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Fahrerlaubnisentziehung wegen schizophrener Psychose

Fahrerlaubnisentziehung bei paranoider Schizophrenie: Rechtswidrigkeit der Gutachtensaufforderung

Das Verwaltungsgericht München hat entschieden, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis eines an paranoider Schizophrenie leidenden Klägers rechtswidrig war. Die Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass die Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens rechtswidrig war, da sie sich auf ein veraltetes und mangelhaftes Gutachten stützte und keine aktuelleren medizinischen Befunde berücksichtigte. Darüber hinaus war die Person des Gutachters wegen eines Interessenkonflikts umstritten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: M 6a K 13.5457 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung der Fahrerlaubnisentziehung für den Kläger, der an paranoider Schizophrenie leidet.
  2. Die Entscheidung basiert auf der Rechtswidrigkeit der Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens.
  3. Das zugrunde liegende Gutachten war veraltet und wies fachliche Mängel auf.
  4. Es wurde kein aktuelles Gutachten berücksichtigt, das neue Erkenntnisse über den Gesundheitszustand des Klägers liefern könnte.
  5. Interessenkonflikt des Gutachters wurde als problematisch angesehen.
  6. Die Fahrerlaubnisbehörde hat bei der Anforderung des Gutachtens nicht alle relevanten Informationen und Umstände berücksichtigt.
  7. Das Gericht betont die Wichtigkeit der aktualisierten medizinischen Bewertung bei psychischen Erkrankungen.
  8. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung von Ermessen und Gründlichkeit in behördlichen Entscheidungsprozessen.

Fahrerlaubnisentziehung bei psychischen Erkrankungen: Eine Herausforderung für Betroffene und Behörden

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichem Fall haben, wo es um Fahrerlaubnisentziehung bei psychischen Erkrankungen geht, zögern Sie nicht und fordern noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Im Zentrum des Falles steht ein Mann, der gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Landratsamt Traunstein vorgeht. Der Hintergrund dieser Entziehung war eine Reihe von Ereignissen und Einschätzungen, die sich auf seine psychische Gesundheit und seine Fahreignung bezogen.

Beginn der rechtlichen Auseinandersetzung: Polizeikontrolle und Verkehrsordnungswidrigkeiten

Die rechtlichen Schwierigkeiten für den Kläger begannen mit einer polizeilichen Verkehrskontrolle im Mai 2010. Bei dieser Kontrolle wurde festgestellt, dass sein Fahrzeug übermäßig mit Unrat beladen war, was nicht nur die Sicht, sondern auch die Sicherheit des Fahrers beeinträchtigte. Diese Beobachtungen führten zu einer Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige wegen fehlender Ladungssicherung und Sichtbeeinträchtigung. Zudem war dem Kläger ein „Messie-Syndrom“ bekannt, was die Polizei in ihre Einschätzung einbezog.

Psychiatrische Begutachtung und ihre Folgen

Die Situation eskalierte, als Dr. A…, ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, im Februar 2011 ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger erstellte. Dieses Gutachten, angefertigt für das Amtsgericht A… im Rahmen einer Betreuungsangelegenheit, diagnostizierte beim Kläger eine paranoide Schizophrenie. Es stellte fest, dass der Kläger kognitiv beeinträchtigt sei und keine Krankheitseinsicht oder Therapiemotivation zeige. Diese Diagnose führte zur Annahme, dass der Kläger nicht in der Lage sei, wichtige Angelegenheiten des täglichen Lebens selbstständig zu regeln.

Fahrerlaubnisentziehung durch das Landratsamt Traunstein

Aufgrund des psychiatrischen Gutachtens und der vorherigen Polizeikontrolle ordnete die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Traunstein an, dass der Kläger ein fachärztliches Gutachten vorlegen müsse, um seine Fahreignung nachzuweisen. Als der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog ihm das Landratsamt im Januar 2012 die Fahrerlaubnis. Diese Entscheidung begründete die Behörde mit der Nichtvorlage des angeforderten ärztlichen Gutachtens und stützte sich auf § 11 Abs. 8 FeV, der besagt, dass bei Weigerung zur Untersuchung oder Nichtvorlage eines Gutachtens auf die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden darf.

Das Urteil des VG München und seine Begründung

Das Verwaltungsgericht München entschied zugunsten des Klägers und hob den Bescheid des Landratsamts Traunstein auf. Das Gericht befand, dass die Anforderung des Gutachtens rechtswidrig war, da sie sich auf ein veraltetes und mangelhaftes Gutachten stützte, das aktuellere medizinische Befunde nicht berücksichtigte. Zudem wurde kritisiert, dass der Gutachter Dr. A… in einem Interessenkonflikt stand, da er sich mit dem Kläger in einer gerichtlichen Auseinandersetzung befand.

Das Gericht betonte die Notwendigkeit, dass Gutachten aktuell, umfassend und frei von Befangenheit sein müssen, um als Grundlage für solch schwerwiegende Entscheidungen wie die Entziehung einer Fahrerlaubnis zu dienen.

Fazit des Falles

Die Aufhebung der Fahrerlaubnisentziehung durch das VG München unterstreicht die Bedeutung der Aktualität und Qualität psychiatrischer Gutachten sowie die Notwendigkeit einer unvoreingenommenen und gründlichen Prüfung durch die Behörden, bevor sie weitreichende Entscheidungen treffen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche Rolle spielt ein psychiatrisches Gutachten bei der Beurteilung der Fahreignung?

