Fährt ein Vorfahrtberechtigter an der Einmündung einer untergeordneten Straße geradeaus vorbei, obwohl er zuvor bei der Annäherung an die Einmündung den rechten Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte, hat er eine den wartepflichtigen Verkehr gefährdende Unklarheit geschaffen und ist gemäß § 1 Abs. 2 StVO verpflichtet, diese Gefahrenlage durch eigenes besonders vorsichtiges Verhalten, insbesondere genaue Beobachtung der Reaktion der betroffenen anderen Verkehrsteilnehmer und, falls möglich, Herstellung einer Verständigung mit diesen, wieder zu beseitigen. Gelingt ihm dies nicht und ist mit einer Kollision eines anderen Verkehrsteilnehmers zu rechnen, muss er anhaltebereit sein und sein Fahrzeug erforderlichenfalls vor der Kreuzung zum Stehen bringen.
Unter welchen Voraussetzungen der Wartepflichtige sich auf ein durch Blinksignal angekündigtes Abbiegen des Vorfahrtberechtigten verlassen darf, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Bestehen Anzeichen im Fahrverhalten des Vorfahrtberechtigten das er Abbiegen will (z.B. Blinkerbetätigung und Geschwindigkeitsreduzierung), darf der wartepflichtige Kraftfahrer darauf vertrauen, daß der Bevorrechtigte die angekündigte Fahrtrichtungsänderung auch tatsächlich vollziehen wird (OLG Hamm, Beschluss vom 13.11.1980, Az.: 3 Ss OWi 2478/80; OLG Stuttgart, Beschluss vom 31.10.1973, Az.: 2 Ss 601/73, VRS 46, 215 (1974)); OLG München, Beschluss vom 18.09.1998, Az.: 10 U 6463/97; KG Berlin, Beschluss vom 25.09.1989; Az.: 12 U 4646/88). Kommt es zu einem Verkehrsunfall, kann dem Wartepflichtigen keine Vorfahrtsmissachtung/Unfallverursachung vorgeworfen werden.