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Fahrerlaubnisentziehung – Bindung der Verwaltungsbehörde an Strafurteil

Entzug der Fahrerlaubnis: Verwaltungsbehörden nicht an Strafurteile gebunden

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschied, dass die Verwaltungsbehörde nicht an die Feststellungen eines Strafurteils gebunden ist, wenn es um die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund regelmäßigen Cannabiskonsums geht, da eine solche Bindung nur bei direkter Relevanz für die Fahreignung besteht. Die Behörde darf also unabhängig von strafrechtlichen Feststellungen agieren, wenn es um die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund von Drogenkonsum geht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 16 A 2773/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Verwaltungsbehörde ist bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht zwingend an die Feststellungen eines Strafurteils gebunden, insbesondere wenn es um Drogenkonsum und Fahreignung geht.
  • Eine Bindung an strafgerichtliche Feststellungen setzt voraus, dass im Strafverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht gekommen ist.
  • Der Beklagte war nicht verpflichtet, die Drogenfreiheit des Klägers seit Mai 2012 anzuerkennen, da die relevante Strafentscheidung diese nicht für die Fahreignung verbindlich feststellte.
  • Die Fahrerlaubnisbehörde darf eigenständige Anforderungen stellen, um die Fahreignung eines Betroffenen zu überprüfen, etwa die Vorlage von Abstinenznachweisen oder die Teilnahme an einer medizinisch-psychologischen Untersuchung.
  • Die Ablehnung des Berufungszulassungsantrags des Klägers bestätigt die Rechtsauffassung, dass die administrative Entscheidung über die Fahrerlaubnis unabhängig von einem Strafurteil erfolgen kann, wenn es um die Bewertung von Drogenkonsum geht.
  • Der Fall verdeutlicht die differenzierte Betrachtung von strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Entscheidungen im Kontext der Fahreignungsbewertung.
  • Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird durch die Ablehnung der Berufung rechtskräftig, wodurch die Entziehung der Fahrerlaubnis Bestand hat.
  • Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger; der Streitwert für beide Rechtszüge wird auf 5.152,63 Euro festgesetzt.

Fahrerlaubnisverfahren im Spannungsfeld von Straf- und Verwaltungsrecht

Wenn es um die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von Straftaten wie Drogenkonsum oder Trunkenheit am Steuer geht, ist die Rechtslage komplex. Einerseits kann ein Strafgericht im Rahmen eines Strafverfahrens die Entziehung anordnen. Andererseits obliegt es der Fahrerlaubnisbehörde, die charakterliche und körperliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu bewerten.

Die Frage, inwieweit strafrechtliche Entscheidungen für die Verwaltungsbehörde bindend sind, ist von zentraler Bedeutung. Es geht um die Abstimmung zwischen Strafverfolgung und präventiver Gefahrenabwehr im Straßenverkehr. Eine klare Zuordnung der Zuständigkeiten und Befugnisse ist unerlässlich, damit Verfahren rechtssicher und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit durchgeführt werden können.

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➜ Der Fall im Detail


Fahrerlaubnisentzug und die Frage der Bindung an Strafurteile

Ein zentraler Streitpunkt zwischen einem Kläger und der zuständigen Verwaltungsbehörde drehte sich um die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund regelmäßigen Cannabiskonsums. Der Kern der Auseinandersetzung lag in der Frage, inwiefern administrative Entscheidungen zur Fahrerlaubnis an die Feststellungen eines Strafurteils gebunden sind. Der Fall gelangte bis zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen unter dem Aktenzeichen 16 A 2773/13, das am 29. April 2015 einen Beschluss fasste.

Der Kläger, dem zuvor aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts Düsseldorf wegen regelmäßigen Cannabiskonsums die Fahrerlaubnis entzogen wurde, argumentierte, dass er seit Mai 2012 drogenfrei lebe. Die Basis seiner Argumentation waren Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 26. März 2013, das auf seinen eigenen, vom Strafgericht als glaubhaft bewerteten, Aussagen beruhte.

