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Fahrerlaubnisentziehung – Abkehr von Tattagsprinzip bei Maßnahmenergreifung

Punktefalle ohne Pardon: Ein Autofahrer verliert seinen Führerschein, obwohl einige Verkehrsverstöße schon vor einer offiziellen Verwarnung passierten. Das Verwaltungsgericht Magdeburg bestätigt: Das neue Punktesystem im Straßenverkehr kennt keine Gnade, selbst wenn man schon ermahnt wurde. Ein wegweisender Beschluss, der Autofahrer aufhorchen lässt.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Antragsteller wollte den Entzug seiner Fahrerlaubnis anfechten und stellt einen Eilantrag auf vorläufigen Rechtsschutz.
  • Die Fahrerlaubnis wurde aufgrund von acht Punkten im Fahreignungsbewertungsregister entzogen, was gesetzlich als Ungeeignetheit gilt.
  • Der Bescheid über die Entziehung war sofort vollziehbar und bedurfte keiner weiteren behördlichen Anordnung.
  • Die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins war rechtmäßig und folgt direkt aus dem Gesetz.
  • Das Gericht stellte fest, dass der Bescheid rechtmäßig und die Anordnungen des Antragsgegners gerechtfertigt sind.
  • Es gab keine Zweifel an der Richtigkeit der im Fahreignungsregister eingetragenen Punkte.
  • Der Antragsteller konnte keine ausreichenden rechtlichen Gründe gegen die Entziehung vorbringen.
  • Das Gericht wies den Einwand des Antragstellers zurück, wonach frühere Verstöße nicht in die aktuelle Bewertung einfließen dürften.
  • Der Bescheid über die Zwangsgeldandrohung war ebenfalls rechtmäßig und unterlag dem Sofortvollzug.
  • Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Fahrerlaubnis des Antragstellers dauerhaft entzogen bleibt, da er als ungeeignet gilt.

Fahrerlaubnisentziehung: Diskussion über Tattagsprinzip und Rechtsprechung

Im deutschen Rechtssystem spielt die Fahrerlaubnis eine zentrale Rolle, da sie eng mit der Sicherheit im Straßenverkehr verbunden ist. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine schwerwiegende Maßnahme, die in der Regel nach gravierenden Verkehrsdelikten oder wiederholten Ordnungswidrigkeiten erfolgt. Hierbei kommt es häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen über die Bedingungen und Verfahren, die zur Aufhebung des Fahrerechts führen. Ein wesentlicher Aspekt dieser Thematik ist das Tattagsprinzip, das besagt, dass die rechtlichen Konsequenzen am Tag der Tat entschieden werden, nicht erst durch nachfolgende Entwicklungen.

Die aktuelle Diskussion über die Abkehr von diesem Prinzip wirft eine Reihe von Fragen auf, die sowohl juristische als auch gesellschaftliche Implikationen haben. Eine solche Abkehr könnte bedeuten, dass die Umstände, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, nicht nur zum Zeitpunkt der Tat, sondern auch in der darauffolgenden Zeit stärker berücksichtigt werden. Dies könnte beispielsweise verhindern, dass ein einmaliger Fehler unverhältnismäßige Folgen für den Fahrer hat, wenn er sich anschließend als verantwortungsbewusster Verkehrsteilnehmer erweist.

Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der diese Thematik beleuchtet und die nuancierten juristischen Überlegungen aufzeigt, die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbunden sind.

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Der Fall vor Gericht


Fahrerlaubnisentzug trotz vorheriger Verwarnung: Ein Fall vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat in einem Beschluss vom 8. Juli 2015 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Entzug einer Fahrerlaubnis abgelehnt. Der Fall drehte sich um einen Autofahrer, dem aufgrund von acht Punkten im Fahreignungsregister die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Besonders brisant war dabei, dass einige der Verstöße bereits vor einer zuvor erteilten Verwarnung begangen worden waren.

Der Weg zum Gericht

Der Antragsteller hatte sich gegen einen Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde vom 16. April 2015 gewehrt, in dem ihm die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen wurde. Nachdem sein Widerspruch keinen Erfolg hatte, wandte er sich an das Verwaltungsgericht. Dort beantragte er vorläufigen Rechtsschutz, um die sofortige Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs zu verhindern.

Die rechtliche Ausgangslage

Das Gericht stellte fest, dass der Entzug der Fahrerlaubnis und die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 9 StVG für den Entzug und aus § 3 Abs. 2 S. 3 StVG für die Abgabe des Führerscheins. Eine zusätzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde war daher nicht erforderlich.

Die Punkteberechnung und das Tattagprinzip

Der Kern des Falls lag in der Berechnung der Punkte im Fahreignungsregister. Zum Zeitpunkt des Bescheids hatte der Antragsteller acht Punkte angesammelt, was nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG automatisch zur Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen führt. Entscheidend war, dass einige der Verstöße bereits vor einer am 11. August 2014 ausgesprochenen Verwarnung begangen worden waren, aber erst danach rechtskräftig und damit punktewirksam wurden.

