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Fahrerlaubnisentziehung – behördliche Bindung an Kraftfahreignungsbeurteilung in Strafurteil

Oberverwaltungsgericht erlaubt Fahrerlaubnisentziehung bei Zweifel an Fahreignung

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss vom 29.04.2015 (Az.: 16 B 1443/14) die Beschwerde des Antragstellers gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zurückgewiesen, da die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt war, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Überprüfung der Fahreignung zu fordern und auf dessen Nichtvorlage mit Entziehung der Fahrerlaubnis zu reagieren, auch wenn das Strafurteil keine explizite Feststellung zur Fahreignung traf.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 16 B 1443/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Fahrerlaubnisbehörde kann auch dann ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Überprüfung der Fahreignung fordern, wenn das Strafurteil keine expliziten Feststellungen zur Fahreignung enthält.
  • Die behördliche Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nichtvorlage des Gutachtens ist rechtmäßig, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.
  • Die Verwaltungsgerichtsentscheidung beruht auf der Regelung, dass die Fahrerlaubnisbehörde im Entziehungsverfahren einen Sachverhalt, der Gegenstand des Strafurteils war, nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichend beurteilen darf, es sei denn, das Strafurteil enthält keine klaren Aussagen zur Fahreignung.
  • Die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an die strafrichterliche Beurteilung der Fahreignung gilt nur, wenn diese auf expliziten Feststellungen im Strafurteil beruht.
  • Eine eigenständige Prüfung der Fahreignung durch die Fahrerlaubnisbehörde ist zulässig und erforderlich, wenn das Strafurteil keine oder unklare Feststellungen zur Fahreignung enthält.
  • Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer umfassenden Beurteilung der Kraftfahreignung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und ordnet die Interessen des Einzelnen dem Schutz der Allgemeinheit unter.
  • Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller; der Streitwert wurde für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
  • Der Beschluss ist unanfechtbar.

Fahreignung und Fahrerlaubnis

Die Fahrerlaubnis ist für viele Menschen von großer Bedeutung – sowohl für die private Mobilität als auch im beruflichen Kontext. Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann daher gravierende Folgen haben. Dennoch muss die Sicherheit im Straßenverkehr gewährleistet sein. Ein zentrales Kriterium hierfür ist die Fahreignung des Fahrzeugführers.

Im Fokus stehen die Voraussetzungen und Verfahren rund um die Fahreignungsbeurteilung sowie deren rechtliche Verbindlichkeit. Wann liegt eine Gefährdung vor? Welche Rolle spielen Strafurteile und Behördenentscheidungen? Wie sind die Rechte des Einzelnen und der Schutz der Allgemeinheit abzuwägen? Eine fundierte Auseinandersetzung mit diesen Fragen berührt existenzielle Aspekte und ist für viele hochrelevant.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um die Entziehung der Fahrerlaubnis erreicht Oberverwaltungsgericht

Im Zentrum dieses juristischen Streits stand die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Antragstellers, nachdem dieser zuvor in einem Strafverfahren wegen Betrugs in Form fingierter Verkehrsunfälle verurteilt worden war. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte vom Antragsteller ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Überprüfung seiner Fahreignung. Als der Antragsteller dieses Gutachten nicht vorlegte, entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis. Der Antragsteller legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, welche vom Verwaltungsgericht Arnsberg und anschließend vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen behandelt wurde.

Die rechtliche Auseinandersetzung und ihre Hintergründe

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexe rechtliche Materie der Fahrerlaubnisentziehung. Er berührt insbesondere die Frage, inwiefern die Fahrerlaubnisbehörden an die Beurteilungen von Strafgerichten gebunden sind. Laut § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren, das einen Sachverhalt berücksichtigt, der bereits Gegenstand eines Strafurteils war, nicht zum Nachteil des Betroffenen vom Inhalt dieses Urteils abweichen. Dies soll sicherstellen, dass keine widersprüchlichen Entscheidungen getroffen werden und Doppelprüfungen vermieden werden.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen

Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde des Antragstellers zurück und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz sowie der Fahrerlaubnisbehörde. Das Gericht erklärte, dass die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens und die darauf folgende Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nichtvorlage rechtmäßig waren. Es betonte, dass eine Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an das Strafurteil nur dann besteht, wenn das Strafgericht ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen Feststellungen zur Fahreignung getroffen hat. Da das Strafurteil des Landgerichts Hagen keine eindeutige Feststellung zur Fahreignung des Antragstellers enthielt, war die Fahrerlaubnisbehörde nicht daran gebunden.

