Kammergericht Berlin reduziert Fahrverbot auf einen Monat trotz zweier Tatbestände mit Regelfahrverbot
Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 12.12.2014 (Az.: 3 Ws (B) 601/14 – 122 Ss 143/14) entschieden, dass die Dauer des Fahrverbots für den Betroffenen auf einen Monat reduziert wird, trotz zweier Zuwiderhandlungen, die grundsätzlich ein Regelfahrverbot nach sich ziehen. Dieses Urteil unterstreicht, dass bei Tateinheit die Addition von Rechtsfolgen im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht üblich ist. Der Betroffene, der fahrlässig gehandelt hat, muss die Kosten seines Rechtsmittels tragen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Reduzierung des Fahrverbots auf einen Monat, trotz Vorliegen von zwei Tatbeständen, die ein Regelfahrverbot nach sich ziehen.
- Tateinheit führt im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht zur Addition von Rechtsfolgen.
- Die Vorbelastung des Betroffenen durch eine frühere Geschwindigkeitsüberschreitung ist kein ausreichender Grund für die Verlängerung des Fahrverbots.
- Spezialpräventive Wirkung des Fahrverbots erfordert eine Gesamtbetrachtung der Tat.
- Das Fahrverbot dient dazu, dem Betroffenen seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer bewusst zu machen.
- Fehlen von gewichtigen, nachteiligen Umständen, die ein längeres Fahrverbot rechtfertigen würden.
- Der Betroffene hat die Tat fahrlässig begangen und bisher war kein Fahrverbot gegen ihn verhängt worden.
- Der Betroffene muss die Kosten des Rechtsmittels tragen.
Die Addition von Regelfahrverboten im Verkehrsrecht
Die Addition von Regelfahrverboten bei der Erfüllung zweier Tatbestände der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) ist ein komplexes Thema im Verkehrsrecht. Laut einem Urteil des Kammergerichts kann die Verwirklichung von zwei Fahrverbotsregeltatbeständen der BKatV zu einer Gesamtstrafe führen. Dabei ist es wichtig, den Regelfall zu berücksichtigen, bei dem die Fahrverbote hinzuaddiert werden.
Die BKatV enthält eine Vielzahl von Tatbeständen und Regelfahrverboten, die bei Verkehrsteilnehmern Anwendung finden. Allerdings ist die Addition von Regelfahrverboten nicht explizit im Bußgeldkatalog in Buchform erwähnt. Es ist jedoch möglich, dass die Fahrverbote hinzuaddiert werden, wenn der Regelfall vorliegt.
Die rechtlichen Herausforderungen bei der Addition von Regelfahrverboten sind vielfältig und erfordern eine genaue Kenntnis der BKatV und der einschlägigen Rechtsprechung. Ein detaillierter Einblick in ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Grundlagen besser zu verstehen und mögliche Konsequenzen abzuschätzen.
Der Ausgangspunkt: Ein Bußgeldbescheid und seine Folgen
Der Fall, der vor dem Kammergericht Berlin verhandelt wurde, hatte seinen Ursprung in einem Bußgeldbescheid, der vom Polizeipräsidenten in Berlin gegen den Betroffenen ausgestellt wurde. Dieser Bußgeldbescheid war die Reaktion auf eine Zuwiderhandlung gegen die Straßenverkehrsordnung, speziell die §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, in Verbindung mit § 24 StVG. Konkret ging es um eine Geschwindigkeitsüberschreitung, für die der Betroffene eine Geldbuße von 160 Euro entrichten sollte. Zusätzlich wurde gemäß § 25 StVG ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt. Diese Entscheidung führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die sich zunächst auf die Frage konzentrierte, ob die Höhe der Geldbuße und die Dauer des Fahrverbots angemessen waren.
Die Rechtsbeschwerde und ihre Gründe
Der Betroffene legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten Rechtsbeschwerde ein, wobei er sowohl formelle als auch materielle Rechtsverstöße geltend machte. Die Rechtsbeschwerde zielte darauf ab, die Verhängung des zweimonatigen Fahrverbots und die Höhe der Regelgeldbuße in Frage zu stellen. Das Kammergericht Berlin, das mit der Rechtsbeschwerde befasst war, sah jedoch hinsichtlich des Schuldspruchs und der Höhe der Regelgeldbuße keinen Grund zur Beanstandung. Die Argumentation des Betroffenen fand in diesen Punkten also keinen Anklang beim Gericht.
Die Bewertung des Fahrverbots durch das Kammergericht
Das Kammergericht führte jedoch aus, dass das zweimonatige Fahrverbot einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhält. Die Begründung des Amtsgerichts basierte auf der Vorbelastung des Betroffenen wegen einer früheren Geschwindigkeitsüberschreitung. Diese Vorbelastung allein rechtfertigte nach Ansicht des Kammergerichts jedoch keine Verlängerung des Fahrverbots über einen Monat hinaus. Hier spielte die Rechtsauffassung eine Rolle, dass bei der Erfüllung zweier Tatbestände der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV), die ein Regelfahrverbot vorsehen, die Dauer der Fahrverbote nicht zu addieren ist. Das Gericht betonte, dass sowohl im Ordnungswidrigkeitenrecht als auch im Strafrecht bei Tateinheit die Addition von Rechtsfolgen grundsätzlich nicht vorgesehen ist.
