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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Fahrverbot nach langem Prozess: Wann ist es noch angemessen?
- ✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Rüsselsheim
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Rüsselsheim
✔ Kurz und knapp
- Fahrverbot kann bei langer Verfahrensdauer entfallen, wenn Zweck der Besinnungsmaßnahme nicht mehr erfüllt ist.
- Zeitraum von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil kann Fahrverbot entfallen lassen.
- Erörterungsmangel, wenn Gericht Abwägung nicht durchführt, ob Fahrverbot noch erzieherisch wirksam ist.
- Urteilsaufhebung im Rechtsfolgenausspruch bei fehlender Erörterung zur Verhältnismäßigkeit des Fahrverbots.
- Rückverweisung zur neuen Verhandlung über Rechtsfolgen bei Amtsgericht erforderlich.
- Verfahrensverzögerung durch Betroffenen kann Zeitablauf unbeachtlich machen für Fahrverbotsanordnung.
- Amtsgericht muss Gründe für Verzögerung prüfen und ausreichend erörtern, um Fahrverbot zu verhängen.
- Geldbuße und Fahrverbot stehen in Wechselwirkung, Aufhebung des Fahrverbots zieht Aufhebung der Geldbuße nach sich.
Fahrverbot nach langem Prozess: Wann ist es noch angemessen?
Verkehrsdelikte sind in Deutschland leider an der Tagesordnung. Sei es zu schnelles Fahren, Rotlichtverstoß oder Alkohol am Steuer – Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung haben oft empfindliche Konsequenzen. Neben Geldbußen drohen in schwerwiegenden Fällen auch Fahrverbote. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie lange es zwischen der Tatbegehung und der rechtskräftigen Verurteilung durch ein Gericht dauert. Denn je länger dieser Zeitraum ist, desto fraglicher kann die erzieherische Wirkung eines Fahrverbots sein. Die Gerichte müssen daher sorgfältig prüfen, ob ein Fahrverbot noch angemessen und verhältnismäßig ist, wenn seit der Tat bereits mehrere Jahre vergangen sind. In einem konkreten Fall, den wir Ihnen im Folgenden näher beleuchten werden, musste sich ein Gericht genau mit dieser Frage auseinandersetzen.
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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Rüsselsheim
Fahrverbot trotz langer Verfahrensdauer: Ein komplexer Rechtsfall
Im vorliegenden Fall geht es um eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die letztlich zu einem Fahrverbot führte, obwohl zwischen Tatbegehung und Urteil mehr als zwei Jahre vergangen sind. Am 21. Oktober 2019 überschritt der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 55 km/h bei erlaubten 80 km/h. Das Regierungspräsidium Kassel verhängte daraufhin am 6. Januar 2020 eine Geldbuße von 240 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat.
Der Betroffene legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, woraufhin das Amtsgericht Rüsselsheim am 22. Juni 2021 das Verfahren gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verwarf, da der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erschienen war. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hob das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 25. November 2021 das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies die Sache zurück.
Am 19. Juli 2022 verhängte das Amtsgericht Rüsselsheim schließlich eine erhöhte Geldbuße von 480 Euro und ein Fahrverbot von zwei Monaten. Der Betroffene legte erneut Rechtsbeschwerde ein, welche jedoch am 30. Januar 2023 vom Senat verworfen wurde. Der Betroffene beantragte daraufhin die Nachholung des rechtlichen Gehörs, da der Senat seine Entscheidung nicht begründet hatte, was zur erneuten Entscheidung des Senats führte.
Gerichtliche Entscheidung und Begründung
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hob den Beschluss vom 30. Januar 2023 auf und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Rüsselsheim zurück. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte teilweise Erfolg, insbesondere in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch. Das Gericht stellte fest, dass das Amtsgericht Rüsselsheim in seinen Urteilsgründen nicht ausreichend erörtert hatte, ob ein Fahrverbot nach einer so langen Zeitspanne noch seinen erzieherischen Zweck erfüllen könne.
Das Gericht betonte, dass ein Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG hauptsächlich eine Erziehungsfunktion hat und als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht ist. Wenn die Tat lange zurückliegt und die Verzögerung nicht dem Betroffenen anzulasten ist, kann es gerechtfertigt sein, von einem Fahrverbot abzusehen. Die Urteilsgründe des Amtsgerichts Rüsselsheim enthielten jedoch keine ausreichende Prüfung, ob das Fahrverbot wegen des Zeitablaufs ganz entfallen oder lediglich gemildert werden sollte. Es wurde auch nicht geprüft, ob andere Umstände die Notwendigkeit der Verhängung eines Fahrverbots weiterhin erforderten.