Der rechtliche Rahmen und die Argumentation der Verwaltungsbehörde

Das Oberverwaltungsgericht führte aus, dass nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, nicht zu dessen Nachteil vom Urteil abweichen darf, sofern es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Allerdings setzt eine solche Bindung voraus, dass im Strafverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht gekommen ist.

Die Verwaltungsbehörde vertrat die Auffassung, dass keine Bindung an das Strafurteil bestehe, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren. Die behördliche Entscheidung zur Entziehung beruhte auf der Einschätzung, dass der Kläger die geforderten Nachweise seiner Drogenfreiheit nicht erbringen konnte.

Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen

Das Gericht stellte klar, dass die Verwaltungsbehörde im vorliegenden Fall nicht an die Feststellungen des Strafurteils gebunden war. Grund hierfür ist die spezifische Ausgestaltung des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG, wonach eine Bindung an die strafgerichtlichen Feststellungen nur dann besteht, wenn im Strafverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kam. Im Falle des Klägers traf dies nicht zu, da er lediglich wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden war, ohne dass eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB zur Debatte stand.

Das Gericht lehnte daher den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ab und bestätigte die Rechtsauffassung, dass die Verwaltungsbehörde in ihrem Ermessen eine Fahrerlaubnisentziehung vornehmen kann, ohne an die Feststellungen eines nicht unmittelbar relevanten Strafurteils gebunden zu sein.

Die Bedeutung der medizinisch-psychologischen Untersuchung

Weiterhin unterstrich das Oberverwaltungsgericht die Bedeutung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zur Klärung der Fahreignung bei Verdacht auf regelmäßigen Drogenkonsum. Im vorliegenden Fall wies das Gericht darauf hin, dass ein Verzicht auf Drogen allein nicht ausreicht, um die Fahreignung nachzuweisen. Vielmehr sei ein umfassender Nachweis erforderlich, der in der Regel nur durch eine MPU erbracht werden kann.

Konsequenzen der gerichtlichen Entscheidung

Mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts wurde das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf rechtskräftig. Der Kläger trug die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens, und der Streitwert wurde auf 5.152,63 Euro festgesetzt. Die Entscheidung verdeutlicht die autonome Entscheidungskompetenz der Verwaltungsbehörden bei der Entziehung der Fahrerlaubnis und die begrenzte Bindungswirkung von Strafurteilen in solchen Fällen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Voraussetzungen müssen für die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an ein Strafurteil erfüllt sein?

Für die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an ein Strafurteil müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Regelung findet sich im § 3 Abs. 4 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und zielt darauf ab, administrative Entscheidungen zur Fahrerlaubnis an die Feststellungen in Strafurteilen zu binden, um Doppelprüfungen und widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Die Bindungswirkung eines Strafurteils gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde entfaltet sich jedoch nur unter bestimmten Bedingungen:

  • Ausdrückliche Feststellungen im Strafurteil: Die Fahrerlaubnisbehörde ist an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht. Das bedeutet, dass das Strafurteil detaillierte Ausführungen zur Fahreignung des Betroffenen enthalten muss. Ein abgekürztes Urteil oder ein Urteil ohne ausführliche Begründung zur Fahreignung reicht nicht aus, um eine Bindungswirkung zu entfalten.
  • Umfassender Sachverhalt: Die Bindungswirkung setzt weiterhin voraus, dass die Fahrerlaubnisbehörde von keinem umfassenderen Sachverhalt als das Strafgericht auszugehen hat. Das bedeutet, dass die Behörde an die Beurteilung der Fahreignung durch das Strafgericht gebunden ist, sofern sie keine zusätzlichen, über das Strafverfahren hinausgehenden Informationen hat, die eine Neubeurteilung der Fahreignung erforderlich machen würden.
  • Keine Bindung bei fehlenden Ausführungen zur Fahreignung: Die Bindungswirkung entfällt, wenn das Strafurteil keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn nicht klar ist, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat. In solchen Fällen ist es der Fahrerlaubnisbehörde nicht verwehrt, eigene Ermittlungen anzustellen und gegebenenfalls eine andere Entscheidung hinsichtlich der Fahreignung zu treffen.
  • Keine Bindung bei umfassenderem Sachverhalt für die Behörde: Selbst wenn das Strafgericht die Eignung bejaht hat, ist die Fahrerlaubnisbehörde nicht gebunden, wenn sie einen umfassenderen Sachverhalt zu beurteilen hat als der Strafrichter. Dies ermöglicht der Behörde, auf Basis einer breiteren Informationsgrundlage eine eigenständige Entscheidung zur Fahreignung zu treffen.

