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Neuerteilung Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt

VG München – Az.: M 6 K 15.1956 – Urteil vom 06.04.2016

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A und B.

Ursprünglich hatte der Kläger nach Aktenlage 19… eine Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt) erworben. Diese war ihm mit Strafbefehl des Amtsgerichts A… vom … Januar 2002, rechtskräftig seit … Mai 2002, wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug am … Oktober 2001 mit a… Promille entzogen worden.

Nach drei negativen medizinisch-psychologischen Gutachten vom … November 2002, … August 2003 und … Juni 2004 sowie nachfolgendem Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse B der Tschechischen Republik (Führerschein vom …8.2005 mit Wohnsitzangabe „A…“) stellte der Kläger am … Dezember 2013 bei der Fahrerlaubnisbehörde der Beklagten einen Antrag auf Neuerteilung der allgemeinen Fahrerlaubnis der Klassen A und B. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte ihn daraufhin mit Schreiben vom … Januar 2014 auf der „Grundlage des § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV“ – erneut – zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens auf. Am … März 2014 ging bei der Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten der A… GmbH A… vom … März 2014 (Untersuchungstag: …3.2014) mit negativem Ergebnis ein. Es lägen als mögliche Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums psycho-physische Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 in Frage stellten. Es sei zu erwarten, dass der Kläger auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, so dass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei.

Deswegen lehnte die Fahrerlaubnisbehörde mit Bescheid vom … Juli 2014 den Antrag vom … Dezember 2013 auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A B ab (Nr. 1 des Bescheids). Unter sinngemäßer Wiedergabe einzelner Auszüge aus dem Gutachten kam die Behörde zu dem Schluss, dass dem negativen Gutachten insgesamt keinen Bedenken begegneten. Es sei von wissenschaftlich besonders geschulten Sachverständigen erstellt worden. Das Ergebnis sei nachvollziehbar und schlüssig begründet. Insbesondere sei das verkehrspsychologische Untersuchungsgespräch in ausreichendem Umfang wiedergegeben worden. Die aus dem Gespräch gezogenen Schlussfolgerungen überzeugten auch deshalb, weil es sich bei dem Gutachtensergebnis um eine wertende Gesamtbeurteilung handele, die auch dann negativ ausfallen könne, wenn einzelne Begutachtungsbefunde für den Begutachteten sprächen. Die von der A… GmbH A… festgestellten Mängel bestätigten, dass beim Kläger die Fahreignung nicht gegeben sei. Die beantragte Fahrerlaubnis, die auch bei einer Neuerteilung nach § 20 Abs. 1 FeV die Fahrgeeignetheit nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG voraussetze, sei deshalb zu versagen.

Den dagegen mit Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom … August 2014 eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2015, zugestellt am … Mai 2015, als zulässig aber unbegründet zurück, nachdem der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom … September 2014 erklärt hatte, dass keine Veranlassung zu einer erneuten Untersuchung des Klägers (Anm.: im Rahmen des Widerspruchsverfahrens) bestehe.

Mit Schriftsatz vom … Mai 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am … Mai 2015, erhob der Bevollmächtigte des Klägers für diesen Klage und beantragte,

die Versagung der Fahrerlaubnis Klassen A und B vom … Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 13. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die beantragte Fahrerlaubnis der Klassen A und B zu erteilen.

Außerdem beantragte er, die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären. In der Sache trug er im Wesentlichen vor, dass bereits die Gutachtensanordnung rechtswidrig gewesen sei, weil der Strafbefehl schon zu tilgen gewesen wäre. Der Kläger sei auch im Straßenverkehr nicht mehr auffällig gewesen, obwohl er über Jahre hinweg mit dem tschechischen Führerschein gefahren sei. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hätte zuvor eine rein medizinische Untersuchung erfolgen müssen; nur der GGT-Wert sei erhöht gewesen. Das medizinisch-psychologische Gutachten sei mangelhaft, da nach der zu tilgenden Verurteilung nicht hätte gefragt werden dürfen.

Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 12. Juni 2015 ihre Behördenakte vor und beantragte, die Klage abzuweisen.

Dabei wies sie insbesondere darauf hin, dass der Strafbefehl des Amtsgerichts A… bei zehnjähriger Tilgungsfrist und fünfjähriger Anlaufhemmung erst mit Ablauf des … Januar 2017 zu tilgen sei. Die frühere Trunkenheitsfahrt sei für die Beurteilung der Fahreignung des Klägers nach wie vor verwertbar und damit auch zu Recht Gegenstand der medizinisch-psychologischen Begutachtung der Fahreignung gewesen. Im Übrigen seien die GGT-Leberwerte, ein sensibler Indikator für eine alkoholtoxisch bedingte Leberzellenschädigung, erhöht gewesen.

Mit Beschluss vom 12. Januar 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung am 6. April 2016, zu der auf Seiten der Beklagten niemand erschienen ist, stellte der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag aus der Klageschrift vom … Mai 2015.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 6. April 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2016 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist. Die Beklagte ist ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Termin ordnungsgemäß geladen worden, verbunden mit dem Hinweis, dass im Falle des Nichterscheinens eines der Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

2. Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte auf seinen Antrag vom … Dezember 2013 hin eine Fahrerlaubnis der Klassen A und B erteilt, § 113 Abs. 5 VwGO.

2.1 Hinsichtlich der Klasse A ergibt sich dies bereits daraus, dass der Kläger zuvor nie Inhaber einer Fahrerlaubnis dieser Klasse war, also der Nachweis der Befähigung fehlt, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Straßenverkehrsgesetz – StVG –. Inhalt der dem Kläger nach Aktenlage 19… erteilten Fahrerlaubnis der Klasse 3 war lediglich eine Fahrerlaubnis der heutigen Klasse A1.

Hinsichtlich der Fahreignung des Klägers für die Klasse A gelten ansonsten – selbständig tragend – die nachfolgenden Ausführungen hinsichtlich der Klasse B entsprechend.

2.2 Hinsichtlich der Fahrerlaubnisklasse B hat sich der Kläger bei der letzten medizinisch-psychologischen Begutachtung durch die A… GmbH A… als nicht fahrgeeignet erwiesen, § 20 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG.

2.2.1 Die auf Grundlage des § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV zu Recht von der Fahrerlaubnisbehörde – ohne Ermessen – geforderte medizinisch-psychologische Begutachtung musste den Kläger im Hinblick auf die Trunkenheitsfahrt vom … Oktober 2001 untersuchen, weil diese damals – und bis heute – noch verwertbar war, § 29 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 a) und Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StVG in der bis zum 30. April 2014 geltenden Fassung. Neben dieser gesetzlichen Regelung über die Tilgung des Strafbefehls vom … Januar 2002 ist für eine zusätzliche Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kein weiterer Raum. Diesen hat der Gesetzgeber bereits in seiner ausdifferenzierten Regelung selbst mit berücksichtigt.

2.2.2 Das Gutachten untersucht und würdigt auch nicht nur den damaligen Vorfall vom … Oktober 2001 und das damalige Trinkverhalten des Klägers, sondern auch die weitere Entwicklung seines Trinkverhaltens bis zum Zeitpunkt des Untersuchungstages am … März 2014. Im medizinischen Teil fällt insbesondere auf, dass sich der GGT-Wert über die einzelnen Begutachtungen hinweg kontinuierlich gesteigert hat (TÜV vom …11.2002: a… U/L; TÜV vom …8.2003: b… U/L; TÜV vom …6.2004: c… U/L; A… vom …3.2014: d… U/L und damit über dem angegebenen Referenzbereich (Männer) bis 60 U/L). Das Gutachten ist – nach eingehender Überprüfung auch durch die erkennende Kammer – insgesamt in sich widerspruchsfrei, nachvollziehbar und überzeugend und konnte von der Fahrerlaubnisbehörde damit ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

3. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Für einen Ausspruch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO war daher kein Raum.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 10.000,– festgesetzt

(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14]).

 

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