Polizeibeamter muss nach grob fahrlässigem Rotlichtverstoß zahlen
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies den Antrag des Klägers, ein Polizeibeamter, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden ab, das ihn wegen grob fahrlässiger Verletzung seiner Pflichten im Rahmen einer Verkehrsunfallbeteiligung zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtete. Der Kläger hatte bei der Verfolgung eines Fahrzeugs die Kreuzung bei Rot überquert, ohne die gebotene Sorgfalt zu beachten, was zu einem Unfall führte. Das Gericht fand, dass der Kläger die Vorschriften des Sonderwegerechts grob fahrlässig missachtet hatte.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Der Kläger, ein Polizeibeamter, wurde bei der Ausübung seiner Dienstpflichten wegen grob fahrlässiger Verletzung seiner Pflichten zur Verantwortung gezogen.
- Während einer Streifenfahrt überquerte er eine Kreuzung bei Rot, was zu einem Unfall führte, ohne die Sonderwegerechte korrekt anzuwenden.
- Das Gericht bestätigte, dass die Voraussetzungen für eine Berufungszulassung nicht vorlagen, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestanden.
- Es wurde festgestellt, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung missachtet und die einfachsten Überlegungen zur Vermeidung des Unfalls nicht angestellt hatte.
- Das Verwaltungsgericht Dresden hatte den Kläger bereits in erster Instanz zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.
- Das Oberverwaltungsgericht lehnte sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Schwierigkeiten als Gründe für eine Berufung ab.
- Die Inanspruchnahme des Klägers durch den Beklagten wurde als rechtmäßig erachtet.
- Die Kosten des Zulassungsverfahrens sowie die Streitwertfestsetzung wurden bestätigt.
Übersicht
Polizeiliche Sonderrechte bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
Im Straßenverkehr kommt es immer wieder zu Verstößen, die von der Polizei geahndet werden können. Bei der Verfolgung dieser Ordnungswidrigkeiten müssen sich die Beamten an bestimmte Regeln halten. Dazu gehört auch die Nutzung von Sonderrechten, wie Blaulicht und Martinshorn. In diesem Zusammenhang ergeben sich rechtliche Herausforderungen, die Gegenstand eines aktuellen Urteils des Verwaltungsgerichts Dresden waren.
Das Gericht hatte zu prüfen, ob ein Polizeibeamter seine Sonderrechte bei der Verfolgung eines Fahrzeugs mit defekter Beleuchtung und zügiger Fahrweise zu Recht in Anspruch genommen hatte. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob die Voraussetzungen für die Ausübung von Sonderrechten erfüllt waren und ob der Beamte bei der Verfolgung die gebotene Sorgfalt beachtet hatte. Das Urteil wirft interessante rechtliche Aspekte auf und zeigt, dass die Nutzung von Sonderrechten durch die Polizei nicht uneingeschränkt zulässig ist.
In einer nächtlichen Streifenfahrt zur Verfolgung eines Fahrzeugs mit defekter Beleuchtung und zügiger Fahrweise kam es zu einem gravierenden Vorfall. Ein Polizeibeamter, der das Dienstfahrzeug unter Nutzung des Sondersignals in Form von Blaulicht fuhr, überquerte eine Kreuzung bei „Rot“ und kollidierte mit einem PKW, der bei „Grün“ aus einer Parkplatzausfahrt kam. Trotz der erheblichen Sachschäden an beiden Fahrzeugen wurden keine Personen verletzt. Dieser Vorfall führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit dem Az.: 2 A 411/22 zu entscheiden hatte.
Der Zusammenstoß bei Nacht: Ein Unfall mit Folgen
Der Unfall ereignete sich am 8. Februar 2018 gegen 22:05 Uhr. Der Beamte und seine Streifenpartnerin waren in M… auf der U… aus Richtung P… kommend in Richtung A… unterwegs. An der Kreuzung U…/ G… missachtete der Beamte das Rotlicht der Ampel, was zur Kollision mit dem von rechts kommenden Fahrzeug führte. In der Folge wurde der Beamte nach § 48 Abs. 1 BeamtStG zur Zahlung von 31.028 Euro Schadensersatz verpflichtet, da sein Widerspruch erfolglos blieb.