Zusammenfassend ist die Fahrerlaubnisbehörde an ein Strafurteil gebunden, wenn dieses explizite und ausführlich begründete Feststellungen zur Fahreignung des Betroffenen enthält und die Behörde keinen umfassenderen Sachverhalt zu berücksichtigen hat. Fehlen solche Feststellungen oder liegt ein umfassenderer Sachverhalt vor, kann die Behörde eigene Ermittlungen anstellen und von den Feststellungen des Strafurteils abweichen.

Was besagt § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG bezüglich der Bindung an Strafurteile?

§ 3 Abs. 4 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) regelt die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an die Feststellungen eines Strafurteils, insbesondere im Hinblick auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Diese Vorschrift zielt darauf ab, eine Konsistenz zwischen strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Entscheidungen herzustellen, um Doppelprüfungen zu vermeiden und widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern. Die Bindungswirkung eines Strafurteils für die Fahrerlaubnisbehörde tritt unter bestimmten Bedingungen ein:

  • Gleicher Sachverhalt: Die Bindungswirkung setzt voraus, dass der Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens war, auch derjenige ist, der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Fahrerlaubnis betrachtet wird. Es muss sich also um denselben Sachverhalt handeln, der im Strafverfahren geprüft wurde.
  • Ausführungen zur Kraftfahreignung: Eine wesentliche Voraussetzung für die Bindungswirkung ist, dass das Strafurteil explizite Ausführungen zur Kraftfahreignung des Betroffenen enthält. Die Fahrerlaubnisbehörde ist an die Beurteilung der Fahreignung durch das Strafgericht gebunden, sofern diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht.
  • Keine umfassenderen Sachverhalte für die Behörde: Die Bindungswirkung entfällt, wenn die Fahrerlaubnisbehörde von einem umfassenderen Sachverhalt als das Strafgericht ausgeht. Das bedeutet, dass die Behörde nicht gebunden ist, wenn sie über zusätzliche Informationen verfügt, die das Strafgericht nicht hatte und die eine Neubeurteilung der Fahreignung erforderlich machen.
  • Keine Bindung bei fehlenden Ausführungen zur Fahreignung: Wenn das Strafurteil keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn nicht klar ist, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat, entfällt die Bindungswirkung. In solchen Fällen darf die Fahrerlaubnisbehörde eigene Ermittlungen anstellen und gegebenenfalls von den Feststellungen des Strafurteils abweichen.

Zusammengefasst sorgt § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG dafür, dass die Fahrerlaubnisbehörde an die Feststellungen eines Strafurteils zur Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gebunden ist, sofern das Urteil explizite und ausführliche Feststellungen zur Fahreignung enthält und sich auf denselben Sachverhalt bezieht, der auch der Fahrerlaubnisbehörde vorliegt. Diese Regelung dient der Rechtssicherheit und der Vermeidung von Widersprüchen zwischen strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Entscheidungen.

Wie wirkt sich regelmäßiger Cannabiskonsum auf die Fahrerlaubnis aus?

Regelmäßiger Cannabiskonsum kann erhebliche Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis haben. Die Fahrerlaubnisbehörden in Deutschland nehmen den Konsum von Cannabis und dessen Einfluss auf die Fahreignung sehr ernst. Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich unter anderem in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und im Straßenverkehrsgesetz (StVG).

Regelmäßiger Cannabiskonsum

Bei regelmäßigem Cannabiskonsum droht in der Regel der sofortige Entzug der Fahrerlaubnis, unabhängig von der Teilnahme am Straßenverkehr oder der gemessenen THC-Konzentration im Blut. Die Fahrerlaubnisbehörde ist in solchen Fällen angehalten, die Fahrerlaubnis zu entziehen, da regelmäßiger Konsum die Fahreignung ausschließt. Dies gilt auch, wenn keine direkte Verkehrsgefährdung vorliegt. Die Rechtsprechung definiert regelmäßigen Konsum als täglichen oder fast täglichen Konsum.