Ein psychiatrisches Gutachten spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Fahreignung. Es wird in der Regel angeordnet, wenn Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen, beispielsweise aufgrund von Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Medikamentenmissbrauch oder psychischen Erkrankungen.

Das Gutachten wird von einem qualifizierten Verkehrsmediziner oder Psychiater erstellt und kann verschiedene Aspekte der psychischen Leistungsfähigkeit beurteilen, darunter optische Orientierung, Konzentrationsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit und Belastbarkeit. Es kann auch die Auswirkungen von psychischen Mängeln, nicht die Ursachen, untersuchen.

Die Beurteilung der Fahreignung kann auch auf der Grundlage von testpsychologischen Untersuchungen erfolgen, um festzustellen, ob die Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit erfüllt sind und ob Eignungsmängel kompensiert werden können.

In einigen Fällen kann das Gutachten auch dazu dienen, die Auswirkungen von Medikamenten auf die Fahreignung zu beurteilen, insbesondere wenn eine medikamentöse Behandlung aufgrund einer psychischen Erkrankung notwendig ist.

Die Ergebnisse des Gutachtens werden dann von der Fahrerlaubnisbehörde zur Beurteilung der Fahreignung herangezogen. Es ist wichtig zu beachten, dass das Gutachten nur einen Teil der Beurteilung darstellt und andere Faktoren, wie z.B. die Verkehrssicherheit, ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Es ist auch zu beachten, dass das psychiatrische Gutachten nicht mit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu verwechseln ist, die bei schweren Verkehrsverstößen angeordnet wird.

Was versteht man unter einer paranoiden Schizophrenie und wie kann sie die Fahreignung beeinflussen?

Unter einer paranoiden Schizophrenie versteht man eine Form der Schizophrenie, die vor allem durch Wahnvorstellungen und Halluzinationen gekennzeichnet ist. Diese psychische Erkrankung ist die häufigste Form der Schizophrenien. Im Mittelpunkt stehen hierbei oft Verfolgungswahn und das Hören von nicht vorhandenen Stimmen, die von den Betroffenen als real empfunden werden. Diese Symptome können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Realitätswahrnehmung führen.

Die Fahreignung von Personen, die an einer paranoiden Schizophrenie leiden, kann durch die Symptome der Erkrankung erheblich beeinflusst werden. Insbesondere während akuter Phasen der Erkrankung, in denen die Symptome besonders ausgeprägt sind, ist die Fahreignung in der Regel nicht gegeben. Dies liegt daran, dass die Realitätswahrnehmung der Betroffenen so stark beeinträchtigt sein kann, dass eine realistische Einschätzung der Verkehrssituation nicht möglich ist. Zudem können die Einnahme von Psychopharmaka, die häufig zur Behandlung der paranoiden Schizophrenie eingesetzt werden, die Reaktionszeit verlängern und somit ebenfalls die Fahrtauglichkeit einschränken.

Rechtlich gesehen kann eine psychische Erkrankung wie die paranoide Schizophrenie zu einer zeitweiligen Beschränkung der Fahrtüchtigkeit oder sogar zur Aufhebung der Fahrerlaubnis führen. Entscheidungen hierzu basieren oft auf medizinischen Gutachten, die die psychische Belastbarkeit und Krankheitseinsicht der betroffenen Person bewerten. In Deutschland besteht keine Meldepflicht für Erkrankungen, die die Fahrtüchtigkeit einschränken können. Allerdings hat der Verkehrsteilnehmer die Pflicht zur Vorsorge und muss dafür sorgen, dass er nicht aufgrund physischer oder psychischer Erkrankungen beeinträchtigt ist, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen.

Nach dem Abklingen der akuten Symptome einer paranoiden Schizophrenie kann die Fahreignung unter Umständen wieder gegeben sein, abhängig von Art und Prognose des Grundleidens sowie der erfolgreichen Behandlung und Stabilisierung der Erkrankung. Entscheidend ist hierbei, dass keine Störungen mehr nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen.


Das vorliegende Urteil

VG München – Az.: M 6a K 13.5457 – Urteil vom 28.11.2014

I. Der Bescheid des Landratsamts Traunstein vom … Oktober 2013 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A18, B, BE, C1, C1E, L, M, S und T (die Fahrerlaubnisklassen C und CE waren befristet bis …10.2012).

Am … Mai 2010 wurde der Kläger einer polizeilichen Verkehrskontrolle unterzogen. Aus einer hierzu gefertigten Kurzmitteilung der Polizeiinspektion A… an das Landratsamt Traunstein als Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten vom … Mai 2010 geht u.a. hervor, dass der Pkw des Klägers randvoll mit Unrat beladen gewesen sei. Dieser sei im gesamten Fahrzeuginnenraum aufgestapelt gewesen, so dass nur noch etwas Platz für den Fahrer gewesen sei. Dabei sei die Ladung völlig ungesichert gewesen. Bei einem entsprechenden Lenk-/Bremsmanöver hätte alles auf den Fahrer umstürzen können. Weiter sei auch Unrat im Bereich des Fußraumes des Fahrers und unter den Pedalen gelegen. Bei einem entsprechenden Bremsmanöver hätte das die Pedalmobilität beeinträchtigen können. Weiter seien die Sichtverhältnisse eingeschränkt gewesen. Es sei weder eine Sicht nach Hinten noch die Sicht zum rechten Außenspiegel möglich gewesen. Der Kläger leide bekanntlich unter dem „Messie-Syndrom“ und sammle unentwegt Unrat. Entsprechende Vorgänge seien bereits bei der Polizei bekannt. Es sei eine Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige wegen fehlender Ladungssicherung sowie Sichtbeeinträchtigung gemäß StVO erfolgt. Eine bis … Mai 2010 befristete Mitteilung über Fahrzeugmängel habe am … Mai 2010 soweit entgegengenommen werden können, als dass der Kläger etwas Unrat aus dem Fahrzeug genommen habe, so dass er zumindest wieder einen Rundumblick habe vorweisen können und die Pedalfreiheit gegeben gewesen sei.

