuerteilung nicht gewährt, da die Verhaltensänderung als nicht stabil genug eingeschätzt wurde.
- Notwendigkeit eines medizinisch-psychologischen Gutachtens: Ein medizinisch-psychologisches Gutachten wurde als notwendig erachtet, um die Eignung zur Fahrerlaubnisneuerteilung zu prüfen.
- Rehabilitationsmaßnahmen und Gutachten: Trotz erfolgreicher Rehabilitationsmaßnahmen und mehrerer Abstinenznachweise wurde ein weiteres Gutachten gefordert, das eine stabile Verhaltensänderung bestätigt.
- Juristische Auseinandersetzungen und Verfahrensfehler: Der Kläger argumentierte, dass die Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung ermessens- und rechtsfehlerhaft sei, was jedoch letztlich nicht zum Erfolg führte.
➜ Der Fall im Detail
Fahrerlaubnisneuerteilung nach Trunkenheitsdelikt und langfristiger Abstinenz
Der Fall dreht sich um einen Mann, der nach einer Trunkenheitsfahrt am 30. Januar 2016 seine Fahrerlaubnis verlor.

Das Amtsgericht Landsberg am Lech verhängte gegen ihn eine Geldstrafe und entzog die Fahrerlaubnis mit einer Neuantragsperre von neun Monaten. Nach Ablauf der Sperre erhielt er teilweise seine Fahrerlaubnis zurück, beantragte jedoch eine Erweiterung, die eine zusätzliche Untersuchung nach sich zog. Trotz nachgewiesener Abstinenz und positiven Gutachten von Fachärzten und Kliniken verlangten die Behörden weitere medizinisch-psychologische Untersuchungen zur Bestätigung seiner Fahreignung.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Anforderungen für die Neuerteilung
Der rechtliche Rahmen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach Entzug umfasst das Erfordernis, die Fahreignung ohne Zweifel nachzuweisen. Dies schließt in Fällen von Alkoholdelikten üblicherweise die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ein, das den kontinuierlichen Alkoholverzicht und die psychische Stabilität des Antragstellers bestätigt. Die Forderungen nach einem solchen Gutachten basieren auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV, die im vorliegenden Fall zentrale Bedeutung haben.
Vorgehensweise des Landratsamts und geforderte Nachweise
Das Landratsamt reagierte auf den Erweiterungsantrag des Klägers mit der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, da er in der Vergangenheit die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum verloren hatte. Obwohl der Kläger verschiedene Bestätigungen für seine Abstinenz vorlegte, darunter ärztliche Atteste und Gutachten von einer Fachklinik, betrachtete das Amt diese als unzureichend. Die Behörde forderte konkretere Beweise und detailliertere Ausführungen zur psychologischen Stabilität und Langzeitabstinenz.
Gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ab und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Notwendigkeit einer umfassenden und zweifelsfreien Klärung der Fahreignung bei Personen, die früher wegen Alkoholdelikten auffällig wurden. Es stellte fest, dass trotz der vorgelegten Abstinenznachweise und Gutachten die dauerhafte Verhaltensänderung nicht ausreichend belegt sei.
Auswirkungen der Entscheidung auf den Kläger und vergleichbare Fälle
Für den Kläger bedeutet diese Entscheidung, dass er weitere strenge Überprüfungen seiner Abstinenz und psychologischen Stabilität überstehen muss, um seine vollständige Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Dieser Fall illustriert die hohen Anforderungen, die an Personen gestellt werden, die nach Alkoholdelikten ihre Fahrerlaubnis neu beantragen möchten. Er zeigt auch, dass die Gerichte eine strenge Linie bei der Beurteilung der Fahreignung verfolgen, insbesondere wenn es um die Sicherheit im Straßenverkehr geht. Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung des Nachweises einer stabilen und langfristigen Verhaltensänderung neben der bloßen Abstinenz.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Welche Voraussetzungen müssen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach einem Trunkenheitsdelikt erfüllt sein?
Nach einem Trunkenheitsdelikt im Straßenverkehr sind in Deutschland verschiedene Voraussetzungen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zu erfüllen. Diese Maßnahmen dienen dem Schutz der Verkehrssicherheit und sollen sicherstellen, dass die betreffende Person wieder geeignet ist, ein Fahrzeug zu führen.
Wesentliche Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis:
- Sperrfrist: Nach dem Entzug der Fahrerlaubnis wird in der Regel eine Sperrfrist verhängt, innerhalb derer keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Diese Sperrfrist kann unterschiedlich lang sein und wird vom Gericht festgelegt.
- Antragstellung: Nach Ablauf der Sperrfrist muss bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde ein Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestellt werden.
- Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU): Häufig ist die Vorlage eines positiven Gutachtens einer medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle erforderlich. Die MPU soll klären, ob die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist. Dabei wird insbesondere die Wahrscheinlichkeit bewertet, mit der der Betroffene in Zukunft erneut ein Trunkenheitsdelikt begehen könnte.
- Nachweis der Eignung: Die Fahrerlaubnisbehörde prüft, ob durch die Entziehung der Fahrerlaubnis und die damit verbundenen Maßnahmen (z.B. Teilnahme an einer MPU) die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist.
- Gutachten: Die Behörde kann bei Zweifeln an der Eignung des Antragstellers die Vorlage eines Gutachtens eines Amts- oder Facharztes, eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr oder einer medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle verlangen.
- Fahreignungsseminare und Kurse: In manchen Fällen kann die Teilnahme an Fahreignungsseminaren oder speziellen Kursen für alkoholauffällige Kraftfahrer erforderlich sein, um die Fahreignung wiederherzustellen.
- Rechtliche Grundlagen: Die rechtlichen Grundlagen für die Entziehung und Neuerteilung der Fahrerlaubnis sind in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen geregelt, wie z.B. im Straßenverkehrsgesetz (StVG), in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und im Strafgesetzbuch (StGB).
- Persönliche Voraussetzungen: Es wird auch die persönliche Entwicklung des Betroffenen berücksichtigt, wie z.B. die Abstinenz von Alkohol und die Einsicht in das Fehlverhalten.
- Verkehrspolitische Entscheidungen: Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Fahreignungsbegutachtung und den damit verbundenen Aufwand ist letztlich auch eine verkehrspolitische Angelegenheit.
Die genauen Anforderungen können je nach Einzelfall und Bundesland variieren. Es ist daher ratsam, sich bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde oder einem Fachanwalt für Verkehrsrecht über die spezifischen Anforderungen und den Ablauf der Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu informieren.
Wie lange muss die Abstinenz nachgewiesen werden, um eine Fahrerlaubnis wiederzuerlangen?
