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Verkehrssicherheit gegen Religionsfreiheit – Niqab am Steuer verboten

Darf eine gläubige Muslima ihren Niqab auch am Steuer tragen, selbst wenn Blitzer sie so nicht identifizieren könnten? Diese brisante Frage spaltete die Meinungen und landete vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das nun ein klares Urteil im Konflikt zwischen Religionsfreiheit und Verkehrssicherheit fällte.

Übersicht

Frau mit Niqab am Steuer: Oberverwaltungsgericht hatte über das Verhüllungsverbot vs. Religionsfreiheit zu entscheiden
Das OVG Berlin-Brandenburg hat entschieden: Die Identifizierbarkeit am Steuer ist entscheidend für die Verkehrssicherheit. | Symbolbild: KI generiertes Bild

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • OVG Berlin-Brandenburg bestätigt Vorrang der Verkehrssicherheit vor Religionsfreiheit bei Gesichtsverschleierung am Steuer (z.B. Niqab).
  • Hauptgrund ist die Notwendigkeit der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung und der sicheren Identifikation des Fahrers auf Blitzerfotos.
  • Alternativvorschläge wie Fahrtenbuch oder QR-Code wurden abgelehnt, da sie keine gleichwertige zuverlässige Identifikation ermöglichen.
  • Eine Identifizierung allein anhand der Augenpartie ist aufgrund der oft schlechten Qualität von Blitzerfotos nicht zuverlässig möglich.
  • Dem Einzelnen ist der Verzicht auf das Autofahren zumutbar, wenn keine unabweisbaren Härtefälle (z.B. berufliche Notwendigkeit) vorliegen.
  • Das Verbot gilt allgemein für jede Gesichtsverhüllung, die die Erkennbarkeit erschwert (z.B. Masken, Schals, Karnevalsmasken); Bußgeld 60 Euro droht.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 1. Senat vom 23.04.2025, Az.: 1 N 17/25

OVG Berlin-Brandenburg: Warum Verkehrssicherheit die Religionsfreiheit am Steuer aussticht

Für eine 33-jährige praktizierende Muslima aus Berlin ist es ein Gebot ihres Glaubens: In der Öffentlichkeit zeigt sie sich nur mit einem Niqab, einem Gesichtsschleier, der lediglich die Augenpartie frei lässt. Diese religiöse Praxis erstreckt sich für sie auch auf den Innenraum ihres Autos. Denn sobald sie am Straßenverkehr teilnimmt, fühlt sie sich den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Doch die deutsche Straßenverkehrs-Ordnung ist hier unmissverständlich: Wer ein Fahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen, dass es nicht mehr erkennbar ist.

Hier prallten zwei Welten aufeinander: die tief empfundene religiöse Verpflichtung einer Einzelnen und die allgemeinen Regeln der öffentlichen Sicherheit für alle. Die Frau versuchte, einen juristischen Mittelweg zu finden. Sie beantragte bei der zuständigen Behörde eine Ausnahmegenehmigung von diesem sogenannten Verhüllungsverbot.

Ihr Ziel war es, legal Auto fahren zu dürfen, ohne gegen ihre religiösen Überzeugungen verstoßen zu müssen. Doch die Behörde lehnte ab. Die Frau zog vor das Verwaltungsgericht Berlin, das ihre Klage im Januar 2025 ebenfalls abwies. Unbeirrt ging sie in die nächste Instanz und beantragte beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg die Zulassung der Berufung. Damit stand die Kernfrage im Raum: Muss der Staat im Namen der Religionsfreiheit eine Ausnahme von einer zentralen Verkehrsvorschrift gewähren?

Das harte Nein der Gerichte: Ein Verbot ohne Wenn und Aber

Die Antwort des Oberverwaltungsgerichts fiel in seinem Beschluss vom 25. April 2025 (Az. OVG 1 N 17/25) ebenso klar wie für die Klägerin ernüchternd aus: Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt. Damit ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig und der Rechtsweg für die Frau in der Verwaltungsgerichtsbarkeit beendet. Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung.

Diese Entscheidung ist mehr als nur die Abweisung eines einzelnen Antrags. Sie ist eine juristische Weichenstellung, die das komplexe Verhältnis zwischen individueller Glaubensfreiheit und den Anforderungen einer modernen, technisierten Gesellschaft beleuchtet. Das Gericht hat nicht leichtfertig entschieden, sondern die Argumente der Klägerin Punkt für Punkt geprüft – und verworfen.