Die Abkehr vom früheren Rechtsverständnis

Das Gericht setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, ob Verstöße, die vor einer Verwarnung begangen wurden, für den Punktestand berücksichtigt werden dürfen. Es verwies dabei auf einen Systemwechsel im Fahreignungs-Bewertungssystem, der am 1. Mai 2014 in Kraft trat. Anders als im früheren System spielt die Warn- und Erziehungsfunktion der Maßnahmen keine entscheidende Rolle mehr. Stattdessen dienen die Stufen des Systems primär der Information des Betroffenen über seinen Stand.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Magdeburg kam zu dem Schluss, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig war. Es betonte, dass nach der neuen Gesetzeslage das Tattagprinzip für das Ergreifen von Maßnahmen keine Relevanz hat. Die Behörde muss bei der Bearbeitung von ihrem aktuellen Kenntnisstand ausgehen, unabhängig davon, wann die Verstöße begangen wurden. Im Fall des Antragstellers bedeutete dies, dass alle acht Punkte zu berücksichtigen waren, auch wenn einige der Verstöße vor der Verwarnung lagen.

Konsequenzen für den Antragsteller

Für den Antragsteller hatte die Entscheidung des Gerichts weitreichende Folgen. Der Entzug seiner Fahrerlaubnis blieb bestehen, und er musste seinen Führerschein abgeben. Das Gericht sah keine Gründe, die gegen die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen sprachen. Damit wurde dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Vorrang vor den persönlichen Interessen des Antragstellers eingeräumt.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg markiert einen bedeutenden Wandel im Fahreignungs-Bewertungssystem. Sie bestätigt, dass seit dem 1. Mai 2014 das Tattagprinzip bei der Punkteberechnung keine Rolle mehr spielt. Für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nun allein der aktuelle Punktestand maßgeblich, unabhängig davon, wann die Verstöße begangen wurden. Dies stärkt die Verkehrssicherheit, indem es eine konsequentere Ahndung von Verkehrsverstößen ermöglicht.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für alle Autofahrer. Seit Mai 2014 werden alle Verkehrsverstöße für die Punkteberechnung berücksichtigt, unabhängig davon, wann sie begangen wurden. Das bedeutet, dass auch Verstöße, die vor einer Verwarnung liegen, zum Führerscheinentzug führen können, wenn dadurch die 8-Punkte-Grenze erreicht wird. Es ist daher wichtiger denn je, Ihren aktuellen Punktestand im Auge zu behalten und bei Verstößen frühzeitig freiwillige Maßnahmen wie ein Fahreignungsseminar in Betracht zu ziehen. Im Falle eines drohenden Führerscheinentzugs sind Ihre rechtlichen Möglichkeiten begrenzt, da die Behörden bei Erreichen von 8 Punkten zum Entzug verpflichtet sind.


FAQ – Häufige Fragen

In dieser FAQ-Rubrik beantworten wir zentrale Fragen rund um den Fahrerlaubnisentzug und das Tattagsprinzip. Hier finden Sie prägnante Informationen und rechtliche Hintergründe, die Ihnen helfen, die komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen. Lassen Sie sich von unseren Antworten leiten, um fundierte Entscheidungen zu treffen und Ihre Rechte zu wahren.


Was bedeutet das Tattagsprinzip im Kontext des Fahrerlaubnisentzugs?

Das Tattagsprinzip ist ein wichtiger Grundsatz im Verkehrsrecht, der festlegt, dass für die Bewertung von Verkehrsverstößen und deren Folgen der Tag der Tat maßgeblich ist und nicht der Tag, an dem der Bußgeldbescheid rechtskräftig wird.

Bedeutung für den Punktestand

Im Kontext des Fahrerlaubnisentzugs bedeutet das Tattagsprinzip, dass Punkte im Fahreignungsregister ab dem Tag des Verstoßes gültig sind. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Berechnung des Gesamtpunktestands und mögliche Konsequenzen:

  • Wenn Sie einen Verkehrsverstoß begehen, werden die dafür vorgesehenen Punkte sofort Ihrem Konto zugerechnet, auch wenn der Bußgeldbescheid erst Wochen oder Monate später rechtskräftig wird.
  • Bei der Entscheidung über einen möglichen Fahrerlaubnisentzug berücksichtigt die Behörde den Punktestand zum Zeitpunkt des Verstoßes, nicht zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Bußgeldbescheids.

Auswirkungen auf Tilgungsfristen

Das Tattagsprinzip spielt auch bei der Tilgung von Punkten eine wichtige Rolle:

  • Die Tilgungsfrist für Punkte beginnt am Tag des Verstoßes, nicht erst mit Rechtskraft des Bußgeldbescheids.
  • Selbst wenn Punkte bereits getilgt sind, bleiben sie noch für ein weiteres Jahr in der sogenannten Überliegefrist im Register, bevor sie endgültig gelöscht werden.
  • Begehen Sie während dieser Überliegefrist einen neuen Verstoß, können die eigentlich schon getilgten Punkte wieder aufleben und zu Ihrem aktuellen Punktestand hinzugezählt werden.