Die rechtliche Auseinandersetzung und die Rolle des Sonderwegerechts
Die Kernfrage der rechtlichen Auseinandersetzung bezog sich auf die Nutzung des Sonderwegerechts nach §§ 35, 38 StVO durch den Polizeibeamten. Das Verwaltungsgericht Dresden wies die Klage des Beamten als unbegründet zurück, da er eine ihm obliegende Pflicht grob fahrlässig verletzt habe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kläger die Vorschriften des Sonderwegerechts missachtet hatte, indem er nicht davon ausgehen durfte, das Wegerecht in Anspruch nehmen zu können, ohne die übergeordneten Gebote der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausreichend zu beachten.
Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts
Das Oberverwaltungsgericht stützte seine Entscheidung auf die Bewertung des Verhaltens des Beamten als grob fahrlässig. Es wurde festgestellt, dass der Kläger bei der Nutzung des Sonderwegerechts die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hatte. Insbesondere wurde kritisiert, dass der Beamte ohne Benutzung des Martinshorns und ohne deutliche Drosselung der Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden wurde somit bestätigt, und der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil wurde abgelehnt.
Schlüsselaspekte der juristischen Betrachtung
Die juristische Bewertung dieses Falles betont die Bedeutung des Sonderwegerechts und dessen korrekter Anwendung. Das Gericht machte deutlich, dass bei der Inanspruchnahme von Sonderrechten stets eine Abwägung zwischen dem Ziel der Maßnahme und den übergeordneten Geboten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu treffen ist. Darüber hinaus unterstrich das Gericht die Notwendigkeit, dass Beamte in vergleichbaren Situationen ein hohes Maß an Sorgfalt und Vorsicht walten lassen müssen.
Der Fall unterstreicht die Verantwortung von Polizeibeamten, die Sonderrechte im Straßenverkehr mit größter Sorgfalt und unter strikter Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu nutzen. Das Urteil bestätigt die hohe Bedeutung, die dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer zukommt, und setzt klare Maßstäbe für die Anwendung des Sonderwegerechts.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was umfasst das Sonderwegerecht im Straßenverkehr?
Das Sonderwegerecht im Straßenverkehr umfasst spezielle Befugnisse, die bestimmten Fahrzeugen und deren Fahrern erlauben, unter gewissen Voraussetzungen von den allgemeinen Verkehrsregeln abzuweichen. Diese Rechte sind in der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Deutschland geregelt und dienen dazu, Einsätze von Rettungsdiensten, Feuerwehr, Polizei und anderen Berechtigten effizienter zu gestalten.
Sonderrechte nach § 35 StVO
Sonderrechte erlauben es bestimmten Organisationen und deren Fahrzeugen, von den Vorschriften der StVO abzuweichen, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.
Zu den Berechtigten gehören:
- Bundeswehr
- Bundespolizei
- Feuerwehr
- Katastrophenschutz
- Polizei
- Zolldienst
- Rettungsdienste
- Fahrzeuge des Straßendienstes
- Fahrzeuge der Post- und Telekommunikationsunternehmen
Diese Fahrzeuge dürfen beispielsweise Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreiten, rote Ampeln missachten oder in Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung fahren, wenn die Situation dies erfordert.
Wegerecht nach § 38 StVO
Das Wegerecht, oft auch als „Blaulicht und Martinshorn“ bekannt, erlaubt es Fahrzeugen, die mit diesen Sondersignalen ausgestattet sind, im Einsatzfall Vorrang vor anderen Verkehrsteilnehmern zu beanspruchen. Alle anderen Verkehrsteilnehmer sind verpflichtet, sofort freie Bahn zu schaffen. Das Wegerecht gilt nur, wenn sowohl das Blaulicht als auch das Martinshorn eingeschaltet sind, um die Dringlichkeit des Einsatzes zu signalisieren.