Gründe für die Aufhebung des Fahrverbots
Das Gericht stellte fest, dass das Amtsgericht Rüsselsheim nicht ausreichend darlegte, ob die lange Verfahrensdauer und der damit verbundene Zeitablauf die Erziehungsfunktion des Fahrverbots beeinträchtigen. Der Betroffene hatte die Tat am 21. Oktober 2019 begangen, und das Urteil wurde erst am 19. Juli 2022 erlassen, also deutlich mehr als zwei Jahre nach der Tat. Eine Prüfung, ob das Fahrverbot aufgrund des langen Zeitablaufs entfallen oder gemildert werden sollte, war in den Urteilsgründen nicht zu finden.
Ferner hätte das Amtsgericht prüfen müssen, ob der Betroffene oder sein Verteidiger durch prozessuales Verhalten zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen haben. Eine Verzögerungstaktik des Betroffenen könnte dazu führen, dass das Fahrverbot trotz des langen Zeitablaufs aufrechterhalten wird. Da diese Prüfung fehlte, war das Urteil hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs aufzuheben.
Weiteres Vorgehen
Aufgrund der festgestellten Mängel wurde das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim im gesamten Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dabei wird das Amtsgericht Rüsselsheim nun erneut über die Frage des Fahrverbots entscheiden müssen und dabei insbesondere den langen Zeitablauf zwischen Tatbegehung und Urteil berücksichtigen müssen. Eine erneute Prüfung der Geldbuße und des Fahrverbots unter Berücksichtigung der neuen Feststellungen ist erforderlich.
Der Fall zeigt die Komplexität und die Notwendigkeit detaillierter Erörterungen in Urteilsgründen, insbesondere wenn es um die Verhängung eines Fahrverbots nach langer Verfahrensdauer geht.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil verdeutlicht, dass Gerichte bei der Verhängung eines Fahrverbots nach langer Verfahrensdauer sorgfältig prüfen müssen, ob der erzieherische Zweck noch erfüllt werden kann. Entscheidend sind dabei der Zeitablauf, mögliche Verzögerungstaktiken des Betroffenen und weitere Umstände. Die Urteilsbegründung muss diese Aspekte detailliert erörtern, um eine sachgerechte Entscheidung zu gewährleisten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Fahrverbot aufgehoben wird.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer
Welche Funktion hat ein Fahrverbot nach dem Straßenverkehrsgesetz?
Ein Fahrverbot nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) hat primär eine erzieherische Funktion und dient als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme. Es soll den betroffenen Fahrer dazu anhalten, sein Verhalten im Straßenverkehr zu überdenken und zukünftig gesetzeskonform zu handeln. Diese Maßnahme wird oft bei groben oder beharrlichen Verletzungen der Verkehrsvorschriften verhängt, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen und Wiederholungen zu verhindern.
Die gesetzliche Grundlage für das Fahrverbot findet sich in § 25 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Hier wird festgelegt, dass ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verhängt werden kann, wenn eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1 StVG vorliegt. Das Fahrverbot kann auch im Rahmen eines Strafverfahrens nach § 44 des Strafgesetzbuches (StGB) angeordnet werden, wobei die Dauer hier bis zu sechs Monate betragen kann.
Ein Fahrverbot verliert jedoch seinen erzieherischen Zweck, wenn zwischen der Tat und dem Urteil ein erheblicher Zeitraum, beispielsweise mehr als zwei Jahre, liegt. In solchen Fällen muss geprüft werden, ob das Fahrverbot noch sinnvoll ist, da der erzieherische Effekt möglicherweise nicht mehr gegeben ist. Dies wird durch die Rechtsprechung gestützt, die besagt, dass bei einem langen Zeitablauf zwischen Tat und Urteil der Sinn des Fahrverbots in Frage gestellt werden kann.
Unter welchen Umständen kann von einem Fahrverbot abgesehen werden, wenn die Tat lange zurückliegt?
