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Ermächtigung des Verteidigers zur Einspruchsbeschränkung auf Rechtsfolgenausspruch

BayObLG bestätigt Bußgeldbescheid: Einspruchsbeschränkung des Verteidigers rechtskonform

Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) bestätigte in seinem Beschluss vom 21.12.2023 unter dem Aktenzeichen 202 ObOWi 1264/23 die Entscheidung des Amtsgerichts Wunsiedel. Die Rechtsbeschwerde gegen einen Bußgeldbescheid wurde abgewiesen. Der Einspruch des Verteidigers, beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, war rechtskonform und die angeordneten Sanktionen, bestehend aus einer Geldbuße und einem Fahrverbot, blieben bestehen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 202 ObOWi 1264/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung des Urteils des Amtsgerichts Wunsiedel durch das BayObLG.
  2. Abweisung der Rechtsbeschwerde gegen einen Bußgeldbescheid.
  3. Gültigkeit der Einspruchsbeschränkung des Verteidigers auf Rechtsfolgenausspruch.
  4. Beibehaltung der Geldbuße von 225 Euro.
  5. Aufrechterhaltung des einmonatigen Fahrverbots.
  6. Die Beschränkung des Einspruchs war rechtswirksam gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO.
  7. Die ausdrückliche Ermächtigung des Verteidigers durch den Betroffenen war gegeben.
  8. Die Entscheidung dient der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Die Bedeutung der Ermächtigung des Verteidigers zur Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch

Die Ermächtigung des Verteidigers zur Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist ein wichtiger Aspekt im Strafverfahren. Laut dem BayObLG (Beschluss v. 21.12.2023) bedarf es einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Betroffenen, um den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken. Diese Ermächtigung kann sowohl in der Verteidiger-Vollmacht als auch mündlich erteilt werden.

Im Bußgeldverfahren ist die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ebenfalls von Bedeutung. Laut Bußgeld Siegen (06.08.2020) setzte das Amtsgericht gegen die Betroffene unter anderem eine Geldbuße fest, nachdem der Verteidiger den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte. Die Verteidigervollmacht sollte daher die Ermächtigung zur Beschränkung und Rücknahme von Rechtsbehelfen enthalten, wie im Strafrecht Siegen (14.12.2020) erläutert.

Die Ermächtigung zur Beschränkung und Rücknahme von Rechtsbehelfen in der Verteidiger-Vollmacht ist entscheidend, um den Einspruch wirksam zu beschränken oder zurückzunehmen. Das Haufe (kein Datum) betont, dass der Verteidiger eine Vollmacht benötigt, um den Einspruch wirksam zu beschränken oder zurückzunehmen. Diese Vollmacht sollte die Ermächtigung zur Beschränkung und Rücknahme von Rechtsbehelfen enthalten.

Die Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wirft rechtliche Herausforderungen auf, die sowohl im Strafverfahren als auch im Bußgeldverfahren von Bedeutung sind. Ein detaillierterer Einblick in ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dazu beitragen, diese Herausforderungen besser zu verstehen und zu bewältigen.

Geschwindigkeitsüberschreitung führt zu juristischer Auseinandersetzung

Im Zentrum dieses Falles steht ein Bußgeldbescheid, der am 22.11.2022 von der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt erlassen wurde. Die Betroffene wurde beschuldigt, am 12.09.2022 als Fahrerin eines PKWs auf einer Bundesstraße die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h überschritten zu haben. Gemäß § 24 Abs. 1 StVG in Verbindung mit den §§ 3 Abs. 3 Nr. 2c, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO wurde gegen sie eine Geldbuße von 225 Euro verhängt. Zusätzlich wurde aufgrund eines beharrlichen Pflichtenverstoßes ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet.

