Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OVG Schleswig-Holstein: Führerscheinentzug wegen nicht vorgelegtem psychiatrischen Gutachten bleibt bestehen – Beschwerde erfolglos
- Ausgangslage: Sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis und Eilantrag beim Verwaltungsgericht
- Begründung der Behörde: Zweifel an der Fahreignung wegen möglicher psychischer Erkrankung und nicht vorgelegtes Gutachten
- Entscheidung des Verwaltungsgerichts: Eilantrag abgelehnt – Fahrerlaubnisentzug als offensichtlich rechtmäßig eingestuft
- Beschwerde beim OVG Schleswig-Holstein: Argumentation der Fahrerin und Prüfung durch das Gericht
- Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein: Beschwerde zurückgewiesen – Fahrerlaubnisentzug bleibt wirksam
- Begründung des OVG: Verfahrensrüge im Eilverfahren und Heilung von Gehörsverstößen
- Konsequenzen der Entscheidung: Kosten und fortbestehendes Fahrverbot
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann darf die Fahrerlaubnisbehörde ein Gutachten zur Fahreignung anordnen?
- Was passiert, wenn ich mich weigere, ein angeordnetes Gutachten vorzulegen?
- Welche Arten von Gutachten können von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden?
- Welche Rechtsmittel stehen mir gegen eine Fahrerlaubnisentziehung wegen fehlenden Gutachtens zur Verfügung?
- Kann ich meinen Führerschein zurückbekommen, wenn er wegen eines fehlenden Gutachtens entzogen wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 4 MB 6/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 02.04.2025
- Aktenzeichen: 4 MB 6/25
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren im Eilrechtsschutz (Fahrerlaubnisrecht)
- Rechtsbereiche: Fahrerlaubnisrecht, Verwaltungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Beschwerdeführerin (Person, der die Fahrerlaubnis entzogen wurde und die dagegen gerichtlich vorgeht).
- Beklagte: Beschwerdegegner (Behörde, die die Fahrerlaubnis entzogen hat).
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Einer Person wurde die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen, weil sie ein gefordertes ärztliches Gutachten zu ihrer Fahreignung nicht fristgerecht vorgelegt hatte. Sie legte Widerspruch gegen die Entziehung ein und beantragte beim Verwaltungsgericht, die sofortige Wirkung der Entziehung vorläufig auszusetzen (Eilantrag). Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag ab. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts legte die Person Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein.
- Kern des Rechtsstreits: War die Entscheidung des Verwaltungsgerichts korrekt, den Eilantrag abzulehnen? Durfte die Behörde aufgrund des nicht vorgelegten Gutachtens im Rahmen der vorläufigen Prüfung davon ausgehen, dass die Person ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist?
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beschwerde der Person wurde zurückgewiesen.
- Begründung: Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Entziehung der Fahrerlaubnis erscheint bei vorläufiger Prüfung rechtmäßig. Die Behörde durfte nach dem Gesetz (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV) davon ausgehen, dass die Person ungeeignet ist, weil sie das zu Recht angeforderte ärztliche Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hat. Das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit überwiegt das Interesse der Person, ihre Fahrerlaubnis vorläufig behalten zu dürfen.
- Folgen: Die Fahrerlaubnis bleibt sofort entzogen, auch wenn über den ursprünglichen Widerspruch noch nicht endgültig entschieden ist. Die Beschwerdeführerin muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
OVG Schleswig-Holstein: Führerscheinentzug wegen nicht vorgelegtem psychiatrischen Gutachten bleibt bestehen – Beschwerde erfolglos
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein hat in einem Beschluss vom 02.04.2025 (Aktenzeichen: 4 MB 6/25) entschieden, dass der sofortige Entzug der Fahrerlaubnis einer Autofahrerin rechtmäßig war.

Die Frau hatte sich geweigert, ein von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnetes Fachärztliches Gutachten zur Klärung ihrer Fahreignung fristgerecht vorzulegen. Die Behörde durfte daher gemäß § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf ihre Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Die Beschwerde der Fahrerin gegen eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts wurde zurückgewiesen.
Ausgangslage: Sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis und Eilantrag beim Verwaltungsgericht
Die zuständige Fahrerlaubnisbehörde hatte der betroffenen Autofahrerin mit einem Bescheid vom 24. Oktober 2024 die Fahrerlaubnis entzogen. Gleichzeitig ordnete die Behörde die Sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an. Das bedeutet, dass die Fahrerin ihren Führerschein sofort abgeben musste und nicht erst nach Abschluss eines möglichen Widerspruchs- oder Klageverfahrens. Gegen diesen Bescheid legte die Fahrerin Widerspruch ein.
Um den Führerschein zumindest vorläufig bis zur endgültigen Klärung behalten zu dürfen, stellte sie beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Ziel dieses Eilantrags war es, die von der Behörde angeordnete sofortige Vollziehung außer Kraft zu setzen.