Voraussetzungen und Verantwortung
Die Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten ist an strenge Voraussetzungen gebunden. Sie dürfen nur dann genutzt werden, wenn höchste Eile geboten ist, beispielsweise um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Die Entscheidung, Sonderrechte in Anspruch zu nehmen, liegt beim Fahrer des Einsatzfahrzeugs, der diese Verantwortung trägt und die allgemeinen Verkehrsregeln so wenig wie möglich missachten sollte.
Einschränkungen und Sorgfaltspflicht
Trotz der Sonderrechte müssen die Fahrer der Einsatzfahrzeuge stets die Sicherheit im Straßenverkehr beachten und dürfen andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr als unvermeidbar gefährden oder behindern. Die allgemeinen Grundsätze der StVO, insbesondere die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, bleiben weiterhin gültig.
Zusammengefasst ermöglichen das Sonderwegerecht und die damit verbundenen Sonder- und Wegerechte den Einsatzkräften, schneller und effektiver zu ihren Einsatzorten zu gelangen. Diese Rechte erfordern jedoch eine verantwortungsvolle Nutzung, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.
Inwiefern beeinflusst die Verwendung von Sondersignalen die Haftung bei Unfällen?
Die Verwendung von Sondersignalen (Blaulicht und Martinshorn) im Straßenverkehr hat spezifische Auswirkungen auf die Haftung bei Unfällen. Einsatzfahrzeuge wie Krankenwagen, Polizei oder Feuerwehr genießen unter bestimmten Bedingungen Sonderrechte, die es ihnen erlauben, von den regulären Verkehrsregeln abzuweichen, um schnell zu Einsatzorten zu gelangen. Diese Sonderrechte sind jedoch an strenge Voraussetzungen gebunden und beeinflussen die Haftungsfrage bei Unfällen.
Haftungsgrundsätze
Wenn Einsatzfahrzeuge mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn unterwegs sind, müssen andere Verkehrsteilnehmer ihnen Vorfahrt gewähren. Die alleinige Verwendung eines Signals (nur Blaulicht oder nur Martinshorn) begründet kein besonderes Wegerecht, und die allgemeinen Verkehrsregeln bleiben vollumfänglich gültig. Die Haftung bei einem Unfall mit einem Einsatzfahrzeug wird immer individuell entschieden und ist nicht automatisch dem Unfallgegner des Einsatzfahrzeugs zuzuschreiben.
Beweislast und Mitverschulden
In der Regel liegt die Beweislast beim Fahrer des zivilen Fahrzeugs. Dieser muss nachweisen, dass ihn keine Schuld am Unfall trifft. Bei Unfällen, die beim Ausweichen vor Einsatzfahrzeugen entstehen, wird geprüft, ob der Unfall durch ein anderes Verhalten hätte vermieden werden können. Ein Mitverschulden des Fahrers des Einsatzfahrzeugs ist ebenfalls möglich und wird in jedem Einzelfall geprüft.
Sorgfaltspflicht der Einsatzfahrzeuge
Trotz der Sonderrechte unterliegen die Fahrer von Einsatzfahrzeugen einer besonderen Sorgfaltspflicht. Sie müssen die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer beachten und dürfen diese nicht unnötig gefährden. Ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht, beispielsweise durch unvorsichtiges Passieren einer Kreuzung, kann zur Haftung des Fahrers des Einsatzfahrzeugs führen. Die Fahrer müssen sich vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer ihr Vorrecht anerkennen, bevor sie Verkehrsregeln missachten.
Regressmöglichkeiten
Bei grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachten Unfällen durch Einsatzfahrer kann die zuständige Behörde oder Organisation Regressansprüche gegen den Fahrer geltend machen.
