Entzug der Fahrerlaubnis: Ein Streit um Recht und Verantwortung
Ein Mann aus München sah sich mit dem Entzug seiner Fahrerlaubnis konfrontiert und entschied sich, dagegen vor Gericht zu ziehen. Was auf den ersten Blick wie ein einfacher Fall aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein komplexes Geflecht aus rechtlichen und moralischen Fragen.
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Übersicht
Hintergrund des Falles
Der Kläger hatte im Juni 2017 einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung gestellt. Doch ein Führungszeugnis aus dem gleichen Jahr offenbarte eine Vorstrafe wegen sexueller Nötigung. Dies veranlasste die Beklagte, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Fahreignung des Klägers anzufordern. Obwohl die Frist zur Vorlage dieses Gutachtens verlängert wurde, legte der Kläger es nicht vor. Daraufhin wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Der Kläger zieht vor Gericht
Nachdem der Kläger über den Entzug seiner Fahrerlaubnis informiert wurde, erhob er Klage beim Verwaltungsgericht München. Er argumentierte, dass die Straftaten lange zurücklägen und er den Antrag auf die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zurückgezogen habe, da er die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) nicht bestanden habe und eine erneute MPU zu teuer sei.
Terminprobleme und Befangenheitsantrag
Ein weiterer Wendepunkt im Verfahren war die mündliche Verhandlung, die ursprünglich für den 5. März 2020 angesetzt war, aber auf den 13. März verschoben wurde. Der Kläger beauftragte kurzfristig einen Prozessbevollmächtigten, der jedoch um eine erneute Terminverlegung bat, da er bereits anderweitige Verpflichtungen hatte. Das Gericht lehnte dies ab, woraufhin ein Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Richter gestellt wurde.
Das Urteil und seine Begründung
Das Gericht entschied, dass die Klage unbegründet sei. Es betonte, dass trotz der Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten entschieden werden konnte, da der Kläger ordnungsgemäß geladen wurde. Zudem wurde der Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich betrachtet, da er sich lediglich auf die Verweigerung der Terminverlegung stützte, die nur bei Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt.
Das vorliegende Urteil
VG München – Az.: M 6 K 18.4094 – Urteil vom 13.03.2020
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, L, M und S mit Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2018.
Der Kläger stellte im Juni 2017 einen Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Das von der Beklagten angeforderte Führungszeugnis vom 12. Juli 2017 enthielt die Eintragung des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts … vom …. Juli 2010 wegen sexueller Nötigung in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren – ausgesetzt zur Bewährung – unter Einbeziehung einer Entscheidung des Amtsgerichts … vom …. Januar 2008.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung sowohl über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen als auch zur Feststellung der Gewähr für die besondere Verantwortung und Überprüfung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen innerhalb von drei Monaten auf.
Die Frist wurde auf Bitten der Begutachtungsstelle bis 8. März 2018 verlängert.
Am 19. Februar 2018 wurde die Führerscheinakte des Klägers von der Begutachtungsstelle an die Beklagte zurückgesandt. Ein Gutachten wurde nicht vorgelegt.
Mit Schreiben vom 9. März 2018 wurde der Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis und ebenfalls beabsichtigten Versagung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung angehört.
Der Kläger nahm mit Schreiben vom …. April 2018 seinen Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung zurück und stellte klar, dass er nicht auf seine Fahrerlaubnis verzichten werde.
Der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung wurde im Anschluss kostenfrei eingestellt und die Fahrerlaubnis aller Klassen mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12. Juli 2018 entzogen (Ziffer 1 des Bescheids), die Abgabe des Führerscheins spätestens innerhalb einer Woche ab Bestandskraft des Bescheids angeordnet (Ziffer 2 des Bescheids) und für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld i.H.v. EUR 1.000,- angedroht (Ziffer 3 des Bescheids) sowie über die Kosten entschieden (Ziffern 4 und 5 des Bescheids).
Gegen den am 17. Juli 2018 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am …. August 2018 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte den Bescheid der Beklagten aufzuheben.
Zur Begründung trägt er sinngemäß vor, die Straftaten lägen schon sehr lang zurück und er habe den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung zurückgezogen, da er eine MPU zwar gemacht, aber nicht bestanden habe und eine weitere MPU zu kostspielig sei.
Die Beklagte legte die Akten vor und beantragte mit Schreiben vom 11. Oktober 2018, die Klage abzuweisen.
Der Rechtstreit wurde mit Beschluss vom 7. Januar 2020 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Mit am 10. Januar 2020 zugestellten Schreiben wurde der Kläger zur mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter am 5. März 2020 geladen. Der Termin wurde mit am 25. Februar 2020 zugestellten Schreiben aufgrund einer Verhinderung des Gerichts auf den 13. März 2020 verlegt.
