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Angemessene Fristlänge zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens

Wie lange hat ein Fahrerlaubnisinhaber Zeit für ein Gutachten?

Die Bestimmung einer angemessenen Frist zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens stellt eine wesentliche Herausforderung im Verkehrsrecht dar. Insbesondere wenn es um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht, wie etwa bei Verstößen gegen das Trennungsgebot im Zusammenhang mit Drogenkonsum, ist die Festlegung einer adäquaten Fristlänge von zentraler Bedeutung. Die Rechtsfrage, die sich in diesem Kontext ergibt, dreht sich um die angemessene Zeitspanne, die Behörden einem Betroffenen gewähren müssen, um ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu erbringen.

Dieses Thema berührt sowohl die individuellen Rechte der betroffenen Fahrer als auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die juristische Auseinandersetzung in solchen Fällen erfordert eine sorgfältige Abwägung zwischen der Notwendigkeit, Verkehrssicherheit zu gewährleisten, und den Rechten der einzelnen Verkehrsteilnehmer. Dabei spielen Faktoren wie Drogenkonsum und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben eine entscheidende Rolle. Die Beurteilung, was in diesem Rahmen als „angemessen“ gilt, ist oft Gegenstand gerichtlicher Überprüfung und Entscheidung, wie beispielsweise durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 S 473/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg bestätigt, dass die Frist zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Falle einer möglichen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht länger sein sollte als die von einer Begutachtungsstelle für die Erstellung des Gutachtens voraussichtlich benötigte Zeitspanne. Der Betroffene ist für die fristgerechte Vorlage verantwortlich und muss gegebenenfalls bei der Behörde um eine Fristverlängerung ersuchen.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Fristlänge: Die Frist zur Vorlage eines Fahreignungsgutachtens muss angemessen sein und sollte die von einer Begutachtungsstelle benötigte Zeitspanne zur Erstellung des Gutachtens nicht überschreiten.
  2. Verantwortung des Betroffenen: Der Betroffene hat die Verantwortung, bei der Begutachtungsstelle auf eine fristgerechte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken.
  3. Anforderungen an das Gutachten: Im Falle von Drogenkonsum, wie etwa gelegentlichem Cannabisgebrauch, kann von der Begutachtungsstelle ein Nachweis der Drogenfreiheit im Zeitpunkt der Untersuchung gefordert werden.
  4. Rechtsmittel: Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg wurde zurückgewiesen.
  5. Kosten des Verfahrens: Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  6. Streitwert: Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 3.750 Euro festgesetzt.
  7. Auseinandersetzung mit der Entscheidung: Für eine erfolgreiche Beschwerde ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung erforderlich.
  8. Kein Abstinenznachweis erforderlich: Ein Abstinenznachweis ist nicht grundsätzlich erforderlich, außer bei Drogenabhängigkeit oder fortgeschrittener Drogenproblematik.

Fristen und Anforderungen für Fahreignungsgutachten

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die Frage nach der angemessenen Fristlänge zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens, insbesondere im Kontext des Drogenkonsums und der Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte über eine Beschwerde zu entscheiden, in der es um die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für einen Fahrzeugführer ging, der gelegentlich Cannabis konsumierte und gegen das Trennungsgebot verstoßen hatte.

Das Gericht befasste sich intensiv mit der Frage, ob die von der Fahrerlaubnisbehörde festgesetzte Frist zur Vorlage des Gutachtens angemessen war. Laut § 11 Abs 6 S 2 FeV darf diese Frist nicht länger sein als die Zeitspanne, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für die Erstellung des Gutachtens benötigt. In diesem Fall wurde dem Antragsteller eine Frist von knapp zwei Monaten eingeräumt, was das Gericht als ausreichend ansah. Es betonte, dass die Frist zur Vorlage des Gutachtens nicht dazu diene, dem Fahrerlaubnisinhaber die Möglichkeit einzuräumen, erst den Nachweis über einen hinreichend langen Abstinenzzeitraum zu führen, bevor die Behörde Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen kann.

Die Rolle des Betroffenen bei der Gutachtenserstellung

Das Gericht stellte fest, dass es in der Verantwortung des Antragstellers lag, als Auftraggeber des Gutachtens bei der Begutachtungsstelle auf eine fristgerechte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken. Der Antragsteller hatte jedoch kein hinreichendes Engagement gezeigt, um die fristgerechte Erstellung des Gutachtens zu gewährleisten. Er hatte es versäumt, sich mit der Fahrerlaubnisbehörde in Verbindung zu setzen und um eine Verlängerung der Vorlagefrist zu bitten, nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass die Begutachtungsstelle den Auftrag möglicherweise nicht fristgerecht bearbeiten könne.

