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Fahrerlaubnisentziehung -Nichtvorlage geforderter medizinisch-psychologischen Gutachten

VG Ansbach – Az.: AN 10 S 19.01541 – Beschluss vom 02.10.2019

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Landratsamts …… vom 8. Juli 2019, mit dem ihm die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen und er aufgefordert wurde, seinen Führerschein unverzüglich abzugeben.

Dem Antragsteller wurde erstmalig eine Fahrerlaubnis der Alt-Klasse 3 am 17. November 1977 durch das Landratsamt …… erteilt. Die Fahrerlaubnis wurde am 20. April 1978 durch die Alt-Klasse 1 erweitert.

Durch Mitteilung der Polizei …… vom 5. September 2018 erhielt das Landratsamt …… Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 31. Juli 2018 ein Fahrrad im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,67 Promille führte.

Diesen Sachverhalt nahm das Landratsamt …… zum Anlass, den Antragsteller mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 aufzufordern, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung bis spätestens 8. Februar 2019 vorzulegen. Das Gutachten sollte folgende Fragestellungen klären:

Ist zu erwarten, dass der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird? Insbesondere ist hierbei zu klären, ob die Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad am 31. Juli 2018 Ausdruck eines Kontrollverlustes war, der genauso gut zu einer Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug führen kann.

Ist zu erwarten, dass der Antragsteller bei gegebenenfalls fortbestehendem erhöhtem Alkoholkonsum glaubhaft eine Vermeidungsstrategie entwickelt hat, die es ausschließt, dass er in alkoholisiertem Zustand ein Kraftfahrzeug führen wird?

Am 2. Januar 2019 wurde der zum Zwecke der Begutachtung erforderliche Führerscheinakt samt Untersuchungsauftrag an die TÜV…………… GmbH übermittelt. Mit Schreiben vom 8. Februar 2019 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass dieser erst am 15. Februar 2019 einen Termin zur Begutachtung erhalten hätte und bat um Fristverlängerung. Die Vorlagefrist wurde daher mit Schreiben vom 21. Februar 2019 bis zum Abschluss der Begutachtung beim TÜV …… verlängert. Der Führerscheinakt wurde am 4. März 2019 wieder an das Landratsamt …… zurückgereicht.

Der Antragsteller legte dem Landratsamt …… nach Eingang des Führerscheinaktes am 4. März 2019 nicht zeitnah ein der Anordnung entsprechendes Gutachten vor. Daraufhin wurde er mit Schreiben vom 23. April 2019 von der bevorstehenden Entziehung seiner Fahrerlaubnis in Kenntnis gesetzt und ihm die Möglichkeit zur Äußerung bis einschließlich 6. Mai 2019 gegeben.

Mit Schreiben vom 30. April 2019 brachte der Bevollmächtigte des Antragstellers vor, dass der Antragsteller mit der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht einverstanden sei. Er sei damals nicht mit dem Fahrrad gefahren, er sei nur in der Nähe des Fahrrads gestanden.

Am 8. Juli 2019 erließ das Landratsamt …… den streitgegenständlichen Bescheid, mit welchem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge aller Klassen entzogen wurde (Ziffer 1). Außerdem wurde der Antragsteller verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Bescheids, beim Landratsamt …… – Fahrerlaubnisbehörde – abzugeben (Ziffer 2), andernfalls wurde ihm unmittelbarer Zwang angedroht (Ziffer 4). Weiterhin wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 angeordnet (Ziffer 3). Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 10. Juli 2019 zugestellt. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV dann anzuordnen sei, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr bewege. Das geforderte Gutachten sei nicht vorgelegt worden. Man habe deshalb nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen dürfen.

Nachdem der Antragsteller der Aufforderung, seinen Führerschein abzugeben, nicht nachgekommen ist, wurde mit Schreiben des Landratsamts …… vom 17. Juli 2019 die Polizeiinspektion …… um die zwangsweise Einziehung des deutschen Führerscheins gebeten. Bei dem Eintreffen der Polizeibeamten an der Wohnanschrift des Antragstellers am 20. Juli 2019 händigte dieser seinen Führerschein freiwillig an die eingesetzten Polizeibeamten aus.

