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Fahrerlaubnisentziehung wegen Trunkenheit – fünfjährige Tilgungsfrist

Oberverwaltungsgericht Sachsen – Az.: 3 B 122/19 – Beschluss vom 13.08.2019

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 27. März 2019 – 6 L 161/19 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die mit ihr vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2019 verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis anzuordnen.

Mit seit 2. Dezember 2014 rechtskräftigem Bescheid wurde dem Antragsteller ein Bußgeld auferlegt, weil er am 2. Mai 2014 ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt hatte. Die festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug 0,61 Promille. Mit weiterem Bußgeldbescheid vom 24. Oktober 2018 wurde ihm ein Bußgeld von 500,00 € auferlegt, weil er mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,40 mg/l als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr aufgegriffen wurde. Mit Bescheid vom 26. November 2018 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller auf Grundlage von § 13 Abs. 2 Nr. 2 b FeV an, bis zum 3. Februar 2019 ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) über seine Fahreignung beizubringen. Von einer Begutachtungsstelle solle geklärt werden, ob zu erwarten sei, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder im Zusammenhang mit dem früheren Alkoholkonsum Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 (AM, B und L) in Frage stellten. Der Antragsteller schloss am 22. Januar 2019 mit der TÜV SÜD Pluspunkte GmbH einen Vertrag über eine verkehrstherapeutische Intensivberatung ab und beantragte beim Antragsgegner ohne Erfolg eine Fristverlängerung für die Vorlage des Gutachtens bis zum 3. August 2019, weil er sich mit der verkehrstherapeutischen Intensivberatung auf die MPU vorbereite.

Nachdem der Antragsteller innerhalb der gesetzten Frist kein Gutachten vorgelegt hatte, entzog ihm der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. Februar 2019 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis aller Klassen und zog den Führerschein ein.

Das Verwaltungsgericht hat den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt und zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Satz 1 Nr. 2 b sowie § 11 Abs. 6 und Abs. 8 FeV gegeben sind.

Maßgeblich ist das Straßenverkehrsgesetz in der aktuellen Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (StVG, BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 21 des Gesetzes vom 21. Juni 2019 (BGBl. I S. 846) geändert wurde, sowie die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. Juli 2019 (BGBl I S. 1056).

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, sowie § 46 Abs. 1 Satz FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV, wer das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV bestehen Zweifel an der Fahrgeeignetheit, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Die Fahrerlaubnisbehörde muss dann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Bringt der Betreffende das Gutachten nicht fristgerecht bei, kann nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Ungeeignetheit geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, Urt. v. 9. Juni 2005 – 3 C 21.04 -, juris Rn. 22).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist die erste Trunkenheitsfahrt des Antragstellers vom 2. Mai 2014 im Rahmen des § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV noch verwertbar, da die hierfür laufende fünfjährige Tilgungsfrist, gerechnet ab Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheids am 2. Dezember 2014, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b StVG im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanforderung noch nicht abgelaufen war (SächsOVG, Beschl. v. 25. Juli 2014 – 3 B 483/13 -, juris Rn. 5; vgl. Dauer, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 22, 55).

Anders als der Antragsteller mit seiner Beschwerde allein rügt, war die Gutachtenanforderung des Antragsgegners vom 26. November 2018 auch nicht im Hinblick auf die ihm bis zur Beibringung der MPU auf Grundlage von § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 FeV gesetzte Frist (3. Februar 2019) unverhältnismäßig, sondern angemessen. Danach teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat.

Zur Begründung trägt der Antragsteller zusammengefasst vor, es sei ihm in der gesetzten Frist unmöglich gewesen, das geforderte Gutachten beizubringen. Dies folge schon aus Nr. 8.2, wonach die Fahreignung nach Beendigung des Alkoholmissbrauchs voraussetze, dass die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt sei. Dieser Nachweis lasse sich in der ihm gesetzten Frist überhaupt nicht führen. Auch die Begutachtungsleitlinien gingen von einem anderen Zeitraum aus, um überhaupt eine positive Begutachtung erreichen zu können. Die Frist müsse in jedem Fall so bemessen werden, dass eine Begutachtung mit der Möglichkeit eines positiven Ergebnisses überhaupt möglich sei. Dies erfordere eine Fristsetzung von mindestens sechs Monaten. Nur wenn nach Ablauf einer so bemessenen Frist kein Gutachten mit einer positiven Prognose vorliege, sei die Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt.