Anforderungen an den Abstinenznachweis

Ein weiteres rechtliches Problem, das das Gericht zu klären hatte, betraf die Anforderung eines Abstinenznachweises durch die Begutachtungsstelle. Der Antragsteller argumentierte, dass für gelegentliche Cannabiskonsumenten kein Abstinenznachweis erforderlich sei. Das Gericht stellte jedoch klar, dass die Begutachtungsstelle einen solchen Nachweis fordern darf, allerdings nicht generell und ohne sachlichen Grund, der sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergibt. Es fand keine hinreichenden Belege dafür, dass die Begutachtungsstelle ein positives Gutachten generell von einem Abstinenznachweis abhängig machte.

Auswirkungen auf Verkehrsrecht und Fahrerlaubnispraxis

Das Gericht wies die Beschwerde des Antragstellers zurück und bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins rechtmäßig waren. Die Entscheidung zeigt die Wichtigkeit der Mitwirkungspflichten der Betroffenen bei der Erstellung und fristgerechten Vorlage von medizinisch-psychologischen Gutachten. Sie unterstreicht auch, dass die Anforderungen für die Vorlage eines solchen Gutachtens nicht zu streng sein dürfen, insbesondere wenn es um gelegentlichen Drogenkonsum geht.

Dieser Fall hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Fahrerlaubnisentziehung und die Anforderungen an medizinisch-psychologische Gutachten im Kontext des Drogenkonsums. Er verdeutlicht die Notwendigkeit einer ausgewogenen Bewertung der Umstände jedes Einzelfalls und die Bedeutung der Mitwirkung des Betroffenen bei der Erfüllung der von der Fahrerlaubnisbehörde gestellten Anforderungen.

Das Urteil zeigt klar, dass eine angemessene Balance zwischen der Notwendigkeit, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, und den Rechten der Fahrerlaubnisinhaber gewahrt werden muss. Es bestätigt auch, dass die Fahrerlaubnisbehörden und Begutachtungsstellen eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen, indem sie angemessene, individuell angepasste Anforderungen an die Fahrerlaubnisinhaber stellen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Unter welchen Umständen ist die Forderung eines Abstinenznachweises bei gelegentlichem Cannabiskonsum rechtens?

Die Forderung eines Abstinenznachweises bei gelegentlichem Cannabiskonsum kann im Kontext des Straßenverkehrs in Deutschland unter bestimmten Umständen rechtens sein. Laut der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ist eine Person ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sie gelegentlich Cannabis konsumiert und entweder den Konsum und das Fahren nicht trennt oder zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert oder wenn eine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt.

Ein Beispiel für die Forderung eines Abstinenznachweises ist, wenn eine Person bei einer Verkehrskontrolle unter dem Einfluss von Cannabis erwischt wird. In solchen Fällen kann die Fahrerlaubnisbehörde die Fahreignung der betroffenen Person in Frage stellen und die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) oder eines ärztlichen Gutachtens anordnen, um die Fahreignung zu überprüfen. In solchen Gutachten kann die Forderung eines Abstinenznachweises enthalten sein, um sicherzustellen, dass die betroffene Person in der Lage ist, den Cannabiskonsum und das Fahren zu trennen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Forderung eines Abstinenznachweises und die Entziehung der Fahrerlaubnis von den individuellen Umständen des jeweiligen Falls abhängen. Die Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte berücksichtigen verschiedene Faktoren wie die Häufigkeit und Menge des Cannabiskonsums, die Verkehrssicherheit und das Vorliegen von zusätzlichen Risikofaktoren.

Was bestimmt die angemessene Fristlänge für die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens?

Die angemessene Fristlänge für die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) kann eine Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen.

Die Frist zur Beibringung des Gutachtens ist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Es ist zu beachten, dass die persönlichen Bedürfnisse des Fahrerlaubnisinhabers nicht ausschlaggebend für die Festlegung der Frist sind. Vielmehr ist der Zweck des Gutachtens entscheidend, nämlich die Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat.

Die Fahrerlaubnisbehörde ist gehalten, Zweifeln an der Fahreignung unverzüglich nachzugehen. Daher muss sie dem Betroffenen nicht die Möglichkeit einräumen, sich zur Vermeidung einer Entziehung der Fahrerlaubnis erst noch über einen längeren Zeitraum auf die Begutachtung vorzubereiten oder Abstinenznachweise beizubringen.