Begründung der Behörde: Zweifel an der Fahreignung wegen möglicher psychischer Erkrankung und nicht vorgelegtes Gutachten
Die Fahrerlaubnisbehörde begründete den Entzug der Fahrerlaubnis mit Zweifeln an der Fahreignung der Antragstellerin. Rechtsgrundlage hierfür sind § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach diesen Vorschriften muss die Behörde die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Konkret hatte die Behörde die Fahrerin aufgefordert, ein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation beizubringen. Anlass für diese Anordnung waren der Behörde neu bekannt gewordene und aktenkundige Feststellungen aus den Jahren 2023 und 2024 sowie ärztliche Stellungnahmen vom 21. August 2024 und 17. Juli 2024. Diese Informationen begründeten nach Ansicht der Behörde den hinreichenden Verdacht auf eine psychische Erkrankung, die die Fahreignung beeinträchtigen könnte.
Da die Autofahrerin dieses geforderte fachärztliche Gutachten nicht fristgerecht vorlegte, machte die Behörde von einer speziellen Regelung Gebrauch: Gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Behörde bei unentschuldigter Weigerung, ein zu Recht angeordnetes Gutachten beizubringen, auf die Nichteignung der betreffenden Person schließen. Auf dieser Grundlage erfolgte der Fahrerlaubnisentzug.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts: Eilantrag abgelehnt – Fahrerlaubnisentzug als offensichtlich rechtmäßig eingestuft
Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig-Holstein wies den Eilantrag der Fahrerin mit Beschluss vom 21. Februar 2025 ab (Az. 3. Kammer, Einzelrichterin). Nach einer summarischen Prüfung, wie sie im Eilverfahren üblich ist, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig sei.
Das VG bestätigte die Auffassung der Behörde:
- Die Anordnung zur Beibringung des psychiatrischen Gutachtens sei nicht zu beanstanden gewesen. Die neu hinzugekommenen Erkenntnisse (Feststellungen aus 2023/2024, ärztliche Stellungnahmen) hätten, anders als in einem früheren Verfahren, nunmehr ausreichenden Anlass geboten, Zweifel an der psychischen Gesundheit und damit an der Fahreignung der Fahrerin zu hegen und diese durch ein fachärztliches Gutachten überprüfen zu lassen.
- Da die Fahrerin das Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht fristgerecht beigebracht habe, durfte die Behörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf ihre Nichteignung schließen. Dieser Schluss sei rechtlich zulässig und trage die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Fahrerlaubnisentzugs überwog nach Ansicht des Verwaltungsgerichts das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit das private Interesse der Fahrerin, ihren Führerschein vorläufig behalten zu dürfen. Die sofortige Vollziehung blieb daher bestehen.
Beschwerde beim OVG Schleswig-Holstein: Argumentation der Fahrerin und Prüfung durch das Gericht
Gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts legte die Autofahrerin Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein ein. In ihrer Beschwerdebegründung führte sie unter anderem an, ihr sei im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine amtsärztliche Stellungnahme vorenthalten worden. Sie habe daher keine Möglichkeit gehabt, zu diesem Dokument Stellung zu nehmen. Dies stelle einen Verfahrensfehler dar.
Das OVG prüft in einem solchen Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur die Gründe, die in der Beschwerdebegründung dargelegt werden.
Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein: Beschwerde zurückgewiesen – Fahrerlaubnisentzug bleibt wirksam
Das OVG Schleswig-Holstein wies die Beschwerde der Fahrerin als unbegründet zurück. Die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung wurde somit bestätigt. Der Fahrerlaubnisentzug bleibt sofort vollziehbar.
Begründung des OVG: Verfahrensrüge im Eilverfahren und Heilung von Gehörsverstößen
Das OVG setzte sich insbesondere mit dem Vorwurf der Fahrerin auseinander, ihr sei eine amtliche Stellungnahme vorenthalten worden (Verletzung des rechtlichen Gehörs). Das Gericht stellte klar, dass eine Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO nicht allein mit der Behauptung von Verfahrensfehlern des Verwaltungsgerichts erfolgreich sein kann.
Die Begründung hierfür liegt in der spezifischen Natur dieses Beschwerdeverfahrens:
- Anders als bei Berufung oder Revision gibt es kein vorgeschaltetes Zulassungsverfahren.
- Das OVG fungiert als zweite Tatsacheninstanz und überprüft die erstinstanzliche Entscheidung umfassend, allerdings nur im Rahmen der dargelegten Beschwerdegründe.
- Ein etwaiger Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts, wie zum Beispiel ein behaupteter Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Gehörsverstoß), führt nicht automatisch zur Aufhebung der Entscheidung.
- Ein solcher Fehler könnte im Beschwerdeverfahren „geheilt“ werden. Das bedeutet: Wenn die Fahrerin im Beschwerdeverfahren die Argumente vorbringt, die sie aufgrund des angeblichen Fehlers im ersten Verfahren nicht vorbringen konnte, und das OVG diese Argumente berücksichtigt, ist der mögliche Verfahrensfehler behoben.
Im Ergebnis konnte die Fahrerin mit ihrer Rüge bezüglich der angeblich vorenthaltenen Stellungnahme keinen Erfolg haben, da dies nach § 146 Abs. 4 VwGO in dieser Form nicht ausschlaggebend ist. Das OVG sah keinen Grund, von der Einschätzung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig war, insbesondere weil die Fahrerin das rechtmäßig angeordnete psychiatrische Gutachten zur Klärung ihrer Fahreignung nicht vorgelegt hatte.