Von einem Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn zwischen der Tat und dem Urteil ein erheblicher Zeitraum, in der Regel mehr als zwei Jahre, liegt. Dies basiert auf der Annahme, dass der erzieherische Zweck des Fahrverbots, der als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme dient, nach einer solch langen Zeitspanne nicht mehr erfüllt werden kann.
Die Verzögerung des Verfahrens spielt eine wesentliche Rolle. Wenn die lange Verfahrensdauer auf gerichtliche oder behördliche Abläufe zurückzuführen ist und nicht im Einflussbereich des Betroffenen liegt, kann dies ein Grund sein, von einem Fahrverbot abzusehen. Die Ausschöpfung von Rechtsmitteln und der Gebrauch der in der Strafprozessordnung (StPO) und dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eingeräumten Rechte kann dem Betroffenen nicht als Verfahrensverzögerung entgegengehalten werden.
Der erzieherische Zweck des Fahrverbots kann nach einem langen Zeitraum verloren gehen. Die Rechtsprechung verlangt in solchen Fällen eine besondere Prüfung, ob das Fahrverbot noch notwendig ist, um den Betroffenen zu erziehen. Wenn der Betroffene in der Zwischenzeit keine weiteren Verkehrsverstöße begangen hat und sich verkehrsgerecht verhalten hat, kann dies ein weiterer Grund sein, von einem Fahrverbot abzusehen.
Es bedarf besonderer Umstände, um trotz eines langen Zeitraums ein Fahrverbot zu verhängen. Diese Umstände müssen objektiv und subjektiv gerechtfertigt sein und im Einzelfall geprüft werden. Beispielsweise kann ein Fahrverbot weiterhin verhängt werden, wenn der Betroffene in der Zwischenzeit erneut auffällig geworden ist oder wenn die Tat besonders schwerwiegend war.
Von einem Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn die Tat lange zurückliegt, die Verzögerung nicht dem Betroffenen anzulasten ist und der erzieherische Zweck des Fahrverbots nach langer Zeit nicht mehr erfüllt werden kann.
Welche Aspekte müssen Gerichte bei der Verhängung eines Fahrverbots nach langer Verfahrensdauer prüfen?
Gerichte müssen bei der Verhängung eines Fahrverbots nach langer Verfahrensdauer mehrere Aspekte sorgfältig prüfen. Ein wesentlicher Punkt ist die Erforderlichkeit des Fahrverbots nach einem erheblichen Zeitablauf. Wenn zwischen der Tat und dem Urteil mehr als zwei Jahre vergangen sind, muss das Gericht prüfen, ob das Fahrverbot noch seinen erzieherischen Zweck erfüllen kann. Diese Prüfung ist notwendig, da das Fahrverbot als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht ist und seine Wirkung verlieren kann, wenn die Tat lange zurückliegt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verzögerung des Verfahrens. Das Gericht muss untersuchen, ob die lange Verfahrensdauer auf Umstände zurückzuführen ist, die außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen. Wenn die Verzögerung durch gerichtliche oder behördliche Abläufe verursacht wurde und der Betroffene seine Rechte im Rahmen der Strafprozessordnung (StPO) und des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) wahrgenommen hat, kann dies ein Grund sein, von einem Fahrverbot abzusehen.
Zusätzlich muss das Gericht berücksichtigen, ob der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat. Wenn der Betroffene während der langen Verfahrensdauer keine weiteren Verkehrsverstöße begangen hat, spricht dies dafür, dass ein Fahrverbot nicht mehr notwendig ist, um den erzieherischen Zweck zu erfüllen.
Besondere Umstände können ebenfalls eine Rolle spielen. Es bedarf besonderer Umstände, um trotz eines langen Zeitraums ein Fahrverbot zu verhängen. Diese Umstände müssen objektiv und subjektiv gerechtfertigt sein und im Einzelfall geprüft werden. Beispielsweise kann ein Fahrverbot weiterhin verhängt werden, wenn der Betroffene in der Zwischenzeit erneut auffällig geworden ist oder wenn die Tat besonders schwerwiegend war.
Gerichte müssen also prüfen, ob das Fahrverbot nach langer Verfahrensdauer noch seinen erzieherischen Zweck erfüllt, ob die Verzögerung des Verfahrens dem Betroffenen anzulasten ist und ob der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 25 Abs. 2a StVG: Regelt die Anordnung eines Fahrverbots bei Verkehrsverstößen. Im Fall wurde ein Fahrverbot von einem Monat verhängt, später auf zwei Monate erhöht. Entscheidend für die Diskussion, ob ein Fahrverbot nach langer Zeit noch sinnvoll ist.