Gelegentlicher Cannabiskonsum

Bei gelegentlichem Cannabiskonsum ist die Rechtslage differenzierter. Hier kommt es insbesondere darauf an, ob der Konsument in der Lage ist, den Konsum von Cannabis und das Führen von Fahrzeugen zu trennen. Kann ein fehlendes Trennungsvermögen nachgewiesen werden, etwa durch eine Fahrt unter Cannabiseinfluss, droht ebenfalls der Entzug der Fahrerlaubnis. Die Grenzwerte für THC im Blut spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Bereits ab einem Wert von 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum kann es zu rechtlichen Konsequenzen kommen.

Einmaliger Cannabiskonsum

Einmaliger Cannabiskonsum führt in der Regel nicht zu fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen, solange keine Fahrt unter Einfluss stattgefunden hat. Die Behörden müssen in jedem Fall den Konsum nachweisen können, und der Konsument muss überzeugend darlegen können, dass es sich um einen einmaligen Konsum handelte.

Rechtliche Konsequenzen und MPU

Bei Verstößen gegen die Trennung von Konsum und Fahren oder bei nachgewiesenem regelmäßigem Konsum kann neben dem Entzug der Fahrerlaubnis auch die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) erfolgen. Die MPU dient dazu, die Fahreignung des Betroffenen zu überprüfen und festzustellen, ob ein Risiko für zukünftige Verstöße besteht.

Regelmäßiger Cannabiskonsum führt nahezu unweigerlich zum Entzug der Fahrerlaubnis, während bei gelegentlichem Konsum die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zielen darauf ab, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, indem Personen, die durch den Konsum von Cannabis in ihrer Fahreignung beeinträchtigt sein könnten, vom Straßenverkehr ferngehalten werden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt, unter welchen Bedingungen die Fahrerlaubnisbehörde an die Feststellungen in einem Strafurteil gebunden ist, speziell wenn es um die Beurteilung der Fahreignung geht. Im Kontext dieses Falls bedeutet dies, dass eine Bindung an das Strafurteil nur besteht, wenn das Strafverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht gezogen hat.
  • § 69 StGB (Strafgesetzbuch): Legt fest, unter welchen Umständen die Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht erfolgen kann. Diese Vorschrift ist zentral für die Entscheidung, ob eine Verwaltungsbehörde an die Feststellungen eines Strafurteils gebunden ist, da nur bei einer möglichen Entziehung nach diesem Paragraphen eine Bindung entsteht.
  • § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung): Betreffen die Zulassungsgründe für die Berufung gegen Urteile in Verwaltungsverfahren. Sie waren relevant für die Beurteilung des Antrags auf Zulassung der Berufung, da sie die rechtliche Grundlage darstellen, auf der die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geprüft wurden.
  • § 14 Abs. 2 FeV (Fahrerlaubnis-Verordnung): Beschäftigt sich mit den Anforderungen an die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis, insbesondere durch die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU). Dies ist relevant für die Beurteilung, ob und wie ein Fahrerlaubnisinhaber nach einem Entzug wegen Drogenkonsums seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nachweisen kann.
  • BVerwG-Urteile: Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts dienen als Präzedenzfälle und Interpretationshilfe für die Anwendung der genannten Gesetze und Verordnungen. Sie verdeutlichen, wie die Rechtsnormen in der Praxis angewendet werden sollen, insbesondere hinsichtlich der Bindungswirkung von Strafurteilen auf administrative Entscheidungen bezüglich der Fahrerlaubnis.
  • § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG: Diese Bestimmungen regeln die Unanfechtbarkeit des Beschlusses sowie die Kosten- und Streitwertfestsetzung in Verwaltungsgerichtsverfahren. Sie sind wichtig für das Verständnis der Kostenfolgen und der finalen Natur der Entscheidung in diesem speziellen Fall.


Das vorliegende Urteil

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 16 A 2773/13 – Beschluss vom 29.04.2015

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 6. November 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird – zugleich unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung – für beide Rechtszüge auf 5.152,63 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil die genannten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zuzulassen.