Konsequenzen der Entscheidung: Kosten und fortbestehendes Fahrverbot
Die Entscheidung des OVG hat zur Folge, dass die Fahrerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen muss. Der Streitwert wurde auf 7.500 Euro festgesetzt.
Vor allem aber bedeutet die Zurückweisung der Beschwerde, dass der Fahrerlaubnisentzug weiterhin sofort wirksam ist. Die Fahrerin darf somit keine Kraftfahrzeuge führen, bis möglicherweise in einem Hauptsacheverfahren (Klage gegen den ursprünglichen Bescheid) anders entschieden wird oder sie ihre Fahreignung auf anderem Wege nachweist. Das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs hat Vorrang vor dem individuellen Interesse der Fahrerin am Besitz der Fahrerlaubnis, solange begründete Zweifel an ihrer Fahreignung bestehen und sie diese Zweifel nicht durch das geforderte Gutachten ausgeräumt hat.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Behörden die Fahrerlaubnis entziehen dürfen, wenn ein angeordnetes fachärztliches Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt wird. Bei begründeten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung (hier: Verdacht auf psychische Erkrankung) können Behörden ein psychiatrisches Gutachten anfordern und bei Nichtvorlage auf die Fahrungeeignung schließen. Wer ein solches Gutachten nicht beibringt, muss mit sofortiger Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen, wobei Gerichte solche Entscheidungen in der Regel als rechtmäßig bestätigen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann darf die Fahrerlaubnisbehörde ein Gutachten zur Fahreignung anordnen?
Die Fahrerlaubnisbehörde darf ein Gutachten zur Überprüfung Ihrer Fahreignung nicht aufgrund bloßer Vermutungen oder Gerüchte anordnen. Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die begründete Zweifel daran wecken, ob Sie körperlich, geistig oder charakterlich zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind.
Was sind „tatsächliche Anhaltspunkte“?
Dies sind konkrete, objektiv nachvollziehbare Fakten oder Ereignisse. Die Behörde muss in der Lage sein, diese Gründe zu benennen. Es reicht nicht aus, wenn die Behörde nur ein unbestimmtes Gefühl oder einen vagen Verdacht hat. Die Anhaltspunkte müssen darauf hindeuten, dass möglicherweise ein Eignungsmangel vorliegt, der die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden könnte.
Beispiele für Anhaltspunkte, die Zweifel begründen können
Konkrete Anhaltspunkte, die die Behörde zur Anordnung eines Gutachtens berechtigen können, sind vielfältig. Hier einige Beispiele:
- Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss: Wenn die Polizei eine solche Fahrt feststellt, auch wenn die gemessenen Werte unterhalb der Grenze zur Strafbarkeit liegen, können Zweifel an der Fahreignung entstehen.
- Hinweise auf Drogenkonsum: Auch ohne eine Fahrt unter Drogeneinfluss können beispielsweise der Besitz von Drogen oder glaubhafte Zeugenaussagen über Drogenkonsum ausreichen, um Zweifel zu begründen.
- Bekanntwerden bestimmter Erkrankungen: Wenn der Behörde Erkrankungen bekannt werden, die die Fahrsicherheit erheblich beeinträchtigen können (z.B. schwere, unbehandelte Epilepsie, bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schwere psychische Störungen, unbehandelte Schlafapnoe mit ausgeprägter Tagesschläfrigkeit), kann sie ein Gutachten anordnen.
- Auffälligkeiten im Straßenverkehr: Beobachtungen bei Verkehrskontrollen oder im Fahrverhalten, die auf gesundheitliche Probleme, Orientierungslosigkeit oder den Einfluss von Medikamenten oder anderen Substanzen hindeuten.
- Wiederholte oder schwerwiegende Verkehrsverstöße: Mehrfache erhebliche Regelmissachtungen (z.B. hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen, Rotlichtverstöße, Aggressionsdelikte) können Zweifel an der charakterlichen Eignung, also der Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, aufwerfen.
- Anzeichen für Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit: Auch ohne eine aktenkundige Trunkenheitsfahrt können Umstände, die auf ein Alkoholproblem hindeuten (z.B. wiederholte Vorfälle im Zusammenhang mit Alkohol), zu Zweifeln an der Fahreignung führen.
Warum wird ein Gutachten angeordnet?
Das Gutachten ist ein Mittel für die Behörde, um die bestehenden Zweifel an Ihrer Fahreignung aufzuklären. Es dient nicht als Strafe, sondern soll eine objektive und fachkundige Grundlage dafür liefern, ob Sie die Anforderungen zum sicheren Führen eines Fahrzeugs erfüllen oder nicht. Das Ergebnis des Gutachtens hilft der Behörde bei der Entscheidung, ob die Fahrerlaubnis erteilt, belassen, beschränkt oder entzogen werden muss. Die Anordnung eines Gutachtens muss also stets auf konkreten, nachvollziehbaren Gründen beruhen.
Was passiert, wenn ich mich weigere, ein angeordnetes Gutachten vorzulegen?
