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Bussgeldverfahren – Falldatensätze der gesamten Messreihe sowie der Statistikdatei

Geblitzt auf der Landstraße? Wer an der Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung zweifelt, hat jetzt ein Recht auf die Gebrauchsanweisung des Messgeräts. Doch weitergehende Forderungen nach detaillierten Messdaten wies ein Gericht nun zurück. Damit bleibt die Frage, wie tief der Staat in seine Messmethoden blicken lassen muss, vorerst unbeantwortet.

Übersicht

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 OWi 53/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: AG Landstuhl
  • Datum: 09.04.2025
  • Aktenzeichen: 2 OWi 53/25
  • Verfahrensart: Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Bußgeldverfahren
  • Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), Grundgesetz (GG), Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)

Beteiligte Parteien:

  • Antragsteller: Der Verteidiger des Betroffenen in einem Bußgeldverfahren. Er beantragte die Herausgabe von Unterlagen (Gebrauchsanweisung des Messgeräts), die nicht Teil der Verfahrensakte waren.
  • Antragsgegner: Die Verwaltungsbehörde, die das Bußgeldverfahren führt und die angeforderten Unterlagen nicht zur Akte genommen hatte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: In einem Bußgeldverfahren wegen einer Messung (vermutlich Geschwindigkeit o.ä.) verlangte der Verteidiger Einsicht bzw. Herausgabe der Gebrauchsanweisung des verwendeten Messgeräts. Diese Unterlage befand sich nicht in der offiziellen Verfahrensakte, die die Verwaltungsbehörde führte. Da die Behörde die Herausgabe offenbar verweigerte, stellte der Verteidiger einen Antrag bei Gericht.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob der Verteidiger einen Anspruch auf Erhalt der Gebrauchsanweisung hat, auch wenn diese kein Aktenbestandteil ist. Das Gericht musste klären, ob dies unter das Recht auf Akteneinsicht fällt oder ob es einen anderen rechtlichen Anspruch dafür gibt.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die Verwaltungsbehörde dem Verteidiger die zum Zeitpunkt der Messung gültige Gebrauchsanweisung des Messgeräts zur Verfügung stellen muss. Ein weiterer, nicht näher beschriebener Teil des Antrags wurde abgelehnt. Der Verteidiger muss die Kosten für dieses Antragsverfahren tragen.
  • Begründung: Das Gericht erklärte, dass der Anspruch auf die Gebrauchsanweisung nicht direkt aus dem Recht auf Akteneinsicht (§ 49 OWiG) folgt, da das Dokument kein Aktenbestandteil war. Der Anspruch ergibt sich jedoch aus dem übergeordneten Recht auf ein faires Verfahren (garantiert durch Grundgesetz und Europäische Menschenrechtskonvention). Es sei allgemein anerkannt, dass Betroffene bzw. ihre Verteidiger die Gebrauchsanweisung einsehen können müssen, um die Korrektheit einer Messung überprüfen zu können. Der weitergehende Antrag wurde als unbegründet verworfen.
  • Folgen: Die Verwaltungsbehörde muss die Gebrauchsanweisung herausgeben. Der Verteidiger kann diese nun prüfen. Der Verteidiger trägt die Kosten dieses spezifischen Gerichtsverfahrens über die Herausgabe der Anleitung.

Der Fall vor Gericht


Bußgeldbescheid nach Geschwindigkeitsmessung: AG Landstuhl klärt Umfang des Rechts auf Einsicht in Messdaten und Gebrauchsanweisung

Das Amtsgericht (AG) Landstuhl hat in einem Beschluss vom 09.04.2025 (Az.: 2 OWi 53/25) entschieden, in welchem Umfang eine Person, der eine Ordnungswidrigkeit (z.B. eine Geschwindigkeitsüberschreitung) vorgeworfen wird, bzw. deren Verteidiger Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen zu der Messung hat.

Radar-Geschwindigkeitsmessung Landstraße: Verkehrsüberwachung, Bußgeldverfahren, Verkehrsrecht.
Rechtsanspruch auf Messdaten im Bußgeldverfahren | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Im Kern ging es um die Frage, ob neben der Gebrauchsanweisung des Messgeräts auch die vollständige Messreihe und eine Statistikdatei herausgegeben werden müssen. Das Gericht gewährte den Anspruch teilweise.

Ausgangssituation: Anwalt fordert Unterlagen zur Geschwindigkeitsmessung von Bußgeldbehörde an

Ein Verteidiger vertrat eine Person in einem Bußgeldverfahren, das vermutlich aufgrund einer Geschwindigkeitsmessung eingeleitet wurde. Um die Messung überprüfen und eine effektive Verteidigung aufbauen zu können, forderte der Anwalt von der zuständigen Verwaltungsbehörde (Bußgeldstelle) verschiedene Unterlagen an. Konkret verlangte er:

  1. Die Gebrauchsanweisung für das bei der Messung verwendete Gerät, und zwar in der Version, die zum Zeitpunkt der Messung gültig war.
  2. Die Falldatensätze der sogenannten „gesamten Messreihe“. Dies bezieht sich auf die Rohdaten aller Messungen, die in dem relevanten Zeitraum mit dem Gerät durchgeführt wurden, nicht nur die der betroffenen Person.
  3. Eine Statistikdatei, die vermutlich Auswertungen über die Messungen enthält.

Die Verwaltungsbehörde lehnte die Herausgabe der gesamten Messreihe und der Statistikdatei ab. Daraufhin beantragte der Verteidiger am 12.03.2025 eine gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), um die Herausgabe der Unterlagen zu erzwingen.

