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Fahrerlaubnisentziehung wegen des Verdachts des Konsums von Amphetamin?

VG Saarland, Az.: 5 L 119/16, Beschluss vom 15.03.2016

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich gegen die Verfügung des Antragsgegners, mit der ihm unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis der Klassen B und C1E entzogen wurde, weil er ein angeordnetes ärztliches Gutachten nicht beigebracht hat.

I.

Dem 50 Jahre alten Antragsteller wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt vom 22.04.2005 – 67 Js 435/05 – die Fahrerlaubnis entzogen, nachdem er am 06.02.2005 einen Pkw geführt hatte, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke (1,39 ‰ BAK) nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen.

Am 16.05.2012 wurde ihm vom Antragsgegner die Fahrerlaubnis für die Klassen BE und C1E wiedererteilt.

Nach einer Mitteilung der Polizei wurden im Juli 2014 in dem vom Antragsteller regelmäßig benutzten Firmenfahrzeug Drogen gefunden. Nachdem der Richter im eingeleiteten Ermittlungsverfahren eine Blutprobe abgelehnt hatte, konnte weder der Drogenbesitz noch der Drogenkonsum nachgewiesen werden.

Am 06.03.2015 fand aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts B-Stadt vom 23.02.2015 beim Antragsteller eine Wohnungsdurchsuchung statt. In dem Durchsuchungsvermerk des Landespolizeipräsidiums heißt es u.a.:

„Durch die Wohnungstür gelangte man in den Flur der Wohnung. Durch diesen erreichte man im Uhrzeigersinn links ein Wohnzimmer mit offener Küche (ohne Küchenmöbel) und rechts ein Duschbad mit WC. Durch das Wohnzimmer gelangte man rechts in das Schlafzimmer.

Auf einem Stehtisch im Bereich der offenen Küche konnte

1 Brett mit weißen Anhaftungen, darauf liegend

1 IKK-Karte mit weißen Anhaftungen

1 Schniefröhrchen mit weißen Anhaftungen

aufgefunden und sichergestellt werden. Zwei RG-Vortests (ESA, DRUGWIPE) reagierten jeweils positiv auf Amphetamin.“

Die Staatsanwaltschaft B-Stadt stellte das Ermittlungsverfahren wegen Vergehens nach § 29 BtMG am 14.07.2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein: Der Nachweis einer konkreten Tat sei nicht zu führen. Gesichert erscheine allein, dass der Antragsteller Konsument von Amphetamin sei.

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Symbolfoto: AlexLMX/Bigstock

Der Antragsgegner erhielt davon gemäß MiStra Mitteilung und ordnete mit Schreiben vom 29.10.2015 eine ärztliche Untersuchung zur Überprüfung der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr an. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 06.03.2015 sei nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Amphetamin aufgefunden worden. Drogenbesitz könne ein Indiz für Eigenverbrauch sei. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV könne die zuständige Straßenverkehrsbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn der Betroffene Betäubungsmittel besitze oder besessen habe und somit Bedenken an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr bestünden. Gemäß § 11 FeV werde deshalb angeordnet, dass der Antragsteller bis zum 31.01.2016 ein ärztliches Gutachten des Rechtsmedizinischen Instituts der Universität des Saarlandes beizubringen habe. Der Antragsteller habe sich dort einer ärztlichen Untersuchung einschließlich einer Haar- und zwei Urinanalysen zu unterziehen. Die Haare müssten mindestens 3 cm lang sein. Die Begutachtungsstelle solle folgende Frage beantworten: „Werden oder wurden vom Antragsteller Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe eingenommen, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen?“ Bei Cannabiskonsum: „In welcher Konzentration können Cannabinoide bzw. deren Abbauprodukte nachgewiesen werden, die das Konsummuster für die Vergangenheit widerspiegeln?“ Sollte der Antragsteller mit der Untersuchung nicht einverstanden sein, müsse davon ausgegangen werden, dass er sich der Bestätigung seiner Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entziehen wolle. Die Fahrerlaubnisbehörde dürfe dann bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen. Das Schreiben wurde dem Antragsteller am 29.10.2015 zugestellt.

Am 02.11.2015 bestellte sich der Bevollmächtigte beim Antragsgegner und machte geltend, die getroffene Anordnung entbehre einer tragfähigen Rechtsgrundlage.