Verteidiger agiert im Rahmen der Rechtsmittel

In der Hauptverhandlung am 26.06.2023 beschränkte der Wahlverteidiger der Betroffenen, in deren erlaubter Abwesenheit, den Einspruch gemäß § 67 Abs. 2 OWiG auf die Rechtsfolgen. Dies bedeutet, dass nur die Art und Schwere der Strafe, nicht aber die Schuldfrage neu verhandelt werden sollte. Das Amtsgericht Wunsiedel bestätigte in seiner Entscheidung vom selben Tag die Geldbuße und das Fahrverbot. Daraufhin legte die Betroffene durch ihren Verteidiger Rechtsbeschwerde ein, in der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügte.

Juristische Feinheiten bei der Einspruchsbeschränkung

Die Besonderheit dieses Falls liegt in der nachträglichen Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs. Laut § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO darf eine solche Beschränkung nur mit „ausdrücklicher Ermächtigung“ der Betroffenen durch den Verteidiger erklärt werden. Diese Regelung soll sicherstellen, dass der Wille des Betroffenen maßgeblich bleibt. In diesem Fall war die ausdrückliche Ermächtigung gegeben, da sie in der unter dem 11.10.2022 vom Betroffenen unterzeichneten Vollmachtsurkunde enthalten war.

BayObLG bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichts

Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) wies in seinem Beschluss vom 21.12.2023 unter dem Aktenzeichen 202 ObOWi 1264/23 die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. Es bestätigte somit die Entscheidung des Amtsgerichts Wunsiedel. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils ergab keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen. Die Kosten des Rechtsmittels wurden der Betroffenen auferlegt.

Der Fall zeigt die Wichtigkeit der korrekten Handhabung juristischer Verfahren und der Rolle des Verteidigers im Einspruchsprozess. Das BayObLG bestätigte die Gültigkeit der Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, wobei die ausdrückliche Ermächtigung des Verteidigers durch die Betroffene eine entscheidende Rolle spielte.

Das vollständige Urteilstext des Urteils kann weiter unten nachgelesen werden.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Was bedeutet die Ermächtigung des Verteidigers im Kontext eines Bußgeldverfahrens?

Die Ermächtigung des Verteidigers im Kontext eines Bußgeldverfahrens bezieht sich auf die Befugnisse, die ein Betroffener seinem Anwalt erteilt, um in seinem Namen zu handeln. Diese Ermächtigung kann verschiedene Formen annehmen und ist in der Regel in einer Vollmachtsurkunde festgelegt.

Eine solche Ermächtigung kann beispielsweise die Befugnis zur Einlegung und Rücknahme von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen umfassen. Dies bedeutet, dass der Verteidiger berechtigt ist, gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen oder einen bereits eingelegten Einspruch zurückzunehmen. Eine solche Ermächtigung muss ausdrücklich erteilt werden und kann jederzeit widerrufen werden.

Darüber hinaus kann die Ermächtigung des Verteidigers auch die Befugnis zur Entgegennahme von Zustellungen umfassen. Dies bedeutet, dass der Verteidiger berechtigt ist, offizielle Dokumente und Mitteilungen, wie beispielsweise den Bußgeldbescheid, in Empfang zu nehmen.

Es ist zu beachten, dass die Ermächtigung des Verteidigers im Bußgeldverfahren nicht automatisch gegeben ist, sondern ausdrücklich erteilt werden muss. Die genauen Befugnisse des Verteidigers können je nach den spezifischen Umständen des Falles und den Wünschen des Betroffenen variieren.

Welche Rolle spielt § 67 Abs. 2 OWiG bei der Einschränkung eines Einspruchs?

Der § 67 Abs. 2 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) spielt eine wichtige Rolle bei der Einschränkung eines Einspruchs im Rahmen eines Bußgeldverfahrens. Nach diesem Paragraphen kann der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden.

Eine solche Beschränkung kann beispielsweise auf die Höhe der Geldbuße, die Anordnung eines Fahrverbots oder andere spezifische Aspekte des Bußgeldbescheids erfolgen. Dies ermöglicht es dem Betroffenen, nur gegen bestimmte Teile des Bußgeldbescheids vorzugehen, ohne das gesamte Verfahren in Frage zu stellen.

Die Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung setzt jedoch voraus, dass der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht und dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Bußgeldbescheids abgrenzbar ist.