Am … Februar 2011 fertigte Dr. A…, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, für das Amtsgericht A… – Abteilung für Betreuungssachen – ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger zur Frage der medizinischen Voraussetzungen einer Betreuungsbedürftigkeit. Auf den Seiten 2 und 3 des Gutachtens (Bl. 50 ff. der Akte der Fahrerlaubnisbehörde) stellte der Gutachter ein Explorationsgespräch mit dem Kläger am … Februar 2011 gegen a… Uhr dar. Diesem vorangestellt waren Feststellungen zum Zustand des Anwesens des Klägers bei vorherigen Versuchen, diesen am … Februar 2011, am … Februar 2011 und am … Februar 2011 anzutreffen. Über das stattgefundene Explorationsgespräch enthält das Gutachten folgende Ausführungen:

„Ich traf Herrn B… heute gegen a… Uhr unangemeldet in seinem Auto sitzend vor dem Anwesen an. Das Fahrerfenster war einen Spalt offen. Wir sprachen unter vier Augen. Herr B… ist in altersentsprechendem Allgemein- und Ernährungszustand, kaum ausreichend gepflegt wirkend. Er wirkt körperlich beeinträchtigt. Bei meiner Vorstellung war er abgewandt, gab vor mich nicht zu kennen, situativ erheblich überfordert. Auf die Frage nach dem Befinden antwortet er: „Paßt“. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für Desorientiertheit. Herr B… bestreitet Schädlingsbefall seiner Müllhalde vor dem Haus. „Ratzn san koane da, also geht’s di nix o“. Auf Frage bestätigt er seine mir gegenüber beim Mahngericht B… am …01.11 eingereichte Forderung über a… €, von der ich das Betreuungsgericht zeitnah informiert habe: „Du hast mir durch die Begutachtung meiner Mutter viel mehr Schaden gemacht, i bin a Bauer. Der Schaden geht in die Millionen“. Herr B… bezieht sich wohl auf die vor Jahren zur Frage stehende Testierfähigkeit seiner Mutter. Ein weiteres Gespräch führte der Betroffene mit mir nicht. Insgesamt war Herr B… zu keinem sinnvollen Explorationsgespräch fähig. Zu einer rechtlichen Betreuung teilt Herr B… nichts Verwertbares mit. Er nennt niemand, den er sich als rechtliche Betreuerin oder rechtlichen Betreuer wünscht. Eine sinnvolle Kommunikation zwischen uns kam nicht zustande, Herr B… war zum Thema rechtliche Betreuung in keine sinnvolle Kommunikation einzubeziehen. Körperlich ist Herr B… umfassend pflegebedürftig und ohne Hilfe zu keinem eigenständigen Leben mehr in der Lage“.

Auf Seite 3 unter der Überschrift „Psychischer Befund bei der aktuellen Begutachtung:“ wird Folgendes ausgeführt:

„Wach und bewußtseinsklar, die Orientierung ist allseits gegeben. Die höheren cerebralen Leistungen wie Auffassung, Konzentration und Gedächtnis sowie die kognitiven Fähigkeiten sind beeinträchtigt, von einer Entkernung der Persönlichkeit ist nicht aus zu gehen. Es ergeben sich in der aktuellen Begutachtungssituation deutliche Hinweise auf akut produktiv-psychotisches Geschehen, psychotische Wahrnehmungs- bzw. psychotische Ich-Störungen. Im Affekt wenig schwingungsfähig wirkend, psychomotorisch bei der Begutachtung ruhig. Ein sinnvoller Kontakt kommt nicht zustande. Keine Hinweise auf akute Suizidalität oder Fremdgefährdung. Krankheitseinsicht und Therapiemotivation bestehen nicht“.

Unmittelbar nachfolgend stellt der Gutachter auf Seite 3 folgende „Diagnostische Überlegungen“ an:

„Herr B… leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Es finden sich bei der aktuellen Exploration kognitive Störungen, die höheren celebralen Leistungen wie Auffassungen, Konzentration und Gedächtnis sind auch beeinträchtigt. Von einer Entkernung der Persönlichkeit ist nicht aus zu gehen. Deutliche Hinweise auf akut produktiv-psychotisches Geschehen, psychotische Wahrnehmungs- und psychotische Ich-Störungen. Im Affekt wenig schwingungsfähig wirkend, der Betroffene bei der Untersuchung psychomotorisch ruhig. Ein sinnvoller Kontakt kommt nicht zustande. Keine Hinweise auf akute Suizidalität oder Fremdgefährdung. Krankheitseinsicht oder Therapiemotivation bestehe nicht. Körperlich ist Herr B… umfassend pflegebedürftig und ohne Hilfe zu keinem eigenständigen Leben mehr in der Lage“.