Zusammenfassend hängt die Haftung bei Unfällen mit Einsatzfahrzeugen, die Sondersignale verwenden, von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Umstände des Unfalls, der Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch den Fahrer des Einsatzfahrzeugs und der Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer. Die Entscheidung über die Haftungsverteilung wird individuell getroffen und berücksichtigt die spezifischen Details jedes Einzelfalls.
Was sind die rechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung für Beamte im Dienst?
Die rechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung für Beamte im Dienst sind im Disziplinarrecht geregelt. Begeht ein Beamter schuldhaft eine Pflichtverletzung, so handelt er sich ein Dienstvergehen ein. Dies kann sowohl für Verhaltensweisen im Dienst als auch unter bestimmten Umständen für solche außerhalb des Dienstes gelten, insbesondere wenn das Verhalten das Ansehen des Beamtentums oder das Vertrauen in das Amt des Beamten beeinträchtigt.
Die möglichen Disziplinarmaßnahmen umfassen:
- Verweis
- Geldbuße
- Kürzung der Dienstbezüge
- Zurückstufung
- Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
Für Ruhestandsbeamte können die Maßnahmen Kürzung des Ruhegehalts und Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden. Beamte auf Probe und Beamte auf Widerruf können mit Verweisen und Geldbußen belegt werden; bei schwerwiegenderen Vergehen kann das Beamtenverhältnis beendet werden.
Die Entscheidung über die Anwendung und Schwere der Disziplinarmaßnahmen hängt von der Art und Schwere des Dienstvergehens ab. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit vollständig zerstören, kann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die Folge sein.
Zudem besteht für Beamte bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung eine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Dienstherrn für den entstandenen Schaden. Bei Schäden, die im Rahmen der Ausübung eines öffentlichen Amtes entstehen, haftet in der Regel der Dienstherr gegenüber Dritten, wobei die persönliche Haftung des Beamten auf den Staat übergeleitet wird.
Im Falle eines Dienstvergehens ist der Dienstvorgesetzte verpflichtet, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und den Sachverhalt aufzuklären. Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet er über die Notwendigkeit einer Disziplinarmaßnahme.
Das vorliegende Urteil
Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 2 A 411/22 – Beschluss vom 28.07.2023
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. Juli 2022 – 11 K 206/21 – wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 31.028 Euro festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO) liegen nicht vor.
1. Der Kläger steht als Polizeibeamter im Dienst des Beklagten.Am 8. Februar 2018 gegen 22:05 Uhr befuhr er als Fahrzeugführer mit seiner Streifenpartnerin im Rahmen einer Streifenfahrt (Verfolgung eines Fahrzeugs mit defekter Beleuchtung und zügiger Fahrweise) mit dem Dienstfahrzeug unter Nutzung des Sondersignals in Form von Blaulicht die U… in M… aus Richtung P… in Richtung A… Im Bereich der Kreuzung U…/ G… (Ausfahrt Parkplatz) überquerte er die Kreuzung bei „Rot“. Hierbei kam es zur Kollision mit dem bei Farbzeichen „Grün“ von rechts aus der Parkplatzausfahrt kommenden PKW. Es entstand erheblicher Sachschaden an beiden Fahrzeugen, Personen wurden nicht verletzt. Wegen der Beschädigung des Dienstfahrzeugs im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall wurde der Kläger nach § 48 Abs. 1 BeamtStG in Höhe von 31.028 Euro in Anspruch genommen. Sein Widerspruch blieb erfolglos.