Wenn Sie ein von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnetes Gutachten (z.B. eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung – MPU – oder ein ärztliches Gutachten) nicht fristgerecht vorlegen, hat dies direkte Konsequenzen für Ihre Fahrerlaubnis.
Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in § 11 Absatz 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Diese Regelung besagt: Weigern Sie sich, sich untersuchen zu lassen, oder legen Sie das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vor, darf die Behörde daraus auf Ihre Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen.
Das bedeutet konkret:
- Schlussfolgerung auf Nichteignung: Die Behörde ist gesetzlich berechtigt, aus der Nichtvorlage des Gutachtens abzuleiten, dass der Grund für die Anordnung des Gutachtens (also die Zweifel an Ihrer Fahreignung) tatsächlich besteht. Sie geht dann davon aus, dass Sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind.
- „Darf schließen“, nicht „muss schließen“: Es ist wichtig zu verstehen, dass die Behörde diese Schlussfolgerung ziehen darf, aber nicht zwingend muss. Es handelt sich um eine sogenannte Ermessensentscheidung. In der Praxis führt die Weigerung oder Nichtvorlage jedoch regelmäßig dazu, dass die Behörde von der Nichteignung ausgeht.
- Folge: Entziehung der Fahrerlaubnis: Wenn die Behörde zu dem Schluss kommt, dass Sie nicht fahrgeeignet sind, ist die logische Konsequenz die Entziehung Ihrer Fahrerlaubnis.
Können Sie diese Schlussfolgerung nachträglich entkräften?
Unter bestimmten Umständen ist das denkbar. Wenn Sie das Gutachten nachträglich vorlegen und gleichzeitig nachvollziehbare und triftige Gründe für die ursprüngliche Verzögerung oder Nichtvorlage nennen können (z.B. eine nachweisbare, plötzliche schwere Erkrankung, die die fristgerechte Wahrnehmung des Termins unmöglich machte), könnte die Behörde ihre Schlussfolgerung überdenken.
Ob solche Gründe anerkannt werden, hängt jedoch stark vom Einzelfall, der Glaubhaftigkeit der Begründung und den spezifischen Umständen ab. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Die fristgerechte Vorlage des angeordneten Gutachtens ist daher der vorgesehene Weg, um Zweifel an der Fahreignung auszuräumen.
Welche Arten von Gutachten können von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden?
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an Ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hat, kann sie verschiedene Gutachten anordnen, um diese Zweifel zu klären. Die Art des Gutachtens hängt von der Art der Zweifel ab. Hier sind die Hauptarten:
Ärztliches Gutachten
Ein ärztliches Gutachten wird angeordnet, wenn Zweifel an der körperlichen Eignung bestehen. Dies ist oft der Fall bei bestimmten Krankheiten oder körperlichen Einschränkungen, die das sichere Führen eines Fahrzeugs beeinträchtigen könnten.
- Was wird geprüft? Ein Arzt (oft ein Arzt für Allgemeinmedizin oder ein Arzt des Gesundheitsamtes, je nach Bundesland) untersucht Sie allgemeinmedizinisch. Es geht darum festzustellen, ob aus körperlicher Sicht Bedenken gegen Ihre Fahreignung bestehen.
- Typische Anwendungsbereiche:
- Bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Diabetes, wenn er nicht gut eingestellt ist
- Bewegungseinschränkungen
- Manchmal auch bei Anzeichen für Alkoholmissbrauch (ohne Hinweise auf Abhängigkeit) oder einmaligem Drogenkonsum (außer Cannabis unter bestimmten Umständen).
- Prüfung der Sehfähigkeit (kann auch Teil anderer Gutachten sein).
Fachärztliches Gutachten
Ein fachärztliches Gutachten ist spezifischer als das allgemeine ärztliche Gutachten. Es wird angefordert, wenn konkrete medizinische oder psychische Fragestellungen durch einen Spezialisten geklärt werden müssen.
- Was wird geprüft? Ein Facharzt des entsprechenden Gebiets (z.B. Neurologe, Psychiater, Augenarzt, Internist) untersucht Sie gezielt auf eine bestimmte Erkrankung oder ein bestimmtes Problem hin. Bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit kann beispielsweise ein Gutachten eines Arztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation oder eines Facharztes für Psychiatrie erforderlich sein.
- Typische Anwendungsbereiche:
- Neurologische Erkrankungen wie Epilepsie oder Parkinson
- Schwere psychische Erkrankungen
- Drogenabhängigkeit oder fortgeschrittener Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit
- Spezifische Seh- oder Hörstörungen
- Klärung nach Einnahme bestimmter Medikamente
Medizinisch-Psychologisches Gutachten (MPU)
Die MPU ist die umfassendste Form der Begutachtung. Sie wird angeordnet, wenn Zweifel sowohl an der körperlichen als auch an der geistigen oder charakterlichen Eignung bestehen. Sie prüft, ob Sie trotz früherer Auffälligkeiten (z.B. Alkohol, Drogen, Straftaten, erhebliche Verkehrsverstöße) wieder geeignet sind, ein Fahrzeug sicher zu führen.
