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Fahrverbot bei beharrlicher Pflichtverletzung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG

BayObLG – Az.: 202 ObOWi 1458/22 – Beschluss vom 13.12.2022

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 04.07.2022 im Rechtsfolgenaus-spruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kosten-entscheidung aufgehoben.

II. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Rosenheim zurückverwiesen.

Zusammenhang

Gericht hebt Urteil wegen fehlender Vorahndungslage auf.

Fahrverbot bei beharrlicher Pflichtverletzung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht Rosenheim hat wegen des verbotenen Gebrauchs eines Mobiltelefons während der Fahrt ein Bußgeld von 200 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Der Betroffene legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein. Nun hat das zuständige Gericht das Urteil aufgrund fehlender Feststellungen zur Vorahndungslage aufgehoben.

Für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich, so das Gericht. Das Urteil des Amtsgerichts erfüllte diese Anforderungen nicht, da es keine ausreichenden Angaben zur Vorahndungslage gab.

Außerdem bemängelte das Gericht, dass das Amtsgericht die Uneinsichtigkeit des Betroffenen in die Tat als Bemessungskriterium für das Bußgeld heranzog. Ein Betroffener, der den Vorwurf bestreitet, darf das Fehlen von Einsicht nicht angelastet werden.

Das Urteil wurde aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 04.07.2022 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen verbotswidrigen Benutzens eines elektronischen Geräts (Mobiltelefon) als Führer eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße von 200 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat beantragt, die Rechtsbeschwerde durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde erzielt den aus Ziffer I. des Beschlusstenors ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

2. Dagegen hat der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand. Aufgrund der lückenhaften Fest-stellungen zu den für die Rechtsfolgenentscheidung bestimmenden Vorahndungen kann der Senat nicht überprüfen, ob diese rechtsfehlerfrei getroffen wurde. Zudem sind zur Rechtsfolgenbemessung angestellte Erwägungen durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Insbesondere für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers außerhalb eines Regelfalls gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich. Denn die Beharrlichkeit setzt gerade voraus, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes und noch verwertbares Unrecht fehlt, indem er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt. Dem Zeitmoment kommt, wie sich § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichten-verstoßes insoweit zu, als nicht nur der Zeitablauf zwischen dem jeweiligen Eintritt der Rechtskraft der Vorahndungen, sondern auch zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere An-zahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 10.05.2021 – 201 ObOWi 445/21 = Blutalkohol 58, 260 (2021) = Ver-kMitt 2021, Nr 51 = NStZ-RR 2021, 351 = OLGSt StVG § 25 Nr 87; 17.07.2019 – 202 ObOWi 1065/19 = ACE-Verkehrsjurist 2019, Nr 3, 13 = OLGSt StVG § 25 Nr 73). Aufgrund dessen genügt ein tatrichterliches Urteil regelmäßig nur dann den Erfordernissen an eine rechtsfehlerfreie Darstellung, wenn die Vorahndungen nach Art des Verkehrsverstoßes, Tat-zeit, angeordneten Rechtsfolgen, Entscheidungsdaten und Zeitpunkten des Rechtskrafteintritts im Einzelnen wiedergeben werden, soweit die Vorahndungen noch verwertbar sind.

b) Diesen Anforderungen werden Urteilsgründe nicht gerecht. Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse wird zwar angekündigt, dass die Vorahndungen dargestellt werden. Dies erfolgt jedoch nicht. Vielmehr beschränkt sich das Urteil auf den nicht nachvollziehbaren Vermerk „FAER einfügen“. Im Rahmen der Erwägungen zur Rechtsfolgenbemessung wird zunächst auf das angeblich unter Ziffer I. der Urteils-gründe wiedergegebene „FAER“ verwiesen. Ansonsten werden nur pauschal einige wenige Vorahndungen ohne hinreichende Aussagekraft erwähnt; im Übrigen nimmt das tatrichterliche Urteil auf eine „Vielzahl von Vorahndungen“ Bezug, ohne diese im Einzelnen darzulegen.

c) Soweit das Amtsgericht bei der Verhängung des Fahrverbots zusätzlich berücksichtigt hat, dass der Betroffene „die Tat weder vor Ort noch in der Hauptverhandlung einräumte“, ist dies ebenfalls rechtsfehlerhaft, weil einen Betroffenen keine Verpflichtung trifft, an seiner Überführung mitzuwirken, und deshalb zulässiges Verteidigungsverhalten ihm selbstverständlich nicht angelastet werden darf (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 28.08.2018 – 5 StR 295/18 = StV 2019, 442 = Rechtsmedizin 29, 504 [2019]; 22.05.2013 – 4 StR 151/13 = StraFo 2013, 340 = StV 2013, 697 = BGHR StGB § 40 Abs 2 Verteidigungsverhalten 1 m.w.N.).

d) Die aufgezeigten Darstellungsmängel erfassen unabhängig davon, dass ohnehin zwischen Fahrverbot und Geldbuße eine Wechselwirkung besteht, schon deshalb auch den Ausspruch über die Bußgeldhöhe, die über der Regelgeldbuße liegt, weil das Amtsgericht insoweit eben-falls auf die „Vorahndungssituation“ abgestellt hat. Überdies ist die weitere Erwägung des Tat-gerichts, wonach auch die „uneinsichtige Haltung“ des Betroffenen für die Bußgeldbemessung von Bedeutung war, rechtsfehlerhaft, weil einem den Vorwurf bestreitenden Betroffenen das Fehlen der Einsicht bei der Bemessung der Bußgeldhöhe gerade angelastet werden darf (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 21.06.2022 – 5 StR 110/22; 28.07.2021 – 6 StR 324/21 bei juris m.w.N.).

III.

Aufgrund der aufgezeigten sachlichrechtlichen Mängel ist auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegen-den Feststellungen und in der Kostenentscheidung aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 353 StPO).

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Rosenheim zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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