Bedeutung für Fahrer

Für Sie als Verkehrsteilnehmer bedeutet das Tattagsprinzip, dass Sie besonders vorsichtig sein sollten, wenn Sie bereits Punkte in Flensburg haben. Ein neuer Verstoß könnte schneller zu ernsten Konsequenzen führen, als Sie vielleicht denken.

Wenn Sie beispielsweise aktuell 7 Punkte haben und einen Verstoß begehen, der 2 Punkte nach sich zieht, erreichen Sie die kritische 8-Punkte-Grenze sofort am Tag des Verstoßes – auch wenn der Bußgeldbescheid erst Monate später rechtskräftig wird.

Ausnahmen und aktuelle Entwicklungen

Es ist wichtig zu wissen, dass es in bestimmten Fällen Abweichungen vom strengen Tattagsprinzip geben kann. Insbesondere bei der Ergreifung von Maßnahmen durch die Führerscheinstelle gibt es Tendenzen, vom reinen Tattagsprinzip abzuweichen. In solchen Fällen kann der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung eine Rolle spielen.

Wenn Sie unsicher sind, wie viele Punkte Sie aktuell haben oder welche Konsequenzen ein neuer Verstoß für Sie haben könnte, ist es ratsam, einen Auszug aus dem Fahreignungsregister anzufordern oder sich von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten zu lassen.

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Welche Voraussetzungen führen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG?

Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG erfolgt, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber 8 oder mehr Punkte im Fahreignungsregister erreicht hat.

Der Punktestand ist entscheidend, nicht der Zeitpunkt der einzelnen Verstöße. Die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis, sobald ihr der kritische Punktestand bekannt wird. Dabei spielt es keine Rolle, wann die einzelnen Verkehrsverstöße begangen wurden.

Folgende Voraussetzungen müssen für die Entziehung vorliegen:

  1. Erreichen von 8 oder mehr Punkten: Jeder Verkehrsverstoß wird mit einer bestimmten Punktzahl bewertet. Diese Punkte addieren sich im Laufe der Zeit.
  2. Eintragung im Fahreignungsregister: Nur Verstöße, die tatsächlich im Register eingetragen sind, zählen für den Punktestand.
  3. Kenntnis der Behörde: Die zuständige Fahrerlaubnisbehörde muss von dem kritischen Punktestand erfahren. Dies geschieht in der Regel durch eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes.
  4. Behördliche Entscheidung: Die Entziehung erfolgt nicht automatisch, sondern durch einen Verwaltungsakt der Behörde.

Wichtig zu wissen: Vor der Entziehung durchläuft der Fahrerlaubnisinhaber ein mehrstufiges Maßnahmensystem. Bei 4 bis 5 Punkten erfolgt eine Ermahnung, bei 6 bis 7 Punkten eine Verwarnung. Erst ab 8 Punkten kommt es zur Entziehung.

Wenn Sie sich Sorgen um Ihren Punktestand machen, können Sie eine Auskunft aus dem Fahreignungsregister beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragen. So behalten Sie den Überblick und können gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um eine Entziehung zu vermeiden.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis hat weitreichende Konsequenzen. Sie müssen nicht nur Ihren Führerschein abgeben, sondern gelten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Eine Neuerteilung ist frühestens nach 6 Monaten möglich und erfordert in der Regel die Teilnahme an einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU).

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Welche rechtlichen Schritte kann ich unternehmen, um gegen einen Fahrerlaubnisentzug vorzugehen?

Gegen einen Fahrerlaubnisentzug können Sie je nach Situation verschiedene rechtliche Schritte einleiten:

Widerspruch gegen behördliche Entscheidung

Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen hat, können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde erfolgen, die den Bescheid erlassen hat. Begründen Sie den Widerspruch sorgfältig und fügen Sie mögliche Beweise bei.

Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht

Wird Ihr Widerspruch abgelehnt, können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Die Klage muss den Streitgegenstand bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten.

Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz

Da Widerspruch und Klage in der Regel keine aufschiebende Wirkung haben, können Sie zusätzlich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beim Verwaltungsgericht stellen. Damit können Sie möglicherweise erreichen, dass Sie vorläufig weiter Auto fahren dürfen, bis über Ihren Fall endgültig entschieden ist.

Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidung

Wurde Ihnen die Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht entzogen, können Sie Beschwerde gegen den Beschluss einlegen. Die Frist dafür beträgt in der Regel eine Woche nach Bekanntmachung der Entscheidung.

Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Sperrfrist

Wenn die Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bereits läuft, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Sperrfrist stellen. Dies ist möglich, wenn sich Ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wesentlich verbessert hat.