Wenn der Betroffene das geforderte Gutachten nicht oder nicht fristgerecht beibringt, darf die Behörde nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden und die Fahrerlaubnis entziehen. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht.

Es ist zu beachten, dass die Kosten für das Gutachten in der Regel vom Antragsteller getragen werden. Die Kosten können jedoch einkommensabhängig teilweise oder ganz übernommen werden, wenn die Voraussetzungen für Leistungen nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung erfüllt sind.


Das vorliegende Urteil

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – Az.: 13 S 473/23 – Beschluss vom 21.06.2023

Leitsatz

1. Die nach § 11 Abs 6 S 2 FeV festzusetzende Frist zur Beibringung eines Gutachtens darf in Fällen, in denen eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht kommt, nicht die Zeitspanne überschreiten, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstellung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird, wobei für die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Zusammenhang mit einem Drogenkonsum eine Zeitspanne von etwa zwei Monaten regelmäßig ausreichend ist.

2. Ist die von der Fahrerlaubnisbehörde festgesetzte Beibringungsfrist nicht von vornherein als zu kurz bemessen anzusehen und teilt die Begutachtungsstelle mit, dass es ihr voraussichtlich nicht möglich sei, den Gutachtenauftrag fristgerecht zu bearbeiten, obliegt es dem Betroffenen als Auftraggeber des Gutachtens, bei der Begutachtungsstelle auf eine fristgerechte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken und gegebenenfalls bei der Fahrerlaubnisbehörde die Verlängerung der Beibringungsfrist zu beantragen.

3. Wird die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gegenüber einer Person angeordnet, die gelegentlich Cannabis konsumiert und gegen das Trennungsgebot verstoßen hat, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Begutachtungsstelle einen einzelnen Nachweis der Drogenfreiheit im Zeitpunkt der medizinisch-psychologischen Untersuchung fordert (Ergänzung zum Beschluss des Senats vom 14.06.2023 – 13 S 366/23 -).


Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 28. Februar 2023 – 4 K 317/23 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750,– EUR festgesetzt.

Gründe

Die fristgemäß eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Auf der Grundlage der Gründe, die in der innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangenen Begründung angeführt sind und auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, kommt eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 28.02.2023 nicht in Betracht.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist erforderlich, dass die Beschwerdebegründung die Gründe darlegt, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt. Die Beschwerdebegründung muss, um dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu genügen, erkennen lassen, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die gerichtliche Ausgangsentscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss nicht nur die Punkte bezeichnen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll, sondern auch angeben, aus welchen Gründen er die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt für unrichtig hält. Hierfür reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, außer in Fällen der Nichtberücksichtigung oder des Offenlassens des früheren Vortrags, grundsätzlich ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen (vgl. Beschluss des Senats vom 13.03.2023 – 13 S 2370/22 – juris Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.08.2020 – 12 S 1671/20 – juris Rn. 5 und vom 07.03.2017 – 10 S 328/17 – juris Rn. 2; BayVGH, Beschluss vom 02.09.2020 – 11 CS 20.814 – juris Rn. 9 ff.).

Hiervon ausgehend ist die Beschwerdebegründung nicht geeignet, die Richtigkeit der Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss in Frage zu stellen. Damit besteht kein Anlass die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidung zu ändern.

Wie das Verwaltungsgericht ist auch der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand der Ansicht, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis in Ziffer I und die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins in Ziffer II des Bescheids vom 12.12.2022 aller Voraussicht nach rechtmäßig sind, weil die Antragsgegnerin infolge der Nichtvorlage des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen durfte. Ein solcher Schluss ist zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und für die Nichtbeibringung kein ausreichender, von dem Betroffenen nicht zu vertretender Grund besteht (BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 19; Beschluss des Senats vom 14.06.2023 – 13 S 366/23 – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.01.2018 – 10 S 2000/17 – juris Rn. 3 ff.; Urteil vom 27.07.2016 – 10 S 77/15 – juris Rn. 41 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.03.2021 – 16 B 22/21 – juris Rn. 5; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., § 11 FeV Rn. 51). Dann ist nämlich die Annahme gerechtfertigt, dass der Betroffene durch die Unterlassung der Beibringung des Gutachtens einen Eignungsmangel verbergen will (Beschluss des Senats vom 14.06.2023 a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2013 – 10 S 2246/12 – juris Rn. 5; BayVGH, Beschluss vom 30.11.2022 – 11 CS 22.2195 – juris Rn. 23; Dauer a. a. O.).