Streitpunkt: Reichweite des Informationsanspruchs – Mehr als nur klassische Akteneinsicht nach § 49 OWiG?

Das Gericht stellte zunächst klar, dass der Antrag des Verteidigers einer Auslegung bedurfte. Obwohl der Anwalt formal von „Einsicht in Aktenbestandteile“ sprach, zielte sein Antrag tatsächlich darauf ab, Unterlagen und Informationen zu erhalten, die nicht Teil der offiziellen Bußgeldakte waren. Die Verwaltungsbehörde hatte diese Daten zwar im Zusammenhang mit dem Verfahren erfasst, sie aber nicht zur Akte genommen.

Daher handelte es sich laut Gericht nicht um einen Fall der Akteneinsicht im Sinne des § 49 OWiG. Vielmehr ging es um einen eigenständigen Anspruch auf Überlassung von Informationen, der sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ableitet. Dieses Grundrecht ist in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) sowie in Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert. Es soll sicherstellen, dass die beschuldigte Person alle notwendigen Informationen erhält, um sich wirksam verteidigen zu können („Waffengleichheit“).

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG war zulässig, um diesen Anspruch durchzusetzen.

Entscheidung des AG Landstuhl: Herausgabe der Gebrauchsanweisung Pflicht, aber keine Pflicht zur Offenlegung der gesamten Messreihe

Das Amtsgericht Landstuhl entschied differenziert:

  1. Gebrauchsanweisung: Dem Antrag auf Herausgabe der Gebrauchsanweisung wurde stattgegeben. Die Verwaltungsbehörde wurde verpflichtet, dem Verteidiger die zum Messzeitpunkt gültige Version der Gebrauchsanweisung zur Verfügung zu stellen.
  2. Gesamte Messreihe und Statistikdatei: Der weitergehende Antrag auf Überlassung der Falldatensätze der gesamten Messreihe und der Statistikdatei wurde als unbegründet verworfen. Die Verwaltungsbehörde muss diese Daten also nicht herausgeben.
  3. Kosten: Die Kosten des Antragsverfahrens wurden dem Verteidiger auferlegt.

Begründung zur Gebrauchsanweisung: Notwendig für eine effektive Verteidigung

Das Gericht begründete die Verpflichtung zur Herausgabe der Gebrauchsanweisung damit, dass dies allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung entspreche. Zahlreiche Obergerichte (OLG Naumburg, Kammergericht Berlin, OLG Koblenz, OLG Zweibrücken) haben bereits entschieden, dass die betroffene Person bzw. ihr Verteidiger ein Recht auf Überlassung der Gebrauchsanweisung hat.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Nur mit Kenntnis der Bedienungsanleitung des Messgeräts kann der Verteidiger überprüfen, ob das Gerät korrekt aufgestellt, bedient und gewartet wurde. Mögliche Fehler bei der Messung, die sich aus einer unsachgemäßen Handhabung ergeben könnten, können nur so aufgedeckt werden. Die Gebrauchsanweisung ist daher eine essentielle Grundlage für eine sachgerechte Verteidigung gegen den Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit, die auf einer technischen Messung basiert. Ihre Relevanz für die Verteidigung ist somit gegeben.

Begründung zur Ablehnung der Messreihe und Statistikdatei: Fehlende Relevanz für den konkreten Fall

Die Ablehnung der Herausgabe der gesamten Messreihe und der Statistikdatei begründete das Gericht hingegen mit fehlender (potenzieller) Relevanz für die Verteidigung im konkreten Einzelfall.

Das Gericht stellte klar, dass ein Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen, die sich nicht in der Bußgeldakte befinden, an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist:

Diese Voraussetzungen sah das Gericht in Bezug auf die Daten der gesamten Messreihe und die Statistikdatei als nicht erfüllt an. Die Daten anderer Messungen, die nicht die betroffene Person betreffen, haben nach Auffassung des Gerichts keinen ausreichenden Bezug zum individuellen Vorwurf. Selbst wenn sich aus der gesamten Messreihe möglicherweise Hinweise auf generelle Unregelmäßigkeiten ergeben könnten, fehlt der direkte Zusammenhang zum spezifischen Messvorgang, der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegt.

Kernargument des Gerichts: Balance zwischen fairem Verfahren und standardisierten Messverfahren

Das Gericht wog dabei das Recht auf ein faires Verfahren gegen die Besonderheiten bei standardisierten Messverfahren ab. Zwar erlaube das Gebot eines fairen Verfahrens der betroffenen Person grundsätzlich, jeder auch nur theoretischen Aufklärungschance nachzugehen. Sie soll die Möglichkeit haben, die Grundlagen des Vorwurfs umfassend zu prüfen.

Auf der anderen Seite seien die Bußgeldbehörden und später auch die Gerichte in Fällen von standardisierten Messverfahren (wie z.B. bei vielen Geschwindigkeitsmessungen) grundsätzlich von einer weitergehenden Sachaufklärungspflicht entbunden. Dies beruht auf der Annahme, dass diese Verfahren bei Einhaltung der Vorgaben (korrekte Geräteeichung, Schulung des Personals, Beachtung der Gebrauchsanweisung) zuverlässige Ergebnisse liefern.