Beachten Sie: Die Erfolgsaussichten Ihres Vorgehens hängen stark vom Einzelfall ab. Es ist ratsam, sich von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten zu lassen. Dieser kann Ihre individuelle Situation einschätzen und Sie bei den rechtlichen Schritten unterstützen.

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Wie unterscheidet sich das neue Fahreignungs-Bewertungssystem vom früheren?

Das neue Fahreignungs-Bewertungssystem, das seit Mai 2014 in Kraft ist, unterscheidet sich in mehreren wichtigen Punkten vom früheren System:

Punktegrenze für Führerscheinentzug Der gravierendste Unterschied liegt in der Punktegrenze für den Führerscheinentzug. Während im alten System erst bei 18 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wurde, droht im neuen System bereits bei 8 Punkten der Verlust des Führerscheins. Dies bedeutet eine deutliche Verschärfung und soll Verkehrsteilnehmer zu vorsichtigerem Verhalten anhalten.

Punktebewertung von Verstößen Die Bewertung einzelner Verstöße wurde ebenfalls angepasst. Im neuen System gibt es nur noch drei Punktekategorien statt der früheren sieben:

  • 1 Punkt für schwere Ordnungswidrigkeiten
  • 2 Punkte für besonders schwere Ordnungswidrigkeiten und Straftaten ohne Fahrerlaubnisentzug
  • 3 Punkte für Straftaten mit Fahrerlaubnisentzug

Maßnahmenstufen Das neue System sieht drei klar definierte Maßnahmenstufen vor:

  1. Bei 4-5 Punkten: Ermahnung
  2. Bei 6-7 Punkten: Verwarnung
  3. Ab 8 Punkten: Fahrerlaubnisentzug

Diese Stufen müssen durchlaufen werden, bevor es zum Entzug kommt. Das bedeutet für Sie: Selbst wenn Sie 8 Punkte erreichen, kann Ihnen die Fahrerlaubnis nur entzogen werden, wenn Sie zuvor ermahnt und verwarnt wurden.

Punkteabbau Die Möglichkeiten zum Punkteabbau wurden eingeschränkt. Im neuen System können Sie durch freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar nur noch einen Punkt abbauen, und das auch nur, wenn Sie höchstens 5 Punkte haben. Im alten System war es möglich, bis zu 6 Punkte innerhalb von 5 Jahren abzubauen.

Tilgungsfristen Die Tilgungsfristen für Punkte wurden vereinfacht. Je nach Schwere des Verstoßes werden Punkte nach 2,5, 5 oder 10 Jahren getilgt. Im alten System gab es komplexere Regelungen mit Überliegefristen.

Fahreignungsregister statt Verkehrszentralregister Das frühere Verkehrszentralregister wurde durch das Fahreignungsregister ersetzt. Dieses erfasst gezielt Verstöße, die sich unmittelbar auf die Verkehrssicherheit auswirken.

Das neue System zielt darauf ab, Verkehrsteilnehmer früher zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Wenn Sie in der Vergangenheit Punkte gesammelt haben, ist es ratsam, Ihren aktuellen Punktestand beim Kraftfahrt-Bundesamt zu erfragen und besonders vorsichtig im Straßenverkehr zu agieren, um weitere Punkte zu vermeiden.

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Unter welchen Umständen ist die sofortige Vollziehung eines Führerscheinentzugs gerechtfertigt?

Unter welchen Umständen ist die sofortige Vollziehung eines Führerscheinentzugs gerechtfertigt?

Die sofortige Vollziehung eines Führerscheinentzugs ist gerechtfertigt, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der unmittelbaren Umsetzung besteht. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn von dem Fahrer eine erhebliche Gefahr für die Verkehrssicherheit ausgeht.

Typische Gründe für eine sofortige Vollziehung sind:

Schwerwiegende Verkehrsverstöße, wie etwa das Fahren unter starkem Alkohol- oder Drogeneinfluss. Wenn Sie beispielsweise mit mehr als 1,6 Promille am Steuer erwischt werden, kann dies eine sofortige Vollziehung rechtfertigen.

Wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften, die auf eine grundsätzliche Missachtung der Verkehrsregeln hindeuten.

Gesundheitliche Einschränkungen, die die Fahrtauglichkeit erheblich beeinträchtigen, wie etwa schwere Sehstörungen oder bestimmte neurologische Erkrankungen.

Charakterliche Mängel, die eine verantwortungsvolle Teilnahme am Straßenverkehr ausschließen, etwa wenn jemand wiederholt aggressives Verhalten im Straßenverkehr zeigt.

Die Behörde muss die sofortige Vollziehung schriftlich begründen. Dabei reicht es nicht aus, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen. Vielmehr muss dargelegt werden, warum in Ihrem konkreten Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht.