Nachfolgend beantwortet der Gutachter die Fragen des Gerichts auf den Seiten 4 und 5 insbesondere dahin, dass der Kläger an einer paranoiden Schizophrenie leide. Es handele sich somit um eine psychische Krankheit im Sinne des § 1896 BGB (Nr. 1.) Aufgrund dieser psychischen Krankheit sei er nicht in Lage, seinen Willen frei zu bestimmen bzw. wichtige Dinge des täglichen Lebens für sich selbst zu erledigen. Die Errichtung einer rechtlichen Betreuung sei aus ärztlich-psychiatrischer Sicht auch gegen den geäußerten Willen des Betroffenen dringend indiziert (Nr. 2.). Aus ärztlich-psychiatrischer Sicht sei der Kläger umfassend geschäftsunfähig gemäß § 104 Nr. 2 BGB (Nr. 3.). Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten der psychischen Grunderkrankung ergäben sich aus ärztlich-psychiatrischer Sicht derzeit nur in konsequenter Psychopharmakotherapie. Eine Anbehandlung in stationärem Rahmen wäre nützlich (Nr. 5.). Die Grunderkrankung und das daraus folgende Betreuungsbedürfnis werde über einen längeren Zeitraum fortbestehen (Nr. 6.). Es ergäben sich aus ärztlich-psychiatrischer Sicht zur Zeit keine Hilfsmöglichkeiten, welche die rechtliche Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machten (Nr. 7.). Eine Verständigung mit dem Betroffenen sei nur eng begrenzt möglich (Nr. 8.).

Mit Urteil des Amtsgerichts A… vom … Mai 2011 wurde der Kläger wegen einer Tat am … Juni 2010 einer vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe verurteilt. Aus der Darstellung unter Gründe I. des Urteils ergibt sich, dass eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom … März 2011 drei Einträge über staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren enthalten habe, die jeweils wegen Schuldunfähigkeit aufgrund eines Gutachtens vom … Juni 2001 eingestellt worden seien. Die entsprechenden Akten seien bereits vernichtet. Der Kläger habe sich zu seinem aktuellen Gesundheitszustand nicht äußern wollen. Allerdings hätten sich weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Verhalten des Klägers in der Hauptverhandlung Hinweise darauf ergeben, dass seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt erheblich vermindert oder sogar aufgehoben gewesen sein könnte. Im Hinblick darauf sowie auf die geringe Straferwartung und die Tatsache, dass das Vorgutachten schon ungefähr zehn Jahre zurückliege, sei es nicht angezeigt erschienen, ein erneutes Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit in Auftrag zu geben.

Mit Schreiben vom … August 2011 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde gegenüber dem Kläger die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens bis zum … November 2011 an. Als Tatsachen, die Bedenken gegen seine körperliche oder geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten, wurden Ausführungen zum psychiatrischen Gutachten des Dr. A… vom … Februar 2011, der Kontrolle durch die Polizeiinspektion A… am … Mai 2010 und dem Urteil des Amtsgerichts … vom … Mai 2011 gemacht. Die Voraussetzungen für das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs seien in akuten Stadien schizophrener Episoden nicht gegeben. Er leide bereits seit mehreren Jahren an dieser psychischen Erkrankung und sei weder krankheits- noch behandlungseinsichtig. Die Fahrerlaubnisbehörde sei aufgrund dieser Tatsachen zu dem Entschluss gekommen, dass seine Fahreignung in Frage gestellt werden müsse. Sie fordere ihn deswegen auf, ein fachärztliches Gutachten vorzulegen. Die Anordnung zur Aufforderung eines fachärztlichen Gutachtens sei auch ermessensgerecht, da die aufgeführte Erkrankung und der oben angegebene Sachverhalt erhebliche Zweifel an der Fahreignung begründeten. Ein Untätigbleiben der Behörde würde bei den geschilderten schwerwiegenden Krankheitssymptomen und der sich hieraus ergebenden möglichen erheblichen Gefährdung des Straßenverkehrs unverantwortlich sein, so dass hier das persönliche Interesse des Klägers gegenüber der Allgemeinheit zurückstehen müsse. Die Begutachtung werde unter Zugrundelegung folgender Fragestellung durchgeführt:

„Ist Herr B… trotz des Vorliegens einer Erkrankung (paranoide Schizophrenie), die nach Anlage 4 Nr. 7.6 zur FeV die Fahreignung in Frage stellt, in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A18, B, BE, C1, C1E, C, CE, L, M, S, T gerecht zu werden?“.

Die Begutachtung habe zu erfolgen durch eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung. Wenn der Kläger sich weigere, sich begutachten zu lassen, oder das Gutachten nicht bis zum gesetzten Termin vorlege, könne die Fahrerlaubnisbehörde seine Nichteignung als erwiesen ansehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben verwiesen.