- § 74 Abs. 2 OWiG: Bestimmt, dass ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache verworfen werden kann, wenn der Betroffene nicht zur Verhandlung erscheint. Relevant, da der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erschien, was zur Verwerfung des Einspruchs führte.
- § 33a StPO: Ermöglicht die Nachholung des rechtlichen Gehörs, wenn das Gericht in seiner Entscheidung wesentliche Verfahrensrechte des Betroffenen verletzt hat. Hier entscheidend, weil der Betroffene beantragte, dass sein rechtliches Gehör nachgeholt wird.
- § 79 OWiG: Regelt die Zulässigkeit und Begründung von Rechtsbeschwerden im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen war zulässig und führte zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
- § 265 StPO: Bezieht sich auf die Mitteilungspflicht bei Veränderung der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts. Der Betroffene rügte, dass ihm nicht ausreichend mitgeteilt wurde, dass er wegen vorsätzlicher Begehungsweise verurteilt werden könnte.
- § 41 Abs. 1 i.V.m. § 49 StVO: Regelt die Verkehrszeichen und deren Missachtung. Grundlage für die Verurteilung wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit.
- § 24, 25 StVG, § 4 Abs. 1 BKatV: Enthält die Vorschriften über Verkehrsordnungswidrigkeiten und deren Sanktionen, einschließlich Bußgeldern und Fahrverboten. Bilden die rechtliche Grundlage für die verhängten Sanktionen.
- § 79 Abs. 6 OWiG: Bestimmt die Möglichkeit der Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Anwendung fand die Regelung bei der Aufhebung des Urteils zur erneuten Verhandlung.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Rüsselsheim
OLG Frankfurt – Az.: 3 Ss-OWi 1316/22 – Beschluss vom 24.07.2023
1. Der Beschluss des Senats vom 30. Januar 2023 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 08. Februar 2023 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, die vor dem Erlass der Entscheidung vom 30. Januar 2023 bestand (§ 33 a StPO).
3. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 19. Juli 2022 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Betroffenen darin entstandenen notwendigen Auslagen, an das Amtsgericht Rüsselsheim zurückverwiesen.
4. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.
Gründe
I.
Das Regierungspräsidium Kassel hat mit Bußgeldbescheid vom 6.1.2020 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 55 km/h bei erlaubten 80 km/h eine Geldbuße in Höhe von 240,- Euro festgesetzt und – verbunden mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG – ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Den dagegen erhobenen Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Rüsselsheim durch Urteil vom 22.6.2021 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen, da der von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht entbundene Betroffene zur Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war (Bl. 85 ff. d.A.). Auf die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 25.11.2021 (Aktenzeichen: 1 Ss-OWi 1336/21) das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 22.6.2021 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Rüsselsheim zurückverwiesen.
Mit Urteil vom 19.7.2022 hat das Amtsgericht Rüsselsheim nunmehr gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 480,- Euro festgesetzt sowie – verbunden mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG – ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese ebenso mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Die Rechtsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 30. Januar 2023 verworfen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs.
II.
Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs ist begründet, da der Senat seine Entscheidung vom 30. Januar 2023 nicht begründet hatte, obwohl die Generalstaatsanwaltschaft auf die erhobene Sachrüge hin beantragt hatte, den Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zu neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bad Hersfeld zu verweisen.
Der Senat hat daher in der Sache neu entschieden.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 341 StPO) und fristgerecht begründete (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat – wie aus dem Tenor ersichtlich – hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen vorläufigen Erfolg. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
1. Soweit der Betroffene gegenüber dem Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 19. Juli 2022 die Verletzung formellen Rechts in Form einer Verletzung des § 265 StPO rügt, ist die Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise erhoben. Die Rechtsbeschwerdebegründung trägt unzutreffend vor, indem er den rechtlichen Hinweis des Gerichtes vom 06. Mai 2020, mit dem der Betroffene auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Begehungsweise hingewiesen wurde, verschweigt.
2. Der auf die allgemeine Sachrüge des Betroffenen hin zu überprüfende Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Insofern lässt die Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler erkennen. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften gemäß den §§ 41 Abs. 1 i.V.m. 49 StVO, 24, 25 StVG, § 4 abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.8 der Tabelle 1c des Anhangs zum BKat.
3. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs deckt das Urteil auf die Sachrüge hin einen Rechtsfehler auf. Die Urteilsgründe leiden an einem Erörterungsmangel:
Das Amtsgericht hat sich im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung in seinen Urteilsgründen nicht damit auseinandergesetzt, ob ein Fahrverbot trotz des Zeitablaufes zwischen Tatbegehung und Urteil von mehr als zwei Jahren noch seinen erzieherischen Zweck erfüllen kann. Auf diesen Erörterungsmangel beruht das Urteil.
a) Nach allgemeiner Auffassung kann grundsätzlich als gerechtfertigt angesehen werden, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, wenn die Tat lange zurückliegt, die Verzögerung nicht dem Betroffenen anzulasten ist und der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat (siehe BayObLG Beschluss vom 09.10.2003 – 1 ObOWi 270/03, juris Rn. 10; OLG Bamberg, Beschluss vom 16.07.2008 – 2 Ss OWi 835/08, juris Rn. 10 f.; OLG Celle, Beschluss vom 23.12.2004 – 211 Ss 145/04 (OWi), juris Rn. 18 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 08.02.2005 – Ss (OWi) 32/05, juris Rn. 17; OLG Hamm, Beschluss vom 24.01.2012 – III-3 RBs 364/11, juris Rn. 9; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 31.03.2014 – Ss (B) 18/2014 (15/14 OWi), juris Rn. 17).
Grundlage dieser Argumentation ist, dass das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion hat und als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.11.1991 – 4 StR 366/91, juris Rn. 30, BGHSt 38,125; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 30.12.2020 – 1 OLG 53 Ss-OWi 630/20), deren Verhängung bei langer Verfahrensdauer wegen des Zeitablaufes allein oder zusammen mit anderen Umständen nach der gebotenen Einzelfallprüfung als nicht mehr geboten angesehen werden könnte.
b) Aus den Urteilsgründen geht hervor, dass die Tat am 21.10.2019 begangen wurde und das Urteil am 19.07.2022 ergangen ist; die Tat liegt somit deutlich mehr als zwei Jahre zurück. Den Urteilsgründen ist aber eine Prüfung, ob das Fahrverbot wegen dem Zeitablauf ganz zu entfallen hat, oder ob es lediglich zu mildern ist oder ob andere Umstände nach wie vor die Notwendigkeit der Verhängung eines Fahrverbotes erforderlichen machen, nicht zu entnehmen. Andere Umstände können auch darin zu sehen sein, dass ein Betroffener bzw. sein Verteidiger durch sein prozessuales Verhalten zu einem erheblichen Teil zu einer Verfahrensverzögerung beigetragen hat, indem er etwa mehrfach eine Verlegung des Hauptverhandlungstermins veranlasst oder Verfahrensakten nicht rechtzeitig zurückgibt und darin eine Verzögerungstaktik liegt. Denn in diesem Fall hat der Betroffene die lange Verfahrensdauer selbst zu vertreten und es ist ihm verwehrt, sich bei der Prüfung der Frage eines Absehens von der Verhängung eines Fahrverbotes auf den langen Zeitablauf zu berufen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.11.2014 – 2 Ss-OWi 1030/14; OLG Frankfurt am Main – 2 Ss-OWi 48/06 -; Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O.; OLG Hamm NZV 2004, 600).
Der Erörterungsmangel zwingt zur Aufhebung des Fahrverbotes. Anders als in der aufgehobenen Entscheidung folgt der Senat nunmehr im Verfahren nach § 33a StPO der Auffassung des 2. Strafsenates, wonach es dem Rechtsbeschwerdegericht im Ordnungswidrigkeitsverfahren versagt ist, eigenständig die Ursachen für eine lange Verfahrensdauer festzustellen, sondern es der Darlegung in den Urteilsgründen bedarf (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.11.2014 – 2 Ss-OWi 1030/14). Da keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen worden sind, konnte der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden.
c) Aufgrund der Wechselwirkung zwischen der – vom Amtsgericht festgesetzten erhöhten – Geldbuße und dem Fahrverbot war das angefochtene Urteil im gesamten Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.
Die Sache war daher im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Rüsselsheim zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG). Für die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts oder ein anderes Amtsgericht besteht kein Anlass.