Mit Schriftsatz vom 9. August 2019 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben. Gleichzeitig beantragte er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung anzuordnen bzw. wiederherzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Bescheid des Landratsamts

…… rechtwidrig sei. Dem Antragsteller sei nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Der Antragsteller sei nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Selbst wenn der Antragsteller am 31. Juli 2018 unter dem Einfluss alkoholischer Getränke gestanden haben sollte, so hätte dies die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt. Dies gelte umso mehr, als nicht bewiesen sei, dass der Antragsteller tatsächlich alkoholisiert mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen habe. Eine strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers wegen eines derartigen Vorwurfs sei nicht erfolgt. Die Fahrerlaubnisentziehung stelle für den Antragsteller eine nicht zumutbare Härte dar. Der Antragsteller sei dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange sei nicht anzunehmen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei deshalb nicht aufgrund eines öffentlichen Interesses erforderlich. Eine Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Antragsteller nehme das Landratsamt zu Unrecht an. Diesbezüglich sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet worden. Eine Benutzung eines Kraftfahrzeugs in alkoholisiertem Zustand liege nicht vor. Es könne kein berechtigter Grund zu der Befürchtung bestehen, dass bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs durch den Antragsteller andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder geschädigt werden können. Es sei dem Antragsgegner zuzumuten, den Ausgang des Gerichtsverfahrens abzuwarten und bis dahin die aufschiebende Wirkung anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei somit auch rechtswidrig. Im Bescheid vom 8. Juli 2019 sei die Rede davon, dass die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Damit gebe das Landratsamt zu erkennen, dass es einen Entscheidungsspielraum der Behörde im vorliegenden Fall als nicht gegeben gesehen habe. Hier verkenne das Landratsamt …… jedoch die Rechtslage. Die Fahrerlaubnisentziehung sei keineswegs zwingend gewesen. Eine erwiesene Nichteignung des Antragstellers habe das Landratsamt nicht annehmen müssen, und eine solche habe es auch nicht annehmen dürfen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wären gegebenenfalls Auflagen als mildere Mittel anzuordnen gewesen. Das Landratsamt hätte die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens in dem streitgegenständlichen Fall überhaupt nicht verlangen dürfen. Die entsprechende Anordnung sei rechtswidrig gewesen. Aus der Nichtvorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens habe das Landratsamt nicht auf die Nichteignung des Antragstellers schließen dürfen.

Mit Schreiben vom 16. August 2019 beantragte das Landratsamt ……, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtmäßig gewesen, sodass aufgrund der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden durfte. Ein Ermessen habe der Fahrerlaubnisbehörde hinsichtlich der Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV nicht zugestanden. Auch sei die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG sowie § 46 Abs. 1 FeV zwingend zu entziehen gewesen, ohne dass dem Landratsamt … hierbei noch ein Ermessensspielraum zugestanden hätte. Lediglich der Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers gemäß § 11 Abs. 8 FeV liege nach dem Wortlaut der Vorschrift im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Es sei jedoch nicht ersichtlich, was die durch § 11 Abs. 8 FeV vorgezeichnete Entziehung der Fahrerlaubnis im vorliegenden Fall infrage stellen könnte.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antragsteller begehrt nach Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Ablieferungspflicht seines Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 VwGO verbunden mit der Anordnung der Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung der verfügten Ablieferungspflicht des Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Der Antrag wird weiter dahingehend ausgelegt, dass er sich nicht auf die Zwangsmittelandrohung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht, da der Führerschein des Antragstellers bereits zu den Akten gelangt ist und die Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheids insoweit schon erfüllt ist.