Da der Kläger nachfolgend ein Gutachten nicht vorlegte, hörte ihn die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom … November 2011 zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. In einer persönlichen Vorsprache bei der Fahrerlaubnisbehörde am … November 2011 erklärte der Kläger insbesondere, dass er das Gutachten des Dr. A… anzweifle. Insbesondere führe er einen Prozess gegen Herrn A…, da dieser bereits früher falsch begutachtet haben solle. Hintergrund seien damals Erbstreitigkeiten mit dem Bruder des Klägers gewesen, der ihn unter Betreuung habe stellen lassen wollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk über diese persönliche Vorsprache verwiesen (Bl. 92 der Behördenakte).

Das Amtsgericht A… – Abteilung für Betreuungssachen – stellte mit Beschluss vom … November 2011 das Verfahren wegen Anordnung einer Betreuung für den Kläger ein, weil der Kläger eine Betreuung ablehne und er nach Überzeugung des Gerichts gegen seinen Willen nicht betreubar sei.

Mit Bescheid vom … Januar 2012 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger seine Fahrerlaubnis. Dies wurde im Wesentlichen mit der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens begründet. In einer persönlichen Vorsprache am … Februar 2012 wandte sich der Kläger nochmals gegen die Begutachtung durch Dr. A….

Am … Februar 2012 gab er seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab (Bl. 106 der Behördenakte).

Den Widerspruch des damaligen Bevollmächtigten des Klägers gegen den Entziehungsbescheid wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom … April 2012 zurück. Dagegen erhoben die damaligen Bevollmächtigten Klage (…) und stellten einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (…).

Sowohl im Klage- als auch im Antragsverfahren bestellte das Bayerische Verwaltungsgericht München für den Kläger seinen damaligen Bevollmächtigten jeweils mit Beschlüssen vom … Februar 2013 als Prozesspfleger.

Mit Beschluss vom … März 2013 im Verfahren … stellte das Bayerische Verwaltungsgericht München vorläufig fest, dass der Kläger weiterhin im Besitz seiner Fahrerlaubnis sei und dass der Bescheid des Landratsamts Traunstein vom … Januar 2012 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom … April 2012 nicht wirksam geworden seien. Dies wurde im Wesentlichen mit der im psychiatrischen Gutachten des Dr. A… vom … Januar 2011 diagnostizierten paranoiden Schizophrenie und der sich daraus ergebenden umfassenden Geschäftsunfähigkeit des Klägers begründet.

Nachfolgend wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom … April 2013 (…) eine Beschwerde gegen die Bestellung eines Prozesspflegers für den Kläger (B.v. …2.2013 im Verfahren …) zurück. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Senat die Auffassung des Erstgerichts teile, dass sich aus dem psychiatrischen Gutachten vom … Februar 2011 nachvollziehbar ergebe, dass beim Kläger eine dauerhafte umfassende Geschäftsunfähigkeit vorliege, nachdem dieser an einer paranoiden Schizophrenie leide und mit einer Besserung der Störung nicht zu rechnen sei. Es sei weder etwas dafür vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich das Krankheitsbild des Klägers zu seinen Gunsten verändert habe.

Eine vom Beklagten gegen den Beschluss vom … März 2013 im Verfahren … eingelegte Beschwerde nahm dieser nachfolgend zurück, weswegen der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom … Mai 2013 das Beschwerdeverfahren … einstellte.

Das Klageverfahren … wurde vom Bayerischen Verwaltungsgericht München nach übereinstimmenden Erledigterklärungen der Beteiligten mit Beschluss vom … Oktober 2013 eingestellt.

Bereits am … Juli 2013 ordnete das Amtsgericht A… – Abteilung für Betreuungssachen – durch einstweilige Anordnung, befristet bis … Januar 2014, die vorläufige Betreuung für den Kläger an. Diese umfasste folgende Aufgabenkreise: „Fahrerlaubnisangelegenheiten, inklusive prozessvorbereitende und prozessuale Handlungen und die diesbezüglichen postalen Belange“. Zum vorläufigen Betreuer wurde Herr Dr. C… bestellt. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wurde angeordnet.

Aus den Gründen ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Bestellung des vorläufigen Betreuers gegeben seien. Es bestünden dringende Gründe für die Annahme, dass der Kläger aufgrund einer der in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheiten/Behinderungen, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, nicht in der Lage sei, die Angelegenheiten ausreichend zu besorgen, die zu den genannten Aufgabenkreisen gehörten. Die Betreuung sei erforderlich, weil die Regelung der Angelegenheiten des Betroffenen anderweitig nicht erfolgen könne. Dies folge aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus dem aktuellen Gutachten des Sachverständigen Dr. D… vom … Juli 2013 und dem Bericht des Landratsamts Traunstein – Betreuungsstelle –.

Den Beschluss des Amtsgerichts A… vom … Juli 2013 erhielt die Fahrerlaubnisbehörde per Telefax am … Juli 2013. Ein Gutachten eines Sachverständigen Dr. D… vom … Juli 2013 findet sich in der Akte der Fahrerlaubnisbehörde nicht.

Am … Juli 2013 fertigte die Fahrerlaubnisbehörde erneut eine Anordnung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens über die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dieses Schreiben war gerichtet an den vom Amtsgericht A… bestimmten Betreuer, Dr. C…, dem es mittels Postzustellungsurkunde am … Juli 2013 zugestellt wurde.

