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Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen

AG Böblingen, Az.: 5 Ls 43 Js 5085/18 jug., Urteil vom 17.04.2018

Der Angeklagte ist der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 5 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig.

Er wird deswegen unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Böblingen vom 11.04.2017 zu der Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Der Verwaltungsbehörde wird untersagt, vor Ablauf von 1 Jahr eine Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewandte Vorschriften: §§ 21 I Nr. 1 StVG; §§ 315 c I Nr. 2a, d, 315 d I Nr. 3, II, 229, 230 I, 52, 69, 69a StGB; 1,3 JGG

Gründe

I.

Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen
Symbolfoto: nitinut380/Bigstock

Der Angeklagte hat die Erziehungs- und Hauptschule besucht und nach seiner ersten Untersuchungshafterfahrung im Jahr 2017 den Hauptschulabschluss erworben. Anschließend hat er das BEJ an der […] begonnen und bis zur erneuten Inhaftierung fortgeführt. Sein Ziel ist derzeit ein Langzeitpraktikum und eine Ausbildung im Kfz-Bereich. Bis zur Inhaftierung hat der Angeklagte bei den Eltern gewohnt, wobei vor allem das Verhältnis zur Mutter und zu den Schwestern unbelastet war. Betäubungsmittel hat der Angeklagte seit seiner Entlassung aus der erstmaligen Untersuchungshaft nach eigenem Bekunden nicht mehr konsumiert, was durch Urinkontrollen belegt wird. In seiner Freizeit ging der Angeklagte Mixed Martial Arts nach und hat einen Nebenjob in einer Bäckerei ausgeübt.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits wie folgt in Erscheinung getreten:

1. 23.09.2015, Staatsanwaltschaft Stuttgart, gefährliche Körperverletzung, § 45 Abs. 2 JGG.

2. 09.11.2015, Amtsgericht Böblingen, Hehlerei, Arbeitsleistungen.

3. 10.11.2015, Amtsgericht Böblingen, Körperverletzung, § 47 JGG.

4. 21.03.2016, Amtsgericht Böblingen, vorsätzliche Körperverletzung, richterliche Weisung und Arbeitsleistungen.

5. 06.04.2017, Amtsgericht Böblingen, schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, 1 Jahr und 6 Monate Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Dieser Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

[…]

II.

Der Angeklagte befuhr am 10.01.2018 gegen 20.00 Uhr mit dem PKW Mercedes-Benz CLA 180 mit dem amtlichen Kennzeichen […], um des eigenen schnelleren Fortkommens Willen mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 bis 95 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts die Wilhelmstraße in Richtung Bahnhofstraße in B. Ohne seine Geschwindigkeit zu reduzieren fuhr der Angeklagte trotz eingeschränkter Sicht in die Kreuzung Karlstraße/Wilhelmstraße ein und missachtete die Vorfahrt des auf der vorfahrtsberechtigten Karlstraße in Richtung Herrenberger Straße fahrenden PKW Mercedes-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen […], der von G. geführt wurde. Hätte der Angeklagte die Vorfahrt gewähren wollen, so hätte er allenfalls eine Geschwindigkeit von 15 km/h fahren dürfen, um vor der Kollisionsstelle noch rechtzeitig abbremsen zu können.

Diese Fahrweise hatte für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar zur Folge, dass die linke hintere Fahrzeugseite des von ihm geführten PKW mit der linken Front des PKW der G. kollidierte. Infolge dessen geriet der PKW des Angeklagten gegen den Uhrzeigersinn ins Schleudern und prallte mit dem rechten Fahrzeugheck gegen einen auf dem rechten Gehweg befindlichen Baum, welcher mit einem Baumschutzgitter versehen war, riss dieses aus der Verankerung und wurde samt Baum den Gehweg Richtung Bahnhofstraße entlang geschleudert, wobei das Gitter den ordnungsgemäß am rechten Fahrbahnrand der Wilhelmstraße geparkten PKW VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen […] des X. streifte. Sodann kollidierte der PKW des Angeklagten mit einer Betonbank und kam nach einer Drehbewegung in die entgegengesetzte Richtung (sic. im Uhrzeigersinn) auf der Fahrbahn zum Stehen.