Es ist zu beachten, dass eine Beschränkung des Einspruchs die Vorwürfe des Bußgeldbescheids bestätigt. Daher sollte sorgfältig geprüft werden, ob eine solche Beschränkung ratsam ist.

Die Beschränkung des Einspruchs ist nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte nur wirksam, wenn die getroffenen tatsächlichen Feststellungen die ausgesprochene Rechtsfolge tragen.

Es ist auch möglich, den Einspruch nach einem rechtlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen zu beschränken.

Insgesamt ermöglicht § 67 Abs. 2 OWiG eine gezielte und strategische Vorgehensweise im Rahmen eines Bußgeldverfahrens.

Was sind die Voraussetzungen für eine wirksame ausdrückliche Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO?

Die Voraussetzungen für eine wirksame ausdrückliche Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) sind spezifisch und müssen genau beachtet werden, um rechtlich gültig zu sein. Gemäß § 302 Abs. 2 StPO benötigt ein Verteidiger eine ausdrückliche Ermächtigung, um ein Rechtsmittel im Namen des Angeklagten zurückzunehmen.

Eine solche Ermächtigung muss klar und unmissverständlich sein und kann nicht aus einer allgemeinen Vollmacht oder einer Unterbevollmächtigung abgeleitet werden. Die Ermächtigung muss sich ausdrücklich auf die Zurücknahme des Rechtsmittels beziehen und kann nicht aus anderen Vollmachten oder allgemeinen Bevollmächtigungen geschlossen werden. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Ermächtigung in einer bestimmten Form erfolgt, solange sie eindeutig und spezifisch ist.

Die Rechtsprechung verlangt, dass die Ermächtigung eindeutig und spezifisch auf die jeweilige Verfahrenshandlung bezogen ist, in diesem Fall auf die Rücknahme eines Rechtsmittels. Dies bedeutet, dass der Verteidiger ohne eine solche spezifische Ermächtigung nicht berechtigt ist, das Rechtsmittel zurückzunehmen. Die Ermächtigung muss vom Angeklagten erteilt werden und kann im Zweifelsfall im Wege des Freibeweisverfahrens geklärt werden.

Zusammenfassend erfordert § 302 Abs. 2 StPO eine ausdrückliche und spezifische Ermächtigung des Angeklagten an den Verteidiger, um ein Rechtsmittel zurückzunehmen. Diese Ermächtigung muss eindeutig auf die Zurücknahme des Rechtsmittels bezogen sein und kann nicht aus allgemeinen Vollmachten abgeleitet werden.


Das vorliegende Urteil

BayObLG – Az.: 202 ObOWi 1264/23 – Beschluss vom 21.12.2023

I. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Wunsiedel vom 26.06.2023 wird als unbegründet verworfen.

II. Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 22.11.2022 setzte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt gegen die Betroffene wegen einer als Führerin eines Pkws am 12.09.2022 auf einer Bundesstraße begangenen Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 27 km/h gemäß § 24 Abs. 1 StVG i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2c, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO eine Geldbuße von 225 Euro fest und ordnete gegen die Betroffene wegen des Regelfalls eines (benannten) beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV ein mit einem vorläufigen Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats an. In der Hauptverhandlung vom 26.06.2023 beschränkte der Wahlverteidiger der Betroffenen in erlaubter Abwesenheit der mit Beschluss vom 21.06.2023 nach § 73 Abs. 2 OWiG von der Erscheinenspflicht entbundenen Betroffenen den Einspruch gemäß § 67 Abs. 2 OWiG „auf die Rechtsfolgen“. Mit dem angefochtenen Urteil vom 26.06.2023 setzte das Amtsgericht gegen die Betroffene „wegen der mit Bußgeldbescheid vom 22.11.2022 rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h“ eine Geldbuße von 225 Euro fest und ordnete gegen die Betroffene ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG an. Mit ihrer durch ihren Verteidiger jeweils fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Mit Zuleitungsschrift vom 26.10.2023 beantragt die Generalstaatsanwaltschaft M., die Rechtsbeschwerde durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen.