Diese Gutachtensaufforderung war im Wesentlichen inhaltsgleich mit derjenigen vom … August 2011 und enthielt, unter Setzung einer neuen Frist bis … September 2013, insbesondere dieselbe Fragestellung. Gegenüber der Gutachtensaufforderung vom … August 2011 wurde ergänzend ein Absatz zum Thema „Schizophrenien“ eingefügt (S. 2 des Schreibens vom …7.2013). Außerdem wurde ein Abschnitt über die Wahrnehmungen der Polizeistreife hinsichtlich des Pkw des Klägers und des Dr. A… in dessen Gutachten über den Zustand des Klägers und seines Anwesens ohne inhaltliche Änderung umformuliert.

Nachdem der Kläger wiederum ein ärztliches Gutachten nicht vorlegte, hörte ihn die Fahrerlaubnisbehörde mit an seinen Betreuer gerichtetem Schreiben vom … September 2013 zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. Am … Oktober 2013 sprach der Kläger erneut bei der Fahrerlaubnisbehörde vor und wies darauf hin, dass er gegen den Dr. A… ein Verfahren auf Schadenersatz laufen gehabt habe. Ein Gespräch, aufgrund dessen ein Gutachten erstellt worden sei, habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden, sondern er habe Dr. A… vom Hof verwiesen. Aufgrund fehlender Zusammenarbeit und Befangenheit sei Dr. A… nicht bemächtigt gewesen, ein Gutachten zu erstellen. Außerdem machte er noch Anmerkungen zum Vorgang mit der Polizei. Er beantragte abschließend, von einem Begutachtungsverfahren Abstand zu nehmen.

Dennoch entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger mit Bescheid vom … Oktober 2013 die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A18, B, BE, C, C1, C1E, CE, L, M, S und T (Nr. 1 des Bescheids), ordnete die unverzügliche, spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids, Abgabe des Führerscheins (Nr. 2a) bzw. alternativ die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung über den Verbleib des Führerscheins an (Nr. 2b) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Nrn. 2a bzw. 2b ein Zwangsgeld in Höhe von b… EUR an (Nr. 4). In Nr. 3 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 angeordnet. Nr. 5 des Bescheids enthält Festsetzung zu den Kosten des Verfahrens, die dem Kläger auferlegt wurden.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis wurde im Wesentlichen mit der Nichtvorlage des angeforderten ärztlichen Gutachtens begründet. Gemäß § 11 Abs. 8 FeV dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, soweit sich dieser weigere, eine Untersuchung durchführen zu lassen bzw. das geforderte Gutachten nicht in der festgesetzten Frist vorgelegt worden sei. Ein ausreichender Grund zur Weigerung der Begutachtung sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.

Der Bescheid vom … Oktober 2013 wurde dem damaligen Betreuer des Klägers, Dr. C…, mittels Empfangsbekenntnis am … Oktober 2013 zugestellt.

Das Amtsgericht A… – Abteilung für Betreuungssachen – ordnete mit Beschluss vom … November 2013 die endgültige Betreuung mit unverändertem Aufgabenkreis der vorläufigen Betreuung vom … Juli 2013 an und bestellte Dr. C… zum endgültigen Betreuer.

Mit Schriftsatz vom … November 2013, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am … November 2013, erhob der Kläger persönlich Klage gegen den Bescheid vom … Oktober 2013. Zur Begründung führte er u.a. insbesondere aus, dass die Polizeikontrolle am … Mai 2010 mit dem „Gutachten“ nichts zu tun gehabt habe. Für ein Gutachten habe er Herrn A… nicht zur Verfügung gestanden, d.h. dieser habe ein Gutachten angefertigt ohne mit ihm ein Gespräch zu führen. Im Februar 2011 habe er ein Klageverfahren gegen A… laufen gehabt wegen Schadensersatz. Herrn A… kenne er aus 19…, als er in einem Betreuungsverfahren gegen seine Mutter, durch seinen Bruder beantragt, ein Gefälligkeitsgutachten angefertigt habe. Feststellen wolle er, dass er …ingenieur sei und noch nie psychische Beschwerden gehabt habe. Die Diagnose sei aus der Luft gegriffen, um ihn seine Geschäftsfähigkeit zu entziehen. Er beantrage, dass das Verwaltungsgericht den Bescheid aufheben möge. Die Kammer solle im Prozess mit fünf Richtern besetzt sein und eine „Richterin F.“ solle nicht mitwirken, „kennt mich gar nicht“.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.

Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom … Dezember 2013 seine Behördenakte vor und beantragte Klageabweisung. Das begründete er im Wesentlichen damit, dass ihm keine Erkenntnisse vorlägen, welche die Verwertbarkeit des Gutachtens vom … Februar 2011 in Frage stellten.

Nachdem das Amtsgericht A… – Abteilung für Betreuungssachen – mit Beschluss vom … April 2014 die Betreuung mit unverändertem Aufgabenkreis auf den nunmehr aktuellen Betreuer des Klägers, Herrn Rechtsanwalt E…, übertragen hatte, legte dieser dem Bayerischen Verwaltungsgericht München mit Schriftsatz vom … August 2014 zunächst eine Kopie des auf ihn ausgestellten Betreuerausweises vom … April 2014 vor. Mit weiterem Schriftsatz vom … Oktober 2014 genehmigte er die vom Kläger persönlich eingereichte Klage und das Ablehnungsgesuch. Mit Schriftsatz vom … Oktober 2014 begründete er die Klage u.a. insbesondere damit, dass das Amtsgericht A… im Urteil vom … Mai 2011 festgestellt habe, dass sich weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Verhalten des Klägers in der Hauptverhandlung Hinweise darauf ergeben hätten, dass seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt erheblich vermindert oder sogar aufgehoben gewesen sein könnte. Das Gutachten des Dr. A… vom … Februar 2011 sei allein für Zwecke des Betreuungsgerichts angefertigt worden und nehme daher auch nur zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit Stellung. Zur Frage der Verkehrseignung nehme es in keiner Weise Stellung und sei daher insoweit auch nicht aussagekräftig. Der Kläger bestreite auch, dass sein Pkw randvoll mit Unrat gewesen sei. Das Landratsamt übernehme insoweit ungeprüft einen Vorwurf ohne näheren Anhaltspunkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.