Ein Anspruch auf Einsicht in Unterlagen, die über den konkreten Fall hinausgehen (wie die gesamte Messreihe), bestehe daher nicht automatisch. Es kommt nicht darauf an, ob die Behörde oder das Gericht diese Informationen selbst benötigen würde, um sich eine Überzeugung zu bilden. Entscheidend für den Informationsanspruch des Betroffenen ist die potentielle Verteidigungsrelevanz der begehrten Information für seinen konkreten Fall. Diese sah das Gericht bei den Daten der gesamten Messreihe und der Statistikdatei als nicht gegeben an. Eine pauschale Überprüfung aller Messungen sei nicht erforderlich und würde den Rahmen sprengen.

Kostenentscheidung: Verteidiger trägt die Kosten des Antragsverfahrens

Da der Antrag des Verteidigers nur zu einem kleinen Teil (bezüglich der Gebrauchsanweisung) Erfolg hatte und im Wesentlichen (bezüglich der Messreihe und Statistikdatei) abgelehnt wurde, legte das Gericht die Kosten des gerichtlichen Antragsverfahrens gemäß den gesetzlichen Regelungen dem Verteidiger auf.

Fazit: Gerichtsurteil steckt Grenzen für Informationsansprüche im Bußgeldverfahren ab

Der Beschluss des AG Landstuhl verdeutlicht die Grenzen des Informationsanspruchs für Betroffene in Bußgeldverfahren, die auf technischen Messungen beruhen.

  • Bestätigt wird das Recht auf Zugang zur Gebrauchsanweisung des verwendeten Messgeräts. Diese ist für die Überprüfung der konkreten Messung und damit für eine effektive Verteidigung unerlässlich.
  • Abgelehnt wird jedoch ein pauschaler Anspruch auf Herausgabe der gesamten Messreihe oder umfassender Statistikdateien, die auch Messungen anderer Personen beinhalten. Hierfür fehlt es nach Ansicht des Gerichts regelmäßig an der notwendigen Relevanz für den konkreten Einzelfall.

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Prinzips des fairen Verfahrens, betont aber gleichzeitig, dass dieses Recht nicht uferlos ist. Insbesondere bei standardisierten Messverfahren wird die Notwendigkeit einer umfassenden Sachaufklärung durch die Behörden und Gerichte begrenzt, solange keine konkreten Anhaltspunkte für Fehler im Einzelfall bestehen. Betroffene und ihre Verteidiger müssen darlegen können, warum über die unmittelbaren Falldaten hinausgehende Informationen für ihre spezifische Verteidigung relevant sein könnten. Ein bloßer Verweis auf die theoretische Möglichkeit von Fehlern genügt nicht, um Zugang zu umfangreichen Daten Dritter zu erhalten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil klärt, dass Betroffene bei Geschwindigkeitsmessungen ein Recht auf die Gebrauchsanweisung des verwendeten Messgeräts haben, jedoch nicht auf die gesamte Messreihe oder Statistikdaten. Entscheidend ist, dass nur Informationen mit potenzieller Relevanz für die Verteidigung zugänglich gemacht werden müssen – die Messreihe hat laut Physikalisch-Technischer Bundesanstalt keinen Erkenntnisgewinn für die Verteidigung. Diese Entscheidung stärkt Verteidigungsrechte durch Zugang zu grundlegenden Unterlagen, begrenzt aber gleichzeitig überzogene Informationsansprüche.

FAQ - Häufig gestellte Fragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Rechte habe ich als Betroffener im Bußgeldverfahren bezüglich der Beweismittel?

Als Betroffener in einem Bußgeldverfahren haben Sie grundlegende Rechte, um sicherzustellen, dass das Verfahren fair abläuft und Sie sich wirksam verteidigen können. Diese Rechte beziehen sich auch auf die Beweismittel, die gegen Sie verwendet werden sollen.

Das Recht auf Akteneinsicht: Was gehört dazu?

Das wichtigste Recht im Zusammenhang mit Beweismitteln ist Ihr Recht auf Akteneinsicht. Dieses Recht ergibt sich unter anderem aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Artikel 103 Grundgesetz) und dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention).

  • Was bedeutet Akteneinsicht? Sie dürfen grundsätzlich alle Unterlagen und Informationen einsehen, welche die Behörde oder später das Gericht in Ihrer Sache gesammelt hat. Dazu gehören nicht nur die Beweismittel, die Sie belasten (wie z.B. das Blitzerfoto oder Zeugenaussagen), sondern auch solche, die Sie entlasten könnten.
  • Umfang der Einsicht: Sie haben das Recht, die gesamte Verfahrensakte einzusehen. Dies umfasst den Bußgeldbescheid, Messprotokolle, Fotos, Videos, Zeugenaussagen und alle sonstigen Schriftstücke, die Grundlage für den Vorwurf sind.
  • Warum ist das wichtig? Nur wenn Sie wissen, welche Beweise genau gegen Sie vorliegen und wie diese zustande gekommen sind, können Sie die Vorwürfe nachvollziehen und prüfen, ob beispielsweise bei einer Messung alles korrekt abgelaufen ist. Die Akteneinsicht ist die Grundlage für Ihre Verteidigung.

Mehr als nur die Akte: Ihr Recht auf weitere Informationen

Ihr Recht auf Information kann unter Umständen über den Inhalt der eigentlichen Verfahrensakte hinausgehen. Das Prinzip des fairen Verfahrens verlangt „Waffengleichheit“. Das bedeutet, Sie sollen die gleichen Möglichkeiten haben wie die Behörde oder das Gericht, den Sachverhalt zu prüfen.