Ein Beschluss, kein Urteil: Was bedeutet das?

Es ist ein wichtiger prozessualer Punkt, dass das OVG die Sache durch einen „Beschluss“ und nicht durch ein „Urteil“ beendet hat. Ein Urteil ergeht in der Regel nach einer umfassenden mündlichen Verhandlung. Indem das Gericht hier die Zulassung zur Berufung verweigerte, signalisierte es: Die Rechtslage ist aus seiner Sicht so eindeutig und die Entscheidung der Vorinstanz so offenkundig richtig, dass eine erneute, komplette Verhandlung in der Berufungsinstanz gar nicht erst notwendig ist. Das ist juristisch gesehen ein starkes Statement. Es ist vergleichbar mit einem Türsteher, der den Eintritt nicht nur verweigert, sondern klarstellt, dass eine Diskussion darüber zwecklos ist, weil die Hausordnung eindeutig ist. Für die Klägerin bedeutet das, dass ihre Argumente nicht nur als nicht überzeugend, sondern als nicht einmal ausreichend angesehen wurden, um eine neue Verhandlungsrunde zu eröffnen.

Der Kernkonflikt: Wenn Grundrechte auf der Straße kollidieren

Im Zentrum des Falles stand eine klassische Güterabwägung. Auf der einen Seite der Waagschale lag das Grundrecht der Klägerin auf ungestörte Religionsausübung, geschützt durch Artikel 4 des Grundgesetzes (GG). Auf der anderen Seite lagen die Interessen der Allgemeinheit, insbesondere die Verkehrssicherheit und die effektive Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten.

Die Waage der Justiz: Religionsfreiheit gegen öffentliche Sicherheit

Das Gericht verkannte keineswegs, dass das Verhüllungsverbot in § 23 Abs. 4 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) die Religionsfreiheit der Klägerin berührt. Es verbietet ihr, einer als zentral empfundenen religiösen Praxis nachzukommen, während sie Auto fährt. Doch Grundrechte gelten in Deutschland nicht schrankenlos. Sie können eingeschränkt werden, wenn sie mit den Grundrechten anderer oder mit wichtigen Gemeinschaftsgütern in Konflikt geraten.

Das Gericht argumentierte, dass das Verhüllungsverbot nicht die Religion selbst angreift, sondern aus neutralen, sachlichen Gründen besteht. Sein Zweck ist es, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten. Dies dient wiederum dem Schutz fundamentaler Rechte anderer Verkehrsteilnehmer, nämlich deren Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 GG) sowie deren Eigentum (Artikel 14 GG). Ein Raser gefährdet Leib und Leben anderer; wer einen Unfall verursacht, schädigt fremdes Eigentum. Die Möglichkeit, solche Verstöße zu ahnden, ist ein entscheidender Baustein der Verkehrssicherheit.

Warum der Vergleich mit dem Motorradhelm für die Richter zählt

Um die Intensität des Eingriffs zu bewerten, zog das Gericht einen aufschlussreichen Vergleich heran, den bereits das Bundesverwaltungsgericht in einem früheren Fall bemüht hatte: die Helmpflicht für Motorradfahrer. Auch dort hatten Gläubige (in jenem Fall Sikhs mit Turban) argumentiert, die Helmpflicht verletze ihre Religionsfreiheit. Die Gerichte entschieden jedoch, dass der Eingriff verhältnismäßig ist.

Die Logik dahinter ist übertragbar: Das Verbot ist zeitlich und örtlich eng begrenzt. Es gilt nur für die konkrete Situation des Autofahrens. Niemand verbietet der Klägerin, ihren Niqab zu tragen, wenn sie als Fußgängerin unterwegs ist, im Supermarkt einkauft oder im Park sitzt. Es ist eine situative Regel für eine spezielle Tätigkeit, ähnlich wie die Anweisung in einem Kino, das Handy auszuschalten. Man darf sein Handy besitzen und nutzen, nur eben in dieser spezifischen Situation nicht. Das Gericht stufte den Eingriff daher als vergleichsweise gering ein. Für die Klägerin und andere betroffene Frauen ist diese Argumentation schwer nachvollziehbar, wenn Autofahren ein zentraler Bestandteil des Alltags ist. Das Gericht sagt hier aber: Die Freiheit der Religionsausübung endet dort, wo die Regeln für eine potenziell gefährliche Tätigkeit wie das Autofahren beginnen.