Die rechtliche Bewertung des Sachverhalts

Die Entscheidung unterstreicht, dass die Beurteilung der Fahreignung eine umfassende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Fahrerlaubnisinhabers erfordert, die über die Bewertung einer einzelnen Straftat hinausgeht. Das Oberverwaltungsgericht betonte die Notwendigkeit, die öffentliche Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, und erkannte an, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Zweifeln an der Fahreignung ein legitimes Mittel hierzu ist.

Konsequenzen für die Praxis

Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis der Fahrerlaubnisentziehung. Sie verdeutlicht, dass die Fahrerlaubnisbehörden nicht automatisch an die strafrechtlichen Bewertungen der Gerichte gebunden sind, insbesondere wenn es um die Fahreignung geht. Die Entscheidung stärkt damit die Handlungsfähigkeit der Behörden im Hinblick auf die Überprüfung der Fahreignung und betont die eigenständige Verantwortung, die Verkehrssicherheit zu schützen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt, und der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 2.500 Euro festgesetzt.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Wann ist die Fahrerlaubnisbehörde an ein Strafurteil gebunden?

Die Frage, wann eine Fahrerlaubnisbehörde an ein Strafurteil gebunden ist, betrifft die rechtlichen Rahmenbedingungen, die bestimmen, inwieweit Entscheidungen eines Strafgerichts die Handlungsmöglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörden beeinflussen. Diese Bindung ist insbesondere relevant, wenn es um die Entziehung oder Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach strafrechtlichen Verurteilungen geht.

Bindungswirkung eines Strafurteils

Ein strafgerichtliches Urteil entfaltet für die Fahrerlaubnisbehörde keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage der Fahreignung, wenn im Strafverfahren die Fahreignung nicht eigenständig geprüft und bejaht worden ist. Das bedeutet, dass die Fahrerlaubnisbehörde nicht automatisch an die Beurteilung der Fahreignung durch das Strafgericht gebunden ist, insbesondere wenn diese im Strafverfahren nicht explizit thematisiert wurde.

Vorrang des Strafverfahrens

Das strafrechtliche Verfahren hat Vorrang vor einer ordnungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörde kann eine Fahrerlaubnis nicht entziehen, solange wegen des gleichen Tatbestandes ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft, das ebenfalls zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen kann. Dies dient der Vermeidung von Doppelprüfungen und widersprechenden Entscheidungen.

Konkrete Bindungsvoraussetzungen

Die Fahrerlaubnisbehörde ist an die strafgerichtliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht. Das bedeutet, dass eine Bindungswirkung nur dann eintritt, wenn das Strafgericht explizit zur Fahreignung Stellung genommen hat. Fehlen solche Ausführungen im Strafurteil, entfällt die Bindungswirkung.

Gesetzliche Regelung

Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, nicht zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils abweichen, soweit es sich auf die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Dies soll Doppelprüfungen vermeiden und die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausschalten.

Die Fahrerlaubnisbehörde ist an ein Strafurteil gebunden, wenn und soweit das Strafgericht explizit zur Fahreignung Stellung genommen hat und diese Beurteilung in den schriftlichen Urteilsgründen festgehalten wurde. Fehlt eine solche explizite Beurteilung, ist die Fahrerlaubnisbehörde in ihrer Entscheidung zur Fahreignung nicht an das Strafurteil gebunden und kann eigenständige Maßnahmen, wie die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, veranlassen.

Was bedeutet die Bindungswirkung eines Strafurteils für die Fahrerlaubnisentziehung?