  • Zusätzliche Informationen bei Messverfahren: Gerade bei standardisierten Messverfahren (z.B. Geschwindigkeits- oder Abstandsmessungen) kann es für eine faire Verteidigung notwendig sein, auch Informationen einzusehen, die nicht standardmäßig Teil der Akte sind. Dazu können gehören:
    • Die Bedienungsanleitung des verwendeten Messgeräts.
    • Wartungs- und Eichnachweise für das Gerät.
    • Schulungsnachweise des Personals, das die Messung durchgeführt hat.
    • Unter Umständen auch die sogenannten Rohmessdaten oder die „Lebensakte“ des Messgeräts, um die konkrete Messung nachvollziehen und auf Fehler überprüfen zu können.
  • Gerichtliche Entscheidungen: Gerichte, einschließlich des Bundesverfassungsgerichts, haben betont, dass Betroffenen zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens Zugang zu den Informationen gewährt werden muss, die sie benötigen, um die Korrektheit der Messung überprüfen zu können. Welche Informationen das im Detail sind, hängt vom Einzelfall und dem verwendeten Messverfahren ab.

Was bedeutet das für Sie als Betroffener?

Für Sie bedeutet das: Sie haben das Recht, umfassend über die gegen Sie erhobenen Vorwürfe und die zugrundeliegenden Beweismittel informiert zu werden. Das schließt das Recht ein, die Akte einzusehen und gegebenenfalls auch Zugang zu weiteren Informationen zu verlangen, die für die Überprüfung der Beweise – insbesondere bei technischen Messungen – relevant sind. Dieses Wissen ist entscheidend, um Ihre Situation beurteilen und über Ihr weiteres Vorgehen entscheiden zu können.


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Was bedeutet „Recht auf ein faires Verfahren“ im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsmessungen?

Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaats. Es bedeutet im Kern, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben muss, sich gegen einen Vorwurf – wie zum Beispiel eine Geschwindigkeitsüberschreitung – angemessen zu verteidigen. Im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsmessungen heißt das vor allem: Sie sollen grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten wie die Bußgeldbehörde haben, die Beweismittel zu prüfen, auf die sich der Vorwurf stützt.

Dieses Prinzip wird oft als „Waffengleichheit“ bezeichnet. Stellen Sie sich das bildlich vor: Beide Seiten in einem Verfahren sollen mit vergleichbaren Mitteln „kämpfen“ können. Die Bußgeldbehörde nutzt die Ergebnisse der Geschwindigkeitsmessung als Beweis. Damit Sie oder eine von Ihnen beauftragte Person (zum Beispiel ein Sachverständiger) sich effektiv verteidigen können, müssen Sie die Chance haben, die Grundlage dieses Beweises nachzuvollziehen und auf mögliche Fehler zu überprüfen.

Warum sind Messdaten wichtig für ein faires Verfahren?

Geschwindigkeitsmessungen basieren auf technischen Geräten und Verfahren. Wie bei jeder Technik können auch hier Fehler passieren – sei es durch eine fehlerhafte Bedienung des Geräts, technische Probleme, eine abgelaufene Eichung oder ungünstige Messbedingungen. Um beurteilen zu können, ob eine Messung korrekt durchgeführt wurde und das Ergebnis verwertbar ist, sind oft detaillierte Informationen zur Messung notwendig.

Dazu können beispielsweise gehören:

  • Die Rohmessdaten (also die unverarbeiteten digitalen Daten, die das Messgerät aufgezeichnet hat)
  • Informationen zur Wartung und Eichung des verwendeten Geräts
  • Unterlagen zur Aufstellung und Bedienung des Geräts im konkreten Fall

Nur mit Zugang zu solchen relevanten Informationen können Sie oder ein Experte prüfen, ob die Messung den technischen und rechtlichen Vorgaben entsprach.

Wer entscheidet, welche Informationen nötig sind?

Es gibt keinen automatischen Anspruch auf alle denkbaren Daten und Unterlagen zu einer Messung. Ob und welche spezifischen Informationen im Einzelfall für eine faire Verteidigung notwendig sind, entscheidet letztlich das zuständige Gericht.

Das Gericht muss prüfen, ob die von Ihnen geforderten Informationen tatsächlich relevant sind, um die Korrektheit der Messung überprüfen zu können. Ziel ist es sicherzustellen, dass Sie die Beweismittel der Behörde nicht blind akzeptieren müssen, sondern eine echte Möglichkeit zur Überprüfung und gegebenenfalls zur Widerlegung haben. Das Gericht wägt dabei die Interessen der Verteidigung gegen den Aufwand und die Belange der Behörden ab. Das Recht auf ein faires Verfahren garantiert Ihnen also die grundsätzliche Möglichkeit, die Messung überprüfen zu lassen, wobei der Umfang der dafür notwendigen Informationen im konkreten Fall vom Gericht bestimmt wird.


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Welche Unterlagen kann ich im Rahmen eines Bußgeldverfahrens einfordern, um die Messung zu überprüfen?

Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben, weil Sie zum Beispiel zu schnell gefahren sein sollen, möchten Sie vielleicht nachvollziehen, ob die Messung korrekt war. Dafür gibt es das Recht auf Akteneinsicht. Das bedeutet, Sie dürfen grundsätzlich die Unterlagen einsehen, die die Behörde zu Ihrem Fall gesammelt hat. Allerdings ist nicht pauschal festgelegt, welche spezifischen Unterlagen zur Messung immer herausgegeben werden müssen. Der Umfang dessen, was Sie einsehen können, hängt von den Umständen des Einzelfalls und der aktuellen Rechtsprechung ab.

Welche Unterlagen sind grundsätzlich relevant?