Entscheidung und ihre Implikationen für das Verkehrsrecht
Das Kammergericht entschied, dass das Fahrverbot auf einen Monat zu reduzieren sei. Es sah keine gewichtigen, für den Betroffenen nachteiligen Umstände, die ein längeres Fahrverbot rechtfertigen würden. Der Betroffene hatte die Tat fahrlässig begangen, und es war bisher kein Fahrverbot gegen ihn verhängt worden. Das Gericht betonte die spezialpräventive Wirkung des Fahrverbots, die darauf abzielt, dem Betroffenen seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer bewusst zu machen. Diese Entscheidung stellt einen wichtigen Aspekt im Verkehrsrecht dar, da sie die Anwendung und Auslegung der Regeln zu Fahrverboten bei Mehrfachtatbeständen verdeutlicht.
Fazit: Das Kammergericht Berlin hat in seinem Urteil eine wichtige Klarstellung zur Anwendung von Regelfahrverboten bei Mehrfachtatbeständen getroffen. Es hat gezeigt, dass eine automatische Addition der Fahrverbotsdauer bei mehreren Zuwiderhandlungen nicht der gängigen Rechtspraxis entspricht. Der Betroffene muss die Kosten seines Rechtsmittels tragen, und das Fahrverbot wurde auf einen Monat beschränkt.
Das vollständige Urteil des Kammergerichts Berlin kann untenstehend nachgelesen werden.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Inwiefern spielt die Vorbelastung eines Verkehrsteilnehmers eine Rolle bei der Verhängung von Fahrverboten?
Die Vorbelastung eines Verkehrsteilnehmers spielt eine erhebliche Rolle bei der Verhängung von Fahrverboten. Bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, wie Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, können neben Geldbußen auch Fahrverbote verhängt werden.
Die Vorbelastung eines Verkehrsteilnehmers kann die Höhe der Geldbuße und die Dauer des Fahrverbots beeinflussen. Beispielsweise wurde in einem Fall die Regelgeldbuße aufgrund einer Voreintragung erhöht und ein Regelfahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Wiederholungstäter, die innerhalb eines Jahres zum zweiten Mal mit einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt werden, müssen mit strengeren Sanktionen rechnen. Bei mehrfachen Wiederholungstätern kann eine Existenzgefährdung kein Grund sein, von einem Fahrverbot abzusehen.
Es ist auch möglich, dass ein Fahrverbot als Nebenstrafe neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt wird. Bei schweren Straftaten mit Freiheitsentziehung kommt ein Fahrverbot jedoch nicht in Betracht, da der im Gefängnis sitzende Straftäter seinen Führerschein ohnehin nicht nutzen kann.
Es ist zu beachten, dass ein Fahrverbot eine erhebliche Sanktion darstellt, die insbesondere Berufspendler und Personen, die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, hart trifft. In einigen Fällen kann von einem Fahrverbot abgesehen werden, wenn beispielsweise eine Existenzgefährdung vorliegt. Allerdings muss eine solche Gefahr für die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen nachgewiesen werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vorbelastung eines Verkehrsteilnehmers einen erheblichen Einfluss auf die Verhängung von Fahrverboten hat. Sie kann die Höhe der Geldbuße und die Dauer des Fahrverbots beeinflussen und führt bei Wiederholungstätern zu strengeren Sanktionen.
Was versteht man unter Tateinheit im Ordnungswidrigkeitenrecht?
Unter Tateinheit im Ordnungswidrigkeitenrecht versteht man die Situation, in der eine Person mit einer einzigen Handlung mehrere Gesetze oder Tatbestände verletzt. Dieses Konzept ist sowohl bei Straftaten als auch bei Ordnungswidrigkeiten anwendbar. Im Kontext des Verkehrsrechts wird beispielsweise eine Situation als Tateinheit bewertet, wenn ein Fahrer gleichzeitig zu schnell fährt und dabei am Steuer telefoniert.