Der so verstandene Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid vom 8. Juli 2019 entspricht den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug in ausreichender Form begründet wurde. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Landratsamt ausführt, dass im vorliegenden Fall Grund zur Befürchtung bestehe, dass bei der weiteren Benutzung eines Kraftfahrzeugs andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder geschädigt werden könnten. Leben und Gesundheit seien aber so hochwertige Güter, dass auch die Möglichkeit einer Gefährdung oder Schädigung ausgeschlossen werden müsse. Nach alledem sei das öffentliche Interesse daran, dass die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung eingezogen wird, so gewichtig, dass demgegenüber die Privatinteressen am Erhalt der Fahrerlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zurücktreten müssten. Da es sich beim Fahrerlaubnisrecht um einen besonderen Teil des Sicherheitsrechts handelt, entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass es für die Anordnungsbehörde ausreicht, die typische Interessenlage dieser Fallgruppe aufzuzeigen und auszuführen, dass im Falle möglicherweise ungeeigneter Fahrzeugführer ein Ausschluss an der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr wegen der davon ausgehenden akuten Gefahr schnellstmöglich anzuordnen ist. Auch bezüglich der Abgabe des Führerscheins wurde der Sofortvollzug hinreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Insoweit wurde in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass bei Nichtabgabe des Führerscheins die nicht auszuschließende Gefahr des Missbrauchs durch dessen Vorzeigen bei eventuellen Verkehrskontrollen bestehe.

2. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch im Übrigen (materiell) rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

Im vorliegenden Fall eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erhebliche Bedeutung. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.

Nach der in diesem Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 FeV vor, sodass der Bescheid des Landratsamts vom 8. Juli 2019 zu Recht ergangen ist, weswegen die vom Antragsteller erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Nach § 11 Abs. 8 FeV darf die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung eines Betroffenen dann schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis aber ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, so ist ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Dem geht voraus, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV dann, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder die geistige Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers begründen, zur Vorbereitung von Entscheidungen auch über einen Fahrerlaubnisentzug, die Beibringung eines Gutachtens anordnen kann. Solche Bedenken gegen die Eignung bestehen insbesondere dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 der FeV hinweisen. Ist dies der Fall und bringt der Betreffende das Gutachten nicht oder nicht fristgerecht bei, so darf die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit schließen, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, d.h. insbesondere verhältnis-mäßig und anlassbezogen im Sinne von § 11 Abs. 6 FeV ausgefallen ist (BVerfG, Urteil vom 5.7.2001, Az.: 3 C 13.01, juris).

Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Gutachtensanforderung sind vorliegend entgegen der Einwendungen der Antragstellerseite zweifelsfrei gegeben.

Die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens genügt den sich aus § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen. Diesbezügliche Mängel wurden von Seiten des Antragstellers auch nicht geltend gemacht. Der Antragsteller war insbesondere auch über die Folgen der Nichtbeibringung des Gutachtens informiert worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

Auch die materiellen Voraussetzungen liegen vor.

Im vorliegenden Fall, in dem Eignungszweifel bei einer Alkoholproblematik bestehen, geht § 13 FeV als Spezialgesetz der allgemeinen Norm des § 11 FeV vor, soweit dort Voraussetzungen der Anordnung unter anderem eines medizinisch-psychologischen Gutachtens geregelt werden. Danach ist von der Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (§ 13 Satz 1 Nr. 2c FeV). Ein Ermessen ist der Behörde diesbezüglich nicht eingeräumt (st. Rspr., vgl. Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, Rn. 17 m.w.N.). Weitere Voraussetzungen bestehen für die entsprechende Gutachtensanordnung nicht, insbesondere müssen keine weiteren Zusatztatsachen vorliegen.

Hier sind die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV gegeben, da der Antragsteller ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,67 Promille führte. Auch bei einem Fahrrad handelt es sich um ein Fahrzeug in diesem Sinne, da der Wortlaut des § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV gerade nicht ein Kraftfahrzeug, sondern lediglich ein Fahrzeug voraussetzt. Grund dafür ist nicht nur, dass auch betrunkene Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährden können. Wenn jemand im Zustand derart hoher Alkoholisierung am Straßenverkehr mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug teilgenommen hat, besteht vielmehr zumindest die Gefahr, dass er dies auch mit einem Kraftfahrzeug tun könnte, weil er nämlich mit der Alkoholfahrt – wie vorliegend mit einem Fahrrad – gezeigt hat, dass er im Zustand der Alkoholisierung nicht mehr in der Lage war, seiner Verantwortung als Verkehrsteilnehmer gerecht zu werden und das Trinken von Alkohol und die Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen (VG München, B.v. 3.2.2012 – 6b S 11.5154, juris Rn. 24).