Mit Bescheid vom 24.02.2016 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges die Fahrerlaubnis und forderte ihn auf, seinen Führerschein innerhalb von 1 Woche nach Zustellung der Verfügung abzugeben. Zur Begründung ist in dem Bescheid u.a. ausgeführt, die Fahrerlaubnisbehörde könne beim Bekanntwerden von Tatsachen, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründeten, zur Vorbereitung von Entscheidungen vom Betroffenen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verlangen. Nach einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft B-Stadt sei bei einer beim Antragsteller durchgeführten Wohnungsdurchsuchung Amphetamin gefunden worden. Drogenbesitz könne ein Indiz für Eigenverbrauch sein. Deshalb bestünden Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV könne die Fahrerlaubnisbehörde beim widerrechtlichen Besitz von Betäubungsmitteln, die dem Betäubungsmittelgesetz unterlägen, die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen. Aus diesem Grund sei dem Antragsteller mit Schreiben vom 29.10.2015 die Beibringung eines solchen Gutachtens aufgegeben worden. Zur Vorlage sei ihm eine Frist bis zum 31.01.2016 gesetzt worden. Er sei mit der Anordnung darauf hingewiesen worden, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung schließen dürfe, wenn das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht werde. Da dies zutreffe, sei die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Die sofortige Vollziehung der Verfügung werde im öffentlichen Interesse angeordnet, um die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrzeugführern zu schützen. Die aufschiebende Wirkung eines möglichen Rechtsbehelfs hätte zur Folge, dass die durch die Nichteignung eines Fahrzeugführers begründeten Gefahren für die Allgemeinheit bis zur Rechtskraft der Entscheidung weiterhin bestünden. Deshalb sei es dringend erforderlich, Kraftfahrern, die wegen Betäubungsmittelkonsums nicht mehr in der Lage seien, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, so schnell als möglich aus dem öffentlichen Straßenverkehr zu entfernen.

Gegen den Bescheid vom 24.02.2016 erhob der Antragsteller am 29.02.2016 Widerspruch. Am selben Tag gab er seinen Führerschein beim Antragsgegner ab.

Am 29.02.2016 hat der Antragsteller bei Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Zur Begründung macht er geltend, die Anordnung des Sofortvollzugs sei bereits nicht ausreichend begründet. Darüber hinaus bestehe kein überwiegendes Vollzugsinteresse. Es gebe keinen hinreichend konkreten Verdacht, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei und deshalb andere Verkehrsteilnehmer so sehr gefährde, dass der Ausgang des Hauptverfahrens nicht abgewartet werden könne. Er sei nicht drogenabhängig und das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Ein Nachweis für einen Konsum von Drogen (Amphetamin) sei zu keiner Zeit erbracht worden. Der Antragsgegner hege allein aufgrund des vermeintlichen Besitzes einen entsprechenden Verdacht. Allerdings habe er keine Drogen besessen. In seiner Wohnung sei kein Amphetamin gefunden worden. Allein an einem Gegenstand in seiner Wohnung seien Anhaftungen von Rückständen von Amphetamin gefunden worden. Dabei sei aber nicht berücksichtigt worden, dass möglicherweise sein Mitbewohner für die Amphetamin-Anhaftungen verantwortlich sei. Deshalb habe der Antragsgegner von ihm nicht die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verlangen dürfen. Der Antragsgegner habe auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass er bisher unfallfrei gefahren sei und keine Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen habe.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14.03.2016 macht er geltend, die bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundene Karte mit Rückständen von Amphetamin habe seiner (namentlich nicht bezeichneten) Freundin gehört, die zumindest zeitweise in der Wohnung gewohnt habe. Das habe er seinerzeit im Ermittlungsverfahren nicht offenbart, um sie zu schützen. Die Bezeichnung der Freundin in der Antragsschrift vom 29.02.2016 als „einen Mitbewohner“ habe auf einem Missverständnis beruht. Aufgrund des damaligen Fundes der Karte sei er von der Polizei vorgeladenen und auf der Wache gefragt worden, ob er sich einem Drogenschnelltest unterziehen wolle. Damit sei er einverstanden gewesen. Der Abstrich an der Stirn sei negativ gewesen. Die Polizisten hätten das Testergebnis allerdings trotz seines Protestes nicht zur Akte genommen. Zu den Vorfällen am 10. bzw. 17.07.2014 sei vorzutragen, dass Ausgangspunkt der Ermittlungen die Anzeige eines Zeugen gewesen sei, der im Firmenfahrzeug eine etwa 20 Jahre alte Person beim Drogenkonsum gesehen haben wolle. Er habe sodann der Polizei das von mehreren Mitarbeitern benutzte Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Von Drogen habe er nichts gewusst. Der Staatsanwalt habe keine weiteren Maßnahmen gegen ihn eingeleitet, weil eine 20 Jahre alte Person verdächtig gewesen sei, während er 50 Jahre alt sei.

Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 24.02.2016 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er verteidigt seine Entscheidung. Soweit der Antragsteller nunmehr vortrage, es sei nicht erwiesen, dass er und nicht sein damaliger Mitbewohner Besitzer der Gegenstände gewesen sei, an denen die Anhaftungen von Amphetamin gefunden worden seien, stelle das eine reine Schutzbehauptung dar. Dass es überhaupt einen Mitbewohner gegeben habe, sei nicht bekannt und auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht vorgetragen worden. Laut Einwohnermeldebehörde sei in der Wohnung auch keine weitere Person gemeldet. Zudem sei der Begriff des Drogenbesitzes weit auszulegen, Mitbesitz genüge. Werde in einer gemeinsamen Wohnung Amphetamin gefunden und könne es nicht einem der Mitbewohner zugeordnet werden, sei die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt, von allen Mitbewohnern die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verlangen. Deshalb sei die Anordnung vorliegend rechtmäßig. Zudem treffe es nicht zu, dass der Antragsteller nicht bereits durch Verstöße im Straßenverkehr aufgefallen sei. Nach der vorliegenden Mitteilung der Polizeiinspektion St. Ingbert vom 17.07.2014 sei in dem vom Antragsteller benutzten Firmenfahrzeug bei einer Überprüfung am 10.07.2014 loses weißes Pulver aufgefunden worden, das bei einem Drogenvortest positiv auf Amphetamin, Kokain und Metamphetamin reagiert habe. Weiter seien ein Strohhalm und eine Casino-Guthabenkarte mit weißen, pulverigen Anhaftungen gefunden und sichergestellt worden. Am selben Tag sei er beobachtet worden, wie er in dem Pkw weißes Pulver durch ein Röhrchen gesnifft habe.

Auch die Anordnung des Sofortvollzugs sei rechtmäßig. Der Antragsteller stelle eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar.

II.

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines fristgerecht eingelegten Widerspruchs gegen die kraft behördlicher Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis und die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins sowie die kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 20 Satz 1 AGVwGO sofort vollziehbare Zwangsmittelandrohung begehrt, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die vom Gericht zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich danach, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung schriftlich hinreichend begründet wurde (§ 80 Abs. 3 VwGO) und ob es gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs schwerer wiegt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Im Rahmen der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand offensichtlich aussichtslos ist; umgekehrt überwiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.1

Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet, indem er darauf abgestellt hat, dass dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer der Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers gebühre, bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit ein Fahrzeug zu führen. Im Bereich des Verkehrsrechts ergibt sich in Fällen der vorliegenden Art das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsaktes selbst maßgebend sind.2 Demgemäß ist es im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem § 3 StVG gehört, insoweit zulässig, auf die typische Interessenlage abzustellen. § 3 StVG gehört zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für typische Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfällt und sich die Behörde bei der Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken kann, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist. Dementsprechend ist auch den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bereits dann genügt, wenn die Begründung der Anordnung – wie vorliegend – erkennen lässt, dass die Behörde diese Gesichtspunkte bei ihrer Interessenabwägung berücksichtigt hat.3

Weiter ist davon auszugehen, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 24.02.2016 nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Aussicht auf Erfolg hat, da der Entzug der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig erscheint.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers sind die §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

Der Antragsgegner ist aller Voraussicht nach zutreffend von der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs ausgegangen. Er hat ihn auf der Grundlage von §§ 3 StVG, 46 FeV i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV deshalb als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen, weil er das von ihm geforderte fachärztliche Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes nicht fristgerecht beigebracht hat.

Der Antragsgegner durfte vorliegend auch nach § 11 Abs. 8 FeV von der fehlenden Kraftfahreignung des Antragstellers ausgehen. Nach Satz 1 dieser Regelung darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dies setzt voraus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anforderung eines solchen Gutachtens vorlagen.4

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen (Satz 2). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FeV) an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Sie kann nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn der Betroffene Betäubungsmittel besitzt oder besessen hat und somit Bedenken an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr bestehen.

Die §§ 11 bis 14 FeV sind nach § 46 Abs. 3 FeV entsprechend anzuwenden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist.

Gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist im Fall der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) davon auszugehen, dass im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr besteht. Im Hinblick darauf rechtfertigt nach der gefestigten Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte bereits der einmalige Konsum sog. harter Drogen, zu denen auch Amphetamin gehört, grundsätzlich die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.5

Der Verordnungsgeber stellt in Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV im Hinblick auf harte Drogen – anders als bei Cannabis – allein auf die Einnahme als solche und nicht auf deren Häufigkeit ab. Die hierin zum Ausdruck kommende Strenge ist in der Aufnahme des jeweiligen Betäubungsmittels im Katalog des Betäubungsmittelgesetzes bzw. der besonderen Gefährlichkeit der Einnahme dieser Droge begründet. Es ist nämlich jederzeit möglich, dass ein Konsument von Amphetaminen im Zustand drogenbedingt reduzierter Steuerungsfähigkeit am Straßenverkehr teilnimmt. Der damit einhergehenden Straßenverkehrsgefährdung kann wirksam nur durch die Entziehung der Fahrerlaubnis begegnet werden. Dabei wird dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Genüge getan, dass die Bewertung der fehlenden Fahreignung bei Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (ausgenommen Cannabis) nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV nur für den Regelfall gilt. Mithin ist auch bei einem einmaligen oder nur gelegentlichen Konsum einer Droge wie Amphetamin auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis in der Regel zu entziehen. Des Nachweises einer Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen oder auch nur gelegentlichen Konsums bedarf es nicht. Ebenso wenig hängt der im Regelfall gerechtfertigte Schluss auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen davon ab, dass der Drogenkonsument im berauschten Zustand am Straßenverkehr teilgenommen hat oder konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit bei diesem zu verzeichnen waren.6

Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen hinreichend konkrete Verdachtsmomente bekannt sein, die einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. Ein bloßer Verdacht reicht nicht. Ein Gutachten ist nur anzuordnen, wenn Zweifel bestehen, ob einer der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 FeV gegeben ist. Ist dagegen das Vorliegen einer dieser Sachverhalte erwiesen, ist für eine Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV kein Raum; die Nichteignung steht dann (außer bei gelegentlichem Cannabiskonsum) ohne Gutachtenanforderung fest (§ 11 Abs. 7 FeV).7 Der bloße Besitz von in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV genannten Betäubungsmitteln rechtfertigt noch nicht die Annahme der Einnahme. Werden aber neben dem Besitz von Betäubungsmitteln auch Konsumutensilien oder sonstige Gegenstände mit Bezug zum Konsum aufgefunden, so begründen diese Umstände in ihrer Gesamtschau die Annahme, dass der Betreffende selbst auch diese Betäubungsmittel konsumiert.

Im Falle des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV muss der widerrechtliche Besitz von Betäubungsmitteln feststehen; hinreichend konkrete Verdachtsmomente für den Besitz reichen nicht. Über den Besitz hinausgehende Anhaltspunkte sind nicht erforderlich, dann wäre § § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV einschlägig. Zweck der Gutachtenanordnung ist die Klärung, ob Drogen konsumiert werden. Drogenbesitz kann ein Indiz für Eigenverbrauch sein. Die Fahrerlaubnisbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen und kann auf die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens auch verzichten, wenn etwa ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene selbst Konsument ist („nur“ Dealer).

Auf dieser Grundlage spricht nichts gegen die Rechtmäßigkeit der vom Antragsgegner getroffenen Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin. Dabei kann dahinstehen, ob bereits die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV vorliegen, die die Anordnung zwingend gebietet, oder aber „nur“ die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV, die die Anordnung in das Ermessen der Behörde stellt.

Für die Annahme, dass der Antragsteller Amphetamin und damit ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV) bzw. ein solches Betäubungsmittel widerrechtlich besessen hat (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FeV), gibt es vorliegend – unabhängig von Feststellungen der Polizei im Juli 2014 – aufgrund des Durchsuchungsvermerks des Landespolizeipräsidiums vom 06.03. 2015 hinreichend konkrete Hinweise, als dort ein Brett sowie ein Schniefröhrchen mit weißen Anhaftungen aufgefunden wurden, die bei zwei Drogenvortesten positiv auf Amphetamin reagierten. Auch für die Staatsanwaltschaft B-Stadt, die das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Drogenbesitzes am 14.07. 2015 mangels Nachweises nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat, erschien „gesichert“, dass der Antragsteller Konsument von Amphetamin ist, weil dort die entsprechenden Konsumutensilien mit Amphetamin-Anhaftungen aufgefunden wurden.