Mit Schreiben vom …. März 2020 zeigte der Prozessbevollmächtigte die Vertretung des Klägers an und bat aufgrund eines anderweitigen Gerichtstermins um Verlegung des Termins vom 13. März 2020. Beigefügt war eine Liste mit weiteren anderweitigen Terminen des Klägervertreters.
Dem Klägervertreter wurde mit Schreiben vom 9. März 2020 mitgeteilt, dass der Termin nicht verlegt werde, da der Kläger sich in einem Fall von kurzfristiger Entscheidung für einen Prozessbevollmächtigten um einen Bevollmächtigten bemühen müsse, der den bereits anberaumten Termin wahrnehmen könne.
Mit Schreiben vom …. März 2020 wurde ein Ablehnungsgesuch gegen den Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit erhoben und im Wesentlichen mit der Weigerung des Einzelrichters, den Termin zu verlegen, begründet. Der Kläger habe ein Recht, den Anwalt frei zu wählen und der Verweis des Gerichts auf einen Anwalt, der zum anberaumten Termin verfügbar sei, stelle einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör dar.
Am 13. März 2020 wurde zur Sache mündlich verhandelt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten entschieden werden, da der Kläger ordnungsgemäß geladen und auf § 102 Abs. 2 VwGO hingewiesen wurde.
Der Termin war auch nicht wegen des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom …. März 2020 zu verlegen.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO – kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Der Begriff der erheblichen Gründe soll dabei restriktiv ausgelegt werden und die Terminänderung eine wirkliche Ausnahme bleiben (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 76. Aufl. 2018, § 227 Rn. 8). Erhebliche Gründe sind nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des im Falle der Aufhebung bzw. Verlegung des Termins berührten Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.1999 – 5 B 54/99 – juris Rn. 3).
Daran gemessen liegt hier kein erheblicher Grund i.S.d. § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vor. Der Klägervertreter hat als Grund für den Verlegungsantrag angegeben, die Mandatierung sei kurzfristig erfolgt und er als alleiniger Sachbearbeiter wegen eines seit längerer Zeit geplanten anderweitigen Gerichtstermins verhindert. Wenn im Zeitpunkt der Mandatierung jedoch schon feststeht, dass keiner der Anwälte aus einer Sozietät oder der alleinige Sachbearbeiter zum Termin der mündlichen Verhandlung erscheinen kann, kann kein erheblicher Grund für eine Terminänderung vorliegen. Der Klägervertreter selbst hat durch die Annahme des Mandats sehenden Auges seine eigene Verhinderung am Tag der mündlichen Verhandlung herbeigeführt. Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 12. Juli 2018 datiert und der Kläger die Ladung zur ursprünglich für den 5. März 2020 vorgesehenen mündlichen Verhandlung am 10. Januar 2020 erhalten und somit ausreichend Zeit gehabt hat, sich um rechtlichen Beistand zu kümmern.
Das Gericht war auch nicht durch den Befangenheitsantrag vom …. März 2020 an der Durchführung der mündlichen Verhandlung und einer Entscheidung gehindert. Zwar hat über einen Befangenheitsantrag grundsätzlich nach § 173 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO die Kammer als Kollegialorgan ohne den abgelehnten Richter zu befinden, nachdem der Richter seine dienstliche Stellungnahme zum Ablehnungsgrund abgegeben hat (vgl. § 44 Abs. 3 ZPO). Dies gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn der Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen ist. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf eine Rechtsauffassung oder auf eine Verfahrenshandlung gestützt werden, weil es im Ablehnungsverfahren allein um eine mögliche Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen geht, deren Überprüfung ausschließlich mit den hierfür vorgesehenen Rechtsmitteln zu erfolgen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur bei Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt (vgl. BGH, B.v. 6.4.2006 – V ZB 194/05 – NJW 2006, 2492ff). Gemessen daran ist hier der Befangenheitsantrag gegen die entscheidende Einzelrichterin als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Er sollte nur dazu dienen, dass die mündliche Verhandlung nicht durchgeführt würde. Der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter wollte damit eine Terminverlegung erzwingen und damit den bereits seit über eineinhalb Jahren anhängigen Prozess weiter verzögern.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist regelmäßig derjenige der letzten Behördenentscheidung. Dies ist, da vorliegend kein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde, die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Beklagte.
Der Bescheid vom 12. Juli 2018 erweist sich als rechtmäßig, da er zu Recht unter Zugrundelegung der Wertung des § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – davon ausgeht, dass eine Fahreignung des Klägers nicht gegeben ist. Daher ist auch die Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen nach § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV rechtens. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder (lediglich) bedingt geeignet ist, finden nach § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 13 FeV entsprechende Anwendung.
