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Mehrere fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitungen auf Autobahn – Tatmehrheit?

OLG Brandenburg, Az.: 1 Ss (OWi) 87 B/05, Beschluss vom 30.05.2005

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts … vom 2. Februar 2005 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Mehrere fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitungen auf Autobahn – Tatmehrheit? width=
Symbolfoto: Pixabay

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen zweifachen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften (um 38 km/h bzw. 60 km/h) zu zwei Geldbußen in Höhe von 90,00 € und 180,00 € verurteilt; ferner hat es den Betroffenen unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG für die Dauer eines Monats verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene am 16. September 2003 in der Zeit von 8:55 Uhr bis 8:57 Uhr auf der BAB 10 zwischen den Autobahnanschlussstellen …, wo er eine Schilderbrücke passierte, deren eingeblendete Verkehrszeichen 274 zu § 41 Abs. 2 StVO die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst auf 120 km/h begrenzten. Den sich anschließenden Verkehrsraum befuhr der Betroffene über eine Wegstrecke von 522 m in der Zeit von 8:55 Uhr 19 Sekunden bis 8:55 Uhr 31 Sekunden mit einer Nettogeschwindigkeit von (nach Abzug der Messtoleranz) 158 km/h. 1½ Kilometer darauf passierte das Fahrzeug des Betroffenen eine weitere Schilderbrücke, deren eingeblendete Verkehrszeichen 274 zu § 41 Abs. 2 StVO die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h verminderten. Den nachfolgenden Verkehrsraum befuhr der Betroffene über eine Wegstrecke von 412 m in der Zeit von 8:56 Uhr 23 Sekunden bis 8:56 Uhr 32 Sekunden mit einer nach Abzug der Messfehlertoleranz festgestellten tatsächlichen Geschwindigkeit von 160 km/h. Die Messungen wurden unter Einsatz einer Videoverkehrsüberwachungsanlage des Typs Provida 2000 im Rahmen der sogenannten Vidista-Messung aus einem folgenden Fahrzeug heraus durchgeführt.

Die Rechtsbeschwerde rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II. Das Rechtsmittel bleibt erfolglos.

1. Die vom Betroffenen erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts ist bereits unzulässig, da sie entgegen §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht die den – in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift im übrigen unklar gebliebenen – Mangel enthaltenden Tatsachen darlegt.

2. Die weiter auf sachlich-rechtliche Fehler zu überprüfende amtsgerichtliche Entscheidung ist in der Sache nicht zu beanstanden.

Der Bußgeldrichter hat den Betroffenen insbesondere zurecht wegen zweier fahrlässiger Geschwindigkeitsverstöße verurteilt. Der Rechtsmittelführer hat die im übrigen rechtsfehlerfrei festgestellten, um 8:55 Uhr und 8:56 Uhr begangenen, Geschwindigkeitsverstöße tatmehrheitlich verwirklicht.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Dass es sich bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen auch im Verlaufe einer Fahrt regelmäßig um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinne handelt, ist – soweit ersichtlich – einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (BayObLG NZV 1995, 407; NZV 1994, 448; OLG Köln NZV 1994, 292; OLG Düsseldorf NZV 2001, 273; NZV 1994, 118; OLG Hamm VRS 46, 370). Die Tatsache, dass die mehreren Verstöße auf der gleichen Fahrt begangen wurden, ändert nichts daran, dass das Fahren als solches keine rechtliche Klammer zu den einzelnen Fehlverhaltensweisen im Verkehr bildet. Eine einzige Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit liegt (ausnahmsweise) nur dann vor, wenn strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich erhebliche Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbaren zeitlich-räumlichen und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, dass sich der gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen unbeteiligten Dritten als ein einheitliches zusammengehörendes Tun darstellt (OLG Hamm VRS 42, 432; VRS 46, 370; OLG Düsseldorf NZV 1994, 118; NZV 2001, 273; OLG Köln NZV 1994, 292). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier (noch) nicht vor. Zwar erfolgten die geahndeten Geschwindigkeitsverstöße in einem engen zeitlichen Rahmen, nämlich innerhalb von einer Minute. Die beiden abgeurteilten, fahrlässig verwirklichten, Ordnungswidrigkeiten wurden nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils jedoch jeweils in unterschiedlichen Verkehrssituationen begangen, so dass die einzelnen Verstöße unschwer voneinander abzugrenzen sind. Denn der Betroffene hatte nach Begehung des ersten Geschwindigkeitsverstoßes nochmals eine Schilderbrücke passiert, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit weiter von 120 km/h auf 100 km/h reduzierte. Schon aufgrund dieses Umstandes lassen sich die einzelnen Verstöße unschwer voneinander abgrenzen und rechtfertigen die Annahme einer tatmehrheitlichen Begehungsweise selbst dann, wenn man zugunsten des Rechtsmittelführers davon ausgeht, dass er die einzelnen Geschwindigkeitsüberschreitungen auf einer nicht durch Pausen unterbrochenen Fahrt und aus einem einheitlichen Motiv heraus beging (vgl. insoweit OLG Düsseldorf NZV 2001, 273).

Dass das BayObLG Tateinheit im Sinne einer Dauerordnungswidrigkeit in dem Fall angenommen hatte, dass die – zunächst überhöhte – Geschwindigkeit zeitweise verkehrsbedingt herabgemindert wurde (BayObLG NZV 1993, 162; NZV 1995, 407), steht dem nicht entgegen. Denn der Fall liegt hier anders, da sich die den Verurteilungsgegenstand bildenden Ordnungswidrigkeiten fallbezogen eindeutig zeitlich und örtlich voneinander trennen lassen.

Nichts anderes gilt auch im Hinblick auf die Entscheidung des BayObLG vom 15. Dezember 1975 (VM 1976, 26; entsprechend auch OLG Düsseldorf NZV 1994, 42). Mehrfache, ineinander übergehende Geschwindigkeitsüberschreitungen werden nur dann bei natürlicher Betrachtung des Gesamtverhaltens des Betroffenen als einheitliche Tat im sachlich-rechtlichen Sinn angesehen werden können, wenn sie auf einer einheitlichen Willensbetätigung des Fahrzeugführers beruhen. Eine solche lässt sich regelmäßig nur bei vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstößen annehmen, während Fahrlässigkeitstaten – wie hier – regelmäßig unterschiedliche sachgedankliche Ursachen in der Person des Fahrers haben. Besteht nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe des bußgeldrichterlichen Urteils danach kein Anhaltspunkt dafür, dass der Rechtsverstoß des Betroffenen auf gleichartigen Gründen der Nachlässigkeit beruht, ist von tatmehrheitlicher Begehungsweise auszugehen, soweit nicht im übrigen ein unmittelbarer zeitlich-räumlicher innerer Zusammenhang der einzelnen Verstöße besteht.

Da die Rechtsbeschwerde auch keine anderen, den Betroffenen belastenden Rechtsfehler der angegriffenen Entscheidung aufdeckt, war das Rechtsmittel vor diesem Hintergrund mit der sich aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.

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