Langes Verfahren: Kein Fahrverbot trotz Geschwindigkeitsüberschreitung
Die sorgfältige Einhaltung von Geschwindigkeitsbeschränkungen im Straßenverkehr ist eine zentrale Voraussetzung, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu gewährleisten. Bei Verstößen gegen diese Vorschriften werden in der Regel Bußgelder und, in gravierenderen Fällen, so genannte „Regelfahrverbote“ verhängt. Doch was passiert, wenn es in einem Gerichtsverfahren zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen kommt? Und wie beeinflusst die Genauigkeit von Geschwindigkeitsmessungen solche Verfahren? Diese Fragen bilden den Kern eines Urteils, in dem ein Fahrzeugführerin wegen einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt wurde.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 27c OWi 8143 Js 10147/20 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
In einem kürzlich gefällten Urteil wurde eine Betroffene wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt. Allerdings wurde aufgrund der langen Verfahrensdauer von einem Regelfahrverbot abgesehen. Dies unterstreicht, wie Verfahrensdauer und die korrekte Nutzung von Geschwindigkeitsmessgeräten sich auf Gerichtsurteile auswirken können.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Geschwindigkeitsüberschreitung: Die Betroffene wurde wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h verurteilt.
- Geldbuße: Die Verurteilung resultierte in einer Geldbuße von 320 Euro.
- Verfahrensdauer: Aufgrund der langen Verfahrensdauer zwischen Tat und Gerichtsverhandlung (fast 2 Jahre) wurde von einem Regelfahrverbot abgesehen.
- Rolle der Geschwindigkeitsmessgeräte: Das eingesetzte Geschwindigkeitsmessgerät folgte einem standardisierten Verfahren und war korrekt eingesetzt, was bei der Entscheidungsfindung relevant war.
- Vorsätzliche Tat: Aufgrund der hohen Geschwindigkeitsüberschreitung wurde von einem vorsätzlichen Handeln ausgegangen.
- Gesetzliche Einhaltung: Die Geschwindigkeitsbegrenzung war korrekt ausgeschildert und musste eingehalten werden.
- Keine Fahrverbote: Es wurden keine Fahrverbote verhängt, da die ursprüngliche Tat fast zwei Jahre zurücklag.
- Relevanz einer rechtssicheren Auskunft: Diese Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit, eine persönliche und rechtssichere Beratung in diesen Angelegenheiten in Anspruch zu nehmen.
Übersicht
Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit: Was geschah?
Am 30. Oktober 2019 überschritt eine Fahrzeugführerin außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h. Dies ereignete sich auf der Bundesautobahn A 64 in der Gemarkung Trier. Die Geschwindigkeitsmessung wurde von der Zentralen Verkehrsdienststelle des Polizeipräsidiums Trier mittels eines standardisierten Messverfahrens, genauer gesagt, mit dem Geschwindigkeitsmessgerät VitronicPoliscan Speed FM1, durchgeführt. Das Gerät war geeicht und entsprechend der Bedienungsanleitung des Herstellers eingesetzt. Die festgestellte Geschwindigkeit betrug 135 km/h vor Toleranzabzug.
Rechtliche Aspekte und Kernfrage des Falles
Der Kern dieses Falles liegt darin, dass rechtlich verbindliche Grenzen für Geschwindigkeitsmessungen festgelegt werden sollen und die Frage, ob standardisierte Messgeräte für diese Aufgabe ausreichend genau sind. Außerdem geht es darum, ob die Fahrzeugführerin vorsätzlich eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat.
Das Urteil: Verurteilung und dabei berücksichtigte Punkte
Das Gericht verurteilte die Betroffene wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 320 Euro. Die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der in der Rechtsmittelinstanz angefallenen Kosten und Auslagen, wurden der Betroffenen auferlegt. Die Rechtsmittelinstanz sprach sie jedoch frei.