Das K.o.-Argument: Die Macht der automatisierten Verkehrsüberwachung

Den entscheidenden Ausschlag gab jedoch ein sehr modernes und technisches Argument: die Notwendigkeit einer funktionierenden automatisierten Verkehrsüberwachung. Blitzer bei Geschwindigkeits- oder Rotlichtverstößen sind ein zentrales Instrument zur Disziplinierung der Verkehrsteilnehmer und damit zur präventiven Gefahrenabwehr. Ihre abschreckende Wirkung beruht darauf, dass der Fahrer oder die Fahrerin auf dem Foto identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass der Eingriff in die Religionsfreiheit zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist. Wenn Fahrer nicht mehr identifizierbar wären, würde dieses System der Verkehrsüberwachung ausgehöhlt. Dies ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Entscheidung. Es geht nicht primär um die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht an einer Kreuzung, sondern um die unbestechliche Dokumentation durch eine Maschine im Falle eines Regelverstoßes.

Kreative Vorschläge der Klägerin – und warum sie alle scheiterten

Die Klägerin war sich des Problems der Identifizierbarkeit bewusst und unterbreitete dem Gericht mehrere kreative Lösungsvorschläge, um eine Ausnahme zu rechtfertigen. Doch das Gericht lehnte jeden einzelnen ab – mit einer bestechend einfachen Logik.

Fahrtenbuch und QR-Code: Warum „fast so gut“ nicht gut genug ist

Die Frau schlug vor, eine Fahrtenbuchauflage zu akzeptieren, die Ausnahmegenehmigung auf ihr eigenes Fahrzeug zu beschränken oder ihren Niqab mit einem fälschungssicheren, individualisierten QR-Code zu versehen. Die Richter überzeugte das nicht. Ihr zentrales Gegenargument war, dass die Vorschläge der Klägerin nicht in gleicher Weise zur Identifizierung geeignet seien wie ein unverhülltes Gesicht.

Ein Blitzerfoto ist ein direkter, objektiver Beweis: Es zeigt eine Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort am Steuer eines bestimmten Autos. Ein Fahrtenbuch hingegen ist nur eine Erklärung des Halters, wer gefahren sein soll. Es ersetzt den objektiven Beweis nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem QR-Code: Dieser würde allenfalls den Niqab identifizieren, aber nicht zweifelsfrei die Person, die ihn in diesem Moment trägt.

Es ist wie bei einem Sicherheitsschloss: Ein Nachschlüssel, der meistens funktioniert, ist kein gleichwertiger Ersatz für den Originalschlüssel, der immer passt. Das Gericht verlangt hier eine Lösung, die dem ursprünglichen Ziel – der zweifelsfreien Identifizierung durch ein Foto – ebenbürtig ist. Solch eine Lösung konnte die Klägerin nicht anbieten.

Die „Blitzerfoto“-Realität: Ein richterlicher Blick auf die Technik

Ein weiteres Argument der Klägerin war, man könne sie doch allein an ihrer Augenpartie identifizieren. Sie bot hierzu sogar ein Sachverständigengutachten an. Das Gericht lehnte die Einholung eines solchen Gutachtens jedoch ab und erklärte, es sei „gerichtsbekannt“, dass die Qualität von Blitzerfotos oft zu schlecht sei. Die Bilder seien häufig verpixelt und unscharf, sodass selbst unverschleierte Personen manchmal nur schwer zu erkennen seien. Eine Identifizierung allein anhand der Augenpartie sei unter diesen realen Bedingungen nicht zuverlässig möglich.

Diese Feststellung mag für Laien überraschen, zeigt aber, wie praxisnah Gerichte manchmal argumentieren. Die Richter der zuständigen Kammer sind seit Jahrzehnten mit Verkehrsrecht befasst und haben daher, so ihre Begründung, ausreichende eigene Sachkunde über die Qualität solcher Beweisfotos. Für die Klägerin bedeutet diese Feststellung, dass ihre theoretische Überlegung an der technischen Realität der Verkehrsüberwachung scheitert.

Was ist der Wesentlichkeitsgrundsatz?