Die Bindungswirkung eines Strafurteils im Kontext der Fahrerlaubnisentziehung ist ein rechtliches Prinzip, das festlegt, unter welchen Umständen und in welchem Umfang die Fahrerlaubnisbehörde an die Feststellungen und Beurteilungen eines Strafgerichts gebunden ist. Dieses Prinzip ist besonders relevant, wenn es um die Frage der Fahreignung eines Fahrzeugführers geht, die sowohl im Strafverfahren als auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren der Fahrerlaubnisentziehung eine Rolle spielt.

Grundprinzip der Bindungswirkung

Die Bindungswirkung eines Strafurteils bedeutet, dass die Fahrerlaubnisbehörde in einem Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis nicht zu Ungunsten des Betroffenen von den Feststellungen eines Strafurteils abweichen darf, soweit es sich um die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen handelt. Dies soll sicherstellen, dass einmal getroffene Feststellungen zur Fahreignung nicht in verschiedenen Verfahren unterschiedlich beurteilt werden, was zu widersprüchlichen Entscheidungen führen könnte.

Voraussetzungen für die Bindungswirkung

Die Bindungswirkung entfaltet sich nur unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Ausdrückliche Feststellungen im Strafurteil: Die Fahrerlaubnisbehörde ist nur dann an die strafgerichtliche Beurteilung der Fahreignung gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht. Das bedeutet, dass das Strafgericht explizit zur Frage der Fahreignung Stellung genommen haben muss.
  • Keine Bindung bei fehlenden Ausführungen zur Fahreignung: Wenn das Strafurteil keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn unklar ist, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat, entfällt die Bindungswirkung. In solchen Fällen ist es der Fahrerlaubnisbehörde nicht verwehrt, eigene Ermittlungen zur Fahreignung anzustellen und gegebenenfalls ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) zu fordern.

Tragweite der Bindungswirkung

Die Bindungswirkung hat zur Folge, dass die Fahrerlaubnisbehörde in ihrem Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis die Beurteilung der Fahreignung durch das Strafgericht als gegeben hinnehmen muss, sofern die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies schließt auch vorbereitende Maßnahmen wie die Anforderung eines Gutachtens ein, wenn die Fahreignung bereits im Strafverfahren abschließend beurteilt wurde.

Die Bindungswirkung eines Strafurteils im Kontext der Fahrerlaubnisentziehung stellt sicher, dass die Beurteilung der Fahreignung eines Fahrzeugführers nicht in verschiedenen Verfahren unterschiedlich ausfällt. Sie dient der Rechtssicherheit und der Vermeidung von widersprüchlichen Entscheidungen. Die Fahrerlaubnisbehörde ist an die strafgerichtliche Beurteilung der Fahreignung gebunden, sofern diese explizit und ausführlich in den Urteilsgründen festgestellt wurde. Fehlen solche Feststellungen, ist die Behörde in ihrer Entscheidung frei und kann eigene Ermittlungen anstellen.

Wie wird die Fahreignung rechtlich beurteilt?

Die rechtliche Beurteilung der Fahreignung ist ein komplexer Prozess, der darauf abzielt, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Sie basiert auf einer Reihe von Kriterien und Verfahren, die sicherstellen sollen, dass Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, die notwendigen körperlichen, geistigen und psychologischen Anforderungen erfüllen.

Allgemeine Voraussetzungen

Nach § 2 Absatz 4 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) muss eine Person, die ein Kraftfahrzeug führt, die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Dies beinhaltet, dass keine Erkrankungen oder Beeinträchtigungen vorliegen dürfen, die die Fahreignung einschränken. Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen erteilen, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist.

Überprüfung der Fahreignung

Die Überprüfung der Fahreignung kann in verschiedenen Situationen erforderlich werden, beispielsweise:

  • Bei der Erteilung der Fahrerlaubnis: Führerscheinbewerber müssen ihre Fahreignung nachweisen, was in der Regel durch einen Sehtest und gegebenenfalls durch weitere medizinische Untersuchungen erfolgt.
  • Bei körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen: Personen mit bestimmten Erkrankungen oder Behinderungen können einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen werden, um festzustellen, ob und unter welchen Bedingungen sie ein Fahrzeug sicher führen können.
  • Nach Verkehrsverstößen oder Straftaten: Bei schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im Straßenverkehr kann eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden, um die Fahreignung zu überprüfen.