Bedeutung des Urteils für zukünftige Verfahren
Das Urteil und die Rechtsprechung haben Auswirkungen auf zukünftige Verfahren in ähnlichen Fällen, insbesondere in Bezug auf vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitungen und die Verwendung standardisierter Messgeräte. Es zeigt deutlich, dass standardisierte Messverfahren bei ordnungsgemäßer Anwendung und geeichtem Gerät rechtlich solide sind und die Rechtsfindung in Ordnungswidrigkeitenverfahren erleichtern können. Es ist dennoch wichtig, dass diese Messverfahren Sachverständigenprüfungen unterzogen werden, wenn es konkrete Anzeichen für eine Fehlmessung gibt.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was versteht man unter einem Regelfahrverbot und wann wird es verhängt?
Ein Regelfahrverbot ist eine zeitlich befristete Maßnahme, bei der einem Fahrzeugführer die Fahrerlaubnis entzogen wird. Es wird in Verbindung mit dem Bußgeldkatalog (BKatV) und dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) verhängt, wenn bestimmte Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen werden. Zu den häufigsten Gründen für ein Regelfahrverbot zählen erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen und deutliche Unterschreitung des Mindestabstands zu einem vorausfahrenden Fahrzeug. Die Dauer eines Regelfahrverbots liegt normalerweise zwischen 1 und 3 Monaten.
Ein Regelfahrverbot wird beispielsweise verhängt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit einem PKW innerorts um mehr als 30 km/h oder außerorts um mehr als 40 km/h überschritten wird. In diesem Fall sind sowohl eine Geldbuße als auch ein Regelfahrverbot von 1 Monat für den Fahrzeugführer vorgesehen. Bei höheren Geschwindigkeitsüberschreitungen erhöht sich neben dem Bußgeld auch die Dauer des Fahrverbots.
Weitere Gründe für ein Fahrverbot können sein: Unterschreitung des Sicherheitsabstands, Alkohol am Steuer, Drogen am Steuer, das Überqueren eines Bahnübergangs ohne Einhalten der Wartepflicht und trotz gelben/roten Lichtzeichen oder sich senkenden Schranken, das Überfahren einer roten Ampel und die Handynutzung mit Sachbeschädigung oder Gefährdung des Straßenverkehrs.
Das vorliegende Urteil
Amtsgericht Trier – Az.: 27c OWi 8143 Js 10147/20 – Urteil vom 03.09.2021
1. Die Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h zu einer Geldbuße von 320,- Euro verurteilt.
2. Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der durch/in der Rechtsmittelinstanz angefallenen Kosten und Auslagen, die der Staatskasse auferlegt werden.
Angewendete Vorschriften: §§ 41 Abs. 1 m. Anlage 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24StVG, 1, 3 Abs. 1 BKatV, Nr. 11.3.7 BKat
Gründe:
I.
Die inzwischen … Jahre alte Betroffene war in der Hauptverhandlung vom03.09.2021 durch Beschluss von er Verpflichtung zu ihrem persönlichen Erscheinen entbunden worden. Zuvor hatte sie über ihre Verteidiger ihre Fahrereigenschaft eingeräumt.
Die in … lebende Betroffene betreibt in verschiedenen … in … und im …,welche mehrfach wöchentlich geleert und gewartet werden müssen.
II.
Die Hauptverhandlung hat aufgrund der gemäß dem Protokoll durchgeführten Beweisaufnahme zu folgenden Feststellungen geführt.
Die Betroffene befuhr am 30.10.2019 um … Uhr als Fahrerin mit dem Pkw amtliches Kennzeichen … in der Gemarkung Trier die Bundesautobahn A 64, km11,650, Fahrtrichtung Hermeskeil.
Bei einer durch die ZVD des PP Trier, Polizeidirektion Wittlich, mittels gültig geeichten und entsprechend der Bedienungsanleitung des Gerätehersteller von der Messbeamtin PTB … eingesetzten Geschwindigkeitsmessgerätes VitronicPoliscan Speed FM1, Gerätenummer 777544, mit der Softwareversion 4.4.5 zu dieser Zeit dort durchgeführten Geschwindigkeitsmessung wurde bei dem von der Betroffenen geführten Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 135 km/h (vor Toleranzabzug) festgestellt.
Die Messstelle befand sich dabei außerhalb geschlossener Ortschaften hinter dem mehrfach beidseitig am Fahrbahnrand angebrachten Verkehrszeichen Z 274StVO, durch welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst auf 100 km/h und dann dreimal vor der Messstelle auf zuletzt 80 km/h begrenzt wurde(Geschwindigkeitstrichter).