Die Dauer der nachzuweisenden Abstinenz, um eine Fahrerlaubnis nach einem Alkoholdelikt wiederzuerlangen, variiert je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls und den Anforderungen der zuständigen Behörden. In der Regel wird jedoch eine Abstinenzdauer von mindestens einem Jahr gefordert. Dies wird durch verschiedene Quellen bestätigt:
- Einjährige Abstinenz: In vielen Fällen ist der Nachweis einer einjährigen Alkoholabstinenz erforderlich, um die Fahreignung wiederzuerlangen. Dies wird oft durch regelmäßige Urinanalysen oder Haaranalysen belegt.
- Sechsmonatige Abstinenz: In einigen Fällen kann auch eine sechsmonatige Abstinenz ausreichend sein, insbesondere wenn es sich um weniger schwere Fälle von Alkoholmissbrauch handelt oder wenn eine kürzere Abstinenzdauer durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) als ausreichend erachtet wird.
- Individuelle Anforderungen: Die genaue Dauer der Abstinenz kann auch individuell von den Gutachtern festgelegt werden, abhängig von der persönlichen Geschichte des Alkoholkonsums und den Ergebnissen der MPU.
Es ist wichtig, dass die betroffene Person die spezifischen Anforderungen der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde und der Begutachtungsstelle für Fahreignung (MPU-Stelle) in Erfahrung bringt, da diese je nach Bundesland und individuellem Fall variieren können.
Was passiert, wenn die Behörden die vorgelegten Abstinenznachweise als unzureichend betrachten?
Wenn die Behörden die vorgelegten Abstinenznachweise als unzureichend betrachten, können verschiedene Konsequenzen und weitere Schritte folgen. Diese hängen von den spezifischen Umständen des Einzelfalls und den Anforderungen der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde ab. Hier sind die typischen Szenarien und Maßnahmen, die in solchen Fällen ergriffen werden können:
- Aufforderung zur Nachbesserung: Die Behörden können den Antragsteller auffordern, zusätzliche oder aussagekräftigere Abstinenznachweise vorzulegen. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass weitere Tests durchgeführt werden müssen oder dass die Abstinenz über einen längeren Zeitraum nachgewiesen werden muss.
- Verlängerung der Abstinenzperiode: In einigen Fällen kann die Behörde entscheiden, dass die bisherige Abstinenzperiode nicht ausreichend ist, um die Fahreignung zweifelsfrei zu belegen. In solchen Fällen kann eine Verlängerung der Abstinenzperiode angeordnet werden, bevor erneut eine Überprüfung stattfindet.
- Erneute medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU): Wenn die Abstinenznachweise nicht überzeugend sind oder Zweifel an der Glaubwürdigkeit der vorgelegten Dokumente bestehen, kann die Behörde eine erneute MPU anordnen. Diese Untersuchung soll dann erneut die Fahreignung des Antragstellers evaluieren.
- Ablehnung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis: In schwerwiegenden Fällen, insbesondere wenn die Behörde zu dem Schluss kommt, dass der Antragsteller die erforderlichen Anforderungen nicht erfüllt oder wiederholt unzureichende Nachweise vorgelegt hat, kann die Neuerteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt werden.
- Rechtliche Schritte: Antragsteller haben die Möglichkeit, gegen die Entscheidung der Behörde rechtliche Schritte einzuleiten. Dies kann beispielsweise durch einen Widerspruch gegen die Entscheidung oder durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht erfolgen.
- Beratung und Unterstützung: Es wird empfohlen, dass sich Betroffene bei Unklarheiten oder Ablehnung ihrer Abstinenznachweise an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht oder an eine Beratungsstelle wenden, um Unterstützung und Beratung zu erhalten. Gerne berät Sie unser Fachanwalt für Verkehrsrecht.
In jedem Fall ist es wichtig, dass die Antragsteller die Anforderungen und Erwartungen der Behörden genau verstehen und alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihre Fahreignung glaubhaft nachzuweisen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 316 StGB (Strafgesetzbuch) – Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr: Dieser Paragraph ist zentral, da der Kläger ursprünglich nach diesem Gesetz wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde. Er regelt die Strafbarkeit des Führens eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss.
- § 11 FeV (Fahrerlaubnis-Verordnung), Absatz 8: Dieser Abschnitt ist relevant, da er die Regelungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Voraussetzungen für die Neuerteilung nach einer Entziehung aufgrund von Alkoholmissbrauch beschreibt.
- § 13 FeV, Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2: Dieser spezifische Paragraph ist ausschlaggebend, da das Landratsamt auf dieser Grundlage die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens forderte, um sicherzustellen, dass der Kläger keine Gefahr für den Straßenverkehr darstellt.
- § 20 FeV, Absatz 1: Dieser Paragraph wird zitiert, um eine erneute medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen, welche die psychische und physische Eignung des Klägers zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr nach einer Alkoholabhängigkeit beurteilen soll.
- F10.2 ICD-10 – Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Diese Diagnose spielt eine Rolle, da sie im medizinischen Entlassungsbericht der Fachklinik erwähnt wird und den Kontext für die Beurteilung der Alkoholabhängigkeit und deren Überwindung durch den Kläger liefert.
- F90.0 ICD-10 – Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter: Diese Diagnose ist ebenfalls von Bedeutung, da sie Einfluss auf die Beurteilung der Gesamtsituation des Klägers haben könnte, insbesondere in Bezug auf seine Fähigkeit, eine stabile Verhaltensänderung zu unterhalten.
Das vorliegende Urteil
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 23.742 – Beschluss vom 12.02.2024
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Neuerteilung der ihm nach einer Trunkenheitsfahrt am 30. Januar 2016 (1,48 ‰) entzogenen Fahrerlaubnis.
Wegen dieses Sachverhalts verurteilte ihn das Amtsgericht Landsberg am Lech mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 10. März 2016 gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB (fahrlässige Trunkenheit im Verkehr) zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen, entzog ihm die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, BE, C1 (171), C1E, M und L (174,175) und setzte eine Sperre für die Neuerteilung für die Dauer von neun Monaten fest.
Nachdem das Landratsamt Fürstenfeldbruck dem Kläger am 16. Januar 2017 erneut eine Fahrerlaubnis für die Klassen A, A2, A1, AM, B, BE und L erteilt hatte, beantragte er mit Schreiben vom 25. Januar 2017 die Erweiterung seiner Fahrerlaubnis um die Klassen C1 und C1E. Beigefügt war eine Bescheinigung seines Hausarztes über eine ärztliche Untersuchung am 28. September 2016 mit der Empfehlung, vor Erteilung der Fahrerlaubnis eine weitergehende Untersuchung wegen „C2-Abusus“ durchzuführen. Der Kläger habe angegeben, kontrolliert zu trinken, jedoch bisher keine Abstinenz nachweisen können.