Die Klägerin argumentierte auch, das Verhüllungsverbot verstoße gegen den „Wesentlichkeitsgrundsatz“. Dieses Prinzip aus dem Verfassungsrecht besagt, dass der Gesetzgeber (also das Parlament) alle wesentlichen, grundrechtsrelevanten Entscheidungen selbst treffen muss und sie nicht an die Verwaltung (z.B. durch eine Verordnung) delegieren darf. Das Gericht wies dies zurück: Das Verbot in der StVO (§ 23) beruht auf einer klaren gesetzlichen Ermächtigung im Straßenverkehrsgesetz (§ 6 StVG), das vom Bundestag beschlossen wurde. Der Wesentlichkeitsgrundsatz ist somit gewahrt.

Kein Zwang, aber eine klare Wahl: Die Zumutbarkeit des Verzichts

Am Ende läuft die Argumentation des Gerichts auf eine harte, aber juristisch konsequente Schlussfolgerung hinaus. Das Gericht prüfte, ob es für die Klägerin unzumutbar sei, auf das Autofahren zu verzichten. Eine solche Unzumutbarkeit könnte vorliegen, wenn sie etwa aus zwingenden beruflichen oder gesundheitlichen Gründen auf das Führen eines Autos angewiesen wäre und es keine Alternativen gäbe.

Doch einen solchen extremen Härtefall konnte die Klägerin nicht nachweisen. Sie trug selbst vor, dass sie auf ein Auto „in dem Umfang angewiesen sei, wie alle anderen Menschen auch“. Das reichte dem Gericht nicht. Es stellte fest, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr der Verzicht auf das Autofahren aus besonderen individuellen Gründen nicht zugemutet werden könne.

Damit lag keine „Zwangslage“ vor, die die Behörde zu einer Ausnahme gezwungen hätte. Juristen sprechen hier davon, dass das Ermessen der Behörde nicht „auf Null reduziert“ war. Die Konsequenz: Die Klägerin kann den Konflikt zwischen ihrem religiösen Gebot und der Straßenverkehrs-Ordnung selbst auflösen – indem sie auf das Autofahren verzichtet. Dies sei ihr, so das Gericht, zuzumuten. Für Betroffene ist dies die bitterste Pille des Urteils: Der Staat zwingt sie nicht, ihren Glauben aufzugeben, stellt sie aber vor die Wahl zwischen Mobilität und religiöser Praxis.

Was diese Entscheidung für Sie bedeutet: Regeln für den Alltag

Auch wenn der Fall sehr spezifisch ist, enthält er klare Botschaften für alle Verkehrsteilnehmer und zeigt, wo der Staat klare Grenzen zieht. Die Entscheidung festigt eine strenge Linie, die bereits von anderen Oberverwaltungsgerichten vertreten wurde.

Klare Regeln, keine Grauzonen

Das Urteil macht deutlich, dass das Gesicht des Fahrers oder der Fahrerin für die Behörden erkennbar sein muss. Diese Regel gilt grundsätzlich für alle. Es ist daher ratsam, im Straßenverkehr alles zu vermeiden, was die Identifizierbarkeit erschwert. Dazu gehört nicht nur eine religiöse Verschleierung, sondern beispielsweise auch das Tragen von Karnevalsmasken oder tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen in Kombination mit großen Sonnenbrillen und Schals. Zwar mag eine Sonnenbrille oder eine Mütze allein unproblematisch sein, doch sobald die wesentlichen Gesichtsmerkmale in ihrer Gesamtheit verdeckt sind, riskieren Sie ein Bußgeld von 60 Euro.

In einer Verkehrskontrolle sollten Sie stets kooperativ sein und auf Verlangen der Polizei Gegenstände abnehmen, die Ihr Gesicht verdecken. Weigern Sie sich, kann dies weitere Maßnahmen nach sich ziehen. Beachten Sie auch, dass die Erkennbarkeit nicht nur für Blitzer, sondern auch für andere Überwachungssysteme, etwa bei der Abstandsmessung auf der Autobahn, relevant ist. Jeder, der ein Fahrzeug führt, muss damit rechnen, jederzeit identifizierbar zu sein. Das ist sozusagen der Preis für die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass eine geringfügige Verhüllung schon toleriert wird, insbesondere wenn mehrere Accessoires zusammenkommen.

Typische Situationen, in denen das Verhüllungsverbot greift

Das Urteil hat Relevanz für eine Reihe von Alltagssituationen. Relevant wird das Verbot beispielsweise während der Karnevalszeit, wenn kostümierte Personen Auto fahren. Eine Vollmaske am Steuer ist tabu. Ebenso kann es an kalten Wintertagen kritisch werden, wenn ein dicker Schal bis über die Nase gezogen, eine Mütze tief in die Stirn gerückt und zusätzlich eine beschlagene Sonnenbrille getragen wird. Auch im Kontext von Demonstrationen oder Fußballspielen, bei denen Fans sich manchmal vermummen, gilt: Sobald Sie ins Auto steigen und losfahren, muss die Vermummung abgelegt werden.