Wichtig für Sie zu wissen: Auch wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wurde, haben Sie die Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Sie können beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen. Das Gericht prüft dann, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung Ihr persönliches Interesse an der weiteren Nutzung des Führerscheins überwiegt.

Beachten Sie, dass die sofortige Vollziehung bedeutet, dass Sie Ihren Führerschein umgehend abgeben müssen, auch wenn Sie Widerspruch oder Klage einlegen. Fahren Sie trotz der Anordnung weiter, machen Sie sich strafbar.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Vorläufiger Rechtsschutz: Dieses rechtliche Instrument ermöglicht es Bürgern, schnell gerichtlichen Schutz zu erhalten, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Im Falle eines Führerscheinentzugs kann damit versucht werden, die sofortige Vollziehung auszusetzen. Der Antragsteller muss dafür glaubhaft machen, dass der Entzug rechtswidrig ist und ihm ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Das Gericht wägt dann die Interessen des Antragstellers gegen das öffentliche Interesse ab. Wird der Antrag abgelehnt, bleibt der Führerscheinentzug bestehen, bis im Hauptsacheverfahren endgültig entschieden wird.
  • Fahreignungsregister: Dieses zentrale Register, geführt vom Kraftfahrt-Bundesamt, erfasst Verkehrsverstöße und deren Punktebewertung. Jeder Verstoß wird mit Punkten bewertet, die sich über Zeit abbauen. Bei 8 Punkten droht der Führerscheinentzug. Autofahrer können einmal jährlich kostenlos Auskunft über ihren Punktestand erhalten. Das Register dient der Verkehrssicherheit, indem es auffällige Fahrer identifiziert und Maßnahmen wie Verwarnungen oder Schulungen ermöglicht. Es ist die Grundlage für behördliche Entscheidungen zur Fahreignung.
  • Sofortige Vollziehung: Diese Anordnung bewirkt, dass ein Verwaltungsakt wie der Führerscheinentzug unmittelbar wirksam wird, auch wenn dagegen Widerspruch eingelegt wird. Sie dient dazu, dringende öffentliche Interessen wie die Verkehrssicherheit durchzusetzen. Bei einem Führerscheinentzug bedeutet dies, dass der Betroffene seinen Führerschein sofort abgeben muss und nicht mehr fahren darf. Nur durch einen erfolgreichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht kann die sofortige Vollziehung ausgesetzt werden.
  • Systemwechsel im Fahreignungs-Bewertungssystem: Dieser 2014 eingeführte Wandel veränderte grundlegend, wie Verkehrsverstöße bewertet und geahndet werden. Im neuen System liegt der Fokus auf der Information des Fahrers über seinen Punktestand, nicht mehr auf der Warn- und Erziehungsfunktion. Alle Verstöße werden nun berücksichtigt, auch wenn sie vor einer Verwarnung begangen wurden. Dies führt zu einer strengeren Handhabung von Verkehrsverstößen und soll die Verkehrssicherheit erhöhen. Für Autofahrer bedeutet dies, dass sie ihren Punktestand genauer im Blick behalten müssen.
  • Tattagprinzip: Dieses Prinzip besagt, dass für die rechtliche Bewertung einer Tat grundsätzlich das zum Tatzeitpunkt geltende Recht maßgeblich ist. Im Verkehrsrecht wurde es lange auch auf die Punkteberechnung angewandt. Seit dem Systemwechsel 2014 gilt es jedoch nicht mehr für das Ergreifen von Maßnahmen wie den Führerscheinentzug. Nun werden alle rechtskräftig geahndeten Verstöße berücksichtigt, unabhängig vom Tatzeitpunkt. Dies kann für Autofahrer bedeuten, dass auch länger zurückliegende Verstöße zum Führerscheinentzug führen können.
  • Fahreignungsseminar: Diese freiwillige Maßnahme ermöglicht es Autofahrern, ihren Punktestand im Fahreignungsregister zu verbessern. Das Seminar besteht aus einer verkehrspsychologischen Teilmaßnahme und einer fahrpraktischen Beobachtungsfahrt. Es zielt darauf ab, Verhaltensweisen zu reflektieren und zu verbessern. Bei erfolgreicher Teilnahme werden Punkte reduziert, maximal einmal alle fünf Jahre. Für Autofahrer mit erhöhtem Punktestand kann dies eine wichtige Möglichkeit sein, den drohenden Führerscheinentzug abzuwenden. Die Kosten trägt der Teilnehmer selbst.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Einstufung als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Erreichen von acht oder mehr Punkten im Fahreignungsregister. Im konkreten Fall hatte der Antragsteller acht Punkte erreicht, was die Fahrerlaubnisbehörde zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis verpflichtete.
  • § 4 Abs. 9 StVG: Dieser Paragraph legt fest, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis sofort vollziehbar ist. Das bedeutet, dass der Betroffene seinen Führerschein sofort abgeben muss, sobald der entsprechende Bescheid erlassen wurde. Im vorliegenden Fall war dies ein wichtiger Faktor für die Entscheidung des Gerichts, den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.
  • § 3 Abs. 2 S. 3 StVG: Dieser Paragraph regelt die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nach Entziehung der Fahrerlaubnis. Er besagt, dass der Führerschein nach der Entziehung unverzüglich bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben ist. Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller seinen Führerschein bereits abgegeben, was jedoch keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids hatte.
  • § 71 Abs. 1 VwVG LSA (Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt), §§ 59, 56, 54 Abs. 1 Nr. 2, 53 SOG LSA (Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt): Diese Paragraphen bilden die rechtliche Grundlage für die Androhung und Verhängung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung behördlicher Anordnungen. Im vorliegenden Fall wurde ein Zwangsgeld angedroht, um die Abgabe des Führerscheins sicherzustellen.
  • § 4 Abs. 5 StVG (alte Fassung bis 30. April 2014): Dieser Paragraph regelte in seiner alten Fassung die Punktereduzierung im Fahreignungsregister. Er sah vor, dass Verkehrsverstöße, die vor einer Verwarnung begangen wurden, bei der Punkteberechnung nicht berücksichtigt wurden. Das Gericht stellte jedoch fest, dass diese Regelung durch die Gesetzesänderung vom 1. Mai 2014 aufgehoben wurde und daher im vorliegenden Fall keine Anwendung fand.