Beurteilungskriterien

Die Beurteilung der Fahreignung erfolgt anhand von Begutachtungsleitlinien, die eine einheitliche Bewertung ermöglichen sollen. Diese Leitlinien umfassen verschiedene Bereiche, wie körperliche Gesundheit, Sehfähigkeit und psychologische Leistungsfähigkeit. Bei der Beurteilung werden individuelle Faktoren berücksichtigt, wie die Art und Schwere einer Beeinträchtigung sowie die Möglichkeit, diese durch Anpassungen oder Hilfsmittel zu kompensieren.

Die rechtliche Beurteilung der Fahreignung dient der Sicherheit im Straßenverkehr und basiert auf einer umfassenden Überprüfung der körperlichen, geistigen und psychologischen Eignung einer Person zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Die Fahrerlaubnisbehörden und medizinisch-psychologischen Begutachtungsstellen wenden dabei einheitliche Beurteilungskriterien an, um eine faire und objektive Bewertung der Fahreignung zu gewährleisten.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG
    Dieser Paragraph regelt, dass die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren, das sich auf Sachverhalte bezieht, die bereits Gegenstand eines Strafurteils waren, nicht zum Nachteil des Betroffenen vom Inhalt des Strafurteils abweichen darf. Dies ist zentral für den vorliegenden Fall, da es um die Frage geht, inwiefern die Behörde an die Beurteilung der Fahreignung durch das Strafgericht gebunden ist.
  • § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV
    Erläutert die Voraussetzungen, unter denen von Fahrerlaubnisinhabern ein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert werden kann. Dies ist relevant, weil die Nichtvorlage eines solchen Gutachtens zur Entziehung der Fahrerlaubnis führte.
  • § 69 StGB
    Gibt dem Strafrichter die Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dieser Paragraph unterstreicht die parallelen Zuständigkeiten von Gerichten und Verwaltungsbehörden bei der Beurteilung der Fahreignung.
  • § 46 Abs. 3 FeV in Verbindung mit § 11 Abs. 8 FeV
    Regelt das Prozedere der Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nichtvorlage des geforderten Gutachtens. Diese Vorschriften bilden die rechtliche Grundlage für das Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörde im geschilderten Fall.
  • § 111a StPO
    Ermöglicht die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht, was für den Hintergrund des Falls, in dem die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen wurde, relevant ist.
  • § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1 GKG
    Betreffen die Kostenentscheidung in gerichtlichen Verfahren und die Streitwertfestsetzung, was für das Verständnis der finanziellen Konsequenzen des Verfahrens für den Antragsteller wichtig ist.


Das vorliegende Urteil

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 16 B 1443/14 – Beschluss vom 29.04.2015

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 3. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers, über die im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter entscheidet (§ 125 Abs. 1 i. V. m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO), hat keinen Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch das Beschwerdegericht führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller, zum Nachweis seiner Fahreignung ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, und nachfolgend der auf die Nichtbeibringung eines solchen Gutachtens gestützten Entziehung der Fahrerlaubnis nicht die Bestimmung des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG entgegengestanden hat. Nach dieser Bestimmung kann die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren, in dem sie einen Sachverhalt berücksichtigen will, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, nicht zum Nachteil des Betroffenen vom Inhalt des Strafurteils abweichen, als sich dieses auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung u.a. der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht.