Die Beklagte durfte aufgrund der Nichtvorlage des nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist, gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen. Auf diese Rechtsfolge war der Kläger in der Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 30. Oktober 2017 auch hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Bei nichtfristgerechter Beibringung des geforderten Gutachtens darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß §§ 46 Abs. 3, 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV schließen. Sie ist dabei angesichts der gesetzlichen Formulierung („darf“) zwar nicht ausnahmslos gezwungen, in diesen Fällen auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen (BayVGH, Beschl. v. 11.05.2007 – 11 C 06.2890 -, juris Rn. 18), doch eröffnet diese Formulierung auch kein Ermessen. Sie beinhaltet vielmehr eine Beweiswürdigung des Inhalts, dass auf die Ungeeignetheit zu schließen ist, wenn die Weigerung oder Nichtvorlage ohne ausreichenden Grund erfolgt und deshalb anzunehmen ist, dass Eignungsmängel verborgen werden sollen. Der Schluss auf die Nichteignung ist dann geboten und muss zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen (OVG Schleswig, Beschl. v. 26.03.2018 – 4 LA 126/17 -, juris Rn. 4; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 11 FeV Rn. 51, beide m.w.N). Ausreichende Gründe im vorgenannten Sinne sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall.
Der Kläger ist mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 zu Recht zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert worden. Es lagen Tatsachen vor, die geeignet waren, im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt Bedenken gegen seine Fahreignung zu begründen. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 FeV, § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens lagen vor. Danach kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle anordnen bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial und eine Neigung zur impulsiven Durchsetzung eigener Interessen bestehen (Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., Stand: 18.03.2020., § 11 FeV).
Bei den der Anordnung zugrundeliegenden Taten der sexuellen Nötigung, der gefährlichen Körperverletzung und des sexuellen Missbrauchs handelt es sich um Straftaten in diesem Sinne (vgl. 3.14 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung).
Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt. Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung mit, dass er sich einer Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat. Dabei sind die Ermessenserwägungen der Fahrerlaubnisbehörde offenzulegen, damit Sinn und Zweck der angeordneten Mitteilungspflichten Genüge getan ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 a.a.O. Rn. 38; BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 11 CS 17.274 – NJW 2017, 2695). Die Beklagte hat im vorliegenden Fall erkannt, dass Ermessen auszuüben ist und die zugrundeliegenden Erwägungen hinreichend offen gelegt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hierbei beachtet.
Die Fragestellung der Gutachtensanordnung genügt den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ergebenden Anforderungen. Insbesondere ist die Fragestellung vom Sachverhalt gedeckt (vgl. zu möglichen Fragestellungen: Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 61).
Die Hinweise nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV und § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV sind erfolgt.
Die medizinisch-psychologische Untersuchung war auch das geeignete Mittel um zu klären, ob eine Einstellungs- und Verhaltensänderung eingetreten ist.
Die Frist für die Beibringung des Gutachtens war mit 3 Monaten ab Zustellung der Gutachtensanordnung auch ausreichend bemessen und wurde einmal auf Bitten der Begutachtungsstelle verlängert. Nach Rücksendung der Unterlagen durch die Begutachtungsstelle ohne Gutachtensvorlage durch den Kläger bestand kein Anlass eine erneute Frist zu setzen. Aus Sicherheitsgründen kann bei Zweifeln an der Fahreignung die Frist zur Vorlage des Gutachtens nicht ohne triftigen Grund verlängert werden.
Soweit der Kläger einwendet, die Taten lägen bereits lange zurück, ist dies zwar zutreffend, ändert jedoch nichts an der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung. Hierfür ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Zustellung der Gutachtensanordnung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Taten im Führungszeugnis eingetragen und verwertbar, § 34 Abs. 1 Nr. 2 BZRG. Die Beklagte hat dem Umstand, dass die Taten lange zurückliegen, auch in mehrfacher Hinsicht Rechnung getragen: zum einen wird er ausdrücklich in der Gutachtensanordnung gewürdigt und erläutert, dass die Anordnung trotz der mehrere Jahre zurückliegenden Tatzeiten als angemessen gilt, da der Kläger mit seinen aggressiven Handlungen ein wiederholtes Verhaltensmuster offenbart hat, das eine fehlende Akzeptanz gegenüber dem körperlichen Wohl anderer Personen zum Ausdruck bringt und somit die Vermutung rechtfertigt, dass sich dieses auch auf sein zukünftiges Verhalten im Straßenverkehr auswirkt.
Weiter wurde dem Umstand auch dadurch Rechnung getragen, dass hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis kein Sofortvollzug angeordnet wurde.
Die Fahrerlaubnis wurde nach alldem zu Recht entzogen.
Einwände gegen die Nebenentscheidungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand Juli 2013).