Von einem solchen Fall ist hier aller Voraussicht nach auszugehen. Der Antragsteller hat das wegen des (einmaligen) fehlenden Trennens der gelegentlichen Einnahme von Cannabis von dem Führen eines Kraftfahrzeugs (vgl. Nummer 9.2.2 der Anlage 4 der FeV) von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.06.2022 angeordnete medizinisch-psychologische Gutachten aus von ihm zu vertretenen Gründen nicht beigebracht. Mit seinem Beschwerdevorbringen, die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei nicht rechtmäßig gewesen, vermag der Antragsteller nicht durchzudringen.

a. Dies gilt zunächst, soweit der Antragsteller geltend macht, die Frist zur Beibringung des Gutachtens (§ 11 Abs. 6 FeV) sei zu kurz bemessen gewesen. Die Frage, welche Frist angemessen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei die persönlichen Bedürfnisse des Fahrerlaubnisinhabers nicht ausschlaggebend sind. Wird die Vorlage des Gutachtens nicht im Rahmen der Erteilung, sondern der Entziehung der Fahrerlaubnis verlangt, muss den Eignungszweifeln so zeitnah wie möglich nachgegangen werden. Denn bis zur Klärung des Sachverhalts steht die Möglichkeit im Raum, dass ein ungeeigneter Fahrerlaubnisinhaber am Straßenverkehr teilnimmt und so das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet. Die nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu setzende Frist dient damit nicht dazu, dem Fahrerlaubnisinhaber die Möglichkeit einzuräumen, erst den Nachweis über einen hinreichend langen Abstinenzzeitraum zu führen, bevor die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen kann (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.04.2014 – 10 S 404/14 – juris Rn. 12 und vom 08.09.2015 – 10 S 1667/15 – juris Rn. 5; OVG Saarland, Beschluss vom 03.05.2021 – 1 B 30.21 – juris Rn. 29; OVG Sachsen, Beschluss vom 13.08.2019 – 3 122/19 – juris Rn. 10; OVG Thüringen, Beschluss vom 19.09.2011 – 2 EO 487/11 – juris Rn. 11 ff; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.07.2009 – 10 B 10508/09 – juris Rn. 8; Siegmund in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, FeV § 11 Rn. 149). Die Beibringungsfrist darf in diesen Fällen vielmehr nicht die Zeitspanne überschreiten, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird (Beschluss des Senats vom 08.08.2021 – 13 S 886/21 – n. v.; OVG Bremen, Beschluss vom 10.02.2020 – 2 B 269/19 – juris Rn. 15; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.07.2009 a. a. O.; BayVGH, Beschluss vom 11.02.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 26; Dauer a. a. O. Rn. 45), wobei für die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Zusammenhang mit einem Drogenkonsum eine Zeitspanne von etwa zwei Monaten regelmäßig als ausreichend anzusehen ist (OVG Thüringen, Beschluss vom 19.09.2011 – 2 EO 487/11 – juris Rn. 3, 12; VG Düsseldorf, Beschluss vom 08.10.2019 – 6 L 2406/19 – juris Rn. 20; zur routinemäßigen Festsetzung einer Beibringungsfrist von zwei Monaten in solchen Fällen vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.12.2013 – 10 S 1491/13 – juris Rn. 10; BayVGH, Beschluss vom 08.03.2022 – 11 CS 22.166 – juris Rn. 14).

Hier ist in der Gutachtensanordnung der Antragsgegnerin vom 09.06.2022 dem Antragsteller eine Beibringungsfrist bis zum 16.08.2022 gesetzt worden. Nachdem die Gutachtensanordnung dem Antragsteller am 21.06.2022 zugestellt wurde, hatte dieser knapp zwei Monate Zeit, das verlangte medizinisch-psychologische Gutachten vorzulegen. Die so festgelegte Frist lässt nicht erkennen, dass sie für die Vorlage des angeforderten Gutachtens von vornherein zu kurz bemessen gewesen wäre. Der Antragsteller hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass es ihm in diesem Zeitraum nicht möglich gewesen wäre, ein solches Gutachten einer anerkannten Begutachtungsstelle beizubringen. Zwar hat der Antragsteller ein Schreiben der von ihm ausgewählten Begutachtungsstelle (TÜV SÜD Life Service GmbH) vom 04.07.2022 vorgelegt, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass es auf Grund des späten Auftragseingangs voraussichtlich nicht möglich sei, den Auftrag fristgerecht bearbeiten zu können, und er gebeten wurde, sich mit der Behörde in Verbindung zu setzen und mitzuteilen, wenn sich dadurch Änderungen ergeben sollten, insbesondere wenn ihm eine veränderte Vorlagefrist eingeräumt worden sei. Allein auf Grund dieses Schreibens kann sich der Antragsteller aber nicht darauf berufen, dass ein für die Nichtbeibringung des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens ausreichender, von ihm nicht zu vertretender Grund vorliegt. Vielmehr treffen den Antragsteller in einem solchen Fall Mitwirkungsobliegenheiten, denen er nachzukommen hat. Diese folgen aus dem in § 11 Abs. 6 FeV geregelten Zusammenwirken der Amtsermittlung durch die Behörde und der Mitwirkungspflichten des Betroffenen. Nach der Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens durch die Fahrerlaubnisbehörde hat der Betroffene diese darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat (§ 11 Abs. 6 Satz 3 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde teilt sodann gemäß § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV der untersuchenden Stelle mit, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind, und übersendet ihr die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen. Die Untersuchung erfolgt auf Grund eines Auftrags durch den Betroffenen (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).