Der Angeklagte ließ aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und um seines schnelleren Fortkommens Willen von vorne herein keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen. Die Rechtswidrigkeit seines äußerst gefährlichen Verkehrsverhaltens war dem Angeklagten aufgrund vorhandener Ortskenntnis bewusst, wobei er sich über diese Verbote und die damit verbundenen Risiken unter billigender Inkaufnahme derselben bewusst hinwegsetzte. Während seiner Annäherung von der vorangehenden 90-Grad-Rechtskurve in die Wilhelmstraße bis zum Kollisionspunkt beschleunigte der Angeklagte den von ihm geführten PKW Mercedes-Benz CLA im Rahmen der angesichts der räumlichen Verhältnisse, der Beladung des PKW sowie der technischen Voraussetzungen größtmöglichen Beschleunigung, wobei es ihm darauf ankam, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

An dem PKW Mercedes-Benz CLA 180 mit dem amtlichen Kennzeichen […] entstand Sachschaden in Höhe von ca. 30.000,– €, an dem PKW Mercedes-Benz A 180 mit dem amtlichen Kennzeichen […] in Höhe von ca. 20.000,– €. Der Sachschaden an dem PKW VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen […] beläuft sich auf ca. 1.500,– €. Der Sachschaden an Baum, Baumschutzgitter und Betonbank ist nicht bekannt.

Der Geschädigte A., Mitfahrer des Angeklagten auf dem auf der Beifahrerseite befindlichen Rücksitz, wurde durch den Unfall schwer verletzt und musste stationär im Krankenhaus Tübingen aufgenommen werden, wobei er 3 Tage auf der Intensivstation verbrachte. Er erlitt eine Lippenverletzung, einen Bruch von 2 Brustwirbeln, der operativ behoben wurde, weshalb der Geschädigte noch heute Schrauben im Körper trägt, die voraussichtlich nächstes Jahr operativ entfernt werden müssen, einen Beckenbruch sowie eine Rippenfraktur 5-fach rechtsseitig und zweifach linksseitig, die ihm noch heute Schmerzen bereitet. Weiterhin erlitt er eine Verletzung des Bauchwandmuskels, die in naher Zukunft im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts operativ behoben werden muss. Insgesamt befand sich der Geschädigte A. bislang 15 Tage im Krankenhaus und konnte einen Monat lang die Schule nicht besuchen; auch heute verspürt er noch Schmerzen und muss starke Schmerzmittel nehmen. Darüber hinaus befindet er sich in krankengymnastischer Behandlung und es war im Rahmen der Hauptverhandlung zu erkennen, dass er in humpelnder Weise den Saal betreten hat, was auf die Tat zurückzuführen ist.

Der Geschädigte B., Beifahrer des Angeklagten, erlitt durch den Unfall Prellungen des rechten Unterschenkels, des linken Knies sowie eine Thoraxprellung. Der Geschädigte C., ebenfalls Mitfahrer des Angeklagten auf dem Sitzplatz hinter dem Fahrer, zog sich Prellungen an der linken Hand, der rechten Hüfte sowie des Lendenwirbels zu.

Die Geschädigte G. erlitt eine HWS/LWS-Distorsion sowie eine Distorsion des rechten Daumens. Der Geschädigte H., Beifahrer der G., erlitt Kopfschmerzen sowie Schmerzen im linken Knie. Die Geschädigte G. hat berichtet, nach dem Vorfall einige Fahrstunden mit einem Fahrlehrer genommen zu haben, 3 Wochen arbeitsunfähig gewesen zu sein und noch heute während des Fahrens teilweise nach rechts zu blicken, weshalb sie die Unfallstelle bis heute meide, obwohl sie diese früher sehr häufig passiert habe.

Diese (Verletzungs)Folgen waren für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar.

Zudem war der Angeklagte, wie er wusste, nicht im Besitz der zum Führen von Kraftfahrzeugen erforderlichen Erlaubnis, weshalb er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat.

III.

Der Angeklagte hat die Tat vollumfassend eingeräumt, soweit er sich hieran noch erinnern kann. Im Übrigen wird er überführt durch die polizeilichen Ermittlungen, das erstattete Sachverständigengutachten sowie die Aussagen von PHM’in […] sowie den Zeugen […].

IV.

Der Angeklagte ist daher der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 5 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß §§ 21 I Nr. 1 StVG; 315 c I Nr. 2a, d, 315 d I Nr. 3, II, 229, 230 I, 52, 69, 69a StGB; 1,3 JGG schuldig.