Denken Sie auch an medizinische Masken: Während der Corona-Pandemie wurde das Tragen oft geduldet, rechtlich war es aber immer eine Grauzone. Die grundsätzliche Regel des § 23 StVO wurde nicht außer Kraft gesetzt. Im Zweifel sollten Sie sicherstellen, dass trotz Maske Ihre Augenpartie und weitere individuelle Merkmale gut erkennbar bleiben. Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg zementiert den Grundsatz, dass die Anforderungen der Verkehrssicherheit im Zweifel Vorrang haben. Es gibt keinen Anspruch auf eine Ausnahme aus religiösen, weltanschaulichen oder modischen Gründen, solange kein existenzieller, unabweisbarer Härtefall vorliegt.

Häufig gestellte Fragen zum Verhüllungsverbot am Steuer

Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen, die sich aus der Gerichtsentscheidung für den Alltag ergeben.

FAQ - Häufig gestellte Fragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Betrifft mich dieses Verbot auch, wenn ich im Winter mit dickem Schal, Mütze und Sonnenbrille fahre?

Ja, das kann kritisch werden. Das Gesetz verbietet nicht einzelne Kleidungsstücke, sondern dass Ihr Gesicht in seiner Gesamtheit so verdeckt ist, dass Sie nicht mehr identifiziert werden können. Wenn eine Mütze tief in der Stirn, ein Schal über der Nase und eine große Sonnenbrille zusammenkommen, können die wesentlichen Merkmale Ihres Gesichts verdeckt sein. In einem solchen Fall riskieren Sie ein Bußgeld von 60 Euro. Entscheidend ist immer das Gesamtbild.


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Warum ist die Funktion eines Blitzers wichtiger als die persönliche Religionsfreiheit?

Das Gericht hat hier nicht pauschal die Religion für unwichtiger erklärt, sondern eine Abwägung für den konkreten Fall des Autofahrens vorgenommen. Es argumentierte, dass die Möglichkeit, Verkehrssünder per Foto zu identifizieren und zu bestrafen, eine abschreckende Wirkung hat und somit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer schützt. Dieses hohe Gut des Schutzes von Leben, Gesundheit und Eigentum hat in der spezifischen, potenziell gefährlichen Situation des Straßenverkehrs einen höheren Stellenwert als die religiöse Praxis einer einzelnen Person.


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Warum gilt das Verhüllungsverbot nur für Autofahrer, bei Motorradfahrer gilt jedoch die Helmpflicht?

Die unterschiedlichen Regelungen für das Verschleierungsverbot beim Autofahren und die Helmpflicht beim Motorrad in Deutschland beruhen auf verschiedenen rechtlichen und sicherheitsbezogenen Erwägungen:

Verschleierungsverbot beim Autofahren

  • Erkennbarkeit und Identifizierbarkeit: Nach § 23 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) darf das Gesicht des Fahrers eines Kraftfahrzeugs nicht so verhüllt oder verdeckt werden, dass er nicht mehr erkennbar ist. Dies dient insbesondere dazu, dass Fahrer bei automatisierten Verkehrskontrollen (z. B. Blitzerfotos) eindeutig identifiziert werden können.
  • Sicherheitsaspekte: Gerichte argumentieren, dass eine Vollverschleierung (z. B. Niqab) die Rundumsicht und Wahrnehmung im Straßenverkehr beeinträchtigen kann, was die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet.
  • Strafverfolgung: Die Identifizierbarkeit ist auch für die Strafverfolgung relevant, da bei Verkehrsverstößen das Gesicht des Fahrers erkennbar sein muss.
  • Religionsfreiheit: Die Gerichte erkennen die Religionsfreiheit an, sehen aber das Verhüllungsverbot als verhältnismäßigen und verfassungsgemäßen Eingriff an, weil die Verkehrssicherheit und die Identifizierbarkeit im öffentlichen Interesse überwiegen.