Mit dieser Vorschrift soll die sowohl dem Strafrichter (vgl. § 69 StGB) als auch der Verwaltungsbehörde (vgl. § 3 Abs. 1 StVG) eingeräumte Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen, so aufeinander abgestimmt werden, dass Doppelprüfungen unterbleiben und die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet wird. Der Vorrang der strafrichterlichen vor der behördlichen Entscheidung findet seine innere Rechtfertigung darin, dass auch die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter als Maßregel der Besserung und Sicherung keine Nebenstrafe, sondern eine in die Zukunft gerichtete, aufgrund der Sachlage zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr ist. Insofern deckt sich die dem Strafrichter übertragene Befugnis mit der Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde. Während die Behörde allerdings die Kraftfahreignung aufgrund einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers zu beurteilen hat, darf der Strafrichter nur eine Würdigung der Persönlichkeit vornehmen, soweit sie in der jeweiligen Straftat zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung auch nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat. Die Bindungswirkung lässt sich nur rechtfertigen, wenn die Verwaltungsbehörde den schriftlichen Urteilsgründen sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Fahreignung beurteilt hat. Deshalb entfällt die Bindungswirkung, wenn das Strafurteil überhaupt keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn jedenfalls in den schriftlichen Urteilsgründen unklar bleibt, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat. Dabei gilt die in § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG angeordnete Bindungswirkung nicht nur für die Maßnahme der Entziehung selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, so dass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf.

BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 – 7 C 46.87 -, BVerwGE 80, 43 = NJW 1989, 116 = VRS 75 (1988), 379 = juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2012 – 16 B 711/12 -, Blutalkohol 50 (2013), 40 = juris, Rn. 3; VGH Bad.- Württ., Beschluss vom 3. Mai 2010 – 10 S 256/10 -, DAR 2010, 412 = VRS 119 (2010), 164 = Blutalkohol 47 (2010), 310 = juris, Rn. 3.

Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Antragsgegner hier nicht gehindert, gegenüber dem Antragsteller die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens anzuordnen und auf die Nichtvorlage gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zu reagieren. Es liegt zwar eine Identität zwischen dem Gegenstand des Strafurteils des Landgerichts Hagen und dem Anlass für die Begutachtungsaufforderung des Antragsgegners vor, nämlich der Betrug des Antragstellers in der Form fingierter Verkehrsunfälle in 15 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, wobei unbeachtlich ist, dass das Strafgericht die Taten als solche und die Fahrerlaubnisbehörde den in diesen Taten zum Ausdruck gekommenen – möglicherweise fortbestehenden – charakterlichen Mangel des Antragstellers in den Mittelpunkt stellen. Dem Verwaltungsgericht ist aber darin zu folgen, dass das Strafurteil keine Feststellung zur Fahreignung des Antragstellers enthält, die eine eigenständige Prüfung und Würdigung der Fahreignung durch die Fahrerlaubnisbehörde hindert.

Das Landgericht hat in seinem Strafurteil vom 19. März 2013, durch das neben dem Antragsteller noch eine weitere Person wegen Betruges verurteilt worden ist, zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis folgendes ausgeführt (S. 35):

„3. Den Angeklagten wurde mit Beschlüssen des Amtsgerichts Hagen vom 05.05.2011 jeweils auf der Grundlage von § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Nach Aussetzen des Verfahrens im Juni 2012 hat die Kammer mit Beschluss vom 19.10.2012 die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis der jeweiligen Fahrerlaubnis der Angeklagten aufgehoben und die beschlagnahmten Dokumente herausgegeben. …

4..Nachdem die Kammer mit Beschluss vom 19.10.2012 die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben hat und den Angeklagten deren Führerscheine ausgehändigt hat, kann die Kammer nach der letzten Tat im Februar 2011 und vor dem Hintergrund, dass die Angeklagten straßenverkehrsrechtlich relevant nicht mehr in Erscheinung getreten sind, keine Feststellung dazu treffen, dass die Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen weiterhin ungeeignet sind.“