Daraufhin ordnete das Landratsamt mit Schreiben vom 30. Januar 2017 gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum 2. Mai 2017 an.
Der Kläger bot eine Begutachtung durch seinen Hausarzt an und legte eine Bestätigung des örtlichen Caritas-Zentrums vom 30. März 2017 vor, wonach er seit dem 6. März 2017 an sieben Beratungsgesprächen in der Fachambulanz für Suchterkrankungen teilgenommen und eine stationäre Entwöhnung in einer Fachklinik beantragt habe, sowie den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 7. April 2017, mit dem diese eine fünzehnwöchige Rehabilitation in der Fachklinik L bewilligte. Nach einem hausärztlichen Attest vom 29. Mai 2017 bestand beim Kläger „derzeit kein Alkoholabusus“. Er habe den Alkoholkonsum vollständig eingestellt.
Da der Kläger kein Gutachten vorlegte, entzog ihm das Landratsamt nach Anhörung mit Bescheid vom 14. Juni 2017 gemäß § 46, § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und im Laufe des Verfahrens eine Bescheinigung der Fachklinik Lechbruck-Gründl vor, wonach er am 21. Juli 2017 eine bis voraussichtlich 3. November 2017 andauernde Entwöhnungsbehandlung angetreten habe. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. Oktober 2017 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück.
Am 27. Dezember 2017 beantragte er die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis und legte hierzu eine ärztlich-psychologische Stellungnahme der Fachklinik Lechbruck-Gründl vom 18. Dezember 2017 vor, wonach er dort vom 21. Juli bis 3. Oktober 2017 an einer Alkoholentwöhnungsbehandlung teilgenommen habe, die Rehabilitation positiv verlaufen sei und er seit der Entlassung im Kontakt mit der Klinik und glaubwürdig abstinent sei. Er sei in ambulanter psychotherapeutischer Nachsorge und besuche kontinuierlich eine Selbsthilfegruppe. Ihm werde eine gute Prognose für eine weitere und langfristige Abstinenz gegeben. Ferner legte der Kläger ein hausärztliches Attest vom 22. Dezember 2017 vor, demzufolge seine Leberwerte in Ordnung seien und kein Alkoholabusus mehr bestehe. Mit Schreiben vom 16. Januar 2018 bat ihn das Landratsamt unter Bezugnahme auf die von der Deutschen Rentenversicherung bewilligte Entwöhnungsbehandlung zur Differenzierung zwischen Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit um konkretere diagnostische Angaben. Daraufhin reichte der Kläger einen ärztlichen Entlassungsbericht der Fachklinik Lechbruck-Gründl vom 23. Januar 2018 ein, in dem die jeweils gesicherten „G“ Diagnosen „Störungen durch Alkohol, F10.21“ und „ADHS im Erwachsenenalter, F90.0“ gestellt waren. In einer Stellungnahme vom 27. März 2018 bestätigte der Hausarzt, dass die Diagnose „ICD F10.2 Abhängigkeitssyndrom durch Alkoholgebrauch“ nach den offiziellen Diagnosekriterien gestellt worden sei. Deshalb sei auch eine Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik erfolgt, wo dieselbe Diagnose gestellt worden sei. Der Kläger sei seit Anfang 2017 glaubhaft abstinent. Nach Rücksprache mit dem Leiter der Rehaklinik bedürfe die festgestellte ADHS-Erkrankung keiner medikamentösen Therapie.
Mit Schreiben vom 10. April 2018 ordnete das Landratsamt gestützt auf § 20 Abs. 1 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an.
Am 28. Juni 2019 legte er ein negatives medizinisch-psychologisches Gutachten der P…S… GmbH vom 14. Juni 2019 vor, wonach zwar keine körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen vorliegen, die mit Alkoholabhängigkeit in Zusammenhang gebracht werden könnten, eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung stattgefunden habe, auch ein Abstinenzzeitraum nachgewiesen und die Alkoholabhängigkeit überwunden worden sei. Jedoch sei die Verhaltensänderung nicht als ausreichend und stabil einzuschätzen. Es bestünden psychologische Aufarbeitungsdefizite im Alkoholbereich. Empfohlen werde die Inanspruchnahme einer spezifisch suchttherapeutischen Maßnahme. Bei einer erneuten Begutachtung müsse lückenlos ein Abstinenzzeitraum von weiteren zwölf Monaten nachgewiesen werden. Es lagen negative Haaranalysen vom 24. April 2018, 16. Juli 2018, 4. Oktober 2018, 13. Dezember 2018, 28. Januar 2019 und 15. April 2019 vor, die Abstinenzzeiträume jeweils drei Monate vor der Probennahme bestätigten.
Mit Schreiben an die Begutachtungsstelle vom 24. Juni 2019 und an das Landratsamt vom 28. Juni 2019 nahm die Bevollmächtigte des Klägers gegen dieses Gutachten dahingehend Stellung, dass die Einschätzung, er habe sich über seine durch die Alkoholwirkung befriedigte Motiv- und Bedürfnislage noch keine ausreichende Klarheit verschaffen können, weshalb die Verhaltensänderung nicht als ausreichend und stabil einzuschätzen sei, den übrigen Ausführungen des Gutachtens, dem Gesetz und den Richtlinien widerspreche. Insbesondere seien die hausärztliche und fachklinische Einschätzung, aber auch die übrigen beigestellten Unterlagen (zahlreiche Abstinenznachweise, wöchentliche Besuche in einer Selbsthilfegruppe, Schulungsteilnahmen, Stellungnahmen der Familie etc.) unzureichend gewürdigt worden. Da der Kläger sich – nicht zuletzt wegen eines ADHS-Leidens – schwertue, sich eloquent auszudrücken, habe er eine schriftliche Stellungnahme über das frühere Trinkverhalten, dessen Änderung und der Festigung der Verhaltensänderung abgegeben.
Die Begutachtungsstelle hielt mit Schreiben vom 19. Juli 2019 an ihrer gutachtlichen Beurteilung fest und erläuterte dies anhand eines aus ihrer Sicht nicht erfüllten Beurteilungskriteriums, das die Fähigkeit des Betroffenen verlange, über Therapieinhalte und die Vermittlung von Verhaltensstrategien zur Verringerung des Rückfallrisikos zu berichten. Die Bevollmächtigte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 29. Juli 2019. Die dem Kläger vorgeworfene Unkonzentriertheit sei darauf zurückzuführen, dass die untersuchende Psychologin ihr Kleinstkind mitgebracht habe, das stundenlang geschrien habe. Die Begutachtung habe erst kurz vor Feierabend begonnen; der Kläger sei zum Teil unterbrochen worden. In dem Gutachten werde nicht begründet, inwiefern ein Beurteilungskriterium nicht erfüllt sei.