Helmpflicht beim Motorrad

  • Unfallschutz: Die Helmpflicht für Motorradfahrer (§ 21a Abs. 2 StVO) wurde eingeführt, um das Verletzungsrisiko bei Unfällen drastisch zu verringern. Motorradfahrer sind im Gegensatz zu Autofahrern besonders ungeschützt, da es keine Knautschzone oder Airbags gibt. Der Helm schützt vor schweren Kopf- und Nackenverletzungen.
  • Sicherheitsfunktion: Der Helm ist ausdrücklich als Schutzkleidung konzipiert und nicht als Verhüllung. Er ist notwendig, um das Leben und die Gesundheit des Fahrers zu schützen.
  • Ausnahme vom Verhüllungsverbot: Die Gerichte stellen klar, dass das Verschleierungsverbot nicht für Motorradhelme gilt, weil der Helm eine zwingende Sicherheitsmaßnahme ist. Der Zweck des Helms ist der Schutz, nicht das Verbergen der Identität. Deshalb liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor.

Rechtliche Abwägung

Die Gerichte betonen, dass die Helmpflicht eine notwendige Schutzmaßnahme ist, während das Verhüllungsverbot beim Autofahren der Identifizierbarkeit und Verkehrssicherheit dient. Der Gesetzgeber hat hier unterschiedliche Schutzgüter abgewogen: Beim Motorrad steht der Schutz des Fahrers im Vordergrund, beim Autofahren dagegen die Identifizierbarkeit und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.


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Warum hat das Gericht die Vorschläge wie ein Fahrtenbuch oder einen QR-Code auf dem Schleier nicht akzeptiert?

Die Richter waren der Ansicht, dass diese Alternativen nicht den gleichen Zweck erfüllen wie ein erkennbares Gesicht. Ein Blitzerfoto gilt als direkter und objektiver Beweis, der den Fahrer zweifelsfrei zur Tatzeit am Steuer zeigt. Ein Fahrtenbuch hingegen ist nur die nachträgliche Behauptung des Halters, wer gefahren ist, und ein QR-Code würde nur den Schleier identifizieren, nicht aber mit letzter Sicherheit die Person, die ihn trägt. Das Gericht verlangte eine Lösung, die genauso sicher ist wie ein Foto – und das konnten die Vorschläge nicht leisten.


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Gibt es denn überhaupt keine Ausnahmen von diesem Verbot?

Eine Ausnahme ist theoretisch denkbar, aber die Hürden dafür sind extrem hoch. Eine Person müsste nachweisen, dass sie sich in einer existenziellen Zwangslage befindet, also aus zwingenden beruflichen oder gesundheitlichen Gründen auf das Autofahren angewiesen ist und es keine zumutbaren Alternativen gibt. Im entschiedenen Fall reichte der normale Alltagsgebrauch eines Autos nicht aus, um eine solche besondere Härte zu begründen. Solange man auf das Autofahren verzichten kann, um den Konflikt zu lösen, wird der Staat in der Regel keine Ausnahme gewähren.


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Was ist mit medizinischen Masken, wie wir sie während der Corona-Pandemie getragen haben?

Das Tragen von medizinischen Masken am Steuer war rechtlich gesehen immer eine Grauzone, auch wenn es während der Pandemie meist geduldet wurde. Das grundsätzliche Verhüllungsverbot wurde nie außer Kraft gesetzt. Die aktuelle Gerichtsentscheidung zementiert den Grundsatz, dass die Identifizierbarkeit Vorrang hat. Im Zweifel sollten Sie also auch bei einer Maske sicherstellen, dass Ihre Augenpartie und andere individuelle Gesichtsmerkmale gut erkennbar bleiben.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Identifizierbarkeit als unumstößliche Währung im Straßenverkehr

Das Urteil ist mehr als ein Nein zum Niqab am Steuer. Es zementiert die Erkennbarkeit des Gesichts als nicht verhandelbare Währung für die Teilnahme am motorisierten Verkehr. Die Funktionsfähigkeit der automatisierten Überwachung wird hier zum entscheidenden Gemeinschaftsgut, dem sich individuelle Überzeugungen zum Schutz aller unterordnen müssen.

Die Botschaft an den Einzelnen ist damit unmissverständlich: Der Staat erzwingt keine Gesinnungsänderung, stellt aber eine klare Wahl. Die persönliche Freiheit endet dort, wo die objektiven Regeln einer potenziell gefährlichen Tätigkeit beginnen. Wer auf Anonymität am Steuer besteht, muss im Zweifel auf die Mobilität mit dem eigenen Auto verzichten.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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