Mithin überschritt die Betroffene die in der außerhalb geschlossener Ortschaften befindlichen Messstelle geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h unter Berücksichtigung eines Toleranzabzugs von 5 km/h um 50 km/h. Sowohl die dargestellte Geschwindigkeitsbegrenzung an der Messstelle wie auch deren Überschreitung hat die Betroffene erkannt und auch mindestens billigend in Kauf genommen.
III.
Der unter II. festgestellte Sachverhalt stehen zur Überzeugung des Gerichtsfest aufgrund der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme.
Die Betroffene räumte über ihren Verteidiger schon mit Schriftsatz vom14.01.2021 ein, zum o.g. Tatzeitpunkt Fahrzeugführerin des o.g. Fahrzeugs gewesen zu sein.
Die Geschwindigkeitsmessung selbst ist ordnungsgemäß durchgeführt worden, was zur Überzeugung des Gerichtes feststeht: Sie erfolgte mittels des Geschwindigkeitsmessgeräts Vitronic PoliScan speed FM1. Es handelt sich hierbei um ein von der PTB geprüftes und zugelassenes, standardisiertes Messgerät (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17.01.2017, 1 OWi 4 SsRs 129/17; Beschluss vom22.03.2017, 1 OWi 4 SsRs 21/17).
Ausweislich des Eichscheins war das Gerät gültig bis Ende 2020 geeicht. Die Messbeamtin … hat ausweislich der Teilnahmebescheinigung vom 13.09.2019 an einem Seminar “(ZF) Anwenderbeschulung am Geschwindigkeitsmessgerät VitronicPoliscan Speed Fm1 (4.4.5) u. M1 (3.7.4) sowie am Enforcement-Trailer …”teilgenommen. Die vorgenannte Urkunde wurden durch Bekanntgabe ihres wesentlichen Inhalts gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.
Das Poliscan-Foto, das in Augenschein genommen wurde und deren darauf befindlichen Falldaten in ihrem wesentlichen Inhalt gem. § 78 Abs. 1 S. 1 OWiG bekanntgegeben wurden, weist den Auswerterahmen hinreichend aus, so dass festgestellt werden konnte, dass sich kein weiteres Fahrzeug da in befindet, der untere Rahmen der Auswerteschablone unterhalb der Fahrzeugreifen liegt und sich das Kennzeichen sowie je ein Teil des linken und rechten Vorderrades innerhalb des Auswerterahmens befinden.
Dem ‒ wie oben dargestellt in die Hauptverhandlung eingeführten ‒Poliscan-Foto entlassen sich die folgenden ermittelten Werte entnehmen:
Ermittelte Geschwindigkeit: 135 km/h
Limit Pkw: 80 km/h
Das Messprotokoll der Geschwindigkeitsmessung wurde ebenfalls durch Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung. Gemäß dem Messprotokoll wurde vorliegend durch das die ZVD, PD ..,ein Vitronic Poliscan speed FM1 Gerät, Gerätenummer777544, mit der Softwareversion 4.4.5 genutzt. Die Messstelle befand sich dabei außerhalb geschlossener Ortschaften. Die Geschwindigkeitsuntergrenze des Messgeräts wurde insgesamt auf 89 km/h eingestellt. Das Gerät wurde gemäß gültiger Gebrauchsanweisung des Herstellers aufgebaut und betrieben, ebenso wurden Eichsiegel und Sicherungsmarken überprüft und keine Beschädigungen festgestellt. Des Weiteren ist festgestellt worden, dass seit Beginn der Eichfrist keine Reparaturen und Wartungen erfolgt sind. Die Messung erfolgte hinter dem 3. Z 274 mit der Begrenzung auf 80 km/h; die Beschilderung und insbesondere deren Erkennbarkeit ist vor und nach Messende von dem Messbeamtenüberprüft worden.
Konkrete Anhaltspunkte für Messfehler ergeben sich danach nicht und sind auch nicht ausreichend vorgetragen worden.
Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan Speed handelt es sich um ein amtlich anerkanntes, standardisiertes Messverfahren (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 26.02.2010, 3 Ws (B) 94/10 ‒ 2 Ss 349/09; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2010, IV-5 Ss (OWi) 206/09; (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17.01.2017, 1 OWi 4 SsRs 129/17; Beschluss vom 22.03.2017, OWi 4 SsRs21/17), so dass der konkrete Messvorgang einer sachverständigen Begutachtung nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlmessung unterzogen werden muss. Standardisiert ist ein Messverfahren stets, wenn die Ermittlung der Geschwindigkeit nach einem durch Normen vereinheitlichten (technischen)Verfahren erfolgt, bei dem die Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so präzise festgelegt sind, dass unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse erwartet werden können. Die amtliche Zulassung erhalten derartige Geräte, nachdem die Physikalisch-Technische-Bundesanstalt (PTB) die Ermittlung des Messwertes auf der Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer sachverständigen Prüfung unterzogen und die Messergebnisseals innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat. Letzteres bewirkt, dass die Ermittlungsbehörden und Gerichte im Regelfall von einer sachverständigen Prüfung freigestellt sind, es sei denn der konkrete Einzelfallgibt dazu Veranlassung. Diesen Anforderungen entspricht das vorliegend eingesetzte Messgerät PoliScan Speed FM1, Gerätenummer 777544. Es ist von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt geprüft und amtlich zugelassen, war geeicht und ausweislich des Messprotokolls von dem die Messung durchführenden Messbeamten entsprechend einer Checkliste aufgebaut und eingesetzt worden. Relevante Abweichungen von dem normierten Verfahren oder der Gebrauchsanweisung des Gerätes sind nicht ersichtlich und es haben sich auch keine Anhaltspunkte für Fehlerquellen ergeben, die außerhalb der durch den Toleranzabzug von hier 5km/h berücksichtigten Grenzen liegen.
Ein wie auch immer geartetes Verwertungsverbot im Hinblick auf die hier in Rede stehende Messung/das Messverfahren besteht nach hiesiger Auffassung nicht: Weder der Grundsatz des fairen Verfahrens noch das Gebot einer effektiven Verteidigung gebieten es im Falle eines sog. standardisierten Geschwindigkeitsmessverfahrens, einem Betroffenen die sog. Rohmessdaten ‒ erst recht nicht die der gesamten. Messreihe ‒ zum Zwecke einer wie hier anlasslosen Überprüfung zu überlassen. Auch besteht kein Verwertungsverbot, weil es technisch ggf. möglich wäre, mehr als die ei Vitronic Poliscan FM1gespeicherten 5 Messdaten zu speichern, diese Möglichkeit vom Hersteller bislang jedoch nicht genutzt/angewendet wird (dazu i. Erg. schon OLG Köln, B.v. 27.09.2019 -111-1 RBs 339/19 ‒ juris).
Sowohl das hiesige Oberlandesgericht Koblenz als auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 15.01.2020 ‒VGH B 19/19 ‒ lassen deutlich erkennen, dass an der Rechtsfigur desstandardisierten Messverfahrens zur Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung weiterhin festzuhalten ist und sich das Recht der Ordnungswidrigkeiten sowie das allgemeine Strafrecht in wesentlichen Punkten voneinander unterscheiden und Vereinfachungen im Ordnungswidrigkeitenrecht daher nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, auch wenn die Vereinfachungen des Bußgeldverfahrens Vorschriften betreffen, die dem Schutz des Betroffenendienen. Somit verbleibt es aus hiesiger Sicht bzgl. der Frage des Anspruches auf Herausgabe sonstiger nicht in der Akte befindlichen Unterlagen ‒ wie ebenz. B. die Rohmessdaten der gesamten Messreihe des Tattages ‒ bei der bisherigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz. Dieses hat jedoch in ständiger Rechtsprechung, z. B. mit