Nach Anhörung zu der beabsichtigten Versagung des Neuerteilungsantrags nahm der Kläger diesen mit Erklärung seiner Bevollmächtigten vom 10. September 2019 zurück und beantragte am 14. Oktober 2019 abermals die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Auf behördliche Anfrage legte der Kläger ein hausärztliches Attest vom 18. Dezember 2019 über seine nicht behandlungsbedürftige ADHS-Erkrankung vor.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2020 ordnete das Landratsamt auf der Grundlage von § 20 Abs. 1, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV erneut die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum 20. April 2020 zur Klärung der Fragen an, ob körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vorlägen, die mit der Alkoholabhängigkeit in Zusammenhang gebracht werden können, ob eine erfolgreiche Entwöhnung stattgefunden habe, ob – nach erfolgreicher Entwöhnung – ein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden zwölf Monate vorliege, die Alkoholabhängigkeit überwunden und die Verhaltensänderung (Abstinenz) als ausreichend stabil einzuschätzen sei.
Im Laufe des Verfahrens legte der Kläger weitere negative Haaranalysen vom 23. September 2019, 5. Februar 2020 und 6. Juli 2020 vor, die eine Alkoholabstinenz für die Zeiträume vom 23. Juni bis 23. September 2019, vom 5. Dezember 2019 bis 5. Februar 2020 und vom 6. April bis 6. Juli 2020 belegen. Eine Begutachtung bei der ias AG im Februar 2020 wurde aufgrund eines Oberschenkelhalsbruchs des Klägers vom 12. März 2020 mit einer sich anschließenden Rehabilitation ausgesetzt. Am 28. Juli 2020 sandte das Landratsamt die Fahrerlaubnisakte erneut an die ias AG und setzte die Beibringungsfrist auf den 29. Oktober 2020 fest. Am 7. Oktober 2020 schickte die ias AG die Unterlagen zurück. Der Kläger legte in der Folge kein Gutachten vor.
Im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Versagung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis ließ er mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2020 vortragen, die medizinisch-psychologische Untersuchung sei ermessens- und rechtsfehlerhaft angeordnet worden. In der Regel sei nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV ein ärztliches Gutachten anzuordnen. Dasselbe sei nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV der Fall. Es sei ohne Belang, ob eine Person erstmals auf Alkoholabhängigkeit hin begutachtet werde oder ob zu klären sei, ob es zu einem Rückfall gekommen sei oder die Abhängigkeit noch bestehe. Unabhängig davon habe sich die Reichweite von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV am Gesamtzusammenhang von § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV zu orientieren, aus dessen Buchstaben b und c ersichtlich sei, dass ein einmaliges Fahren unter Alkoholeinfluss erst dann die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertige, wenn eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr nachgewiesen sei, was bei der einzigen Trunkenheitsfahrt des Klägers am 30. Oktober 2016 mit 1,48 ‰ nicht der Fall gewesen sei. Es werde erneut das Gutachten der P…S… vom 19. Juli 2019 vorgelegt. Der Kläger trinke seit Jahresanfang 2017 keinen Alkohol mehr, was auch aus dem Gutachten und zahlreichen Einzelattesten hervorgehe. Ferner werde der medizinische Teil des Gutachtens der ias AG vom 30. September 2020 vorgelegt. Aus der Bewertung der medizinischen Befunde lasse sich entnehmen, dass keine Hinweise auf fahreignungseinschränkende körperliche Bedingungen oder einen derzeit erhöhten Alkoholkonsum bestünden. Nach einem beigefügten hausärztlichen Attest vom 19. November 2020 besteht seit dem Jahr 2017 kein Alkoholabusus mehr. Die Abstinenz des Klägers sei dauerhaft und hinreichend stabil.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2020 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen B und BE gemäß § 11 Abs. 8 FeV ab.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch ließ der Kläger damit begründen, dass die einmalige Trunkenheitsfahrt nicht die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertige. Die Tat sei bereits getilgt. Das versehentlich vorgelegte Attest vom 28. September 2016 habe nicht berücksichtigt werden dürfen. Ebenso könne die Diagnose F10.21 der Fachklinik nicht zugrunde gelegt werden, da deren ärztliche und psychologische Stellungnahme vom 18. Dezember 2017 die Überwindung der Alkoholerkrankung attestiere. Die positiven Prognosen des Hausarztes und der Fachklinik hätten sich nach nahezu vier Jahren als richtig erwiesen. Beim Kläger lägen keine körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen vor, die mit Alkoholabhängigkeit in Zusammenhang gebracht werden könnten. Auch die Gutachten bestätigten eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung sowie einen nachgewiesenen Abstinenzzeitraum von mehr als zwölf Monaten.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2022 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück.
Hiergegen ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 20. Juni 2022 beim Verwaltungsgericht München Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis erheben. In der Folgezeit legte er weitere negative Haaranalysen vom 2. Dezember 2020, 28. Juni 2021 und 14. Juli 2022 vor, die eine Alkoholabstinenz für die Zeiträume vom 2. September bis 2. Dezember 2020, vom 28. März bis 28. Juni 2021 und vom 14. Mai bis 14. Juli 2022 belegen.