Die Grundlage bildet immer die Bußgeldakte. Diese enthält normalerweise:

  • Den Bußgeldbescheid selbst.
  • Das Beweisfoto (falls vorhanden).
  • Ein Messprotokoll (oft eine Kurzfassung).
  • Eventuelle Zeugenaussagen.

Darüber hinaus können zur Überprüfung der Messung weitere spezifische Dokumente wichtig sein. Ob Sie einen Anspruch auf Herausgabe dieser zusätzlichen Unterlagen haben, muss im Einzelfall geprüft werden. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Gebrauchsanweisung des Messgeräts: Sie beschreibt, wie das Gerät korrekt aufgestellt und bedient werden muss. Daraus lässt sich erkennen, ob bei der Messung möglicherweise Bedienfehler gemacht wurden.
  • Eichschein oder Konformitätsbewertung: Dieses Dokument belegt, dass das Messgerät zum Zeitpunkt der Messung gültig geeicht war. Eine gültige Eichung ist Voraussetzung für die Verwertbarkeit der Messung.
  • Schulungsnachweise der Messbeamten: Damit kann überprüft werden, ob die Personen, die die Messung durchgeführt haben, ausreichend für das verwendete Gerät geschult waren.
  • Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen: Diese können Auskunft darüber geben, ob das Gerät regelmäßig gewartet wurde und ob es eventuell technische Probleme gab.

Besonderheit: Digitale Messdaten und Statistikdateien

Moderne Messgeräte speichern oft umfangreiche digitale Daten, manchmal auch als Rohmessdaten oder Statistikdateien bezeichnet. Diese können die gesamte Messreihe umfassen, nicht nur den einen Wert, der zum Bußgeldbescheid geführt hat. Die Frage, ob Betroffene einen Anspruch auf die Herausgabe dieser digitalen Daten haben, ist komplex und wird von Gerichten unterschiedlich beurteilt.

Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass Betroffene zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens grundsätzlich die Möglichkeit haben müssen, die Grundlagen der Messung nachzuvollziehen und zu überprüfen. Das kann im Einzelfall auch die Einsicht in digitale Messdaten einschließen, wenn dies für eine effektive Verteidigung notwendig erscheint.

Wann besteht ein Anspruch auf zusätzliche Unterlagen?

Es gibt keinen automatischen Anspruch auf die Herausgabe aller denkbaren Unterlagen zur Messung. Der Anspruch hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab:

  • Art des Messverfahrens: Bei manchen Geräten (z.B. standardisierte Videoaufzeichnungen) sind bestimmte Daten wichtiger als bei anderen.
  • Konkrete Anhaltspunkte für Fehler: Wenn es bereits Hinweise auf mögliche Fehler gibt (z.B. ein unklares Beweisfoto, bekannte technische Probleme des Gerätetyps), kann ein Anspruch auf weitergehende Unterlagen eher bestehen.
  • Notwendigkeit für die Verteidigung: Es muss in der Regel dargelegt werden, warum bestimmte Unterlagen für die Überprüfung der Messung und damit für die Verteidigung erforderlich sind.

Letztlich entscheiden die Bußgeldbehörden und Gerichte im konkreten Verfahren, welche Unterlagen herausgegeben werden müssen. Ziel ist es dabei immer, ein faires Verfahren sicherzustellen, in dem sich der Betroffene angemessen verteidigen kann.

Wo erhält man Einsicht?

Die Akteneinsicht wird in der Regel bei der zuständigen Bußgeldstelle beantragt. Läuft das Verfahren bereits bei Gericht, ist das Amtsgericht zuständig. Zusätzliche Unterlagen, die nicht Teil der Standardakte sind (wie z.B. Rohmessdaten), müssen oft gesondert angefordert und die Notwendigkeit begründet werden. Die Behörde oder das Gericht prüft dann, ob die Unterlagen herausgegeben werden müssen.


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Was ist der Unterschied zwischen Akteneinsicht und einem Anspruch auf Herausgabe von Informationen?

Akteneinsicht und ein Anspruch auf Herausgabe von Informationen sind zwei unterschiedliche Rechte, die Ihnen im Rahmen eines Verfahrens (wie einem Bußgeldverfahren) zustehen können. Sie unterscheiden sich vor allem darin, welche Unterlagen oder Daten Sie von einer Behörde erhalten können.

Akteneinsicht: Der Blick in den „Ordner“ der Behörde

Stellen Sie sich die Akteneinsicht so vor, als würden Sie einen Blick in den Ordner werfen, den die Behörde speziell zu Ihrem Fall angelegt hat.

  • Was umfasst die Akteneinsicht? Sie erhalten Zugang zu allen Dokumenten, die die Behörde offiziell zu Ihrer Verfahrensakte hinzugefügt hat. Das können beispielsweise der Bußgeldbescheid selbst, Zeugenaussagen, Fotos (wie das Blitzerfoto), Messprotokolle oder behördeninterne Vermerke sein, die sich bereits in der Akte befinden.
  • Ziel: Die Akteneinsicht soll Ihnen ermöglichen nachzuvollziehen, auf welcher Grundlage die Behörde ihre Entscheidung getroffen hat oder den Vorwurf stützt. Sie sehen also, was die Behörde bereits als relevant für Ihren Fall gesammelt und dokumentiert hat.

Anspruch auf Herausgabe von Informationen: Gezielte Anfrage nach mehr Details

Der Anspruch auf Herausgabe von Informationen geht oft über die reine Akteneinsicht hinaus. Er bezieht sich nicht nur auf das, was bereits in Ihrer Akte liegt, sondern kann auch Daten und Informationen umfassen, die die Behörde zwar besitzt, aber nicht standardmäßig in jede einzelne Verfahrensakte aufnimmt.