Beschluss vom 17.07.2018 ‒ OWi 6 SsBs 19/18 ‒ (für Messung mit ESO 3.0) oder vom 28.11 .2019 ‒ 1 OWi 6 SsRs 365/19 ausgeführt, ein Anspruch des Betroffenen auf Beiziehung und Überlassung der digitalen Dateneiner Messreihe durch das Gericht besteht weder unter Aufklärungsgesichtspunkten noch aus dem Recht auf ein faires Verfahren. Es sei nämlich nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beiziehung und Auswertungverfahrensfremder Daten Aufschluss darüber geben könnten, ob die verfahrensgegenständliche Messung zutreffend ist oder nicht. Die statistischen Daten der anderweitigen Messungen am Tattag erlauben zwar ggf. die Aussagedarüber, mit welcher Rate das Messgerät andere Messungen aufgrund einerinternen Fehlerkontrolle storniert hat. Selbst eine ohne Annullierungsratebelege aber nur, dass das Gerät bei anderen Messungen Unregelmäßigkeiten festgestellt und die Messung dann verworfen hat. Einen Rückschluss darauf, dass die verfahrensgegenständliche Messung unzutreffend sei, lasse sich hieraus aber nicht ziehen. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise eines Geschwindigkeitsmessgerätes führe auch nicht dazu, dass aufgrund dieses Umstandes nicht mehr von einem standardisierten Verfahren auf zugehen wäre (OLG Koblenz, B. v. 14.02.2018 ‒ 1 OWi 6 SsRs 7/18 ‒ juris). Im Ergebnis gilt gleiches für die vorliegende Messung mittels Vitronic Poliscan FM1 ‒ welche Rückschlüsse aus der Kenntnis der jeweils (5) gespeicherten Rohmessdaten der anderen Messungen am Tattag auf die verfahrensgegenständliche Messung geschlossen werden sollen, erschließt sich hier nicht, sodass diesbezüglich Beweisanträge ‒ rechtlich handelt es sich lediglich um Beweisermittlungsanträge‒ zurückzuweisen waren und auch kein Verwertungsverbot zu bejahen ist. Soweit bzgl. des Themas „Rohmessdaten” unter Einreichung des „Handouts” Bl. 145 ff. d.A., welches ebenfalls Gegenstand der Hauptverhandlung war, auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 05.07.2019 ‒ Lv 7/17 ‒ abgestellt wird, ist nur der Vollständigkeit halber anzumerken, dass diese, sich auf eine Messung mit dem Gerät TraffiStar S 350, bei welcher gar keine Datenabgespeichert werden, beziehende Rechtsprechung schon deshalb nicht auf hiesige mit Vitronic Poliscan FM1 erfolgte Messung übertragbar, weil hier nun einmal ‒wenn auch nur 5 ‒ Rohmessdaten gespeichert sind. Dass eine bestimmte Anzahl oder gar alle Rohmessdaten zu speichern wären, hat selbst der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes nicht ausgeführt.
Eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens liegt auch nicht darin, dass der Verteidigung die Herausgabe bestimmter weiterer Unterlagenverwehrt bzw. ein entsprechender Beweisantrag zurückgewiesen wurde. Mit erneut im Hauptverhandlungstermin unter Bezugnahme auf Bl. 148 d. A. gestelltem Antrag, neben den schon angesprochenen Rohmessdaten pp. auch Wartungsnachweise, Gerätebegleitkarten pp., Standort-Erstinbetriebnahme-Protokoll, Einbauvorschriften bei Verwendung in einem Trailer, verkehrsrechtliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung usw. angefordert. Auch diesbezüglich vermag das Gericht die Notwendigkeit zur Beiziehung der Wartungs- oder lnstandsetzungsnachweise des Messgerätes sowie von Gerätebegleitkarten seit der letzten Eichung vor der Messung oder auch seit der ersten Inbetriebnahme des Gerätes nicht zu erkennen und schließt sich aus eigener Überzeugung vollumfänglich der Rechtsprechung des Landgerichtes Trier, B. v. 30.01.2020 ‒ 2Qs 2/19 ‒ an: es ist insoweit nämlich gerichtsbekannt, dass im hiesigen Bezirk bei jeder Reparatur, die eine Öffnung des Messgerätes mit sie bringt, eine Neueichung erfolgt. Dass im vorliegenden Fall ein unversehrtes Eichsiegel zumZ eitpunkt der Messung vorlag, ergibt sich jedoch schon aus dem oben genannten Messprotokoll. Inwieweit ein