- Was wird geprüft? Die MPU besteht aus drei Teilen:
- Medizinische Untersuchung: Überprüfung der körperlichen Eignung, oft mit Labortests (z.B. Leberwerte, Drogenscreening).
- Leistungstests: Prüfung von Reaktionsfähigkeit, Konzentration und Belastbarkeit am Computer.
- Psychologisches Gespräch: Ein Verkehrspsychologe spricht mit Ihnen über Ihr früheres Fehlverhalten, die Ursachen dafür, die Veränderungen, die Sie seitdem vorgenommen haben, und Ihre Strategien, um zukünftiges Fehlverhalten zu vermeiden. Hier geht es um Ihre Einstellung und Verhaltensänderung.
- Typische Anwendungsbereiche:
- Fahren unter Alkoholeinfluss (insbesondere bei Werten ab 1,6 Promille oder bei wiederholten Alkoholfahrten auch darunter)
- Fahren unter Drogeneinfluss oder bei nachgewiesener Drogenabhängigkeit/regelmäßigem Konsum (außer ggf. Cannabis unter bestimmten Bedingungen)
- Erhebliche oder wiederholte Verkehrsverstöße (z.B. 8 Punkte im Fahreignungsregister)
- Straftaten, die auf ein hohes Aggressionspotenzial oder eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr schließen lassen
- Körperliche oder geistige Mängel, bei denen auch charakterliche Eignungszweifel bestehen.
Wichtiger Hinweis zur Nichtvorlage: Ordnet die Fahrerlaubnisbehörde ein Gutachten an, um Eignungszweifel auszuräumen, und Sie legen dieses Gutachten nicht fristgerecht vor, darf die Behörde gemäß § 11 Absatz 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) daraus schließen, dass Sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind. Dies kann in der Regel zur Entziehung oder Verweigerung der Fahrerlaubnis führen.
Welche Rechtsmittel stehen mir gegen eine Fahrerlaubnisentziehung wegen fehlenden Gutachtens zur Verfügung?
Wenn Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, weil Sie ein gefordertes Gutachten (z. B. eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung – MPU) nicht fristgerecht vorgelegt haben, gibt es bestimmte rechtliche Möglichkeiten, gegen diese Entscheidung vorzugehen. Die Behörde darf in der Regel aus der Nichtvorlage des Gutachtens schließen, dass Sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind (§ 11 Abs. 8 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Ob dieser Schluss im konkreten Fall gerechtfertigt war, kann in einem Rechtsmittelverfahren überprüft werden.
Grundsätzlich stehen Ihnen folgende Schritte offen:
Der Widerspruch – Die erste Stufe
Gegen den Bescheid, mit dem Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen wird, können Sie in der Regel Widerspruch einlegen.
- Was ist das? Mit dem Widerspruch fordern Sie die Behörde, die die Entscheidung getroffen hat, auf, diese noch einmal zu überprüfen.
- Frist: Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem Ihnen der Bescheid bekannt gegeben wurde. Diese Frist ist sehr wichtig – wird sie versäumt, wird der Bescheid bestandskräftig und ist nur noch schwer angreifbar.
- Form: Der Widerspruch muss schriftlich (also per Brief mit Unterschrift) oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Eine einfache E-Mail reicht oft nicht aus.
Die Behörde prüft dann ihre Entscheidung erneut. Sie kann dem Widerspruch stattgeben (die Entziehung aufheben) oder ihn zurückweisen.
Die Klage beim Verwaltungsgericht – Der nächste Schritt
Wird Ihr Widerspruch von der Behörde zurückgewiesen (Sie erhalten einen sogenannten Widerspruchsbescheid), können Sie den nächsten Schritt gehen und Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben.
- Was ist das? Ein unabhängiges Gericht prüft dann, ob die Entziehung Ihrer Fahrerlaubnis rechtmäßig war.
- Frist: Auch hier gilt eine Frist von einem Monat, beginnend mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. Auch diese Frist muss unbedingt eingehalten werden.
- Form: Die Klage muss ebenfalls schriftlich oder zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht eingereicht werden.
Das Gericht prüft dann die Sach- und Rechtslage und entscheidet durch Urteil.
Wichtig: Die fehlende aufschiebende Wirkung und der Eilantrag
Ein sehr wichtiger Punkt bei der Fahrerlaubnisentziehung ist: Widerspruch und Klage haben in der Regel keine aufschiebende Wirkung.
- Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Sie Ihren Führerschein trotz Einlegung von Widerspruch oder Klage erst einmal abgeben müssen und nicht mehr fahren dürfen. Die Entscheidung der Behörde ist sofort vollziehbar.
- Der Eilantrag: Um zu erreichen, dass Sie Ihren Führerschein vorläufig behalten oder zurückbekommen, bis über Ihren Widerspruch oder Ihre Klage endgültig entschieden ist, können Sie zusätzlich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (sogenannter Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) beim Verwaltungsgericht stellen.
- Voraussetzungen: Das Gericht prüft dann in einem beschleunigten Verfahren, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entziehung bestehen und ob Ihr Interesse, vorläufig weiter fahren zu dürfen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt.
Dieser Eilantrag kann gleichzeitig mit der Klage oder auch schon während des Widerspruchsverfahrens gestellt werden.