  • Was kann das sein? Gerade im Kontext von Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeits- oder Abstandsverstößen kann dies relevant werden. Hier kann ein solcher Anspruch beispielsweise folgende Informationen betreffen:
    • Rohmessdaten: Die vollständigen, unverarbeiteten Datenreihen einer Messung.
    • Statistikdateien: Daten, die das Messgerät über seinen Betrieb sammelt.
    • Wartungs- und Eichnachweise: Dokumente, die belegen, wann und wie das Messgerät zuletzt überprüft und geeicht wurde (sogenannte Lebensakte des Geräts).
    • Bedienungsanleitungen: Informationen zur korrekten Handhabung des Messgeräts.
  • Ziel: Dieser Anspruch dient dazu, Ihnen eine umfassende und faire Verteidigung zu ermöglichen. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, die Korrektheit der Messung und des gesamten Verfahrens anhand von technischen Details zu überprüfen, die über den Inhalt der Standard-Akte hinausgehen. Es geht darum, die Grundlagen des Vorwurfs (z.B. die Messung selbst) auf mögliche Fehlerquellen untersuchen zu können.

Der wesentliche Unterschied liegt also im Umfang: Die Akteneinsicht gewährt Einblick in die bereits zusammengestellte Verfahrensakte. Der Anspruch auf Herausgabe von Informationen kann sich darüber hinaus auf weitere, spezifische Daten und Unterlagen beziehen, die für die Überprüfung des Vorwurfs (insbesondere bei technischen Messungen) relevant sind, auch wenn diese nicht Teil der ursprünglichen Akte waren.


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Wie kann ich meinen Anspruch auf Einsicht in Messdaten geltend machen, wenn die Bußgeldbehörde ihn ablehnt?

Wenn die Bußgeldbehörde Ihren Antrag auf Einsicht in bestimmte Messunterlagen ablehnt, haben Sie nicht automatisch das Nachsehen. Das Gesetz sieht für solche Fälle ein bestimmtes Verfahren vor.

Sie können in dieser Situation einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Dieser Antrag stützt sich auf § 62 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Mit diesem Antrag bitten Sie das zuständige Amtsgericht, die Entscheidung der Bußgeldbehörde zu überprüfen.

Was bewirkt ein Antrag nach § 62 OWiG?

  • Der Antrag führt dazu, dass das Gericht prüft, ob die Ablehnung der Akteneinsicht durch die Behörde rechtmäßig war.
  • Stellt das Gericht fest, dass Ihnen die Einsicht zu Unrecht verweigert wurde, kann es die Bußgeldbehörde anweisen, Ihnen die entsprechenden Unterlagen zugänglich zu machen.

Dieser Antrag nach § 62 OWiG ist ein Mittel, um schon vor einer möglichen Hauptverhandlung vor Gericht eine Klärung über den Umfang der Akteneinsicht herbeizuführen.

Die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags hängen immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist unter anderem, welche Unterlagen genau angefordert wurden und aus welchen Gründen die Behörde die Einsicht abgelehnt hat. Das Gericht wird prüfen, ob die angeforderten Daten für Ihre Verteidigung relevant sein könnten.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar - Fachbegriffe einfach erklärt

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Bußgeldverfahren

Ein Bußgeldverfahren ist ein rechtliches Verfahren zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Ordnungswidrigkeiten sind geringfügigere Rechtsverstöße als Straftaten, wie zum Beispiel Geschwindigkeitsüberschreitungen im Straßenverkehr. Das Verfahren wird in der Regel von einer Verwaltungsbehörde (z.B. der Bußgeldstelle) eingeleitet und kann mit einem Bußgeldbescheid enden. Nur wenn der Betroffene Einspruch gegen den Bescheid einlegt, kommt es zu einer gerichtlichen Prüfung, meist vor dem Amtsgericht. Geregelt ist das Verfahren hauptsächlich im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG).

Beispiel: Sie werden geblitzt, weil Sie zu schnell gefahren sind. Die zuständige Behörde leitet daraufhin ein Bußgeldverfahren gegen Sie ein, an dessen Ende oft ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße steht.


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Verwaltungsbehörde

Eine Verwaltungsbehörde ist eine staatliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Im Kontext des Textes ist damit die Behörde gemeint, die für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist, oft als „Bußgeldstelle“ bezeichnet. Sie ermittelt den Sachverhalt (z.B. wertet die Messdaten einer Geschwindigkeitskontrolle aus) und erlässt den Bußgeldbescheid. Sie ist also in der ersten Phase des Bußgeldverfahrens die entscheidende Instanz und der „Gegner“ des Betroffenen, bevor eventuell ein Gericht eingeschaltet wird.

Beispiel: Die örtliche Straßenverkehrsbehörde fungiert als Verwaltungsbehörde, wenn sie Ihnen nach einer Geschwindigkeitsmessung einen Anhörungsbogen und später den Bußgeldbescheid zusendet.


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gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG

Dies ist ein Antrag an das zuständige Gericht (meist das Amtsgericht) während eines laufenden Bußgeldverfahrens, aber noch vor einer möglichen Hauptverhandlung. Mit diesem Antrag kann der Betroffene oder sein Verteidiger bestimmte Anordnungen des Gerichts gegen die Verwaltungsbehörde erzwingen. Im konkreten Fall wurde dieser Antrag gestellt, um die Herausgabe von Unterlagen (Gebrauchsanweisung, Messdaten) zu erreichen, die die Verwaltungsbehörde verweigert hatte. Geregelt ist dieses Verfahren in § 62 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG).