Mit Urteil vom 10. Januar 2023 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. Der Ausgangs- und Widerspruchsbescheid seien rechtmäßig. Die beanstandete Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes bleibe unsubstantiiert und lasse nicht erkennen, inwieweit sie entscheidungserheblich wäre. Die Zeit zwischen der Antragstellung am 14. Oktober 2019 und dem Bescheiderlass am 3. Dezember 2020 erscheine nicht unverhältnismäßig lang, zumal die Verlängerung der Beibringungsfrist allein dem vom Kläger erlittenen Beinbruch geschuldet gewesen sei. Nachdem dieser selbst entschieden habe, das fakultative Widerspruchsverfahren durchzuführen, gehe auch insoweit der Einwand einer verzögerten Entscheidung ins Leere. Er habe auch keine Untätigkeitsklage wegen zu langen Verfahrenslaufs erhoben. Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis sei nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 FeV die Fahreignung des Bewerbers, was die Fahrerlaubnisbehörde zu ermitteln habe (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FeV). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG komme die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nur in Betracht, wenn die Kraftfahreignung positiv feststehe. Eignungszweifel seien aufzuklären (§ 2 Abs. 7 und Abs. 8 StVG). Verbleibende Zweifel gingen zu Lasten des Bewerbers. Bei der vorliegenden Alkoholproblematik bzw. Anhaltspunkten für einen Mangel im Sinne von Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV, richteten sich die zu treffenden Maßnahmen nach der (abschließenden) Spezialvorschrift des § 13 FeV. Sei wie hier zu klären, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr bestehe, sei gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessensspielraum zustehe. Nach einer Alkoholabhängigkeit (Entwöhnungsbehandlung) bestehe nach der Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV (bedingte) Fahreignung erst wieder, wenn die Abhängigkeit nicht mehr bestehe und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen sei. Die Gutachtensaufforderung vom 17. Januar 2020 habe den formellen und materiellen Voraussetzungen genügt. Die Behörde habe auf die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit in dem fachklinischen Entlassungsbericht vom 23. Januar 2018 abgestellt, die der Hausarzt mit Schreiben vom 27. März 2018 bestätigt habe. Trotz Fehlens von Ausführungen zu den einzelnen Abhängigkeitskriterien bestehe kein Anhalt für eine Fehldiagnose der auf Suchterkrankungen spezialisierten Fachklinik. Allgemein komme Entlassungsberichten von Entzugskliniken eine hohe Verlässlichkeit zu. Der Kläger habe sich dort lange Zeit, nämlich vom 21. Juli bis zum 3. Oktober 2017, zur Alkoholentwöhnung aufgehalten. Eine so lange Befassung mit einem Patienten verschaffe den behandelnden Ärzten ein mehr als nur oberflächliches Bild von den Faktoren, die für die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit von Bedeutung seien. Die Entwöhnungsbehandlung sei aufgrund der hausärztlichen Missbrauchsdiagnose und einer entsprechenden Bewilligung durch die Deutsche Rentenversicherung zu einer fünfzehnwöchigen Rehabilitation erfolgt. Im Falle der Übernahme einer Suchttherapie durch den Kostenträger und eines entsprechenden Entlassungsberichts könne regelmäßig von der Beachtung der Diagnosekriterien ausgegangen werden. Außerdem gehe aus dem hausärztlichen Schreiben vom 27. März 2018 hervor, dass sich der Hausarzt des Klägers die Abhängigkeitsdiagnose zu eigen gemacht habe. Er habe sich von dieser nicht etwa distanziert, sondern vielmehr auf eine bereits vor der Rehabilitationsmaßnahme gestellte Diagnose F10.2 aufmerksam gemacht. Sowohl der fachklinische Entlassungsbericht als auch das hausärztliche Schreiben seien im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung am 17. Januar 2020 nach § 2 Abs. 9 Satz 1 und 2 StVG verwertbar und im Übrigen widerspruchsfrei gewesen. Der strafrechtliche Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ stelle sich nicht. Das Landratsamt habe im Schreiben vom 16. Januar 2018 auf die durchzuführende Eignungsüberprüfung hingewiesen und sei mit der Bitte um Vorlage von Unterlagen seiner Ermittlungspflicht nachgekommen. Da an einer Alkoholabhängigkeit keine Zweifel bestanden hätten, habe die Behörde kein ärztliches Gutachten gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV anordnen können. Letzteres sei erforderlich, wenn Tatsachen die Annahme einer Alkoholabhängigkeit begründeten, diese aber nicht mit hinreichender Gewissheit feststehe. Vorliegend sei es darum gegangen, ob der Kläger die Alkoholabhängigkeit überwunden habe, also darum, ob diese im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV nicht mehr bestehe. Hierzu reiche nach dem Willen des Verordnungsgebers eine ärztliche Bestätigung der Einhaltung von Abstinenz nicht aus. Erforderlich sei die nur durch eine zusätzliche psychologische Untersuchung leistbare Prognose, ob die Verhaltensänderung stabil sei. Der Einwand, es hätten nicht erneut die Fragen nach körperlichen bzw. geistigen Beeinträchtigungen sowie der Entwöhnung, dem Abstinenzzeitraum und der Überwindung der Alkoholabhängigkeit gestellt werden dürfen, da diese bereits mit dem Gutachten vom 14. Juni 2019 beantwortet worden seien, gehe fehl, da dieses – im Übrigen negative – Gutachten nicht Streitgegenstand sei und daher nicht verwertet werde. Es sei in dem mit Antrag vom 27. Dezember 2017 eingeleiteten Neuerteilungsverfahren vorgelegt worden, das der Kläger am 10. September 2019 durch Antragsrücknahme beendet habe. Den gegen das Gutachten erhobenen Einwänden sei daher nicht nachzugehen. Da ein Gutachten nicht in Auszügen, sondern nur in Gänze beurteilt und verwertet werden könne, seien auch die Fragen neu zu stellen gewesen. Die vollständige Fragestellung erübrige sich auch nicht aufgrund der anderen, nicht von einer Begutachtungsstelle für Fahreignung herrührenden Abstinenzaussagen, darunter die seines Hausarztes. Auch die weiteren Einwände seien nicht zielführend. Nicht die Trunkenheitsfahrt vom 30. Januar 2016 sei Anlass für die nähere Aufklärung gewesen, sondern die ärztliche Diagnose der Alkoholabhängigkeit. Allein darauf sei die Gutachtensanordnung vom 17. Januar 2020 gestützt. Daher komme es auch nicht auf eine etwaige Tilgung der Trunkenheitsfahrt an, die davon abgesehen noch nicht eingetreten sei. Die gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a StVG zehnjährige Tilgungsfrist habe mit dem Tag der Rechtskraft der Verurteilung (§ 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG), also am 9. April 2016 zu laufen begonnen. Die Straftat sei somit erst am 9. April 2026 zu tilgen. Ebenso wenig komme es auf eine alkoholisierte Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr oder sonstige Verfehlungen im Straßenverkehr an. Bei seiner Entscheidung nach § 11 Abs. 8 FeV habe dem Landratsamt kein Ermessenspielraum zugestanden, sodass es etwaige Folgen der Fahrerlaubnisentziehung für die beruflichen Tätigkeiten des Klägers und seine privaten Beeinträchtigungen nicht habe berücksichtigen können. Der Kläger verkenne, dass das Landratsamt keine Prognoseentscheidung habe treffen müssen und getroffen habe.