Das vorliegende Urteil

VG Magdeburg – Az.: 1 B 150/15 – Beschluss vom 08.07.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt erfolglos.

Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16.04.2015, mit welchem er dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen hat, hat keine Aussicht auf Erfolg, denn der o. a. Bescheid erweist sich als offensichtlich rechtmäßig.

Der Eilantrag hat unter Berücksichtigung der Anforderungen de § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg, wobei die Maßgaben der Ziffer 1 und 2 des Bescheides (Entziehung der Fahrerlaubnis und Abgabe des Führerscheins unter Fristsetzung) bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind. Für die Entziehung der Fahrerlaubnis ergibt sich dies aus § 4 Abs. 9 StVG. Die Aufforderung, den Führerschein abzuliefern, beruht auf § 3 Abs. 2 S. 3 StVG. Hiernach ist der Führerschein nach der Entziehung der Fahrerlaubnis bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern. Diese Verpflichtung folgt unmittelbar aus dem Gesetz, so dass es insoweit keiner weiteren behördlichen Tätigkeit, insbesondere keiner zusätzlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung bedarf, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis ihrerseits sofort vollziehbar ist (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 3 StVG Rdnr. 35). Es ist für die Vollstreckung dieses – in § 47 Abs. 1 S. 1 FeV wiederholten – Normbefehls nur eine Aufforderung mit Fristsetzung und ggf. Zwangsmittelandrohung durch die Fahrerlaubnisbehörde erforderlich, die der Antragsgegner im streitigen Bescheid auch erlassen hat, unabhängig davon, dass der Antragsteller den Führerschein bereits abgegeben hat.

Die im streitigen Bescheid weiter verfügte Zwangsgeldandrohung beruht auf § 71 Abs. 1 VwVG LSA, 59, 56, 54 Abs. 1 Nr. 2, 53 SOG LSA. Sie ist gleichfalls dem gesetzlichen Sofortvollzug unterworfen und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Mithin war der Antragsgegner nicht verpflichtet, seine diesbezüglichen Anordnungen im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO individuell zu begründen; eine dennoch erfolgte Begründung hat auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides keinen Einfluss.

Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis vor. Der Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, da sich für den Antragsteller zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides 8 Punkte im Fahreignungsbewertungsregister ergeben. Gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG gilt er damit kraft Gesetzes als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen. Die Fahrerlaubnisbehörde ist verpflichtet, ohne eigenes Ermessen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Zudem ist eine – wie dargelegt – auf § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis von Gesetzes wegen (vgl. § 4 Abs. 7 StVG) sofort vollziehbar.

Die im Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung im Fahreignungsregister eingetragene Gesamtpunktzahl von acht ist nicht zu beanstanden. Abgesehen von einer zeitweilig zu Unrecht vorgenommenen Doppeleintragung desselben Verstoßes, die im Laufe des Verwaltungsverfahrens korrigiert worden ist, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts des Fahreignungsregisters in Bezug auf den Antragsteller sowie die Rechtsgründe für die Eintragungen. Solche wurden vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht.

Dem Hinweis des Antragstellers darauf, dass die ihm am 11.08.2014 ausgesprochene Verwarnung gem. § 4 Abs. 5 Nr. 2 StVG ihre Funktion verlöre, wenn für das Erreichen der dritten Maßnahmestufe – wie hier – anschließend Verstöße zugrunde gelegt werden würden, die zeitlich bereits vor dem Erreichen der zweiten Maßnahmestufe begangen und lediglich bei deren Ergreifen noch nicht punktewirksam eingetragen worden waren, folgt das Gericht nicht.