Beachten Sie unbedingt die genannten Fristen. Werden die Fristen für Widerspruch oder Klage versäumt, wird die Entziehung der Fahrerlaubnis in der Regel unanfechtbar.
Kann ich meinen Führerschein zurückbekommen, wenn er wegen eines fehlenden Gutachtens entzogen wurde?
Ja, es ist grundsätzlich möglich, die Fahrerlaubnis wieder zu erhalten, nachdem sie entzogen wurde, weil Sie ein gefordertes Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt haben. Dies geschieht jedoch nicht automatisch.
Die zentrale Voraussetzung: Nachweis Ihrer Fahreignung
Der Grund für den Entzug war, dass die Fahrerlaubnisbehörde wegen des fehlenden Gutachtens davon ausgehen musste, dass Sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind. Um Ihre Fahrerlaubnis zurückzubekommen, müssen Sie diese Annahme widerlegen. Das bedeutet: Sie müssen nachweisen, dass Sie wieder fahrgeeignet sind.
Das Gutachten muss jetzt vorgelegt werden
Der entscheidende Schritt hierfür ist in der Regel, das ursprünglich geforderte Gutachten (oder ein vergleichbares aktuelles Gutachten) nun bei der Fahrerlaubnisbehörde einzureichen. Dieses Gutachten muss zu einem positiven Ergebnis kommen. Es muss also bestätigen, dass keine Bedenken (mehr) gegen Ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen. Nur mit einem positiven Gutachten können Sie die Zweifel ausräumen, die damals zum Entzug Ihrer Fahrerlaubnis geführt haben.
Das Verfahren: Antrag auf Neuerteilung
Sie erhalten Ihren alten Führerschein nicht einfach zurück. Stattdessen müssen Sie bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis stellen. Im Rahmen dieses Verfahrens prüft die Behörde umfassend, ob Sie alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis erfüllen. Ein wesentlicher Teil dieser Prüfung ist die Frage Ihrer Fahreignung, die durch das positive Gutachten belegt werden soll.
Beachten Sie: Die Behörde entscheidet auf Grundlage aller vorliegenden Informationen, insbesondere des Gutachtens, ob Ihnen die Fahrerlaubnis neu erteilt werden kann. Unter Umständen können auch weitere Nachweise erforderlich sein oder es muss zunächst eine eventuell verhängte Sperrfrist abgewartet werden, bevor ein Antrag überhaupt gestellt werden kann.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Fachärztliches Gutachten zur Klärung ihrer Fahreignung
Dies ist eine Stellungnahme eines spezialisierten Arztes (hier: Facharzt für Psychiatrie), die klären soll, ob eine Person aus medizinischer Sicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist (Fahreignung). Die Fahrerlaubnisbehörde kann ein solches Gutachten anordnen (gemäß §§ 11 ff. Fahrerlaubnis-Verordnung, FeV), wenn Zweifel an der gesundheitlichen Eignung bestehen, wie im Fall der Autofahrerin wegen des Verdachts auf eine psychische Erkrankung. Das Gutachten dient als Grundlage für die Entscheidung der Behörde über die Fahrerlaubnis. Die Weigerung, ein rechtmäßig angeordnetes Gutachten fristgerecht vorzulegen, kann als Nachweis der Nichteignung gewertet werden (§ 11 Abs. 8 FeV).
Beispiel: Stellt die Polizei bei einer Kontrolle fest, dass ein Fahrer Anzeichen einer schweren Erkrankung zeigt, die das Fahren beeinträchtigen könnte, kann die Fahrerlaubnisbehörde ein fachärztliches Gutachten zur Überprüfung der Fahreignung anordnen.
Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen
Dies bedeutet, dass eine Person nicht über die erforderlichen körperlichen, geistigen oder charakterlichen Voraussetzungen verfügt, um sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Die Fahreignung fehlt also. Stellt die Fahrerlaubnisbehörde die Nichteignung fest (z. B. wegen Krankheit, Alkohol-/Drogenproblemen oder, wie hier, wegen der Weigerung, ein Gutachten vorzulegen), muss sie die Fahrerlaubnis entziehen (§ 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG, § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Im vorliegenden Fall schloss die Behörde rechtmäßig aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung der Fahrerin (§ 11 Abs. 8 FeV).
Sofortige Vollziehung
Normalerweise hat ein Widerspruch oder eine Klage gegen einen Behördenbescheid aufschiebende Wirkung, d.h., die Entscheidung wird vorerst nicht umgesetzt (§ 80 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Behörde kann aber die sofortige Vollziehung anordnen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), wenn ein besonderes öffentliches Interesse dies erfordert, z. B. die Sicherheit des Straßenverkehrs. Im Fall der Autofahrerin bedeutete dies, dass der Fahrerlaubnisentzug sofort wirksam wurde und sie ihren Führerschein abgeben musste, obwohl sie Widerspruch eingelegt hatte und das Hauptverfahren noch lief.
Beispiel: Eine Baugenehmigung für ein umstrittenes Projekt wird erteilt. Ein Nachbar legt Widerspruch ein. Ordnet die Behörde nicht die sofortige Vollziehung an, darf der Bauherr trotz des Widerspruchs vorerst nicht mit dem Bau beginnen.
Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
Wenn eine Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, kann der Betroffene beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag stellen, um diese sofortige Wirkung wieder aufzuheben (§ 80 Abs. 5 VwGO). Ziel ist es, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage wiederherzustellen, sodass die Behördenentscheidung bis zur endgültigen Klärung im Hauptverfahren doch nicht vollzogen wird. Im konkreten Fall versuchte die Fahrerin damit zu erreichen, dass sie ihren Führerschein vorläufig behalten darf, bis über ihren Widerspruch gegen den Entzug endgültig entschieden ist. Das Gericht prüft dann in einem Eilverfahren die Erfolgsaussichten des Widerspruchs und nimmt eine Interessenabwägung vor.
Summarische Prüfung
Dies ist eine überschlägige, nicht abschließende Prüfung einer Rechtslage durch das Gericht, die typischerweise in Eilverfahren stattfindet (wie bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung). Anders als im Hauptverfahren (Klageverfahren) wird der Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt und es findet in der Regel keine umfangreiche Beweisaufnahme statt. Das Gericht prüft vor allem, ob die angegriffene Maßnahme (hier: der Fahrerlaubnisentzug) offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig ist und wägt die widerstreitenden Interessen ab. Im Fall der Fahrerin kam das Verwaltungsgericht bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Entzug offensichtlich rechtmäßig war.
Beschwerde (im Verwaltungsprozess)
Die Beschwerde ist ein Rechtsmittel im gerichtlichen Verfahren, hier im Verwaltungsprozessrecht (§§ 146 ff. VwGO). Sie richtet sich gegen bestimmte Entscheidungen des Gerichts erster Instanz (hier: des Verwaltungsgerichts), insbesondere gegen Beschlüsse, die nicht Urteile sind (z.B. Entscheidungen in Eilverfahren). Im konkreten Fall legte die Fahrerin Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) ein, weil das Verwaltungsgericht ihren Eilantrag abgelehnt hatte. Das OVG prüft dann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, aber nur auf der Grundlage der in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Diese Vorschriften bilden die Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn eine Person sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignetheit liegt vor, wenn körperliche oder geistige Mängel das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs dauerhaft oder wiederholt in Frage stellen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bestätigt, dass die Fahrerlaubnisbehörde auf Basis dieser Gesetze die Fahrerlaubnis entziehen darf, wenn Zweifel an der Fahreignung aufgrund gesundheitlicher Bedenken bestehen.
- § 11 Abs. 8 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Verweigert eine Person die Mitwirkung an einer angeordneten ärztlichen oder psychologischen Begutachtung oder legt sie das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vor, darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Dies gilt, wenn die Anordnung der Begutachtung rechtmäßig war. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Antragstellerin das geforderte psychiatrische Gutachten nicht beigebracht hat, durfte die Behörde gemäß dieser Vorschrift davon ausgehen, dass sie fahrungeeignet ist, sofern die Anordnung des Gutachtens rechtmäßig war.
- § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Diese Vorschrift konkretisiert, wann eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt. Dies ist insbesondere der Fall bei bestimmten körperlichen oder geistigen Erkrankungen oder Mängeln, die das sichere Führen eines Fahrzeugs beeinträchtigen können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Behörde hatte aufgrund vorliegender Informationen den Verdacht einer psychischen Erkrankung, die die Fahreignung der Antragstellerin in Frage stellen könnte, was die Anordnung des psychiatrischen Gutachtens und letztlich die Entziehung der Fahrerlaubnis begründete.
- § 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO): Im Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur auf Basis der Beschwerdebegründung überprüft. Das Oberverwaltungsgericht fungiert als zweite Tatsacheninstanz, wobei der Umfang der Prüfung begrenzt ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Oberverwaltungsgericht betont, dass es im Beschwerdeverfahren nur die im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Argumente prüft und bestätigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, da die Beschwerdebegründung die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage stellen konnte.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Fahrerlaubnisinhaber bei Anordnung eines Fahreignungsgutachtens
Sie haben Post von der Führerscheinstelle bekommen? Darin werden Sie aufgefordert, ein ärztliches oder psychologisches Gutachten zu Ihrer Fahreignung vorzulegen? Solche Anordnungen können Unsicherheit auslösen, sind aber unbedingt ernst zu nehmen.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Anordnung zur Begutachtung niemals ignorieren!
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an Ihrer Fahreignung hat und deshalb ein Gutachten (z. B. ärztliches Gutachten, MPU) anordnet, müssen Sie reagieren. Ignorieren Sie die Aufforderung oder weigern Sie sich, das Gutachten beizubringen, darf die Behörde daraus schließen, dass Sie ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Allein die Weigerung kann also zum Entzug der Fahrerlaubnis führen, selbst wenn nie nachgewiesen wurde, dass Sie tatsächlich ungeeignet sind.
⚠️ ACHTUNG: Der Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt in solchen Fällen oft mit sofortiger Wirkung. Das bedeutet, Sie dürfen ab sofort kein Kraftfahrzeug mehr führen, auch wenn Sie Widerspruch einlegen oder klagen.