Seine Klage wies das Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom 28. Juli 2022 – 11 K 206/21 – als unbegründet ab. Der Kläger habe eine ihm obliegende Pflicht grob fahrlässig verletzt und damit den haftungsausfüllenden Tatbestand des § 48 Abs. 1 BeamtStG erfüllt. Insbesondere habe er bei dem Unfall gegen die Vorschriften des Sonderwegerechtes für Polizeifahrzeuge nach §§ 35, 38 StVO verstoßen, weil er nicht habe davon ausgehen dürfen, allein wegen der beabsichtigten Kontrolle eines Pkw mit defekter Kennzeichenbeleuchtung und zügiger Fahrweise das Wegerecht nach § 38 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen zu können. Die vorliegenden Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit hätten nach Art und Schwere nicht das Gewicht für die konkrete Gefährdung erheblicher Rechtsgüter oder einer konkreten Gefahr für die öffentliche Ordnung, die ausnahmsweise gemäß § 35 Abs. 8 StVO die Ausübung der Sonderrechte rechtfertigen könne. Darüber hinaus habe der Kläger bei der Ausübung der Sonderrechte den übergeordneten Geboten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bereits deswegen nicht hinreichende Beachtung geschenkt, weil er ohne Benutzung des Martinshorns, als erforderliches Sonderzeichen neben dem Blaulicht, bei „Rot“ ohne deutliche Drosselung der Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren und eine Kontrolle der rechten Seite offenbar unterblieben sei. Der Kläger habe auch grob fahrlässig gehandelt. Ihm hätte insbesondere in subjektiver Hinsicht klar sein müssen, dass er bei Einfahrt in eine für ihn mit Rotlicht gesperrte Kreuzung – insbesondere bei Dunkelheit – größte Sorgfalt anzuwenden und beide Richtungen besonders sorgfältig auf herannahende Fahrzeuge zu kontrollieren gehabt hätte. Das Gericht habe nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger seine Fahrgeschwindigkeit vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich deutlich gedrosselt habe; es liege somit ein besonderes Maß an Leichtfertigkeit vor. Anhaltspunkte für ein etwaiges Mitverschulden des Unfallgegners gebe es nicht.
Der Kläger macht mit seinem Zulassungsantrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ihm maximal einfachste Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Das Verwaltungsgericht gehe von einem unrichtigen Sachverhalt aus, wenn es ohne jeden Beweis annähme, dass er mit nicht gedrosselter Geschwindigkeit auf die Kreuzung zugefahren sei. Das Verwaltungsgericht sei seiner Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung nicht nachgekommen; die Entscheidung sei überraschend gewesen. Der Unfallbeteiligte habe auch schuldhaft gehandelt und den Unfall mitverursacht. Außerdem weise die Rechtssache erhebliche rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und sei von grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
2. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen dann, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23. Juni 2000, NVwZ 2000, 1164). Dabei können die Gründe, aus denen heraus bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 25. September 2000, NVwZ-RR 2001, 486).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht nach Lage der Akten von einem grob fahrlässigen Pflichtverstoß nach § 48 Abs. 1 BeamtStG ausgegangen und hat die Inanspruchnahme des Klägers durch den Beklagten für rechtmäßig erachtet. Der Senat verweist hierzu zunächst auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts und macht sie sich zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird zu den geltend gemachten Einwänden wie folgt ausgeführt:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verhält sich ein Beamter grob fahrlässig im Sinne des § 48 BeamtStG, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt. Dieser Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten; er enthält einen subjektiven Vorwurf. Daher muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Handelnden beurteilt werden, ob und in welchem Maß sein Verhalten fahrlässig war. Welchen Grad der Fahrlässigkeitsvorwurf erreicht, hängt von einer Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände im Einzelfall ab und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. September 1964, BVerwGE 19, 243, 248; Beschl. v. 6. August 2009 – 2 B 9.09 -, juris m. w. N.). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat angeschlossen (vgl. Urt. v. 14. Oktober 2010 – 2 A 445/09 -, juris; Beschl. v. 28. November 2011 – 2 A 518/10 -, juris).
Diesen Maßstab hat das Verwaltungsgericht angewandt (UA S. 13). Es ist dabei auch von einem hinreichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen.