Das Vorbingen des Antragstellers, dass er das Fahrrad nur geschoben habe, wird als bloße Schutzbehauptung gewertet. Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte bereits im Schreiben vom 28. Dezember 2018 mit, sein Mandant sehe ein, dass er bei der Fahrt mit dem Fahrrad am 31. Juli 2018 einen großen Fehler gemacht habe. Dies sei ihm jetzt absolut klar und das werde nicht mehr vorkommen. Mit Schreiben vom 30. April 2019 berief sich der Bevollmächtigte des Antragstellers hingegen darauf, dass dieser nicht mit dem Fahrrad gefahren sei, sondern nur in der Nähe des Fahrrads gestanden habe. Auch die Tatsache, dass es wegen des Vorfalls zu keiner strafrechtlichen Verurteilung gekommen ist, spricht nicht gegen die Annahme, dass der Antragsteller tatsächlich mit dem Fahrrad gefahren ist und dieses nicht nur geschoben hat. Das Strafverfahren wurde zwar eingestellt. Allerdings erfolgte die Einstellung nicht wegen mangelnden hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO, sondern nach § 153a StPO, welcher das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts voraussetzt. Die Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO bringt keineswegs zum Ausdruck, dass der Tatverdacht ausgeräumt wäre. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob von der Strafverfolgung unter Auflagen abgesehen werden kann, weil die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Die Rechtsfrage, ob überhaupt ein Straftatbestand erfüllt ist, muss geklärt werden; die Anwendung des § 153a StPO gegenüber einem möglicherweise Unschuldigen ist untersagt. Es muss mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung ausgegangen werden können. Nur dann ist die Übernahme besonderer Pflichten zumutbar (BayVGH, B.v. 24.3.2014 – 11 CE 14.11, juris Rn. 16).

Die Fragestellung in der Gutachtensanforderung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie ist anlassbezogen und verhältnismäßig. Nach § 11 Abs. 6 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Diese gesetzliche Forderung ist Ausfluss des in Art. 20 Abs. 3 GG festgelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und verbietet es grundsätzlich, nicht anlassbezogene und somit zu weit gefasste Fragestellungen zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Vorliegend hat das Landratsamt bei der Formulierung der Gutachtensfragestellung nicht gegen diesen Grundsatz verstoßen. Die gesamte Fragestellung in der Gutachtensbeibringungsanordnung verfolgte das Ziel abzuklären, ob hinsichtlich des Antragstellers ein die Fahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV gegeben ist. Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn liegt demnach vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann.

Das mithin formell und materiell rechtmäßig angeordnete Gutachten hat der Antragsteller – ohne dass hierfür hinreichende Gründe ersichtlich sind – zweifelsfrei nicht beigebracht, sodass die Behörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV zu Recht auf seine fehlende Eignung geschlossen hat. Der Fahrerlaubnisbehörde stand für die Frage, ob sie aufgrund der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 FeV schließt, kein Ermessen zu. Trotz Verwendung des Wortes „darf“ räumt § 11 Abs. 8 FeV der Fahrerlaubnisbehörde kein Ermessen ein; die Vorschrift enthält vielmehr einen Grundsatz der Beweiswürdigung (Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 51 m.w.N). Die Fahrerlaubnisbehörde musste demnach die Nichteignung des Antragstellers annehmen.

Aufgrund der fehlenden Eignung des Antragstellers war die Fahrerlaubnisbehörde nach §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV verpflichtet, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Auch insoweit stand der Fahrerlaubnisbehörde – entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers – keinerlei Ermessen zu. Bei festgestellter Ungeeignetheit ist der Fahrerlaubnisentzug zwingend. Billigkeitserwägungen wie das Angewiesensein auf den Führerschein – auch zur Berufsausübung – können nicht entgegen gebracht werden.

Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 8. Juli 2019 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis ist damit rechtmäßig.

Dies hat zur Folge, dass auch die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Abgabeverpflichtung bezüglich des Führerscheins gemäß §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV rechtmäßig ist.

Aufgrund der insgesamt negativen Prognose hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage überwiegt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO war daher abzulehnen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 46.1, 46.3, 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung des Jahres 2013.

 

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