In rechtlicher Hinsicht ist hinsichtlich § 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB auszuführen, dass die Geschwindigkeit des Angeklagten nicht angepasst war, da er die für das Anhalten erforderliche Geschwindigkeit von 15 km/h um mehr als das fünffache überschritten hat. Da er die Vorfahrt missachtete, hat er sich auch grob verkehrswidrig verhalten. Hinsichtlich des Strebens nach einer höchstmöglichen Geschwindigkeit ist festzustellen, dass es nicht darauf ankommt, die technisch höchstmögliche Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs zu erreichen, sondern strafbewehrt ist vielmehr das Streben hiernach; dieses liegt vorliegend vor, da der Angeklagte seit der vorherigen Kurve unter Volllast beschleunigte, mithin die technischen Möglichkeiten des Kraftfahrzeugs angesichts der Gesamtumstände ausnutzte, um die an dieser Stelle technisch höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Angesichts des eingetretenen Sachschadens sowie der erheblichen Personenschäden ist auch die Qualifikation des § 315 d Abs. 2 StGB erfüllt, da fremde Sachen von bedeutendem Wert nicht nur gefährdet, sondern sogar beschädigt wurden und das Leben bzw. die körperliche Integrität der fünf Geschädigten massivst gefährdet bzw. beeinträchtigt wurde.

V.

Der Angeklagte war zur Tatzeit Jugendlicher und verfügte über die erforderliche Strafreife.

Im Rahmen der Strafzumessung spricht zu Gunsten des Angeklagten sein vollumfassendes Geständnis sowie der Umstand, dass er sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei den Geschädigten entschuldigt und Reue gezeigt hat. Strafschärfend war zu sehen, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter laufender Bewährung stand, wenngleich die vorangegangene Verurteilung kein einschlägiges Delikt betrifft. Strafmildernd war weiter zu sehen, dass der Angeklagte haftempfindlich ist und bereits zum zweiten Mal Untersuchungshaft erlitten hat. Demgegenüber war strafschärfend der ganz erhebliche Sach- und Personenschaden zu sehen, der dazu führte, dass insbesondere der Geschädigte A. nach wie vor erheblich durch das Geschehen gekennzeichnet ist und noch mindestens 2 Operationen über sich wird ergehen lassen müsse. Ebenfalls strafschärfend zu sehen war die nicht nur leicht, sondern ganz massiv überhöhte Geschwindigkeit, die angesichts der Örtlichkeiten auch über den eingetretenen Schaden hinaus ein ganz erhebliches Risiko für Leib und Leben fremder Personen sowie fremde Sachen bedeutet hat.

Nähert man sich sodann der konkreten Strafzumessung, so ist festzustellen, dass der Angeklagte zwar nicht in einschlägiger Weise gegen seine Bewährung verstoßen hat, sondern nunmehr einen neuen Deliktstypus verwirklicht hat. Das Gericht verkennt in diesem Kontext nicht, dass der Angeklagte insbesondere den Betäubungsmitteln abgeschworen und insoweit im Rahmen der laufenden Bewährung positive Ansätze gezeigt hat. Gleichfalls ist jedoch zu sehen, dass die Bewährung in erster Linie dem Umstand dient, den Angeklagten zu einem straffreien Leben zu verleiten, was vorliegend nicht gelungen ist. Vielmehr ist festzustellen, dass bereits die im Rahmen der Verurteilung vom 11.04.2017 erlittene Untersuchungshaft beim Angeklagten nicht dazu geführt hat, dass dieser im Anschluss ein straffreies Leben geführt hätte; vielmehr hat es nur ungefähr ein 3/4 Jahr gedauert, bis dieser erneut straffällig wurde. Vor diesem Hintergrund kann trotz aller positiver Ansätze nicht davon ausgegangen werden, dass die nunmehr erneut erlittene Untersuchungshaft den Angeklagten nunmehr dazu verleiten würde, ein straffreies Leben zu führen.

Da schädliche Neigungen zur Tatzeit sowie zum heutigen Tage unzweifelhaft nach wie vor vorliegen und hinsichtlich der Tat angesichts der Verletzungsfolgen auch das Merkmal der Schwere der Schuld festzustellen ist, war erneut Jugendstrafe gegen den Angeklagten festzusetzen. In erzieherischer Hinsicht ist dabei kein Grund ersichtlich, weshalb vom Regelfall der Einheitsjugendstrafe abgewichen werden sollte; vielmehr war der Angeklagte im Rahmen einer Einheitsjugendstrafe unter Einbeziehung der Verurteilung vom 11.04.2017 zu verurteilen. Nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtet das Gericht daher die Verhängung einer

Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten

für tat- und schuldangemessen sowie zur Einwirkung auf den Angeklagten für unbedingt erforderlich, gleichfalls jedoch ausreichend.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO. Aus erzieherischen Gründen wurde von einer Ausnahme gemäß § 74 JGG abgesehen.

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