Beispiel: Ihr Anwalt ist der Meinung, dass die Bußgeldstelle wichtige Beweismittel zur Messung zurückhält. Er stellt beim Amtsgericht einen Antrag nach § 62 OWiG, damit das Gericht die Behörde zur Herausgabe dieser Unterlagen verpflichtet.


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Akteneinsicht (§ 49 OWiG)

Akteneinsicht bezeichnet das Recht des Betroffenen eines Bußgeldverfahrens (oder seines Verteidigers), die von der Verwaltungsbehörde geführte Verfahrensakte einzusehen. Diese Akte enthält die offiziellen Dokumente, auf die die Behörde ihren Vorwurf stützt (z.B. Messprotokoll, Foto, Zeugenaussagen). Im vorliegenden Fall ging es jedoch um Informationen (gesamte Messreihe, Statistikdatei), die gerade nicht Teil der offiziellen Akte waren, weshalb das Gericht den Anspruch nicht direkt auf § 49 OWiG, sondern auf das Recht auf ein faires Verfahren stützte.

Beispiel: Ihr Anwalt beantragt Akteneinsicht bei der Bußgeldstelle, um das Blitzerfoto und das Protokoll über die Eichung des Messgeräts zu prüfen, die sich in der offiziellen Ermittlungsakte befinden.


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Recht auf ein faires Verfahren

Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein grundlegendes Recht, das jedem Beschuldigten in einem staatlichen Verfahren zusteht. Es ist im Grundgesetz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 EMRK) verankert. Es besagt, dass das Verfahren gerecht und nach rechtsstaatlichen Prinzipien ablaufen muss; dazu gehört insbesondere die „Waffengleichheit“, also dass die Verteidigung über vergleichbare Möglichkeiten wie die Verfolgungsbehörde verfügen muss, den Fall zu prüfen und Argumente vorzubringen. Im Text wurde dieses Recht herangezogen, um den Anspruch auf Herausgabe der Gebrauchsanweisung zu begründen, da diese für eine effektive Verteidigung notwendig sei.

Beispiel: Ein Gericht verweigert Ihnen, einen wichtigen Entlastungszeugen zu laden, obwohl dessen Aussage für den Fall entscheidend sein könnte. Dies könnte Ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzen.


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(potentielle) Relevanz für die Verteidigung

Dies ist ein juristischer Maßstab, der prüft, ob eine Information oder ein Beweismittel möglicherweise für die Verteidigung des Betroffenen von Bedeutung sein könnte. Es muss nicht sicher sein, dass die Information den Betroffenen entlastet, aber es muss die nachvollziehbare Möglichkeit bestehen, dass sie zur Klärung des Sachverhalts oder zur Widerlegung des Vorwurfs beitragen kann. Im Text hat das Gericht entschieden, dass die Gebrauchsanweisung diese potentielle Relevanz hat (um Messfehler aufzudecken), die gesamte Messreihe und Statistikdatei aber nicht, da sie keinen ausreichenden Bezug zum konkreten Vorwurf gegen die betroffene Person hätten.

Beispiel: Sie sind wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung angeklagt. Ein Wartungsprotokoll, das zeigt, dass das Messgerät kurz vor der Messung fehlerhaft war, hat potentielle Relevanz. Die Statistik, wie viele Autos an diesem Tag insgesamt geblitzt wurden, hat es laut dem Gericht im Text eher nicht.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK): Dieses Grundrecht, verankert im Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention, sichert jedem Bürger ein faires und rechtsstaatliches Verfahren vor Gericht und Behörden zu. Es umfasst das Recht auf Waffengleichheit und effektive Verteidigungsmöglichkeiten, um sich gegen staatliche Eingriffe zur Wehr zu setzen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht betont, dass aus diesem Recht ein Anspruch auf Zugang zu Informationen abgeleitet werden kann, die für die Verteidigung relevant sind, auch wenn diese nicht Teil der Bußgeldakte sind.
  • Überlassungsanspruch eigener Art (abgeleitet aus dem Recht auf ein faires Verfahren): Dieser Anspruch, der nicht direkt im Gesetz steht, aber von der Rechtsprechung entwickelt wurde, ermöglicht es Betroffenen, die Herausgabe von Dokumenten und Informationen zu verlangen, die außerhalb der Bußgeldakte liegen. Voraussetzung ist, dass diese Informationen einen Bezug zum Fall haben und potenziell für die Verteidigung bedeutsam sein könnten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Antrag des Verteidigers auf Herausgabe der Gebrauchsanweisung und anderer Daten wird als solcher „Überlassungsanspruch“ und nicht als formelle Akteneinsicht nach § 49 OWiG behandelt, was die rechtliche Grundlage für die gerichtliche Entscheidung bildet.
  • § 49 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) – Akteneinsicht: Diese Vorschrift regelt das Recht auf Akteneinsicht im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Sie ermöglicht es Betroffenen und ihren Verteidigern, die behördlichen Akten einzusehen, um sich über den Sachverhalt und die Beweislage zu informieren und ihre Verteidigung vorzubereiten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellt klar, dass der Antrag des Verteidigers nicht unter § 49 OWiG fällt, da es um Dokumente geht, die nicht Teil der Akte sind. Dennoch dient § 49 OWiG als Hintergrund, um den Unterschied zum hier relevanten „Überlassungsanspruch“ zu verdeutlichen.
  • Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (allgemeines Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG): Dieser Grundsatz besagt, dass staatliche Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen müssen und die Rechte des Einzelnen nicht übermäßig beeinträchtigen dürfen. Er fordert eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und den Rechten des Betroffenen auf eine effektive Verteidigung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wägt ab, inwieweit der Anspruch des Betroffenen auf Information reicht und wo die Grenzen liegen. Es wird entschieden, dass die Gebrauchsanweisung verhältnismäßig ist, während die Herausgabe der gesamten Messreihe unverhältnismäßig wäre, da deren Relevanz für die Verteidigung als zu gering eingeschätzt wird.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Autofahrer, die einen Bußgeldbescheid erhalten haben [bei Zweifeln an einer Geschwindigkeitsmessung]