Die gesetzliche Grundlage für die Tateinheit im Ordnungswidrigkeitenrecht ist in § 19 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) festgelegt. Dieser Paragraph besagt, dass wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt oder ein Gesetz mehrmals verletzt, nur eine einzige Geldbuße festgesetzt wird. In der Regel muss der Täter nur mit der Strafe bzw. dem Bußgeld für das schwerere Delikt rechnen.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Unterscheidung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit in der Praxis oft schwierig ist und von den genauen Umständen des Einzelfalls abhängt. Während die Tateinheit sich auf mehrere Verstöße bezieht, die durch eine einzige Handlung begangen werden, bezieht sich die Tatmehrheit auf mehrere Verstöße, die durch unterschiedliche oder zeitlich abgegrenzte Handlungen begangen werden.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 601/14 – 122 Ss 143/14 – Beschluss vom 12.12.2014
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Juni 2014 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Dauer des Fahrverbots auf einen Monat herabgesetzt wird.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 24. Juni 2014 auf seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 31. Oktober 2013 wegen Zuwiderhandlung gegen die §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO gemäß § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 160,– Euro verhängt, gemäß § 25 StVG ein zweimonatiges Fahrverbot angeordnet und bestimmt, dass dieses entsprechend der Regelung des § 25 Abs. 2 a StVG wirksam werden soll. Die dagegen gerichtete, die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügende Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat lediglich in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß den §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und die Höhe der Regelgeldbuße von 160,00 Euro wendet.
2. Der Rechtsfolgenausspruch, soweit das Amtsgericht ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt hat, hält dagegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Amtsgericht begründet die Verhängung des zweimonatigen Fahrverbots lediglich mit der Vorbelastung des Betroffenen, gegen den wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h am 28. Juni 2012 eine Geldbuße in Höhe von 120,– Euro verhängt worden ist.
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Vorbelastung mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung hat bereits dazu geführt, dass das Amtsgericht zutreffend von einem beharrlichen Verstoß gemäß § 4 Abs. 2 BKatV ausgegangen ist. Soweit daneben auch das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung gemäß § 4 Abs. 1 BKatV i V. m. Tabelle 1 c) laufende Nr. 11.3.6 indiziert ist, führt dies ebenfalls nicht zu einer Addition der Regelfahrverbote.
Bei der Erfüllung zweier Tatbestände der Bußgeldkatalogverordnung, die ein Regelfahrverbot vorsehen, durch eine Handlung ist bei Vorliegen des Regelfalls die Dauer der Regelfahrverbote nicht zu addieren (vgl. OLG Stuttgart NZV 1996, 159 m. w. N). Dem Ordnungswidrigkeitenrecht ist – ebenso wie dem Strafrecht – bei Tateinheit die Addition von Rechtsfolgen grundsätzlich fremd. Auch wenn die Vorschrift des § 4 BKatV den Fall der tateinheitlichen Verwirklichung mehrerer Bußgeldtatbestände mit Regelfahrverbot nicht behandelt, ist kein Grund ersichtlich, warum dies bei der Bemessung des Regelfahrverbots anders sein soll. § 19 Abs. 2 Satz 2 OWiG sieht im Übrigen bei Tateinheit keine Addition der im Gesetz angedrohten Nebenfolgen vor. Dies stünde auch in systematischen Widerspruch zu § 19 Abs. 2 Satz 1 OWiG. Das Fahrverbot soll den Betroffenen warnen und ihm nachhaltig seine Pflichten als Führer eines Kraftfahrzeugs bewusst machen. Diese spezialpräventive Wirkung verlangt eine Gesamtbetrachtung der abzuurteilenden Tat.
Die Erhöhung des Fahrverbots über die Dauer eines Monats hinaus kommt daher lediglich dann in Betracht, wenn gewichtige, für den Betroffenen nachteilige Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass ein Fahrverbot von einem Monat nicht ausreicht, um ihn nachhaltig zu beeindrucken. Diese Gründe sind im Urteil darzulegen (vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2011, 153; OLG Stuttgart, a. a. O., jeweils m. w. N.). An der Darlegung derartiger Gründe fehlt es im angefochtenen Urteil. Diese sind auch nicht ersichtlich. Der Betroffene hat die vorliegende Tat lediglich fahrlässig begangen und es ist bisher auch noch kein Fahrverbot gegen ihn verhängt worden.
Der Rechtsfehler führt jedoch nicht dazu, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil der Senat aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen, ersichtlich vollständigen Feststellungen über den Rechtsfolgenausspruch insoweit selbst entscheiden kann (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Das Fahrverbot ist auf einen Monat festzusetzen. Gründe die ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Es ist ebenfalls nicht erkennbar, dass die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots eine außergewöhnliche Härte für den Betroffenen darstellt. Hierfür ist insbesondere nicht ausreichend, dass der Betroffene als Rechtsanwalt regelmäßig Gerichtstermine außerhalb Berlins wahrzunehmen hat. Allein das berufliche Angewiesensein auf eine Fahrerlaubnis rechtfertigt ein Absehen von der Auferlegung eines Fahrverbots nicht (vgl. KG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 3 Ws (B) 33/13 – m. w. N.). Ausnahmen davon können lediglich vorliegen, wenn dem Betroffenen infolge der Länge des Fahrverbots Arbeitsplatz- oder sonstiger wirtschaftlicher Existenzverlust droht und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann, mithin ein Härtefall ganz außergewöhnlicher Art vorliegt (vgl. KG, a. a. O., m. w. N.). Das ist vorliegend nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.