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Aufbauseminaranordnung – Bindung an Feststellungen in Ordnungswidrigkeitenverfahren

VG Gelsenkirchen – Az.: 7 L 115/18 – Beschluss vom 19.03.2018

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 361/18 des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 15. Januar 2018 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig, aber unbegründet.

Das öffentliche Interesse an der in § 2a Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung der Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar überwiegt gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an einem Vollstreckungsaufschub, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend ist im Hinblick auf die Klage- und Antragsbegründung hinzuzufügen: Rechtsgrundlage für die Anordnung zur Teilnahme am Aufbauseminar bei Inhabern einer Fahrerlaubnis auf Probe ist § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung wegen einer schwerwiegenden oder zwei weniger schwerwiegenden Zuwiderhandlungen ergangen ist, die nach § 28 Absatz 3 Nr. 1 oder 3 lit. a oder c StVG in das Fahreignungsregister einzutragen ist, auch wenn die Probezeit zwischenzeitlich abgelaufen oder die Fahrerlaubnis nach § 6e Absatz 2 widerrufen worden ist. Bei der hier maßgeblichen Tat vom 10. November 2017 handelt es sich um eine solche einzutragende Ordnungswidrigkeit, die eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt. Wie Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften zu bewerten sind, wird gemäß § 34 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – zwingend nach dem Katalog der zugehörigen Anlage 12 bestimmt. Nach Gliederungspunkt A 2.1 der Anlage 12 zur FeV sind Verstöße gegen die Vorschiften der Straßenverkehrs-Ordnung – StVO – u. a. über den in dortiger Zeile 11 aufgeführten Fall der sonstigen Pflichten des Fahrzeugführers in Bezug auf den Betrieb eines elektronischen Gerätes (§ 23 Abs. 1a StVO) als schwerwiegend zu bewerten. Bei der hier maßgeblichen Ordnungswidrigkeit handelt es sich entgegen der Ansicht des Antragstellers um eine solche schwerwiegende Zuwiderhandlung (A. 2.1 der Anlage 12 zur FeV), da er nach dem rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 21. November 2017 unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO als Führer des Kraftfahrzeuges ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise benutzte. Die betreffende Entscheidung ist seit dem 12. Dezember 2017 rechtskräftig.

Der Einwand des Antragstellers, er habe sein Handy nicht benutzt, sondern dieses lediglich zur Seite gelegt, greift im vorliegenden Verfahren nicht durch. Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde an rechtskräftige Entscheidungen über Ordnungswidrigkeiten gebunden. Eine Überprüfung, ob die rechtskräftigen Entscheidungen rechtmäßig sind, findet in fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren grundsätzlich nicht statt. Diese gesetzlich angeordnete Bindungswirkung verwehrt den Fahrerlaubnisbehörden ebenso wie den Verwaltungsgerichten i.d.R. eine eigenständige Überprüfung der Richtigkeit der rechtskräftigen Entscheidung wegen des eintragungspflichtigen Verkehrsverstoßes. Der Fahrerlaubnisinhaber ist darauf verwiesen, seine diesbezüglichen Einwendungen im Straf- bzw. Bußgeldverfahren geltend zu machen. Soweit er von den ihm in diesen Verfahren zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten – aus welchen Gründen auch immer – keinen Gebrauch gemacht hat, muss er belastende rechtskräftige Entscheidungen solange gegen sich gelten lassen, wie sie nicht aufgehoben worden sind oder nicht mehr verwertet werden dürfen. Ob die genannten Vorschriften wegen des Gebots materieller Gerechtigkeit im Einzelfall verfassungskonform dahingehend auszulegen sind, dass fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen unzulässig sind, wenn die im Straf- oder Bußgeldverfahren zulasten des Betroffenen ergangene Entscheidung inhaltlich evident unrichtig ist,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2013 – 16 B 904/13 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2009 – 16 B 862/09 -, zu § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG a. F.; OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2005 – 16 B 2615/04 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 1999 – 3 Bs 250/99 -, juris,

bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Für eine evidente Unrichtigkeit der Entscheidung vom 21. November 2017, mit der dem Antragsteller ein Bußgeld von 125,- EUR auferlegt wurde, ist nichts ersichtlich.

Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hat selbst eine Bewertung der Verstöße unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit vorgenommen, indem er Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich nur dann zum Anlass für Maßnahmen nach § 2a StVG nimmt, wenn diese nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 lit. a oder c StVG in das Fahreignungsregister einzutragen sind (§ 2a Abs. 2 Satz 1 StVG). Das ist u.a. bei Verhängung einer Geldbuße von mindestens 60,- EUR – hier 125,- EUR- wegen den in Anlage 12 zur FeV genannten Ordnungswidrigkeiten i.S.d. § 24 StVG der Fall (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 lit. a lit. bb StVG). Mit der Höhe der Geldbuße kommt eine gewisse Schwere und die Gefährlichkeit des Verkehrsverhaltens zum Ausdruck.

Maßgebliche ist für die Anordnung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG weiter, dass die Ordnungswidrigkeit – wie hier am 10. November 2017 – innerhalb der Probezeit begangen wurde. Unerheblich ist es nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift hingegen, wenn die Probezeit – wie hier grundsätzlich am 27. November 2017 – zwischenzeitlich, d.h. bis zur Ergreifung der Maßnahme nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG, abgelaufen wäre. Durch die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar verlängert sich die Probezeit nunmehr um zwei Jahre (§ 2a Abs. 2a Satz 1 StVG).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen.

Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung insoweit ist ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers nicht gegeben. Dass das Interesse des Antragstellers, wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht an einem Aufbauseminar teilzunehmen, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Anordnungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller durch die Verpflichtung, an einem Aufbauseminar teilzunehmen, in unverhältnismäßiger Weise belastet würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG -. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Teilnahme an einem Aufbauseminar betrifft, ist nach Ziff. 46.12 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 31. Mai/1. Juni 2012 und Änderungen vom 18. Juli 2013 nach dem halben Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren nochmals zu halbieren.

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