Sie wurden geblitzt und haben Zweifel, ob die Messung korrekt war? Sie halten einen Bußgeldbescheid in den Händen und fragen sich, wie Sie die Messung überprüfen können? Ein aktuelles Urteil stärkt Ihre Rechte, bestimmte Informationen vom Staat zu erhalten.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.

Tipp 1: Fordern Sie die Gebrauchsanweisung des Messgeräts an
Wenn Sie die Korrektheit der Messung anzweifeln, haben Sie laut Gerichtsurteil (AG Landstuhl, Az. 2 OWi 53/25) das Recht, die zum Zeitpunkt der Messung gültige Gebrauchsanweisung des verwendeten Messgeräts von der Behörde zu erhalten. Dies gilt auch dann, wenn die Anleitung nicht Teil der ursprünglichen Bußgeldakte ist. Die Anleitung ist wichtig, um zu prüfen, ob das Gerät gemäß den Herstellervorgaben eingesetzt wurde (z. B. Aufstellung, Testmessungen).


Tipp 2: Beauftragen Sie ggf. einen Anwalt mit der Akteneinsicht und Anforderung
Die Anforderung der Gebrauchsanweisung und weiterer relevanter Unterlagen (wie Messprotokoll, Eichschein) erfolgt über die Akteneinsicht. Dies übernimmt in der Regel ein beauftragter Rechtsanwalt. Er kann prüfen, ob alle nötigen Unterlagen vorliegen und ob die Messung formell und technisch korrekt abgelaufen ist.


Tipp 3: Beachten Sie die Grenzen Ihres Auskunftsanspruchs
Das Recht auf die Gebrauchsanweisung bedeutet nicht automatisch, dass Sie auch Anspruch auf alle denkbaren technischen Rohdaten oder internen Informationen zum Messgerät haben. Das Gericht hat weitergehende Forderungen nach detaillierten Messdaten im konkreten Fall zurückgewiesen. Der genaue Umfang der herauszugebenden Informationen ist rechtlich noch nicht abschließend geklärt.


Tipp 4: Prüfen Sie (oder lassen Sie prüfen), ob Messfehler vorliegen könnten
Die Gebrauchsanweisung kann Hinweise auf mögliche Fehlerquellen geben. Wurde das Gerät korrekt aufgestellt? Waren die Witterungsbedingungen für das Gerät geeignet? Wurden notwendige Tests vor der Messreihe durchgeführt? Verstöße gegen die Vorgaben der Gebrauchsanweisung können ein Argument sein, die Messung anzufechten.

Beispiel: Manche Messgeräte dürfen nicht bei starkem Regen eingesetzt werden oder erfordern einen bestimmten Abstand zu parkenden Fahrzeugen. Die Gebrauchsanweisung gibt darüber Auskunft.

⚠️ ACHTUNG: Die Anfechtung einer Messung erfordert oft technisches und juristisches Detailwissen. Die reine Anforderung der Gebrauchsanweisung führt nicht automatisch zum Erfolg.


Tipp 5: Handeln Sie fristgerecht
Gegen einen Bußgeldbescheid können Sie nur innerhalb einer bestimmten Frist Einspruch einlegen – in der Regel sind das zwei Wochen nach Zustellung. Verpassen Sie diese Frist nicht, auch wenn Sie noch auf die Gebrauchsanweisung oder Akteneinsicht warten. Der Einspruch kann zunächst formlos eingelegt und später begründet werden.

⚠️ ACHTUNG: Nach Ablauf der Einspruchsfrist wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig, auch wenn die Messung fehlerhaft war!


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Die wichtigste Frist ist die Einspruchsfrist von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids. Versäumen Sie diese, sind Ihre Chancen meist vertan. Auch wenn Sie die Gebrauchsanweisung erhalten, ist die Auswertung und Argumentation gegenüber Behörde oder Gericht komplex – hier ist anwaltliche Unterstützung oft ratsam. Bedenken Sie auch, dass nicht jede Abweichung von der Gebrauchsanweisung automatisch zur Ungültigkeit der Messung führt; es kommt auf die Art des Verstoßes an.

✅ Checkliste: Zweifel an der Geschwindigkeitsmessung

  • [ ] Bußgeldbescheid erhalten?
  • [ ] Datum der Zustellung notieren (Beginn der Einspruchsfrist!).
  • [ ] Innerhalb von 2 Wochen Einspruch einlegen (ggf. zunächst ohne Begründung).
  • [ ] Anwalt kontaktieren zur Beantragung der Akteneinsicht.
  • [ ] Gezielt die Anforderung der Gebrauchsanweisung des Messgeräts (Version zum Tatzeitpunkt) veranlassen.

Das vorliegende Urteil


AG Landstuhl – Az.: 2 OWi 53/25 – Beschluss vom 09.04.2025


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