Die ursprüngliche Einlassung des Antragstellers, „dass möglicherweise der Mitbewohner der damaligen Wohnung als derjenige Täter in Betracht kommt, auf den die gefundenen Amphetamin-Anhaftungen zurückzuführen sind“, hat der Antragsgegner zutreffend als bloße Schutzbehauptung gewertet, weil es bereits ansatzweise keine Hinweise auf einen Mitbewohner der Wohnung gibt. Weder sei ein solcher beim Einwohnermeldeamt gemeldet noch habe der Antragsteller dies zuvor bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft auch nur behauptet. Auch der zitierte Durchsuchungsvermerk lässt nicht im Ansatz erkennen, dass die Wohnung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Durchsuchung einen Mitbewohner hätte haben können. Die „Korrektur“ des Antragstellers im Schriftsatz vom 14.03.2016, bei dem „Mitbewohner“ habe es sich um die (namentlich nicht benannte) „Freundin“ gehandelt, die „zumindest zeitweise“ in der Wohnung gewohnt habe, ändert an dieser Einschätzung nichts.

Weiterhin hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begriff des Drogenbesitzes im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV weit auszulegen ist und Mitbesitz genügt. Wird in einer gemeinsamen Wohnung Amphetamin gefunden und kann es nicht einem der Mitbewohner zugeordnet werden, ist die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt, von allen Mitbewohnern die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verlangen.8 Damit lagen die Voraussetzungen für die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens vor.

Daher war der Antragsgegner nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV berechtigt, zur Abklärung der Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes zur Beantwortung der Fragen anzuordnen, ob von ihm Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe eingenommen wurden oder werden, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen, im Falle des Cannabiskonsums, in welcher Konzentration Cannabinoide bzw. deren Abbauprodukte nachgewiesen werden können, die das Konsummuster für die Vergangenheit widerspiegeln.

Die Anordnung genügt den Erfordernissen des § 11 Abs. 6 FeV und enthält auch den von § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV gebotenen Hinweis auf die Folgen der Nichtbeibringung des Gutachtens.

Da der Antragsteller das angeordnete Gutachten nicht innerhalb der Frist beigebracht und auch keine Hinderungsgründe dargetan hat, durfte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr schließen.

Aus diesem Grund muss es bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zumindest so lange bleiben, bis der Antragsteller nachgewiesen hat, dass er tatsächlich kein Amphetamin (mehr) konsumiert.

Auch die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV gestützte Anordnung der Ablieferung des Führerscheins ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen ersichtlich vor, nachdem die Entziehung der Fahrerlaubnis für sofort vollziehbar erklärt wurde und es nach den vorstehenden Ausführungen beim Sofortvollzug verbleiben muss. Allerdings hat der Antragsteller seinen Führerschein auch umgehend beim Antragsgegner abgeliefert.

Damit ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2013). Danach ist für die Fahrerlaubnisklassen B und C1E, die die übrigen Klassen mit erfassen, jeweils der Auffangwert von 5.000,00 € anzusetzen. Das ergibt für ein Hauptsacheverfahren den Betrag von 10.000,00 €. Dieser Wert ist in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes mit der Hälfte festzusetzen.

Fußnoten

1)

vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 Rdnr. 158

2)

OVG des Saarlandes, Beschluss vom 07.05.2008, 2 B 187/8; VG des Saarlandes, Beschlüsse vom 28.07.2011 – 10 L 558/11 –, vom 20.01.2012 – 10 L 1872/11 – und vom 27.10.2014 – 6 L 961/14 –

3)

VG des Saarlandes, Beschluss vom 28.03.2008 – 10 L 24/08 – unter Hinweis auf OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.02.2008 – 1 B 8/08 –

4)

Vgl. BVerwG, u. a. Urteile vom 11.12.2008, 3 C 26.07, NJW 2009, 1689, und vom 09.06.2005, 3 C 25.04, DVBl. 2005, 1337, m. w. N.

5)

Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.06.2009 – 1 B 373/09 – und vom 29.05.2009, 1 A 31/09; ferner Beschlüsse des Gerichts vom 04.08.2011 -10 L 489/11 – und vom 02.05.2014 – 6 L 481/14 -, m.w.N.

6)

Vgl. dazu OVG des Saarlandes, u.a. Beschlüsse vom 26.06.2009 und vom 29.05.2009, a.a.O.; Urteil des Gerichts vom 16.11.2011 – 10 K 488/11 -; ebenso VGH München, Beschluss vom 23.04.2008, 11 CS 07.2671, juris

7)

Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 14 FeV Rdnr. 11

8)

VG des Saarlandes, Beschluss vom 09.08.2011 – 10 L 540/11 -, bestätigt durch OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.09.2011 – 1 B 345/11 –

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