Entgegen der Auffassung des Klägers musste der Beklagte bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers wegen regelmäßigen Cannabiskonsums nicht davon ausgehen, dass dieser seit Mai 2012 drogenfrei lebte. Eine Bindung an die entsprechenden Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 26. März 2013 (107 Ls-60 Js 2615/12-62/12), die auf den vom Strafgericht als glaubhaft angesehenen Angaben des Klägers beruhen, bestand nicht. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG kann die Fahrerlaubnisbehörde, will sie in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Die Bindung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG an den vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt setzt voraus, dass im Strafverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht gekommen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 1995 – 11 C 34.94 -, BVerwGE 99, 249 = juris, Rn. 12; VG Freiburg, Beschluss vom 25. März 2010 – 1 K 280/10 -, Blutalkohol 47 (2010), 266 = juris, Rn. 9; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, § 3 StVG Rn. 17; offengelassen: OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2012 – 16 A 1782/11 -, juris, Rn. 16.

Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik und teleologischen Erwägungen. § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG steht in unmittelbarem Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG. Danach darf, solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt, die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Diese Regelung wird für die Zeit nach dem Abschluss des Strafverfahrens durch § 3 Abs. 4 StVG ergänzt. Dabei unterscheiden sich § 3 Abs. 3 und Abs. 4 StVG in ihrer Reichweite in Abhängigkeit davon, welchen Stand das anhängige Strafverfahren erreicht hat. § 3 Abs. 3 StVG betrifft die Zeit bis zu dessen Abschluss. § 3 Abs. 4 StVG schließt daran zeitlich an und modifiziert dieses Verbot. Da mit dem Abschluss des Strafverfahrens auch Klarheit hinsichtlich der Feststellungen zu den für die Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen maßgeblichen Umständen eingetreten ist, reduziert es sich nunmehr auf das Verbot einer Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde, die im Widerspruch zu den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 3 C 30.11 -, NJW 2012, 3669 = juris, Rn. 33 und 37.

Normativer Anknüpfungspunkt bleibt aber auch in § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG das bereits in § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG genannte Strafverfahren. Eine Erstreckung der Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG auch auf Strafverfahren, in denen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht in Betracht gekommen ist, würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht. § 3 Abs. 3 und Abs. 4 StVG dienen dazu, sich widersprechende Entscheidungen der Strafgerichte und der Fahrerlaubnisbehörden zu vermeiden. Es soll verhindert werden, dass derselbe einer Eignungsbeurteilung zugrundeliegende Sachverhalt unterschiedlich bewertet wird; die Beurteilung durch den Strafrichter soll in diesen Fällen den Vorrang haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 3 C 30.11 -, a.a.O., juris, Rn. 36; OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2015 – 16 B 55/15 -, juris, Rn. 4, jeweils m.w.N.

Unterliegt die Kraftfahreignung des Betroffenen aber keiner Entscheidung des Strafgerichts, weil eine Entziehung nach § 69 StGB nicht in Betracht kommt, besteht weder die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen hinsichtlich der Eignungsbeurteilung noch werden Doppelprüfungen vorgenommen.

Von dieser Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG ausgehend bestand im Fall des Klägers keine Bindung an die Feststellung des Sachverhalts im o.g. Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf. Denn der Kläger ist mit diesem Urteil wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 Abs. 1 Nr. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verurteilt worden. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB kam nicht in Betracht.

Dass der Beklagte die Fahrerlaubnis des Klägers entzog, nachdem dieser die zuvor angeforderten Nachweise über seine einjährige Drogenfreiheit nicht erbracht hatte, ist nicht zu beanstanden. Mit Schreiben vom 13. Juni 2013 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an und gab ihm die Möglichkeit, Gründe vorzutragen, die gegen den Entzug seiner Fahrerlaubnis sprächen (z.B. abgeschlossenes Abstinenzprogramm, abgeschlossene therapeutische Aufarbeitung, Haaranalyse usw.). Der Beklagte stellte in Aussicht, dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die Eignungszweifel im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auszuräumen, sollte er beispielsweise einen Abstinenzvertrag vorlegen können. Der Umstand, dass der Kläger einen Abstinenznachweis für den vergangenen Zeitraum nicht mehr in Auftrag geben konnte, führt entgegen der Rüge des Klägers nicht zu der Annahme, dass der Beklagte etwas Unmögliches von ihm verlangt hätte. Es war nämlich möglich, dass dem Kläger entsprechende Nachweise bereits vorlagen. Diese hätte er innerhalb der vom Beklagten bestimmten Frist (28. Juni 2013) vorlegen können.