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sowie besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt die Verletzung seiner Grundrechte. Die u.a. im Schriftsatz vom 24. Januar 2023 dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken seien nicht beachtet worden. Das Gericht missachte die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach an die Rechtmäßigkeit der unanfechtbaren Gutachtensanordnung strenge Maßstäbe anzulegen seien. Für die massiven Grundrechtsverletzungen fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV erfordere gerade keine prognostische Einschätzung. Die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hätten diese Gesetzesqualität nicht und widersprächen dem Gesetzeswortlaut. Mittlerweile habe sich die Strafe, zu der der Kläger wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,48 ‰ verurteilt worden sei, mehr als versechsfacht und verstoße gegen das Verbot der Mehrfachverurteilung (ne bis in idem). Das Gericht missachte die seit nunmehr sieben Jahren eingetretene positive Persönlichkeitsveränderung des Klägers und lasse auch sämtliche sonstigen für ihn sprechenden Belange und seine Beeinträchtigungen und sein Umfeld außer Betracht. Dies sei kein „Anlegen strenger Maßstäbe an die Gutachtensanordnung“. Es werde zwar breit ausgeführt, weshalb die Atteste des Hausarztes und der Fachklinik, die die vormals bestehende Alkoholabhängigkeit bejahten, den Schluss auf die Nichteignung des Klägers begründen sollten. Die Einschätzungen desselben Hausarztes, der den Kläger jahrelang kenne, und derselben Fachklinik, die ihn mehr als 100 Tage intensiv betreut habe, die die seit Anfang 2017 überwundene Alkoholabhängigkeit bestätigten und die Fahreignung bejahten, würden dagegen gänzlich übergangen. Die Atteste dieser Klinik würden allein zum Nachteil des Klägers berücksichtigt. Auch seine Bereitschaft, offen über seine Alkoholabhängigkeit zu sprechen, werde allein zu seinem Nachteil berücksichtigt. Die Ausführungen, dass er seit der „Familienaufstellung“ im Herbst 2016 seine Alkoholabhängigkeit überwunden habe, werde dagegen gänzlich ignoriert. Die allein zur „Reinwaschung“ mögliche Begutachtung durch eine amtliche Begutachtungsstelle, deren Urteil faktisch allein entscheidende Bedeutung habe, aber nicht gesondert anfechtbar sei, gebe einen faktisch folgenlosen „Freibrief“ auch für gänzlich unrichtige Begutachtungen. Dabei habe sie aufgrund der wenige Minuten dauernden Begutachtung nicht annähernd die Qualität wie die Begutachtung durch den Hausarzt und die Fachklinik, solle aber allein maßgeblich sein. Auch dies widerspreche den verfassungsgerichtlichen Vorgaben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI 04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegen.
1. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 Rn. 19).
Dies ist nicht der Fall. Soweit der Kläger die vom Verwaltungsgericht an die Beibringungsanordnung angelegten Maßstäbe rügt, setzt er sich in der Sache nicht annähernd ausreichend mit den ausführlichen Urteilsgründen auseinander. Die behauptete Grundrechtsverletzung ist nicht nachvollziehbar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht ein auch verfassungsrechtlich tragfähiger Anlass zur Entziehung einer Fahrerlaubnis bei einem dauerhaften, generell die Fahreignung (nicht lediglich situationsbedingt die Fahrtüchtigkeit) ausschließenden Eignungsmangel (BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – NJW 2002, 2378 = juris Rn. 49). Dazu zählt das Bundesverfassungsgericht körperlich-geistige Mängel, die das Unvermögen des Fahrers zur Folge haben, ein Kraftfahrzeug sicher und verkehrsgerecht im Straßenverkehr zu führen, und charakterlich-sittliche Mängel, die vorliegen, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen, wozu die unzureichende Trennungsbereitschaft eines Fahrerlaubnisinhabers zwischen dem Konsum von Substanzen, infolgedessen eine Fahruntüchtigkeit jedenfalls nicht auszuschließen ist, und der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gehört (vgl. BVerfG, B.v. 20.6.2002 a.a.O.). In Anbetracht der hohen Risiken des Straßenverkehrs für Leben, Gesundheit und Eigentum aller Verkehrsteilnehmer müssen an die Kraftfahreignung hohe Anforderungen gestellt werden. Zum Schutze dieser Rechtsgüter ist auch eine präventive Kontrolle von Kraftfahrern, wie sie in § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2023 (BGBl I Nr. 315) und § 11 Abs. 2 bis 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Juli 2023 (BGBl 2023 I Nr. 199) vorgesehen ist, verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – BVerfGE 89, 69 = juris Rn. 61; B.v. 20.6.2002 a.a.O. Rn. 52). Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist – jedenfalls zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie des Lebens und der Gesundheit – auch in Härtefällen bzw. bei Angewiesenheit des Betroffenen auf die Fahrerlaubnis und ungeachtet seiner persönlichen Verhältnisse oder individueller Schicksalsschläge verhältnismäßig (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 11 CS 23.2041 – juris Rn. 16; 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 30). Dem Schutz der Allgemeinheit vor Verkehrsgefährdungen kommt besonderes Gewicht gegenüber den Nachteilen zu, die einem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber in beruflicher oder in privater Hinsicht entstehen (vgl. BVerfG, B.v. 19.7.2007 – 1 BvR 305/07 – juris Rn. 6).
Ebenso wenig ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beanstanden, dass die Fahrerlaubnisbehörden bei Alkoholabhängigkeit von fehlender Fahreignung auszugehen haben. Die entsprechende Rechtslage (§ 11 Abs. 7 i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV) beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die über Nr. 3.12.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl S. 110) in der Fassung vom 17. Februar 2021 (VkBl S. 198) auch zur Grundlage der Fahreignungsbeurteilung gemacht worden sind (vgl. § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a zur FeV). Bei den Begutachtungsleitlinien handelt es sich um verkehrsmedizinische antizipierte Sachverständigengutachten (Siegmund in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 27.9.2023, § 2 StVG Rn. 75), die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auf diesem Gebiet wiedergeben (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230 = juris Rn. 19). Der sorgfältig begründeten Annahme des Verwaltungsgerichts, dass beim Kläger von einer feststehenden Alkoholabhängigkeit auszugehen war, hat der Zulassungsantrag nichts entgegengesetzt. Für deren Unrichtigkeit ist aus den im Urteil dargelegten Gründen (S. 18 – 21), auf die gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen wird, auch nichts ersichtlich.
Auch die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende rechtliche Annahme, es sei nicht nachgewiesen, dass er seine Alkoholabhängigkeit überwunden habe, weil er hierzu nicht ein medizinisch-psychologisches Gutachten mit entsprechendem Ergebnis beigebracht habe, hat der Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Vielmehr scheint er zu übersehen, dass ein entsprechender Vortrag nicht ausreicht, sondern nachzuweisen ist.
Nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV erlangt der Betreffende die Kraftfahreignung nach einer Entwöhnungsbehandlung erst dann wieder, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Aus den beiden tatbestandlichen Voraussetzungen ist abzuleiten, dass allein die Einhaltung von Abstinenz zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für eine Überwindung der Abhängigkeit ist und ebenso wenig ein hinreichender Beleg. Medizinisch gesehen ist die Alkoholabhängigkeit eine chronische, grundsätzlich lebenslang fortbestehende Erkrankung, die sich nicht allein durch den Zeitablauf und die Einhaltung von Abstinenz erledigt (vgl. Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 4. Auflage 2022, S. 88, aus denen sich die in Nr. 1 Buchst. c der Anlage 4a zur FeV der Fahreignungsbegutachtung zugrunde zu legenden anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze ergeben [vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2015 – 11 CS 15.1788 – juris Rn. 15]). Eine Alkoholabhängigkeitserkrankung besteht auch bei Symptomfreiheit (Alkoholabstinenz) nach überwiegender fachlicher Auffassung weiter. Die verkehrsrechtliche Sicht, wonach für die Wiederherstellung der Fahreignung gefordert wird, dass die Abhängigkeit nicht mehr besteht (Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV), kann in dem Sinne interpretiert werden, dass eine dauerhaft stabile Alkoholabstinenz vorliegt (vgl. Beurteilungskriterien, a.a.O., S. 88). Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass der diese Frage beantwortende Gutachter eine in die Zukunft gerichtete Prognose zu treffen hat.
Aus dem Wortlaut der Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV lässt sich hingegen nicht ableiten, dass nur Nachweise für die Einhaltung der Abstinenz beizubringen sind. Nach den allgemeinen Beweislastregeln hat der Betreffende vielmehr auch nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen, dass die Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht. Im (Neu-)Erteilungsverfahren nach Verlust der Fahrerlaubnis liegt die materielle Beweislast für die Fahreignung bei dem Bewerber (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG; Siegmund a.a.O., § 2 StVG Rn. 76; Dauer, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 41). Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2023 – 11 CE 23.43 – DAR 2023, 523 Rn. 15 m.w.N.; VGH BW, U.v. 7.7.2015 – 10 S 116/15 – DAR 2015, 592 = juris Rn. 19), was der Fall ist, so lange ungeklärt ist, ob der Betreffende eine (frühere) Abhängigkeit überwunden hat. Das erscheint auch weder unbillig noch unverhältnismäßig oder unangemessen, weil der (vormals) Abhängige durch sein Verhalten einen aufzuklärenden Gefahrenverdacht verursacht und damit den Anlass für das behördliche Ergreifen einer vom Gesetz- und Verordnungsgeber vorgesehenen Gefahrenerforschungsmaßnahme (medizinisch-psychologische Begutachtung) gesetzt hat.
§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV, der für Eignungsfragen im Zusammenhang mit Alkohol nach dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers lex specialis ist (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 219, 260), ist zu entnehmen, dass der Nachweis für die Überwindung der Abhängigkeit durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu erbringen ist, da eine prognostische Einschätzung erforderlich ist, ob die Verhaltensänderung stabil ist, und eine ärztliche Bestätigung der Einhaltung von Abstinenz für die Wiederherstellung der Kraftfahreignung, wie dargelegt, nicht ausreicht (vgl. Dauer a.a.O. § 13 FeV Rn. 27; BayVGH, B.v. 11.6.2018 – 11 CS 17.2466 – juris Rn. 15). Der Verordnungsgeber hat mit der am 30. Oktober 2008 in Kraft getretenen Regelung die unterschiedliche Beurteilung von früherer Alkoholabhängigkeit und früherer Drogenabhängigkeit beseitigt, weil er in beiden Fällen eine medizinisch-psychologische Begutachtung als Eignungsuntersuchung für angezeigt hielt, um eine hinreichend klare Entscheidungsgrundlage für die Fahrerlaubnisbehörde zu erhalten (vgl. Begr. zum Entwurf der 4. ÄndV in BR-Drs. 302/08 v. 30.4.2008, S. 62). Welchen „verfassungsgerichtlichen Vorgaben“ die Forderung einer Begutachtung durch fachkundige Personen widersprechen soll, hat der Kläger nicht dargelegt. Aus seinem Vortrag ergibt sich weder, dass die vom Verwaltungsgericht angenommenen Voraussetzungen für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV in seinem Fall nicht vorlagen, noch, dass die medizinisch-psychologische Begutachtung im Allgemeinen ein ungeeignetes Mittel zur Gefahrenerforschung, namentlich zur Aufklärung der sich bei Alkoholabhängigkeit hinsichtlich der Fahreignung stellenden Fragen wäre. Dies wird durch die polemische und unsubstantiierte Pauschalkritik („Reinwaschung“, „konsequenzloser Freibrief auch für gänzlich unrichtige Begutachtungen“) nicht geleistet. Da der Fahrerlaubnisbehörde wie auch dem Verwaltungsgericht regelmäßig die medizinisch-psychologische Fachkunde zur Beantwortung dieser Fragen fehlt, ist die Begutachtung durch fachkundige Personen im Interesse der Verkehrssicherheit zur Gefahrenabwehr auch notwendig.
Soweit der Kläger dem Verwaltungsgericht vorwirft, eine seit sieben Jahren bestehende Persönlichkeitsveränderung zu missachten, übersieht er, dass weder eine Abstinenz für diesen Zeitraum nachgewiesen ist (Abstinenznachweise für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt vom 21. Juli bis 3. Oktober 2017 können angenommen werden bis 18. Dezember 2017 aufgrund der fachklinischen Stellungnahme; aufgrund negativer Haaranalysen vom 24. Januar 2018 bis 15. April 2019, vom 23. Juni bis 23. September 2019, vom 5. Oktober 2019 bis 5. Februar 2020 und danach nur zeitweise) noch eine Überwindung der (vormaligen) Abhängigkeit. Aus gutem Grund, nämlich zur Vermeidung von Interessenkonflikten und im Interesse eines unparteiischen Ergebnisses, hat der Verordnungsgeber bestimmt, dass der das Gutachten erstellende Arzt nicht zugleich der den Betroffenen behandelnde Arzt sein soll (§ 11 Abs. 2 Satz 5 FeV).