Es ist damit Aufgabe des Betroffenen, als Auftraggeber des Gutachtens bei der von ihm ausgewählten Begutachtungsstelle auf eine fristgerechte Erstellung des angeforderten Gutachtens hinzuwirken (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 23.06.2020 – 9 K 4695/19 – juris Rn. 69 ff. und vom 16.04.2020 – 9 L 54/20 – juris Rn. 47; zu den Mitwirkungspflichten bei der Erstellung und fristgerechten Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 17.04.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 18; VG Bayreuth, Beschluss vom 27.06.2022 – B 1 K 22.128 – juris Rn. 35). Ein solches Hinwirken bei der Begutachtungsstelle der TÜV SÜD Life Service GmbH hat der Antragsteller nicht dargelegt und ist aus der Fahrerlaubnisakte der Antragsgegnerin auch nicht ersichtlich. Auch konnte der Antragsteller auf Grund des Schreibens der TÜV SÜD Life GmbH vom 04.07.2022 nicht davon ausgehen, dass der Begutachtungsstelle eine Einhaltung der in der Gutachtensanordnung vom 09.06.2022 gesetzten Beibringungsfrist bis zum 16.08.2022 von vornherein nicht möglich gewesen wäre. Dagegen spricht die in diesem Schreiben enthaltene Bitte um Mitteilung einer veränderten Vorlagefrist, die nur für den Fall ausgesprochen wurde, dass sich Änderungen in der Auftragsbearbeitung ergeben sollten, und der Umstand, dass in diesem Schreiben lediglich eine Prognose („voraussichtlich“) zur Einhaltung der Frist zur Erstellung des Gutachtens getroffen wurde. Jedenfalls wäre es aber Sache des Antragstellers gewesen, auf Grund dieser nicht abschließenden Informationen im Schreiben der TÜV SÜD Life Service GmbH vom 04.07.2022 auf eine Klärung, ob die Begutachtungsstelle die gesetzte Frist einhalten kann, hinzuwirken. Wäre dies verneint worden, hätte es dem Antragsteller oblegen, bei der Fahrerlaubnisbehörde die Verlängerung der Beibringungsfrist zu beantragen (dazu sogleich).

Unabhängig hiervon hat es der Antragsteller – worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat – versäumt, nach dem Erhalt des Schreibens der Begutachtungsstelle vom 04.07.2022 der darin geäußerten Bitte nachzukommen, sich mit der Antragsgegnerin in Verbindung zu setzen und bei dieser auf eine Verlängerung der Vorlagefrist hinzuwirken. Falls die Frist zur Vorlage des angeordneten Gutachtens von der Fahrerlaubnisbehörde nicht von vornherein zu kurz bemessen ist, entspricht es in solchen Fällen – gegebenenfalls nach (hier unterbliebener) Klärung der Frage, ob der Begutachtungsstelle die fristgerechte Erstellung des erbetenen Gutachtens möglich ist – den Mitwirkungsobliegenheiten des Fahrerlaubnisinhabers, eine Verlängerung der Beibringungsfrist zu beantragen (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 03.05.2021 – 1 B 30/21 – juris Rn. 30; BayVGH, Beschluss vom 18.05.2018 – 11 ZB 18.766 – juris Rn. 19). Wenn die Fahrerlaubnisbehörde sachlich nicht gerechtfertigt die Verlängerung der Beibringungsfrist ablehnt, liegt ein für die Nichtbeibringung des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens ausreichender, von dem Betroffenen nicht zu vertretender Grund vor, der nicht die Annahme rechtfertigt, dass er durch die Unterlassung der Beibringung des Gutachtens einen Eignungsmangel verbergen will. Der Antragsteller hat indes auch mit dem Beschwerdevorbringen nicht dargelegt, dass er einen entsprechenden Verlängerungsantrag bei der Behörde gestellt hat. Hierfür ist auch aus den dem Senat vorliegenden Akten nichts ersichtlich.