Zwar waren nach § 4 StVG in der Fassung bis 30. April 2014 sämtliche Verkehrszuwiderhandlungen, welche vor dem Ergehen der jeweiligen Vormaßnahme bereits begangen worden waren, von der Punktereduzierungsregelung des § 4 Abs. 5 StVG a. F. erfasst. Dies wurde aus der Warn- und Erziehungsfunktion der Vormaßnahmen abgeleitet, welche der damaligen Regelung ausdrücklich zukommen sollte, mit der Folge, dass die Punkte, welche sich aus bereits vor Ergehen der Vormaßnahme begangenen Verkehrszuwiderhandlungen ergeben hatten, der Reduzierungsregel unterworfen wurden, da der Zweck der Vormaßnahmen zu diesen Tatzeitpunkten den Betroffenen noch nicht hatte erreichen können. Diese Warn- und Erziehungsfunktion verfolgt das Gesetz indes nicht mehr in seiner Fassung ab dem 5. Dezember 2014 (vgl. VG Ansbach, B. v. 19.02.2015 – AN 10 S 15.00161.). Dies zeigt sich nunmehr an Hand der Motive des Gesetzgebers, wie sie sich aus der BT-Drs. 18/2775 zur Änderung des § 4 Abs. 5 Satz 6 StVG. Hiernach

„wollte sich der Gesetzgeber für das ab 1. Mai 2014 geltende neue System mit den Erwägungen zur Punkteentstehung und zum Tattagsprinzip bewusst absetzen (Bundesratsdrucksache 799/12, S. 72). Um den Systemwechsel deutlicher zu fassen und deutlicher zu machen, dass die bisherige zum Punktsystem ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf die Punkteberechnung im neuen System in diesem Detail erstreckt werden soll, wird nunmehr die vorliegende Klarstellung vorgenommen. Es kommt nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem demnach nicht darauf an, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Denn das neue System kennt keine verpflichtende Seminarteilnahme und versteht den Erziehungsgedanken damit auch nicht so, dass jede einzelne Maßnahme den Fahrerlaubnis-Inhaber individuell ansprechen können muss in dem Sinne, dass nur sie die Verhaltensbeeinflussung bewirken kann. Die Erziehungswirkung liegt vielmehr dem Gesamtsystem als solchem zu Grunde, während die Stufen in erster Linie der Information des Betroffenen dienen. Die Maßnahmen stellen somit lediglich eine Information über den Stand im System dar….. Mit Absatz 5 Satz 6 Nummer 1 soll verdeutlicht werden, dass Verkehrsverstöße auch dann mit Punkten zu bewerten sind, wenn sie vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden sind, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnten, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen worden oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sind. Absatz 5 Satz 6 Nummer 2 enthält den bisherigen, unveränderten Regelungsgehalt des bisherigen Absatzes 5 Satz 6. …Absatz 6 soll mit seiner Ausnahme vom Tattagsprinzip eindeutiger gefasst werden. Absatz 6 Satz 1 formuliert den Grundsatz des stufenweisen Ergreifens der Maßnahmen klarer. Insbesondere wird die Regelung deutlicher auf die Befugnis der Behörde bei der Maßnahmeergreifung konzentriert und klarer vom Entstehen der Punkte getrennt. Zwar gilt für die Punkteentstehung das Tattagsprinzip. Für das Ergreifen von Maßnahmen hat das Tattagsprinzip aber keine Relevanz, denn Maßnahmen können erst nach Rechtskraft (und Registrierung) der Entscheidung über die Tat und damit deutlich später an die Tat geknüpft werden. Die Prüfung der Behörde, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden ist, ist daher vom Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen und beeinflusst das Entstehen von Punkten nicht. Absatz 6 Satz 2 enthält die Anweisung, die zunächst vorgesehene, aber noch nicht erteilte Maßnahmenstufe dann noch zu ergreifen, wenn der Punktestand bereits die darauf folgende Maßnahmenstufe erreicht hat. Eine Punktereduzierung in Satz 3 ist nur Folge dieser Maßnahmenergreifung und kein Selbstzweck. So spricht auch die Gesetzesbegründung in BR-Drucksache 799/12, S. 79 f von „für den praktischen Vollzug dieses Grundsatzes erforderlichen Anweisungen für die Punktereduzierungen … Ohne diese Anweisung der Punktereduzierung wäre das Verfahren weniger übersichtlich, weil dann Punktestand und Maßnahmenstufe auseinander fallen würden.“

Mit der Regelung des § 4 Abs. 6 S. 4 StVG n.F. hat der Gesetzgeber folglich die Berücksichtigung des Tattagprinzips ausgeschlossen, es soll für das Ergreifen von Maßnahmen anders als bei der Entstehung der Punkte keine Bedeutung haben (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 27.04.2015 – 16 B 226/15 -, n. juris). Ausgehend hiervon hatte der Antragsgegner mit dem Stand der Eintragungen im Fahreignungsregister zum 28.08.2014 von einem Punktestand von 8 auszugehen, ungeachtet der Tatsache, dass die zuletzt am 28.08.2014 eingetragene Verkehrszuwiderhandlung bereits am 13.02.2014, also vor dem Ausspruch der Verwarnung vom 11.08.2014 begangen worden ist.

