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Fahrerlaubnis auf Probe – Anrechnung von Zeiten auf die Probezeit

Oberverwaltungsgericht Saarland –  Az.: 1 B 336/19 –  Beschluss vom 04.02.2020

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29. Oktober 2019 – 5 L 1384/19 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der im Libanon geborene Antragsteller hat am 22.3.2018 eine deutsche Fahrerlaubnis erworben. Unter Hinweis auf eine Eintragung im Verkehrszentralregister wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km pro Stunde, die mit einem Punkt bewertet worden ist, ordnete der Antragsgegner nach erfolgter Anhörung des Antragstellers mit Bescheid vom 18.7.2019 dessen Teilnahme an einem Aufbauseminar an.

Das insoweit seitens des Antragstellers angestrengte Eilrechtsschutzverfahren ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Anordnung als offensichtlich rechtmäßig erachtet und im Einzelnen ausgeführt, bei der in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit handele es sich ausweislich der Vorgabe des Verordnungsgebers in § 34 Abs. 1 FeV in Verbindung mit Anlage 12 Abschnitt A Nr. 2.1 zweite Variante um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung im Sinn des § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG. Die Verkehrsordnungswidrigkeit sei am 28.3.2019, mithin innerhalb der zweijährigen Probezeit begangen worden. Der Einwand des Antragstellers, er sei kein Fahranfänger, da er seit dem 17.11.2012 eine libanesische Fahrerlaubnis besitze, die auf den Lauf der Probezeit anzurechnen sei, gehe fehl. Es könne offen bleiben, ob dem Antragsgegner darin zu folgen sei, dass die Anrechnungsregelung des § 2 a Abs. 1 Satz 2 StVG nur in Fällen Anwendung finde, in denen dem betreffenden Fahrerlaubnisinhaber die deutsche Fahrerlaubnis unter den erleichterten Voraussetzungen des § 31 FeV im Wege der Umschreibung erteilt worden ist. Eine Anrechnung scheitere fallbezogen jedenfalls daran, dass die auf die Anhörung hin mit deutscher Übersetzung vorgelegte libanesische Fahrerlaubnis nur bis zum 17.11.2017 gültig und damit zur Zeit des Erwerbs der deutschen Fahrerlaubnis am 22.3.2018 bereits abgelaufen gewesen sei. Demgemäß scheide eine Anrechnung von Zeiten auf die Probezeit gemäß § 2a Abs. 1 Satz 2 StVG aus, so dass die zweijährige Probezeit zum Zeitpunkt der Begehung der schwerwiegenden Zuwiderhandlung noch nicht abgelaufen gewesen sei, der Antragsgegner den Antragsteller mithin zu Recht zur Teilnahme an einem Aufbauseminar aufgefordert habe.

Gegen den zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage erhoben.

II.

Die Beschwerde gegen den erstinstanzlich im Eilrechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss bleibt ohne Erfolg.

Das nach Maßgabe des § 146 Abs. 3 Sätze 3 und Satz 6 VwGO den Umfang der vom Senat vorzunehmenden Prüfung bestimmende Vorbringen des Antragstellers in seiner fristgerecht eingereichten Beschwerdebegründung ist nicht geeignet, den Senat zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu veranlassen.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 5.12.2019 behauptet, er sei im Besitz eines gültigen libanesischen Pkw-Führerscheins. Eine Urkunde hierüber werde er in Kürze nachreichen. Der bisher dem Gericht vorliegende Führerschein betreffe nur die Lkw-Erlaubnis, deren Gültigkeitsdauer fünf Jahre betrage, während sich die Gültigkeit des Pkw-Führerscheins auf zwanzig Jahre belaufe. Vor Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis sei er ausweislich des von ihm auszufüllenden Formulars lediglich gefragt worden, ob er eine in einem Mitgliedstaat der EU erteilte Fahrerlaubnis besitze. Diese Frage habe er naturgemäß mit Nein beantworten müssen.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, dass eine Anrechnung von Zeiten seit Erwerb einer ausländischen Fahrerlaubnis wohl nicht an der Bestandskraft der im Inland erteilten Fahrerlaubnis scheitere, ist zunächst festzustellen, dass dies entgegen der Argumentation der Widerspruchsbehörde in den Gründen des Widerspruchsbescheids so zutrifft. Der Lauf der Probezeit beginnt gemäß § 2 a Abs. 1 Satz 1 StVG kraft Gesetzes im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis. Beginn und Ende der Probezeit werden auf dem Führerschein nicht vermerkt und auch Verlängerungen oder Verkürzungen sind aus ihm nicht ersichtlich. Die Dauer der konkret maßgeblichen Probezeit wird mithin gegenüber dem Fahrerlaubnisinhaber nicht im Einzelfall und nicht mit Außenwirkung geregelt, so dass insoweit nach Ablauf eines Jahres seit Erteilung der Fahrerlaubnis keine Bestandskraft eintreten kann.1

Die weitere vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob eine Anrechnung der Zeit seit Erwerb einer ausländischen Fahrerlaubnis auf die Probezeit voraussetzt, dass die inländische Fahrerlaubnis nach § 31 FeV im Wege der Umschreibung erteilt wird, oder eine Anrechnung auch bei Ersterteilung einer Fahrerlaubnis gemäß den §§ 21 ff. FeV erfolgen kann, ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners im letztgenannten Sinn zu beantworten.