Inwiefern entscheidungserheblich sein soll, dass der Beklagte der Bitte des Klägers um Mitteilung, ob der Beklagte ergänzende Nachweise benötige, nicht nachgekommen ist, wird in der Zulassungsbegründung nicht dargelegt. Dass dem Kläger außer den vom Beklagten als nicht hinreichend angesehenen Bescheinigungen weitere Unterlagen zur Verfügung standen, die er hätte übersenden können, macht er auch im Zulassungsverfahren nicht geltend.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils ergeben sich auch nicht aus dem Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen sogar höher gesteckt als die Verwaltungsbehörde, indem es auf das Erfordernis einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 14 Abs. 2 FeV verwiesen habe. Die Wiedererlangung der Kraftfahreignung setzt in Fällen der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabiskonsum den Nachweis voraus, dass der Betroffene Cannabis nicht regelmäßig konsumiert oder bei gelegentlichem Konsum hinreichend zwischen Konsum und Führen eines Fahrzeugs trennt. Ob der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt, ist nicht schon mit einem Verzicht auf Drogenkonsum nachgewiesen. Es bedarf zusätzlich des Nachweises, dass bezogen auf die Einnahme illegaler Drogen auf der Grundlage einer tragfähigen Motivation eine hinreichend stabile Verhaltensänderung eingetreten ist und daher für die Folgezeit eine günstige Prognose getroffen werden kann. Dieser Nachweis kann grundsätzlich – und so auch hier – nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung erbracht werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Oktober 2006 – 16 B 1538/06 -, juris, Rn. 4, vom 2. April 2012 – 16 B 356/12 -, juris, Rn. 6 ff., vom 20. März 2014 – 16 B 264/14 -, juris, Rn. 12 und vom 12. März 2015 – 16 B 57/15 -, juris, Rn. 4 f.

Davon ist auch der Beklagte ausgegangen, indem er dem Kläger ausdrücklich in Aussicht stellte, ihm nach einem entsprechenden Abstinenznachweis die Möglichkeit einzuräumen, die Eignungszweifel im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auszuräumen.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die vom Kläger aufgeworfene Frage,

„inwieweit die Verwaltungsbehörde bei ihren Entscheidungen über die Entziehungen von Fahrerlaubnissen nur (…) Teile des sie informierenden Strafurteils berücksichtigen darf“,

ist nicht entscheidungserheblich, weil es nach dem Vorstehenden an jeder Bindung des Beklagten an die Feststellungen in dem in Bezug genommenen Strafurteil fehlt.

Die weitere Frage, „ob die Verwaltungsbehörde faktisch nicht einhalt- bare Fristen setzen und Bitten um Informationen, wenn mehr als die übermittelten Unterlagen gewünscht werden, ignorieren und sich anschließend auf die Position zurückziehen darf, dass zum Zeitpunkt ihrer letzten Entscheidung bestimmte Informationen und Unterlagen nicht vorgelegen hätten“, ist wegen ihres Einzelfallbezugs schon nicht grundsätzlich bedeutsam. Im Übrigen geht der Kläger von der unzutreffenden Prämisse aus, der Beklagte habe eine faktisch nicht einhaltbare Frist gesetzt, so dass sich die aufgeworfene Frage in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 und 3, § 63 Abs. 3 GKG. Der Senat berücksichtigt insoweit, dass die vom Kläger uneingeschränkt angefochtene Verfügung des Beklagten vom 3. Juli 2013 neben der Entziehung der Fahrerlaubnis die Festsetzung von Kosten in Höhe von 152,63 Euro beinhaltet.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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