Dieser Rechtsfolge steht, anders als der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers meint, auch nicht das Rückwirkungsverbot gem. Art. 103 Abs. 2 GG entgegen. Art. 103 Abs. 2 GG bewirkt eine spezifische rechtsstaatliche Garantie und Bindung für die staatliche Strafgewalt (vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz-Dürig, Komm. z. GG, Art. 103 Rdnr.163 ff.). Im Hinblick auf die den Punktebewertungen der Verkehrszuwiderhandlungen des Antragstellers zugrundeliegenden strafgerichtlichen Entscheidungen sind Verstöße gegen das strafrechtliche Rückwirkungsverbot indes nicht ersichtlich. Die vom Antragsteller begangenen Verstöße waren im Zeitpunkt der Taten nach geltendem Recht jeweils strafbewehrt. Außerhalb des speziellen Anwendungsbereiches des Art. 103 Abs. 2 GG existiert kein allgemeines Verbot rückwirkender Gesetze. Dessen ungeachtet stellt die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG einen erheblichen Eingriff in die Rechts- und Freiheitssphäre dar, der den allgemeinen rechtsstaatlichen Standards der Freiheitssicherung, zu denen auch die staatliche Pflicht zur Wahrung schützwürdigen Vertrauens in eine bestehende Rechtsposition gehört (vgl. Herzog in Maunz-Dürig, a.a.O, Art 20 Rdnr. 67 ff.), genügt. Eine hier allenfalls in Betracht zu ziehende verfassungswidrige so genannte unechte Rückwirkung durch Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 28.11.2014 zum 05.12.2014 scheidet indes aus. Denn der Systemwechsel mit seiner Abkehr vom Prinzip der Warn- und Erziehungsfunktion ist bereits vor der Ermahnung und Verwarnung des Antragstellers durch Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 28.08.2013 zum 01.05.2014 bewirkt worden. Die Möglichkeit der Punktereduzierung durch Teilnahme an einem Aufbauseminar und einer verkehrspsychologischen Beratung waren hier bereits entfallen. Lediglich durch freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar gem. § 4 Abs. 7 StVG n. F. wäre die beschränkte Möglichkeit einer Punktereduzierung gegeben gewesen, von der der Antragsteller nach Erhalt der Ermahnung vom 23.06.2014 keinen Gebrauch gemacht hat.

Schließlich hat auch die Rechtsänderung durch Gesetz vom 28.11.2014 nicht nachträglich in bereits abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen, sondern lediglich in das für den Antragsteller noch nicht abgeschlossene Verfahren zur Beurteilung seiner Fahreignung. Ein Betroffener darf zwar bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Gesetzesänderung schutzwürdig darauf vertrauen, dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird. Vorliegend könnte ein solches Vertrauen sich jedoch nur darauf beziehen, bis zum förmlichen Ergehen einer Ermahnung oder Verwarnung beliebig Verkehrszuwiderhandlungen begehen zu können, ohne die jeweilige Folgemaßnahme des Punktesystems befürchten zu müssen. Ein solches Vertrauen ist nicht schutzwürdig (vgl. VG Ansbach, Beschl. v. 19.02.2015 – AN 10 15.00161 -, n. juris). Das gilt auch für den dem Antragsgegner zuletzt am 28.08.2014 übermittelten Inhalt des Fahreignungsregisters einschließlich der im Zeitpunkt der Verwarnung vom 11.08.2014 noch nicht berücksichtigten Eintragungen, beruhend auf Verkehrszuwiderhandlungen vom 13.02.2014 und 24.02.2014. Dass dem Antragsteller letztere Verstöße zumindest vorgeworfen werden, war ihm bekannt, denn er hatte die Bußgeldbescheide jeweils selbst angefochten. Zudem war ihm bei Erhalt der Verwarnung vom 11.08.2014 auch bekannt, dass seine Einsprüche und Anträge auf gerichtliche Entscheidung dagegen jeweils erfolglos waren. Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG n. F. ergeben sich Punkte mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Die Fahrerlaubnisbehörde hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach dem Punktesystem gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 3 StVG auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat (§ 4 Abs. 5 Satz 5 StVG n.F.).

Nach alledem belief sich im vorliegenden Fall der Punktestand des Antragstellers mit der Ordnungswidrigkeit vom 13.02.2014 auf 8 Punkte, so dass die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Ziff. II. 46.1, II. 46.3 und II 46.4 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Der Streitwert war angesichts des Eilrechtsschutzverfahrens zu halbieren.


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