Tipp 2: Gesetzte Fristen unbedingt einhalten!
Die Behörde setzt Ihnen in der Anordnung eine Frist, bis zu der Sie das Gutachten vorlegen müssen. Diese Frist ist bindend. Versäumen Sie die Frist, wird dies in der Regel genauso behandelt wie eine ausdrückliche Weigerung, das Gutachten beizubringen – mit der Folge, dass die Behörde von Ihrer Nichteignung ausgehen und die Fahrerlaubnis entziehen darf.
⚠️ ACHTUNG: Kümmern Sie sich rechtzeitig um einen Termin bei einer geeigneten Begutachtungsstelle. Planen Sie Pufferzeiten ein, da Termine oft nicht kurzfristig verfügbar sind und auch die Erstellung des Gutachtens Zeit benötigt. Bitten Sie notfalls vor Fristablauf schriftlich um eine Fristverlängerung und begründen Sie diese gut.
Tipp 3: Rechtmäßigkeit der Anordnung prüfen (lassen)!
Die Behörde darf nicht willkürlich ein Gutachten fordern. Es müssen konkrete Tatsachen vorliegen, die Zweifel an Ihrer Fahreignung begründen. Zudem muss die Anordnung formal korrekt sein (z. B. klare Fragestellung an den Gutachter, Nennung der Rechtsgrundlage, korrekte Fristsetzung). Nur wenn die Anordnung rechtmäßig war, darf die Behörde bei Nichtvorlage des Gutachtens auf Ihre Nichteignung schließen.
⚠️ ACHTUNG: Die Prüfung der Rechtmäßigkeit ist komplex. Laien können oft schwer einschätzen, ob die Zweifel der Behörde ausreichend begründet und die Anordnung formal korrekt ist. Es empfiehlt sich dringend, die Anordnung sofort nach Erhalt durch einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen.
Tipp 4: Kooperieren, wenn die Anordnung rechtmäßig ist.
Ergibt die Prüfung (ggf. durch einen Anwalt), dass die Anordnung zur Begutachtung voraussichtlich rechtmäßig ist, sollten Sie in der Regel kooperieren und das geforderte Gutachten fristgerecht beibringen. Teilen Sie der Behörde ggf. mit, welche Begutachtungsstelle Sie gewählt haben. Legen Sie das Gutachten dann fristgerecht vor.
⚠️ ACHTUNG: Ein negatives Gutachten führt ebenfalls zum Entzug der Fahrerlaubnis. Bereiten Sie sich ggf. sorgfältig auf die Untersuchung vor. Bei manchen Anordnungen (z. B. MPU wegen Alkohol/Drogen) sind Abstinenznachweise oder die Teilnahme an Kursen im Vorfeld oft sinnvoll oder notwendig.
Tipp 5: Rechtsschutzmöglichkeiten bei Entzug prüfen.
Wurde die Fahrerlaubnis bereits entzogen, weil Sie das Gutachten nicht (fristgerecht) vorgelegt haben, können Sie dagegen Rechtsmittel einlegen (Widerspruch, Klage). Da der Entzug oft sofort vollziehbar ist, müssten Sie zusätzlich einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht stellen, um vorläufig weiterfahren zu dürfen.
⚠️ ACHTUNG: Die Erfolgsaussichten eines solchen Eilantrags sind gering, wenn die Anordnung des Gutachtens rechtmäßig war und Sie dieses ohne ausreichenden Grund nicht fristgerecht vorgelegt haben. Das Gericht bestätigt dann meist die Entscheidung der Behörde, wie im geschilderten Fall des OVG Schleswig-Holstein. Eine anwaltliche Beratung ist hier unerlässlich, um die Chancen realistisch einzuschätzen.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Achten Sie genau darauf, welche Art von Gutachten gefordert wird (z. B. „nur“ ärztliches Gutachten oder eine umfassendere medizinisch-psychologische Untersuchung – MPU). Die Anforderungen und Kosten unterscheiden sich erheblich. Manchmal wird auch nur die Vorlage eines fachärztlichen Zeugnisses verlangt. Verwechseln Sie dies nicht.
Auch wenn Sie das Gutachten vorlegen: Ist das Ergebnis negativ oder wirft es weitere Fragen auf, kann dies ebenfalls zum Entzug der Fahrerlaubnis führen oder weitere Maßnahmen nach sich ziehen.
✅ Checkliste: Anordnung eines Fahreignungsgutachtens
- [ ] Anordnung der Behörde erhalten und Inhalt genau gelesen?
- [ ] Gesetzte Frist zur Vorlage des Gutachtens notiert?
- [ ] Gründe der Behörde für die Zweifel an der Fahreignung verstanden?
- [ ] Anordnung auf Rechtmäßigkeit und formale Korrektheit geprüft (ggf. mit Anwalt)?
- [ ] Bei (wahrscheinlicher) Rechtmäßigkeit: Termin bei Begutachtungsstelle vereinbart und Behörde informiert?
- [ ] Gutachten (voraussichtlich) fristgerecht bei der Behörde einreichen?
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Aktenzeichen: 4 MB 6/25 – Beschluss vom 02.04.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.