Damit dringt der Antragsteller nicht durch. Er verkennt, dass die Angemessenheit der Fristsetzung bei einem Fahrerlaubnisinhaber, bei dem Zweifel an seiner Fahreignung infolge eines in der Vergangenheit liegenden Alkoholmissbrauchs gegeben sind, anders zu beurteilen ist als bei einem Antragsteller, der nach Entziehung seiner Fahrerlaubnis etwa infolge Alkoholmissbrauchs die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beantragt. Er verkennt den primären Zweck der Ermächtigung zu der Gutachtensanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV. Die Gutachtensanordnung gehört als Gefahrerforschungseingriff zu den Gefahrenabwehrmaßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten oder mangelnder Eignung verdächtigen Fahrerlaubnisinhabern zu ergreifen sind. Dieser Schutzauftrag ist im Hinblick auf die gegenwärtige potentielle Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen möglicherweise ungeeigneten Kraftfahrer mit der gebotenen Beschleunigung zu erfüllen und duldet keinen Aufschub bis zu einem entfernten Zeitpunkt in der Zukunft, zu dem ein solcher Fahrer die Fahreignung wiedererlangt haben mag. Auf einen derartigen Aufschub läuft aber die These des Antragstellers hinaus, dass einem des Alkoholmissbrauchs im dargelegten Rechtssinne verdächtigen Fahrerlaubnisinhaber eine Gutachtensbeibringung erst für einen Zeitpunkt abverlangt werden dürfe, für den er sein Trennungsvermögen wahrscheinlich dartun könne. Die Frist nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 FeV dient nicht dazu, dem Fahrerlaubnisinhaber die Möglichkeit einzuräumen, erst den Nachweis über die Beendigung des Alkoholmissbrauchs zu führen, bevor die Fahrerlaubnisbehörde Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen kann (vgl. VGH BW, Beschl. v. 24. Januar 2012 – 10 S 3175/11 -, juris Rn. 16; zur Gutachtensbeibringung nach Führen eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss: BayVGH, Beschl. v. 2. März 2009 – 11 CS 08.3159 – juris Rn. 14). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Anders als der Antragsteller meint, geht die Gutachtensanforderung in Fällen eines Alkoholmissbrauchs i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV auch nicht von vornherein ins Leere. Weder legt die Beschwerde nachvollziehbar dar, dass ein Termin zur Durchführung einer MPU innerhalb der gesetzten Frist nicht erreichbar gewesen ist, noch führt die Beschwerde Gründe an, weshalb ein derartige Eignungszweifel ausschließendes Ergebnis innerhalb der ihm gesetzten Frist zur Beibringung der MPU von vornherein generell ausgeschlossen gewesen sein soll. Jedenfalls sprechen die Begutachtungsleitlinien nicht dagegen, sondern dafür, dass solche Eignungszweifel durch eine MPU widerlegt werden können. Denn anders als bei festgestellter Alkoholabhängigkeit bedarf es beim Alkoholmissbrauch jedenfalls grundsätzlich keines Abstinenznachweises (vgl. Leitsätze zu 3.13 und 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – BL -, Stand: 3. Auflage 2018). Da beim Antragsteller jeweils keine extrem hohen Alkoholkonzentrationen im Blut oder im Atem festgestellt worden sind, liegt es auch nicht von vornherein auf der Hand, dass der Gutachter einen längerfristigen Abstinenznachweis verlangt hätte.

Das Ergebnis der MPU hängt in Fällen des § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV zunächst wesentlich von der medizinischen Untersuchung ab, nämlich ob sich beim Fahrerlaubnisinhaber verkehrsrelevante Leistungs- und Funktionsbeeinträchtigungen als Folgen früheren Alkoholmissbrauchs sowie – zur Abklärung der Problemausprägung – auf Grundlage einer medizinischen Untersuchung mittels direkten und indirekten Alkoholmarkern (vgl. Tabelle 1 zu 3.13.2 BL) ein weiterhin bestehender hoher Alkoholkonsum, insbesondere eine Alkoholabhängigkeit, ausschließen lassen. Des Weiteren ist erforderlich, dass die psychologische Untersuchung ergibt, dass der Fahrerlaubnisinhaber sein Alkoholtrinkverhalten, seitdem er das letzte Mal unter Alkoholeinfluss als Fahrzeugführer im Straßenverkehr aufgegriffen worden ist, bereits ausreichend stabil und motivational gefestigt geändert hat (vgl. Leitsätze zu 3.13.1 BL). Dies dürfte insbesondere dann glaubhaft sein, wenn der Betroffene behauptet, seither Alkoholabstinenz eingehalten zu haben, was durch Alkoholmarker getestet werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und folgt im Übrigen der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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