Der Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom … Oktober 2010 ergänzend auf einzelne Vorhalte in der Klagebegründung und führte im Wesentlichen aus, dass das Gutachten des Dr. A… Ausführungen gemacht habe zur psychischen Erkrankung des Klägers. Nachdem eine paranoide Schizophrenie die Fahreignung in Frage stelle, sei dieser Sachverhalt mittels Gutachten abzuklären gewesen. Polizeiliche Ermittlungen seien in aller Regel ein Indiz, welches bestimmte Eignungszweifel unterstreiche. Dem Kläger habe es freigestanden, die aufgeworfenen Eignungszweifel durch ein fachärztliches Gutachten auszuräumen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.

Das Amtsgericht A… – Abteilung für Betreuungssachen – verlängerte mit Beschluss vom … Oktober 2014 die Betreuung des Klägers unter Beibehaltung der Bestellung seines bisherigen Betreuers, Rechtsanwalt E…. Den Gründen ist insbesondere zu entnehmen, dass der Kläger aufgrund einer der in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheiten bzw. Behinderungen, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, Diagnose nach ICD10-Nr. F20.0, nicht in der Lage sei, die Angelegenheiten ausreichend zu besorgen, die zu dem genannten Aufgabenkreis gehörten. Dies folge aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus dem ärztlichen Gutachten des Sachverständigen Herrn Dr. D… vom … September 2014, der Stellungnahme des Betreuers E… vom … August 2014 und dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts, den sich dieses bei der Anhörung des Betroffenen verschafft habe.

Mit Beschluss vom … November 2014 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht F. ab. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger nichts vorgetragen habe, was als objektive Tatsache oder Grund für die Annahme einer Befangenheit auch nur ansatzweise herangezogen werden könnte.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung am … November 2014, zu der der Kläger persönlich, sein Betreuer sowie ein Vertreter der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten erschienen, beantragte der Betreuer des Klägers für diesen, den Bescheid des Beklagten vom … Oktober 2013 aufzuheben.

Der Vertreter des Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Verfahren … und …, die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom … April 2013 (…) und vom … Mai 2013 (…), auf die beigezogene Behördenakte des Beklagten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am … November 2014 ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet, sie hat daher Erfolg.

Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts Traunstein als Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten vom … Oktober 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 vorliegen. Nach Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV ist eine Fahreignung oder auch nur bedingte Eignung für die Fahrerlaubnisklassen der Gruppen 1 und 2 bei einer akuten Episode einer schizophrenen Psychose nicht gegeben. Nach Ablauf einer akuten Episode einer schizophrenen Psychose ist die Eignung für die Fahrerlaubnisklassen der Gruppe 1 gegeben, wenn keine Störungen nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen; bei Fahrerlaubnissen der Gruppe 2 ist die Fahreignung nur ausnahmsweise gegeben, unter besonders günstigen Umständen (Nr. 7.6.2 der Anlage 4 zur FeV). Nach mehreren psychotischen Episoden ist nach Nr. 7.6.3 die Eignung für die Fahrerlaubnisklassen der Gruppe 1 gegeben, für diejenigen der Gruppe 2 nur ausnahmsweise unter besonders günstigen Umständen, jeweils unter der Auflage regelmäßiger Kontrollen.

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung, § 46 Abs. 3 FeV. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann dann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Entziehung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Betreffenden anordnen, § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV.

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV), worauf der Betroffene bereits bei der Anordnung des Gutachtens hinzuweisen ist (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV). Die Entziehung einer Fahrerlaubnis in Anwendung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV kann jedoch nur erfolgen, wenn die Gutachtensaufforderung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig, war und der Betreffende nicht aus anderen Gründen berechtigt war, die Erstellung oder Vorlage des Gutachtens zu verweigern.

Nach Maßgabe dieser Rechtsvorschriften und Grundsätze erweist sich im vorliegenden Fall die Anwendung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV mittels des streitgegenständlichen Bescheids vom … Oktober 2013 als rechtswidrig, weil die Gutachtensaufforderung vom … Juli 2013 ihrerseits bereits rechtswidrig war.