Das weitere Vorbringen des Antragstellers zur Rechtmäßigkeit der Frist zur Vorlage des mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 09.06.2022 angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachtens im Beschwerdeschriftsatz vom 14.03.2023, das für den Senat nicht nachvollziehbar zunächst auf eine „in diesem Verfahren […] ergangene Rücknahmeverfügung nach § 48 LVwVfG“ Bezug nimmt, wiederholt – weitestgehend wortgleich – den erstinstanzlichen Vortrag (Seite 3 Mitte bis Seite 10 Mitte des Schriftsatzes vom 14.03.2023), lässt insoweit die gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts nicht erkennen und genügt daher schon nicht dem bereits oben erläuterten Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Im Übrigen hat sich der Senat in seinem Beschluss vom 17.02.2022 – 13 S 3431/21 – mit dem insoweit inhalts- und überwiegend auch wortgleichen Einwänden des Bevollmächtigten des Antragstellers hinsichtlich einer aus seiner Sicht zu kurzen Fristsetzung beschäftigt, worauf die ebenfalls am Verfahren 13 S 3431/21 beteiligte Antragsgegnerin bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 15.02.2023 hingewiesen hat. Auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 17.02.2022 kann daher für das vorliegende Beschwerdeverfahren ergänzend verwiesen werden.

b. Soweit der Antragsteller der Sache nach geltend macht, die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei auch deswegen rechtswidrig, weil bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten – entgegen der Praxis der Begutachtungsstellen – eine Abstinenz nicht durch forensisch gesicherte Nachweise belegt werden müsse, verhilft dies der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

Zunächst liegt die Annahme, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung unzutreffend zugrunde gelegt, dass von einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten ein abstinentes Verhalten zu verlangen sei (Seite 10 unten des Beschwerdeschriftsatzes vom 14.03.2023), neben der Sache. Das erstinstanzliche Gericht hat vielmehr ausgeführt, dass sich den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung die Erforderlichkeit eines Abstinenznachweises nicht entnehmen lasse; einen solchen Nachweis forderten sie vielmehr allein im Fall der Betäubungsmittelabhängigkeit, der von der Antragsgegnerin, die ihre Gutachtensanordnung auf gelegentlichen Cannabiskonsum gestützt habe, für den Antragsteller gerade nicht angenommen worden sei. Im Weiteren ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Einwand des Antragstellers, die Gutachtensanforderung sei unverhältnismäßig, weil die Begutachtungsstellen ihre Gutachten zu Unrecht von einem Abstinenznachweis abhängig machten und die Antragsgegnerin dessen Entbehrlichkeit nicht in der Gutachtensanforderung klarstelle, deswegen nicht zum Erfolg des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO führe, weil er die Behauptung über das Vorgehen der Begutachtungsstellen nicht hinreichend substantiiert oder gar glaubhaft gemacht habe.

Diese Wertung des Verwaltungsgerichts ist auch im Lichte des Beschwerdevorbringens des Antragstellers nicht zu beanstanden.

Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats (Beschluss vom 14.06.2023 a. a. O., ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 17.03.2021 – 16 B 22/21 – juris Rn. 11 ff. und vom 09.11.2020 – 16 B 1697/19 – juris Rn. 11 ff.; vgl. auch Balke/Frese/Koehl, NJ 2022, 241, 242; Koehl, NZV 2022, 449, 450) darf die Begutachtungsstelle in den Fällen, in denen die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gegenüber einer Person anordnet, die gelegentlich Cannabis konsumiert und gegen das Trennungsgebot verstoßen hat, die Erstellung eines positiven Gutachtens nicht generell und ohne sachlichen, sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergebenden Grund von einem Abstinenznachweis abhängig machen. In diesen Fällen entspricht es dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die die Erbringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnende Behörde nach einem entsprechenden substantiierten Hinweis des Betroffenen darauf, dass die Begutachtungsstelle bei einem gelegentlichen Cannabiskonsum die Erstellung eines (positiven) medizinisch-psychologischen Gutachtens generell und ohne sachlichen, sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergebenden Grund von einem Abstinenznachweis abhängig macht, bei der Begutachtungsstelle entsprechend nachfragt und bei dieser auf eine der geltenden Rechtslage, insbesondere der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 der FeV entsprechende Begutachtung und Beantwortung der von ihr gestellten Fragen hinwirkt (Beschluss des Senats vom 14.06.2023 a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.03.2021 a. a. O. Rn. 23; Koehl, NZV 2021, 495, 496 f.). Unterlässt die Behörde einen solchen Hinweis, kann die Fehleinschätzung der Begutachtungsstelle nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, da diese weder auf von dem Betroffenen zu vertretenen Umständen beruht noch in dessen Risikosphäre fällt (Beschluss des Senats vom 14.06.2023 a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.03.2021 a. a. O. Rn. 10; Dronkovic, DAR 2021, 4110, 411). Dann kann aus der Nichtvorlage des angeordneten Gutachtens nicht nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf eine Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden.

Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Es fehlt bereits an einem substantiierten Hinweis des Antragstellers an die Fahrerlaubnisbehörde, dass die von ihm (konkret) ausgesuchte Begutachtungsstelle (TÜV SÜD Life Service GmbH) ein positives Gutachten von der Vorlage eines Abstinenznachweises abhängig macht. Zwar hat der Antragsteller bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens nach § 28 LVwVfG (vgl. zu diesem Zeitrahmen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.03.2021 a. a. O. Rn. 23) mit Schriftsatz vom 07.10.2022 gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht, dass er sich nach Einleitung eines Fahreignungsüberprüfungsverfahrens mit einem „MPU-Berater“ in Verbindung gesetzt und erfahren habe, dass ohne einen Abstinenznachweis regelhaft nicht damit zu rechnen sei, ein medizinisch-psychologisches Gutachten mit einem positiven Ergebnis für den Probanden zu erhalten. Zudem hat er mit Schriftsatz vom 11.10.2022 das bereits erwähnte Schreiben der TÜV SÜD Life Service GmbH vom 04.07.2022 vorgelegt, mit dem er zusätzlich zur (Voraus)Zahlung der Kosten für die medizinisch-psychologische Untersuchung auch zur (Voraus)Zahlung der Kosten für ein Urinscreening aufgefordert wurde, und dem ein Merkblatt („Urinscreening auf Drogen bei der MPU“) beigefügt war. Damit hat aber der Antragsteller die Antragsgegnerin nicht substantiiert darauf hingewiesen, dass die Begutachtungsstelle selbst die Erstellung eines für ihn positiven Gutachtens generell und ohne sachlichen, sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergebenden Grund von der Vorlage eines Abstinenznachweises abhängig macht. Hinsichtlich des – zudem namentlich nicht benannten – „MPU-Beraters“ wurde bereits nicht ausgeführt, dass er Mitarbeiter der ausgewählten Begutachtungsstelle der TÜV SÜD Life Service GmbH ist; zudem fehlt ein genauer Hinweis, wann und in welchem Kontext eine solche Aussage gemacht wurde. Einen solchen Schluss lässt auch nicht der Umstand zu, dass die Begutachtungsstelle in ihrem dem Schreiben vom 04.07.2022 beigefügten Merkblatt darauf aufmerksam gemacht hat, dass bei Begutachtungen im Zusammenhang mit Drogenkonsum üblicherweise der Urin auf Drogensubstanzen untersucht wird, und dem Antragsteller die Kosten für ein „Urinscreening bei der MPU“ in Rechnung gestellt werden. Wie sich den Erläuterungen im Merkblatt zum Verhalten vor Abgabe der Urinprobe ohne Weiteres entnehmen lässt, geht es bei dem dort genannten Urinscreening auf Drogen lediglich um den einzelnen Nachweis einer Drogenfreiheit im Zeitpunkt der medizinisch-psychologischen Untersuchung, nicht aber um den Nachweis einer forensisch-gesicherten Drogenabstinenz.