Eine Beschränkung der Anrechnungsmöglichkeit auf Fälle des erleichterten Fahrerlaubniserwerbs ist weder dem Wortlaut der Vorschrift des § 2 a Abs. 1 Satz 2 StVG noch deren systematischen Zusammenhang mit § 31 FeV zu entnehmen. Im Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift sind zwar einzelne Erleichterungen für den Fahrerlaubniserwerb vorgesehen, unberührt bleibt aber – ebenso wie bei einer Ersterteilung – die Notwendigkeit der Ablegung einer theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum eine Anrechnung aufgrund einer ausländischen Fahrerlaubnis bereits erworbener praktischer Fahrkenntnisse ausgeschlossen sein sollte, wenn die Erteilung im Wege der Ersterteilung, also nach Absolvierung des vollen Prüfprogramms, erfolgt.2 Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ergibt sich aus § 33 Abs. 2 FeV nichts Gegenteiliges. Diese Vorschrift sieht vor, dass bei einer erleichterten Erteilung nach Maßgabe des § 31 FeV bei der Berechnung der Probezeit der Zeitraum nicht berücksichtigt wird, in welchem der Betroffene im Inland nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt war (vgl. hierzu § 29 StVG). Hintergrund der Regelung ist, dass der Betroffene während dieser Zeit keine Fahrpraxis sammeln konnte. Ihr entnehmen zu wollen, dass sie eine Anrechnung von Zeiten der Fahrpraxis in Fällen der Ersterteilung ausschließe, ist durch nichts gerechtfertigt. Es entspricht vielmehr sogar ihrem Sinn und Zweck, sie entsprechend anzuwenden, wenn im Einzelfall von den Erleichterungen des § 31 StVG kein Gebrauch gemacht und die Fahrerlaubnis im Wege der Ersterteilung erworben wird.3

Nach alldem ist entscheidungserheblich, ob der Antragsteller im Zeitpunkt der Erteilung seiner deutschen Fahrerlaubnis über eine gültige libanesische Fahrerlaubnis verfügt hat, was es rechtfertigen würde, die Zeit seit deren Erteilung, soweit diese nicht gemäß § 33 Abs. 2 FeV zu verkürzen ist, auf die zweijährige Probezeit anzurechnen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht eine Anrechnung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten libanesischen Fahrerlaubnis abgelehnt, da deren Gültigkeit im Zeitpunkt der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis ausweislich der zur Akte gereichten deutschen Übersetzung bereits abgelaufen war.

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat, der vom Verwaltungsgericht gewürdigte Führerschein betreffe nur die Erlaubnis zum Führen von Lastkraftwagen, er besitze aber daneben eine Erlaubnis zum Führen von Personenkraftwagen, deren Gültigkeit sich auf zwanzig Jahre belaufe, mithin noch nicht abgelaufen sei, gilt zunächst, dass der Antragsteller für die Richtigkeit dieser Behauptung die materielle Beweislast trägt.4

Wenngleich gegen die Richtigkeit des Beschwerdevorbringens bereits sprechen mag, dass der Antragsteller bei Beantragung seiner Fahrerlaubnis im Beisein eines Dolmetschers angekreuzt hat, zu versichern, dass er nicht im Besitz eines Führerscheins sei noch je eine Fahrerlaubnis besessen habe (Formular Bl. 5 der Vwakte), hat der Senat dem Antragsteller, nachdem auf dessen Ankündigung vom 5.12.2019, besagte Fahrerlaubnis in Kürze nachzureichen, nichts geschehen war, durch Verfügung vom 23.1.2020 Gelegenheit gegeben, sein Vorbringen durch Vorlage der libanesischen Fahrerlaubnis binnen einer Frist von einer Woche unter Beweis zu stellen. Eine Reaktion auf diese seinem Prozessbevollmächtigten mit Fax-EB am 23.1.2020 zugestellte Aufforderung ist weder binnen der gesetzten Frist noch zwischenzeitlich erfolgt.

Unter diesen Gegebenheiten unterliegt die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO der Zurückweisung.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 46.12 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Halbierung des dort vorgeschlagenen Streitwertes gemäß Nr. 1.5 der Empfehlungen ist nicht veranlasst.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Fußnoten

1)

VG Bremen, Beschluss vom 24.1.2012 – 5 V 1862/11 -, juris Rdnr. 23

2)

VG Bremen, a.a.O., Rdnr. 22;

3)

VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.7.2012 – 6 L 978/12 -, juris Rdnr.15

4)

VG Bremen, a.a.O., Rdnr. 25

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