Zunächst stellt es bereits einen zur Rechtswidrigkeit der Gutachtensaufforderung führenden Mangel dar, dass die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt nicht entsprechend Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG soweit als möglich ermittelt hat, indem sie es unterließ, das damals aktuellste Gutachten über den Gesundheitszustand des Klägers, nämlich das des Sachverständigen Dr. D… vom … Juli 2013, vom Amtsgericht A… – Abteilung für Betreuungssachen – anzufordern und einer Prüfung zu unterziehen, bevor sie eine neue Gutachtensaufforderung erließ. Von der Existenz des Gutachtens vom … Juli 2013 hatte die Fahrerlaubnisbehörde auch Kenntnis, nachdem ihr der Beschluss des Amtsgerichts A… – Abteilung für Betreuungssachen – vom … Juli 2013 mittels Telefax am … Juli 2013 zugeleitet worden war. Vergleicht man zudem die Gutachtensaufforderung vom … August 2011 mit der vom … Juli 2013, so fällt auf, das Letztere lediglich um einen Passus über „Schizophrenien“ ergänzt und ein Absatz über die Wahrnehmungen der Polizei und des Dr. A… geringfügig überarbeitet wurde. Der Erlass der Gutachtensaufforderung vom … Juli 2013 nach Erhalt des Beschlusses des Amtsgerichts A… vom … Juli 2013 per Telefax am … Juli 2013 lässt erkennen, dass die Fahrerlaubnisbehörde hinsichtlich des neuen Gutachtens vom … Juli 2013 jegliche Sachverhaltsermittlungen unterlassen hat. Es war jedoch rechtlich nicht zulässig, eine Gutachtensaufforderung weiter im Wesentlichen auf ein Gutachten vom … Februar 2011 (also vor fast 2½ Jahren erstellt) zu stützen, wenn zur selben Frage ein aktuelles Gutachten (vom …7.2013, also nur wenige Tage alt) vorliegt.

Die erkennende Kammer ist nach erneuter eingehender Überprüfung des mit anlassgebenden Gutachtens vom … Februar 2011 außerdem nunmehr zur Überzeugung gelangt, dass dieses fachliche Mängel aufweist. Der „psychische Befund bei der aktuellen Begutachtung“ auf Seite 3 des Gutachtens ist aus der zuvor dargestellten Exploration nicht nachvollziehbar, insbesondere inwieweit „die höheren cerebralen Leistungen wie Auffassung, Konzentration und Gedächtnis sowie die kognitiven Fähigkeiten“ beeinträchtigt gewesen sein sollten bzw. woraus sich konkret „in der aktuellen Begutachtungssituation deutliche Hinweise auf akut produktiv-psychotisches Geschehen, psychotischen Wahrnehmungs- bzw. psychotische Ich-Störungen“ hätten ergeben sollen. Eine Klassifizierung nach ICD-10 fehlt ebenso wie eine vorausgehende Darstellung einer Differenzialdiagnose.

Dies hätte – wollte man das Gutachten vom … Februar 2011 überhaupt einer Gutachtensaufforderung mit zugrunde legen – im Rahmen der Ermessensausübung nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV Berücksichtigung finden müssen. Hierzu finden sich jedoch in der Gutachtensaufforderung vom … Juli 2013 – wie auch schon zuvor in der vom … August 2011 – keinerlei Ausführungen, weswegen ein Ermessensdefizit festzustellen ist.

Auch hinsichtlich der Person des Gutachters Dr. A… als Ersteller des Gutachtens vom … Februar 2011 leidet die Gutachtensaufforderung vom … Juli 2013 an einem Ermessensdefizit. Denn die Fahrerlaubnisbehörde hätte in ihre Erwägungen deutlich erkennbar mit einstellen müssen, dass sich der Gutachter Dr. A… mit dem Kläger in einer gerichtlichen Auseinandersetzung befand, worauf dieser in seinem Gutachten auf Seite 2 sogar selbst hingewiesen hatte. Daraus kann sich zumindest der Anschein einer Befangenheit des Gutachters gegenüber dem Kläger ergeben. Auch solches hätte im Rahmen der Ermessensausübung Berücksichtigung finden müssen, was jedoch nicht geschah.

Angesichts der bereits dargestellten durchgreifenden Mängel der Gutachtensaufforderung vom … Juli 2013 kann vorliegend die Frage offen bleiben, ob die Gutachtensfrage selbst rechtlich zulässig war. Denn anstatt die Frage nach dem Vorliegen einer Erkrankung im Sinne der Nr. 7.6 der Anlage 4 zur FeV (oder ggf. auch einer anderen psychischen [geistigen] Störung zu stellen) wird von der Fahrerlaubnisbehörde in der Gutachtensaufforderung vom … Juli 2013 das Vorliegen einer schizophrenen Psychose nach Nr. 7.6 der Anlage 4 zur FeV bereits als feststehend angesehen. Das erscheint jedoch nach den oben dargestellten Mängeln des Gutachtens des Dr. A… vom … Februar 2011 hinsichtlich einer Diagnose der schizophrenen Psychose als zweifelhaft.

Hinsichtlich der Nrn. 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom … Oktober 2013 stellt sich außerdem die Frage ihrer Erforderlichkeit. Denn der Kläger hatte seinen Führerschein bereits abgegeben. Dieser befindet sich seit dem … Februar 2012 in einem Umschlag als Blatt 106 der Akte bei der Fahrerlaubnisbehörde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil es von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob eine Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen einer Gutachtensaufforderung allein auf ein älteres – hier fast 2½ Jahre altes –Gutachten über eine psychische Störung abstellen darf, wenn es mittlerweile bereits ein wesentlich aktuelleres und zeitnäher erstelltes neues Gutachten zur selben Thematik gibt und sie hiervon Kenntnis erhält.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 17.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 46.1, 46.3, 46.5 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).

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