Dem entsprechen die vom Antragsteller mit der Beschwerdeschrift vorgelegten Unterlagen zu einem Vortrag der TÜV SÜD Pluspunkt GmbH, einer Schwestergesellschaft der TÜV SÜD Life Service GmbH (zur Unternehmensstruktur der TÜV SÜD Gruppe vgl. Beschluss des Senats vom 14.06.2023 a. a. O.), beim 11. ACE-Verkehrsrechtstag 2019 in Frankfurt a. M. Dort ist aufgeführt, dass die Voraussetzungen für eine günstige Prognose bei einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vom Ausmaß der Problematik bestimmt werden, und wird eine nachgewiesene Drogenabstinenz für eine günstige Prognose bei Drogenabhängigkeit (ein Jahr Drogenabstinenz durch sechs Urinkontrollen oder zwei Haaranalysen), fortgeschrittener Drogenproblematik (mindestens sechs Monate, in der Regel ein Jahr Abstinenz belegt durch vier bis sechs Urinkontrollen oder zwei Haaranalysen) und Drogengefährdung (mindestens sechs Monate Abstinenz belegt durch vier Urinkontrollen oder eine Haaranalyse) genannt. Für den gelegentlichen Cannabiskonsum werden für eine günstige Prognose hingegen (lediglich) die zuverlässige Trennung von Konsum und Fahren, keine Progredienz und eine Drogenfreiheit in der Kontrollphase vorausgesetzt. Anders als der Antragsteller meint, kann damit auf Grund der Unterlagen zu dem genannten Vortrag gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die von dem Antragsteller ausgewählte Begutachtungsstelle der TÜV SÜD Life Service GmbH bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten, der gegen das Trennungsgebot verstoßen hat, ein erfolgreiches medizinisch-psychologisches Gutachten von einem Abstinenznachweis abhängig macht.

Die weiteren von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Auszüge aus Internetseiten von amtlich anerkannten Begutachtungsstellen und von Beratungsstellen zur Vorbereitung auf eine medizinisch-psychologische Untersuchung betreffen schon nicht die Begutachtungen der TÜV SÜD Life Service GmbH. Sie lassen zudem auch nicht den Schluss zu, es sei allgemeine Praxis aller Begutachtungsstellen, bei gelegentlichem Cannabiskonsum und (einmalig) fehlendem Trennungsvermögen regelhaft die Vorlage eines (nicht nur einmaligen) Abstinenznachweises zu fordern. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdeerwiderung diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift den Inhalt der Webseiten des TÜV Thüringen und des TÜV NORD verkürzt oder nur unvollständig wiedergegeben hat. So heißt es auf der Internetseite des TÜV Thüringen, dass es für die erfolgreiche Bewältigung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung „je nach der persönlichen Vorgeschichte und der Fragestellung der Fahrerlaubnisbehörde“ erforderlich sein könne, vollkommen abstinent von Alkohol oder Drogen zu leben und diese Abstinenz über einen bestimmten Zeitraum zu belegen (https://tuev-thueringen.de/mobilitaet-verkehr/fahreignung-tauglichkeit/alkohol-und-drogenabstinenz/, abgerufen am 20.06.2023). Auf der Internetseite des TÜV NORD wird ausgeführt, dass „je nach Fall“ in der medizinisch-psychologischen Untersuchung belegt werden müsse, dass der Betroffene alkohol- bzw. drogenfrei lebe. Dieser Hinweis wird mit der Aufforderung verbunden, sich rechtzeitig zu informieren, ob dies für den Betroffenen relevant sei (https://www.tuev-nord.de/de/privatkunden/verkehr/psychologie-medizin-mpu/mpu/mpu-gutachten/, aufgerufen am 20.06.2023). Auf der von dem Antragsteller herangezogenen Internetseite mpu-frankfurt.de heißt es neben dem vom Antragsteller herangezogenen Zitat an anderer Stelle, das „gerade bei mehrmaligen Vergehen mit Drogen am Steuer“ mit einer strengen Beobachtung während des Zeitraums der medizinisch-psychologischen Untersuchung zu rechnen und eine 100%-ige Drogenfreiheit nachzuweisen sei (https://www.mpu-frankfurt.de/mpu/mpu-wegen-drogen/, abgerufen am 20.06.2023). Vor diesem Hintergrund kann auch im Hinblick auf die im Übrigen häufig in geraffter und pauschalisierender Form formulierten Hinweise auf den anderen von dem Antragsteller angeführten Internetseiten auf eine allgemeine Begutachtungspraxis der amtlich anerkannten Begutachtungsstellen, die bei gelegentlichem Cannabiskonsum einen Abstinenznachweis verlangt, nicht geschlossen werden. Dies gilt insbesondere für die Internetpräsenz von sogenannten MPU-Beratungsstellen. Es ist – worauf die Antragsgegnerin zu Recht aufmerksam macht – zudem nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass solche Stellen, die die Betroffenen gegen Entgelt auf eine Begutachtung vorbereiten, ein wirtschaftliches Interesse daran haben, die Anforderungen an eine erfolgreiche medizinisch-psychologische Begutachtung durch eine eher undifferenzierte Darstellung als hoch zu umschreiben, um bei den Betroffenen einen Beratungs- und Vorbereitungsbedarf zu wecken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. den Empfehlungen in den Nummern 1.5, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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