Standort-Erstinbetriebnahme-Protokoll existiert, ist nicht bekannt. Selbst bei der Existenz eines solchen ist aus hiesiger Sicht jedoch alleine das Messprotokoll und die daraus ersichtlich ordnungsgemäß durchgeführte Handhabung von Messgerät und Messung selbst ausschlaggebend für die Ordnungsgemäßheit des hier angegriffenen Messergebnisses ‒ es erschließt sich nicht, welchen Bezug ein etwaiges Standort-Erstinbetriebnahme-Protokoll auf die Korrektheit der Messung am 30.10.2019 haben soll. Auch eine Herbeiziehung der verkehrsrechtlichen Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung war aus hiesiger Sicht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geboten: unbestritten ist, dass an der Messörtlichkeit die aus dem Messprotokoll ersichtliche Geschwindigkeitsbeschränkung galt ‒ ob der Hintergrund für diese Beschränkung vorliegend z. B. schlechte Fahrbahnverhältnisse oder Gefahrenschwerpunkt oder anderes waren ändert nichts an dem Umstand, dass die Beschränkung grundsätzlich einzuhalten ist; allenfalls völlige Behördenwillkür könnte ggf. unter Umständen zu einem anderen Ergebnisführen ‒ dafür sind vorliegend allerdings keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Soweit schließlich eine Herausgabe der Einbauvorschriften des Messgerätes in den sog. Trailer beantragt wurde, ergeben sich diese aus der durch Inaugenscheinnahme in die Hauptverhandlung eingeführten CD Bl. 60 d. A. ‒ die Angaben in der dortigen einschlägigen Datei S. 35 wurden erörtert und in ihrem wesentlichen Inhalt gem. § 78 Abs. 1 S. 1 OWiG ebenfalls zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.
Auch die Berücksichtigung der zuletzt ergangenen Entscheidung des BVerfG vom12.11.2020 ‒ 2 BvR 1616/18 führt hier zu keinem anderen Ergebnis: so hat das BVerfG gerade nicht die vereinfachten Verfahrensgrundsätze, die bei einemstandardisierten Messverfahren gelten, in Zweifel gezogen oder abgelehnt sondern vielmehr deutlich gemacht, dass Beweis-/Herausgabe-/erweiterten Akteneinsichtsanträgen nur dann zu stattzugeben ist, wenn sie einen konkreten Bezug zur streitgegenständlichen Messung bzw. eine Auswirkung auf die konkrete Messung haben. Aus hiesiger Sicht ist ein solcher konkreter Bezug bzw. eine Auswirkung hier allerdings weder ersichtlich noch nachvollziehbar dargelegt.
Soweit aus Sicht des Oberlandesgerichtes Koblenz, welches durch Beschluss vom 07.04.2021 in dieser Sache schon ergangene Entscheidung vom 15.01.2021aufgehoben und zurückverwiesen hatte, der Grundsatz des fairen Verfahrens dadurch verletzt worden sein soll, weil dem Verteidiger auf Anforderung hin nicht „die Anleitung für den Aufbau des Messgerätes bei dem Betrieb in einem Enforcement-Trailer” zur Verfügung gestellt worden sein, so hat das Gericht diesbzgl. nunmehr den Sachverständigen Schön als zuständigen Mitarbeiter der Messgeräteherstellerfirma Vitronic dazu befragt. Dieser hat detailliert bestätigt, dass es eine solche „spezielle” Anleitung nicht gibt, was das Gericht auch schon im Urteil vom 15.01.2021, dort S. 6 Mitte, ausgeführt hatte! Der Sachverständige hat dazu ausführlich mitgeteilt, dass es nur 2 Anleitungen hier gebe ‒ die “Gebrauchsanweisung des Messgerätes” ‒ die dem Verteidigerseiner eigenen Einlassung zufolge bekannt war (Hauptverhandlungsprotokoll Bl.273 d. A.), und die „Bedienungsanleitung des Trailers”. Letztere enthalte ausschließlich Informationen zur Handhabung des Trailers im Sinne eines Fahrzeugs, sei somit eine Anleitung im Sinne der Produktsicherheit. Das für die Verteidigung hier Relevante, also die Beschreibung, wie das Messgerät auf einem Stativ oder im Fahrzeug ‒ auch dem Trailer ‒ ordnungsgemäß zu befestigen und bedienen sei, ergebe sich aus der “Gebrauchsanweisung des Messgerätes”. Diese war auch schon Gegenstand der Hauptverhandlung vom 15. 1.2021 (s. Hauptverhandlungsprotokoll Bl. 161 d. A.)!