II.

Mit Beschluss vom 21.12.2023 hat der nach § 80a Abs. 1 OWiG zuständige Einzelrichter die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gemäß § 80a Abs. 1, 2. Halbsatz i.V.m. § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

III.

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaften Rechtsbeschwerde deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Der näheren Erörterung bedarf nur das Folgende:

Die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war wirksam, was der Senat aufgrund der erhobenen Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BayObLG, Beschluss vom 22.11.2023 – 202 StRR 86/23; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23; 12.10.2023 – 202 StRR 72/23, jeweils bei juris).

1. In der nachträglichen Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs liegt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs, die durch den Verteidiger gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO nur mit „ausdrücklicher Ermächtigung“ der Betroffenen erklärt werden konnte. Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar (vgl. auch Löwe-Rosenberg/Jesse StPO 26. Aufl. [2014] § 302 Rn. 44), weil hierdurch der Prüfungsumfang des Gerichts reduziert wird. Dem steht nicht entgegen, dass im Falle einer Revision deren Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte, die mit der Revisionsbegründung vorgenommen wird, nicht als Teilrücknahme in diesem Sinne, sondern lediglich als Konkretisierung des zunächst offen gebliebenen Anfechtungsumfangs anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13.06.1991 – 4 StR 105/91 = BGHSt 38, 4 = NStZ 1991, 501 = MDR 1991, 979 = BGHR StGB § 64 Ablehnung 4 = BGHR StPO § 302 Abs. 2 Beschränkung 2 = AnwBl. 1991, 599 = wistra 1991, 348 = NJW 1991, 3162 = StV 1992, 7 = BeckRS 1991, 1981; Urt. v. 23.10.1991 – 3 StR 321/91 = StV 1992, 10 = NStZ 1992, 126 = BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 25 = BGHR StGB § 46 Abs. 1 Kronzeuge 1 = BGHR StPO § 260 Abs. 3 Freispruch 3 = BGHR StPO § 302 Abs. 1 Konkretisierung 1 = MDR 1992, 393 = NJW 1992, 989 = JZ 1992, 536 = BeckRS 1991, 3190). Dieser Grundsatz, von dem dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Beschränkung der Revision erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt (BGH, Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 7 = BeckRS 2013, 14337), kann auf den Einspruch nicht übertragen werden. Denn er beruht allein auf der Besonderheit des Revisionsrechts, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 1 StPO die Erklärung abzugeben hat, inwieweit er das Urteil anfechten will (KG, Beschluss vom 19.02.1999 – 2 Ss 419/98 – 5 Ws [B] 717/98 bei juris). Dagegen wird durch den Einspruch, der nach der gesetzlichen Regelung gerade keiner Begründung bedarf, der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten, sofern er nicht bereits mit der Einlegung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf einen bestimmten Beschwerdepunkt beschränkt ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr 5 = BeckRS 2018, 7635 m.w.N.; im Ergebnis ebenso für die Berufung: BayObLG, Beschluss vom 01.02. 2021 – 202 StRR 4/21 bei juris = BeckRS 2021, 1622; OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.10.2010 – 2 Ss 618/10 = Justiz 2011, 104 = OLGSt StPO § 302 Nr. 10 = BeckRS 2010, 28143 und für den Einspruch gegen den Strafbefehl: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.06.2010 – III-1 RVs 71/10 = NStZ 2010, 655 = BeckRS 2010, 17408 sowie Löwe-Rosenberg/Jesse a.a.O.).

2. Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war auch mit Blick auf § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO rechtswirksam.

a) Allerdings folgt dies entgegen der vereinzelt von Oberlandesgerichten vertretenen Rechtsauffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.12.2020 – 2 Ss-OWi 1347/20 = NStZ-RR 2021, 83 = BeckRS 2020, 41406; KG, Beschluss vom 01.07.2020 – [4] 121 Ss 71/20 bei juris = BeckRS 2020, 17854) noch nicht daraus, dass dem Verteidiger eine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG erteilt worden war. Die hierfür angeführte Begründung, die Vorschrift des § 302 Abs. 2 StPO sei nicht anwendbar, weil es sich um eine Erklärung des Angeklagten bzw. Betroffenen handle, der von seinem Verteidiger „im Willen“ vertreten werde, erschöpft sich in einem rein formalen Argument, das überdies außer Acht lässt, dass ein Vertreter – im Gegensatz zu einem Boten, der eine fremde Willenserklärung nur übermittelt – eine eigene Willenserklärung, wenn auch in fremdem Namen abgibt, von einer eigenen Erklärung des Betroffenen deshalb nicht die Rede sein kann. Zudem setzt sich diese Ansicht über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweg, ignoriert den Zweck, den diese Vorschrift verfolgt, und steht auch im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 20.09.1956 – 4 StR 287/56 = BGHSt 9, 356 = NJW 1956, 1727 = BeckRS 1956, 104561; ebenso: OLG München, Beschluss vom 06.12.2016 – 5 OLG 15 Ss 543/16 bei juris = BeckRS 2016, 120867). Der Wortlaut des § 302 Abs. 2 StPO differenziert gerade nicht zwischen einem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht und einem solchen, der zusätzlich mit einer Vertretungsvollmacht ausgestattet ist, sondern postuliert ganz allgemein für die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass die Dispositionsbefugnis über den eingelegten Rechtsbehelf ausschließlich dem Angeklagten bzw. Betroffenen zukommt, also dessen ureigener Wille maßgeblich ist. Die Vorschrift verbietet nicht lediglich eine Rücknahme durch den Verteidiger gegen den Willen des Betroffenen, sondern versagt auch einer Rücknahme, die ohne den ausdrücklichen Willen des Angeklagten erklärt wurde, die Wirksamkeit. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass eine Vertretung im Willen bei der Rechtsmittelrücknahme durch § 302 Abs. 2 StPO ausgeschlossen ist bzw. die mit der Vollmachtserteilung verbundene Vertretungsmacht gesetzlich eine Einschränkung erfahren hat.

b) Gleichwohl ist das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht von einer gemäß § 67 Abs. 2 OWiG in Verbindung mit § 302 Abs. 2 StPO wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen, weil die ausdrückliche Ermächtigung in der unter dem 11.10.2022 vom Betroffenen unterzeichneten Vollmachtsurkunde enthalten war.

aa) Zwar muss sich die ausdrückliche Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme nach § 302 Abs. 2 StPO auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen, sodass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln als ausdrückliche Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht ausreicht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 05.06.2013 – 1 StR 168/13 = NStZ 2014, 54 = BeckRS 2013, 12151 m.w.N.).

(bb) Allerdings genügt es den Anforderungen des § 302 Abs. 2 StPO, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung des konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war (BGH, Beschluss vom 07.05. 2019 – 2 StR 142/19; 31.08.2016 – 2 StR 267/16, jeweils bei juris). Eine derartige Konstellation lag hier vor. Zwar wurde die mit der Rücknahmeermächtigung versehene Vollmacht am 11.10.2022, also noch vor Erlass des Bußgeldbescheids erteilt. Allerdings hatte die Bußgeldbehörde vorher, nämlich am 07.10.2022 die Anhörung der Betroffenen zu dem ihr zur Last gelegten Verstoß bereits angeordnet. Bei dieser Sachlage besteht kein Zweifel daran, dass die Vollmachtserteilung gerade zu dem Zweck des als naheliegend zu erwartenden Erlasses des Bußgeldbescheids und der Einspruchseinlegung hiergegen erteilt wurde, der Verteidiger also gerade für das Einspruchsverfahren beauftragt wurde.

3. Die Beanstandung, dass das Urteil entgegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO von der erkennenden Richterin angeblich nicht unterschrieben worden sei, dringt nicht durch. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass diese Bestimmung lediglich die bei den Akten befindliche Urschrift, die von der Richterin unterzeichnet wurde, betrifft, nicht aber die Ausfertigungen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

V.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

 

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