Die Atteste des Hausarztes und der Fachklinik stellen schon deshalb keinen ausreichenden Nachweis dar. Zudem ist die Überwindung der Abhängigkeit psychologisch anhand spezifischer, von Fachleuten entwickelter Kriterien zu beurteilen (vgl. Beurteilungskriterien a.a.O., S. 94 ff.: Kriterien für eine angemessene Problembewältigung, Hypothese A1 [Alkoholabhängigkeit]), was zur Gleichbehandlung und fairen Chancenwahrung der betroffenen Fahrer beitragen soll (vgl. Vorwort der Herausgeber zur 4. Aufl. der Beurteilungskriterien). Hiernach muss der Betroffene – über eine anhaltende, mit medizinischen Verlaufsbefunden belegte Abstinenz (Kriterium A 1.3 N) hinaus – die Alkoholabhängigkeit aufgearbeitet und die ihr zugrundeliegende Problematik, in der Regel mithilfe einer Entwöhnungsbehandlung, überwunden (Kriterium A 1.4 N) und ein ausreichendes Problemverständnis (Krankheitseinsicht) entwickelt haben und zur Aufrechterhaltung einer alkoholabstinenten Lebensweise motiviert sein, wobei der Einsichtsprozess nachvollziehbar und seine Haltung zur Abstinenz ausreichend gefestigt sein muss (Kriterium A 1.5 N). Die Alkoholabstinenz muss stabil sein, da sie durch rückfallverhindernde Maßnahmen und das soziale Umfeld gestützt wird (Kriterium A 1.6 N). Falls es kurzfristig doch zu einem Alkoholkonsum gekommen ist, muss sich dies trotzdem mit der Erwartung einer langfristigen, ausreichend stabilen alkoholabstinenten Lebensweise vereinbaren lassen (Kriterium A 1.7 N). Aus den Beurteilungskriterien ergibt sich weiter im Detail, wann diese Kriterien als erfüllt gelten können und welche Sachverhalte als Kontraindikatoren zu werten sind. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich die Atteste des Hausarztes und der Fachklinik hieran orientiert hätten.
Ob und inwieweit sich der Gutachter der ias AG in dem Gutachten vom 30. September 2020 an den geltenden Grundsätzen der Anlage 4a zur FeV, den Begutachtungsleitlinien und Beurteilungskriterien orientiert hat und ob sein Ergebnis nachvollziehbar und überzeugend war, konnten das Landratsamt und das Verwaltungsgericht – worauf der Beklagte zu Recht hinweist – nicht prüfen, weil dessen psychologischer Teil nicht vorgelegt worden ist. Allein der Umstand, dass offenbar zwei psychologische Gutachter trotz längerer Abstinenz der Meinung waren, der Kläger habe seine Abhängigkeit noch nicht überwunden, sagt noch nichts über die Qualität und Richtigkeit dieser Beurteilungen aus, auch wenn der Nachweis einer mehrjährigen Abstinenz in der Praxis einen Einfluss auf die Anforderungen haben mag, die der Gutachter an die Darlegung einer nachvollziehbaren Problembewältigung stellt. Die nicht bekannte psychologische Einschätzung im Gutachten vom 30. September 2020 könnte ebenso gut als fachliche Bestätigung derjenigen im Gutachten vom 14. Juni 2019 verstanden werden. Dies lässt sich jedoch, wie ausgeführt, mangels Vorlage nicht feststellen.
Die nicht begründete, im Übrigen unzutreffende Behauptung, es sei gegen das Verbot der Mehrfachbestrafung („ne bis in idem“) verstoßen worden, verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Es ist schon nicht nachvollziehbar, inwiefern es sich bei der Versagung einer Fahrerlaubnis wegen mangelnder oder nicht nachgewiesener Fahreignung bzw. – offenbar („versechsfacht“) – bei den Kosten für den Nachweis der Fahreignung um eine Strafe „auf Grund der allgemeinen Strafgesetze“ im Sinne von Art. 103 Abs. 3 GG handeln könnte. Vielmehr stellt die geforderte medizinisch-psychologische Begutachtung eine regelmäßig durch den Betroffenen veranlasste Gefahrenerforschungsmaßnahme, d.h. eine präventive Maßnahme im Bereich der Gefahrenabwehr dar, die nicht der Sanktionierung eines Verhaltens dient (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2022 – 11 CS 21.2171 – SVR 2022, 117 Rn. 15 m.w.N. zur Entziehung der Fahrerlaubnis). Der Grundsatz, dass niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden darf, gilt demgegenüber nach Art. 103 Abs. 3 GG für den Bereich der „allgemeinen Strafgesetze“ und für dieselbe Tat. In der Versagung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde liegt keine verbotene Doppelbestrafung, zumal die Bedenken gegen die Fahreignung des Klägers auch nicht aus der mit Strafbefehl vom 10. März 2016 geahndeten Trunkenheitsfahrt hergeleitet worden sind, sondern aus seiner Erkrankung, der Alkoholabhängigkeit (vgl. BVerfG, B.v. 18.11.1966 – 1 BvR 173/63 – BVerfGE 20, 365 = juris Rn. 17). Die Kosten der Begutachtung oder etwa fehlende finanzielle Mittel stellen keinen Grund dar, von notwendigen Aufklärungsmaßnahmen abzusehen. Die Pflicht zur Kostentragung ist die Folge der Beibringungslast, die § 11 Abs. 2 FeV dem Betroffenen auferlegt (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 11 CS 18.2278 u.a. – ZfSch 2019, 358 Rn. 16). Als Auftraggeber des Gutachtens trägt der Kläger die Begutachtungskosten und bei unberechtigter Nichterfüllung eines Gutachtensauftrags oder bei fehlerhaftem Erstgutachten auch die Kosten einer notwendig werdenden Zweitbegutachtung (vgl. Siegmund in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 27.10.2023, § 11 Rn. 172 m.w.N.). Da die Begutachtungsstelle im Rahmen der Begutachtung nicht einen Teil der an sich staatlichen Stellen obliegenden Aufgaben erfüllt, sondern lediglich den Betroffenen bei Erfüllung einer ihm im konkreten Verwaltungsverfahren treffenden Obliegenheit unterstützt, muss der Auftraggeber seinen Erfüllungsanspruch, etwaige Gewährleistungsansprüche bzw. Schadensersatzansprüche gegenüber der beauftragten Begutachtungsstelle ohne Mitwirkung der Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen der vertraglichen Beziehung selbst geltend machen (Siegmund a.a.O.).
2. Ferner trägt der Beklagte zu Recht vor, dass auch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO hinreichend dargelegt sind. Die durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen lassen sich ohne weiteres anhand des Gesetzes beantworten und sind in der Rechtsprechung bereits geklärt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 32; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand März 2023, § 124 Rn. 28e). Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 9 ZB 16.1068 – juris Rn. 14).
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil – wie der Beklagte zutreffend anführt – mit dem Zulassungsantrag schon keine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage aufgeworfen wird.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ, a.a.O. § 124 Rn. 36; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 127). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand März 2023, § 124a Rn. 102 ff.). Hieran fehlt es.
4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG und der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).