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Fahrerlaubnisentziehung wegen hohem Aggressionspotenzial

VG Gelsenkirchen – Az.: 7 L 2603/16 – Beschluss vom 19.01.2017

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 7491/16 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18. Oktober 2016 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis kommt nur in Betracht, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Antragstellers an dem einstweiligen Nichtvollzug gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig erscheint. Dabei wird ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig dann angenommen, wenn der zu beurteilende Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig und ein besonderes Vollzugsinteresse gegeben ist, während ein überwiegendes Interesse des Betroffenen am vorläufigen Nichtvollzug in der Regel zu bejahen ist, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig erweist. Ist die Verfügung weder offensichtlich rechtmäßig noch offensichtlich rechtswidrig, ist eine Abwägung der sonstigen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen vorzunehmen.

Fahrerlaubnisentziehung wegen hohem Aggressionspotenzial
(Symbolfoto: Von Lopolo/Shutterstock.com)

Letzteres ist hier geboten, da die Kammer auf der Grundlage der vorliegenden, sich aus dem Verwaltungsvorgang und der Gerichtsakte ergebenden Erkenntnisse eine abschließende rechtliche Bewertung nicht vorzunehmen vermag. Allerdings stellt sich die angefochtene Verfügung nicht als offensichtlich rechtswidrig dar. Es spricht bei summarischer Prüfung nämlich einiges für die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers, weil dieser das angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat und die Antragsgegnerin daher auf seine mangelnde Kraftfahreignung schließen durfte (vgl. § 11 Abs. 8 FeV). Denn es ist jedenfalls nicht fernliegend, dass die Antragsgegnerin aufgrund der im polizeilichen Führungszeugnis des Antragstellers ersichtlichen Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie vorsätzlicher Körperverletzung (Amtsgericht E. , Urteile vom 6. Juli 2015 – 300 Js 153/15 607 Ds 73/15 – und vom 5. Januar 2016 – 103 Js 727/15 720 Ds 864/15 -) Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential beim Antragsteller sehen durfte, und sie deshalb berechtigt war, zur Klärung von Eignungszweifeln die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen (vgl. §§ 46 Abs. 3, 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV). Ob diese von der Antragsgegnerin in den Blick genommenen Straftaten für die Annahme eines hohen Aggressionspotentials und damit für die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Beibringung eines Gutachtes letztlich ausreichen, bedarf – ggf. unter Hinzuziehung weiterer (Straf-)Akten – einer vertieften Prüfung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

Lassen sich nach alledem die Erfolgsaussichten der Klage gegen die angefochtene Ordnungsverfügung nicht abschließend beurteilen, kann über den Fortbestand der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung nur anhand einer allgemeinen, d.h. vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängigen Interessenabwägung entschieden werden. Dabei sind unter besonderer Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt wird, sich die angefochtene Verfügung aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die sich ergeben, wenn es bei einer sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung verbleibt und sich später herausstellt, dass diese Verfügung rechtswidrig ist.

OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Januar 2017 – 16 B 1321/16 -, und vom 2. Februar 2016 – 16 B 1267/15 -, juris, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, juris, Rn. 23 ff.

Diese Abwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Zu seinen Gunsten ist zwar zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Entziehung der Fahrerlaubnis ein ganz erheblicher Verlust an persönlicher Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit sowie die Verkehrssicherheit an sich. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz einer im Raum stehenden Ungeeignetheit wegen eines (zu) hohen Aggressionspotentials vorläufig weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. In diesem Zusammenhang ist bei der hier vorzunehmenden offenen Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass über die der Gutachtenanforderung zugrunde liegenden Straftaten hinaus (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung am 26. Februar 2015 sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte am 16. Juli 2015) weitere polizeiliche Auffälligkeiten des Antragstellers zu verzeichnen sind, welche ebenfalls Fragen hinsichtlich seines Aggressionspotentials aufwerfen (vgl. dazu die Auflistung im Schreiben des Polizeipräsidiums E. vom 4. Januar 2017).

Bei der Abwägung dieser widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wiedergutzumachende Schaden für die zuvor genannten hohen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.

Vor diesem Hintergrund begegnet auch die in der Ordnungsverfügung enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) keinen Bedenken. Schließlich kommt auch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung nicht in Betracht. Sie entspricht den Anforderungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW und soll sicherstellen, dass der Ordnungsverfügung hinsichtlich der Pflicht zur Abgabe des Führerscheins Folge geleistet wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG und entspricht der Rechtsprechung des OVG NRW bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren.

Vgl. Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 -,juris.

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