Mit diesen Ausführungen verdeutlicht das Strafgericht, dass es weder positiv von der Fahreignung noch negativ vom Fehlen der Fahreignung des Antragstellers überzeugt war und es sich außerstande sah, die demnach unklare Fahreignung des Antragstellers in geeigneter Weise – etwa durch die Hinzuziehung verkehrspsychologischen Sachverstandes – aufzuklären. Dabei steht für den Senat bei verständiger Würdigung der oben wiedergegebenen Urteilspassagen außer Frage, dass allein der zeitliche Abstand von etwa zwei Jahren seit der letzten Betrugshandlung oder das Fehlen (bekanntgewordener) Verkehrsverstöße des Antragsteller während eines Zeitraums von weniger als einem halben Jahr – nämlich seit der Aufhebung der Maßnahme nach § 111a StPO und Wiederaushändigung des Führerscheins am 19. Oktober 2012 – keine abschließende Bewertung der aktuellen Fahreignung des Antragstellers ermöglichte. Hiervon ist ganz offensichtlich auch die Strafkammer ausgegangen, indem sie in dem Urteil betonte, sie habe hinsichtlich der Fahreignung des Antragstellers vor dem Hintergrund der geschilderten zeitlichen Abfolge keine Feststellung treffen können. Angesichts dessen lassen die – im Übrigen pauschal auf beide Angeklagten bezogenen – Formulierungen des Strafgerichts am ehesten die Deutung zu, dass angesichts der gesehenen Unmöglichkeit genauerer Feststellungen und gewisser für die Fahreignung des Antragstellers sprechender Umstände nach dem strafprozessualen Zweifelsgrundsatz eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht rechtfertigen lasse. Damit erreichen die Ausführungen im Strafurteil hinsichtlich des Überzeugungsgrades und insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Fundierung nicht annähernd die Klarheit und Verlässlichkeit, die zur Annahme einer Bindungswirkung erforderlich wäre; vor allem lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, dass das Strafgericht neben dem Verstreichen gewisser Zeiträume weitere Gesichtspunkte geprüft oder auch nur erwogen hätte, die über die Wiedergewinnung der Fahreignung hätten Auskunft geben können. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Begründung für die Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO in dem Beschluss des Landgerichts Hagen vom 19. Oktober 2012 zusätzlich in den Blick genommen wird, denn insoweit handelte es sich um eine Entscheidung im Zusammenhang mit einer lediglich vorläufigen Maßnahme, die weder positiv noch negativ ein abschließendes Urteil über die Fahreignung des Antragstellers erforderte. Auch soweit in diesem Beschluss davon die Rede ist, das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs sei bei der Aufhebung der Maßnahme nach § 111a StPO bedacht worden, handelt es sich nicht um eine abschließende Würdigung der Problematik, ob aus der Teilnahme des Antragstellers am Kraftfahrzeugverkehr künftig Gefahren von einigem Gewicht erwachsen werden. Vielmehr verdeutlicht die – im Übrigen nicht näher begründete – Würdigung dieses Umstandes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass die Frage der Gefährdung des Straßenverkehrs als Aspekt der Abwägung, nicht aber im Sinne einer Tatbestandswirkung erzeugenden bindenden Feststellung zugrunde gelegt worden ist.

Bei dieser Ausgangslage fällt die weitere Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus. In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können – was vorliegend indessen nicht in Rede steht -, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 16 B 1124/13 -, juris, Rn. 9.

Etwas anderes folgt hier nicht daraus, dass der Antragsgegner durch die behauptete schleppende Behandlung des Verfahrens der Fahreignungsüberprüfung und schließlich der Fahrerlaubnisentziehung gleichsam selbst zu erkennen gegeben habe, der zeitnahe Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung sei nicht dringlich. Zum einen haben die Verwaltungsgerichte im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen des jeweiligen Antragstellers und der Öffentlichkeit vorzunehmen, sind also gerade nicht auf ein bloßes Nachvollziehen der ordnungsbehördlichen Abwägungsentscheidung beschränkt. Zum anderen geht aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners hervor, dass der Antragsgegner nach einer Benachrichtigung, wonach gegen das Strafurteil des Landgerichts Hagen Revision eingelegt worden sei, zunächst von fahrerlaubnisrechtlichen Schritten abgesehen hat; daher fehlt es an tragfähigen Hinweisen darauf, dass das Verstreichen längerer Zeit seit dem Ergehen des Strafurteils vom 19. März 2013 mit einer vom Antragsgegner angenommenen geringen Dringlichkeit des Verfahrens erklärt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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