Um die ordnungsgemäß festgestellte und verwertbare Geschwindigkeitsüberschreitung wusste die Betroffene auch und nahm diese wenigstens billigend in Kauf (“doppelter Vorsatz”):
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass aufgestellte Verkehrsschilder von Verkehrsteilnehmern auch wahrgenommen werden (BGHSt 43,241, 250 f.). Der Nachweis der Wahrnehmung des die Geschwindigkeitbeschränkenden Verkehrszeichens im Einzelnen ist nur dann zu erbringen, wenn der Betroffene eine Kenntnis der Beschränkung bestreitet ‒ was hier nicht explizit erfolgt ist ‒ oder besondere Umstände des Einzelfalles Anlass an Zweifeln geben (OLG Koblenz, B. v. 17.10.2012, 2 SsBs 76/12 ‒ juris). Beides ist hier zu verneinen; insbesondere soweit die Betroffene hat vortragen lassen, sie sei durch ihr „quengelndes” Kind abgelenkt gewesen , ist es bei einer derart massiven objektiven Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h wie hier schlechterdings ausgeschlossen, dass die Betroffene diese fahrlässig nicht wahrgenommen haben will. Die konkreten Umstände sprechen hier für ihre Kenntnis, da das einschlägige Zeichen 274 hier 3x vor der Messstelle wiederholt beidseitig angebracht war und davor auch schon eine Begrenzung auf 100 km/h erfolgt war, also ein deutlicher Geschwindigkeitstrichter bestand.
Dass die Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung auch mindestens mit bedingtem Vorsatz begangen hat, steht für das Gericht aufgrund der massiven„ qualifizierten” Überschreitung fest ‒ bei einer im außerörtlichen Bereich wie hier liegt die Grenze, aufgrund derer alleine aus dem objektiven Ausmaß der Überschreitung auf eine vorsätzliche Tatbegehung geschlossen werden kann, bei einer absoluten Überschreitung um 40 km/h (OLG Koblenz, B. v. 18.04.2017, 1 OWi4 SsBs 27 /17 ‒ juris ). Auch hat die Betroffene nicht behauptet, dass sie von der Höhe der von ihr gefahrenen Geschwindigkeit ‒ 130 km nach Abzug der Toleranz-, keine Kenntnis gehabt hat.
Demnach hat die Betroffene danach eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit derÜberschreitung der durch §§ 41 Abs.1 i. V. m. Anlage 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 auf 80km/h begrenzten Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h (nach Abzug von 5 km/hToleranz) außerhalb geschlossener Ortschaften begangen (§§ 41 Abs. 1 i. V. m.Anlage 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG), da sie die an der Messstelle geltende Geschwindigkeitsbegrenzung kannte wie auch deren Überschreitung billigend inKauf nahm.
V.
Die hier anwendbare Bußgeldkatalogverordnung vom 14.03.2013 sieht die Verhängung einer Regelgeldbuße in Höhe von 160,- Euro vor (11.3.7 BKat). Nach§3 Abs. 4a BKatV war diese wegen der vorsätzlichen Tatbegehung auf 320,- Euro zu verdoppeln. Mildernde Gründe waren nicht ersichtlich.
Jedoch erschien es vorliegend aufgrund des Zeitablaufes zwischen Tat ‒30.10.2019 ‒ und letzter Hauptverhandlung ‒ 03.09.2021 ‒ nicht mehr angemessen, das im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelfahrverbot von einem Monat anzuordnen. Bei einer derart langen Zeitspanne geht ‒ auch bei Vorsatztaten die Besinnungs-und Denkzettelfunktion des Fahrverbotes ins Leere, zumal der aktuelle Auszug der Betroffenen aus dem Fahreignungsregister vom 02.09.2021 keinerlei Eintragungen enthält (s z. B. OLG Koblenz, B. v. 07.05.2014). Aufgrund dieses Zeitablaufes erschien auch eine Erhöhung der Regelgeldbuße nicht angezeigt trotz Wegfall des Fahrverbotes.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs.1 OWiG i. V. m. § 465 Abs. 1 StPO.