Bei Einwänden gegen die freie, richterliche Überzeugung als tatsächliche Grundlage eines Urteils (§ 108 Abs. 1 VwGO) liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur vor, wenn gute Gründe dafür sprechen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, oder wenn die vom Erstrichter vorgenommene Beweiswürdigung im Lichte der Begründung des Zulassungsantrags fragwürdig erscheint. Dagegen reicht es nicht aus, wenn eine andere Bewertung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zwar möglich erscheint, für die Unrichtigkeit der das Urteil tragenden Begründung aber keine beachtliche Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. Senatsbeschl. v. 16. Juni 2010 – 5 A 434/08 -, juris Rn. 5 im Anschluss an OVG Saarland, Beschl. v. 9. September 2004 – 1 Q 53/04 -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist nachvollziehbar und mit eingehender Begründung auf Grundlage der in den Gerichts- und Verwaltungsakten vorhandenen Unterlagen und Zeugenaussagen davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Pflichtverstoß vorzuwerfen ist und er den Unfall grob fahrlässig verursacht hat. Dass nach Meinung des Klägers auch eine andere Deutung des Sachverhalts möglich ist, reicht nach dem oben dargestellten Maßstab nicht aus, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen.
Soweit der Kläger schließlich rügt, das Verwaltungsgericht habe sich bei der Beurteilung des Unfallgeschehens nicht ohne ein Verkehrsgutachten allein auf die eigene Sachkenntnis stützen dürfen, es hätte weitere Ermittlungen anstellen müssen, folgt hieraus kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO). Zwar kann ein Verfahrensfehler Richtigkeitszweifel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründen. Verfahrensfehler sind Verstöße gegen die Regelungen des Verwaltungsprozessrechts, wozu auch ein Verstoß gegen die in § 86 Abs. 1 VwGO normierte gerichtliche Aufklärungspflicht gehört. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts aber grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein durch einen Rechtsanwalt vertretener Beteiligter – wie hier der Kläger – nicht ausdrücklich beantragt hat (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschl. v. 21. Juli 2021 – 2 A 746/20 – Rn. 9f.). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ausweislich des Sitzungsprotokolls im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2022 keinen Beweisantrag gestellt.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich dem Gericht eine weitere Sachverhaltsermittlung oder Beweiserhebung offensichtlich hätte aufdrängen müssen oder sonst geboten gewesen wäre (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. v. 3. Februar 2012 – 2 A 188/08 -; Beschl. v. 13. August 2012 – 2 A 587/09 – und Beschl. v. 23. Mai 2018 – 2 A 720/16 -. alle juris). Vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht nach eingehender Auswertung der vorliegenden Unterlagen den Sachverhalt hinreichend feststellen konnte, waren weitere Ermittlungen nicht angezeigt.
3. Ein Berufungszulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist ebenfalls nicht ersichtlich. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 10. April 2017 – 15 ZB 16.673 -, juris Rn. 42 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die den Verwaltungsrechtsstreit prägenden Fragen sind in der Rechtsprechung geklärt (s. o.). Konkrete rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten werden vom Kläger nicht angeführt.
4. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
Eine Rechtssache besitzt grundsätzliche Bedeutung, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht entschiedene Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich im erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die zulässige Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert die Bezeichnung einer konkreten Frage, die Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit sowie einen Hinweis auf deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 16. April 2008 – 5 B 49/07 -).
Daran fehlt es hier. Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
„ob vor der Beanspruchung des Klägers als Unfallbeteiligtem nicht das ordentliche Disziplinarverfahren zu führen gewesen sein muss, um Fragen des Verschuldens und der Verantwortlichkeit in einem geregelten rechtsstaatlichen Verfahren zu klären“,
betrifft schon vom Wortlaut her konkret das vorliegende Verfahren und stellt sich daher nicht in anderen Verfahren. Eine über den vorliegenden Fall hinausgehende Bedeutung wird in der Begründung des Zulassungsantrags auch nicht dargelegt. Schließlich erfolgte eine disziplinarrechtliche Prüfung bereits im Jahr 2018 und mündete in der Rüge vom 24. August 2018.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die die Beteiligten keine Einwände vorgetragen haben.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).