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Fahrerlaubnisentziehung – Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis

Fahrerlaubnisentzug bei Medizinalcannabis: Gericht verneint Arzneimittelprivileg

Das Bayerische Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Klägers, der regelmäßig medizinisches Cannabis konsumiert, rechtmäßig ist. Es wurden Zweifel an der Fahreignung aufgrund des regelmäßigen Konsums und des Fehlens einer ordnungsgemäßen Verschreibung und ärztlichen Überwachung festgestellt. Der Kläger konnte nicht ausreichend belegen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Regelung, die den Konsum von Medizinalcannabis erlaubt, erfüllt waren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 C 23.363  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers wegen regelmäßigen Cannabiskonsums ist rechtmäßig.
  2. Feststellung von Zweifeln an der Fahreignung aufgrund erhöhter Cannabiskonzentrationen im Blut.
  3. Fehlende ordnungsgemäße ärztliche Verschreibung und Überwachung von Medizinalcannabis.
  4. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Regelung, die den Konsum von Medizinalcannabis unter bestimmten Umständen erlaubt, erfüllt waren.
  5. Missbräuchlicher Beikonsum von nicht ärztlich verordnetem Cannabis.
  6. Unzureichende Mitwirkung des Klägers bei der Sachverhaltsermittlung.
  7. Die Beweislastumkehr wurde vom Gericht nicht anerkannt.
  8. Ablehnung der Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten.

Fahrerlaubnisentziehung bei Medizinalcannabis-Konsum

Medizinisches Cannabis - Entziehung Fahrerlaubnis
(Symbolfoto: SD_FlowerPower /Shutterstock.com)

In der aktuellen rechtlichen Debatte nimmt die Frage der Fahrerlaubnisentziehung bei Patienten, die Medizinalcannabis konsumieren, eine zunehmend wichtige Rolle ein. Dieses Thema berührt grundlegende Aspekte des Verkehrsrechts und wirft Fragen hinsichtlich der Fahreignung von Personen auf, die aus medizinischen Gründen Cannabis konsumieren. Besonders brisant wird die Thematik, wenn Cannabiskonzentrationen im Blut nachgewiesen werden, die auf einen regelmäßigen Konsum hindeuten. Hierbei gilt es, die Interessen der Verkehrssicherheit mit denen der individuellen medizinischen Behandlung in Einklang zu bringen.

Die rechtlichen Auseinandersetzungen in diesem Bereich sind oft komplex und umfassen verschiedene Aspekte wie Prozesskostenhilfe, Fahrverbote und die Unterscheidung zwischen medizinischem und nicht-medizinischem Gebrauch von Betäubungsmitteln. Im Folgenden wird ein spezifischer Fall betrachtet, der diese Thematik exemplarisch aufgreift und beleuchtet, wie Gerichte mit der heiklen Frage der Fahrerlaubnis bei Medizinalcannabis-Konsumenten umgehen. Tauchen Sie ein in die Details dieses aufschlussreichen Falles, der Licht in das Dunkel dieser komplexen Rechtsmaterie bringt.

Verlust der Fahrerlaubnis aufgrund Medizinalcannabis-Konsums

Ein bemerkenswerter Fall hat sich vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgespielt, wo ein Kläger gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis vorging. Der Grund für den Führerscheinentzug war der Konsum von Medizinalcannabis. Bei zwei Verkehrskontrollen im März 2019 und 2020 wurden bei dem Kläger erhöhte Cannabiskonzentrationen im Blut festgestellt. Nach dem ersten Vorfall wurde gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Bei der zweiten Kontrolle führte er ärztlich verschriebenes Marihuana mit sich, allerdings in einer Menge, die den Verdacht auf nicht bestimmungsgemäßen Konsum weckte.

Die rechtliche Auseinandersetzung und Prozesskostenhilfe

Der Kläger beantragte Prozesskostenhilfe für das Verfahren gegen die Fahrerlaubnisentziehung, die jedoch vom Gericht abgelehnt wurde. Das Gericht argumentierte, dass aufgrund der festgestellten THC-Werte und des anzunehmenden regelmäßigen Cannabiskonsums von einer fehlenden Fahreignung auszugehen sei. Der Kläger legte Widerspruch ein und stellte die Rechtmäßigkeit der ärztlichen Verschreibung und Überwachung seines Cannabiskonsums infrage. Er behauptete, das Cannabis nicht regelmäßig, sondern nur bei Bedarf zur Bekämpfung von Symptomen zu konsumieren.

Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit und ordnungsgemäßen Verschreibung

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht hinreichend belegen konnte, dass bei ihm die Voraussetzungen des sogenannten Arzneimittelprivilegs erfüllt waren. Es gab Zweifel, ob der Konsum von Medizinalcannabis in seinem Fall medizinisch indiziert und ordnungsgemäß verschrieben worden war. Zudem fehlten konkrete Angaben zur Dosierung und zur bestimmungsgemäßen Einnahme des Medikaments. Der Kläger konnte nicht überzeugend darlegen, dass seine Behandlung mit Cannabis ausschließlich nach ärztlicher Verordnung erfolgte und er regelmäßige ärztliche Kontrollen durchführen ließ.

Endgültige Entscheidung und Konsequenzen

Letztendlich wies das Gericht die Beschwerde des Klägers zurück und entschied, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig war. Die Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass der Kläger die notwendigen Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Fahrverbot aufgrund von Medizinalcannabis-Konsum nicht erfüllen konnte. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Rechtslage im Zusammenhang mit dem Konsum von Medizinalcannabis und dessen Einfluss auf die Fahreignung. Es zeigt, dass die Gerichte strenge Maßstäbe an die medizinische Notwendigkeit und die Einhaltung der Verschreibungsvorgaben anlegen, bevor sie eine Ausnahme von den allgemeinen Regeln zur Fahreignung zulassen.

In diesem konkreten Fall liegt nun die endgültige Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vor, die den Kläger vor die Herausforderung stellt, ohne Fahrerlaubnis zurechtzukommen, und gleichzeitig als Präzedenzfall für ähnliche Fälle in der Zukunft dient.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie ist Medizinalcannabis gesetzlich geregelt, insbesondere in Bezug auf Dosierung und verschreibungspflichtige Verwendung?

Erklärung Text…


Das vorliegende Urteil

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 C 23.363 – Beschluss vom 03.07.2023

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine gegen die Entziehung der ihm am 28. Oktober 1993 und 29. Dezember 1994 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen 4 und 3 (alt) gerichtete Klage.

Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle am 16. März 2019 um 20:30 Uhr stellte die Polizei starken Marihuanageruch im Fahrzeug des Klägers fest. Die ihm entnommene Blutprobe enthielt 37 μg/l THC, 13 μg/l 11-Hydroxy-THC und 305 μg/l THC-Carbonsäure. Nach dem ärztlichen Befundbericht vom 3. April 2019 stand der Kläger zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss von Cannabis/THC. Mit Bußgeldbescheid vom 1. Juli 2019 wurde ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn verhängt.

Auch am 6. März 2020 um 23:05 Uhr stellte die Polizei bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle starken Marihuanageruch im Fahrzeug und beim Kläger eine verwaschene Aussprache sowie glasige und gerötete Augen fest. Nach Belehrung habe er angegeben, er führe ärztlich verschriebenes Marihuana mit sich, und den Polizeibeamten das mitgeführte Marihuana (rund 2,8 g netto) in einer von einer Apotheke ausgegebenen Kunststoffbox übergeben. Es habe frisch gewirkt und intensiv nach frischem Marihuana gerochen. Nach dem Apothekenaufkleber auf der Box sei das medizinische Marihuana am 21. November 2019 an den Kläger ausgegeben worden. Als bestimmungsgemäße Einnahme sei der Konsum von 1 g Marihuana in Form von „Inhalieren“ angegeben. Laut Inhaltsangabe habe sich in der Box ursprünglich 5 g medizinisches Marihuana befunden. Der Kläger habe angegeben, zuletzt gegen 8.30 Uhr bestimmungsgemäß rund 0,1 g Marihuana mittels eines Inhalators konsumiert zu haben. In der Box befinde sich das „originale“ medizinische Marihuana vom 21. November 2019. Der Kläger sei belehrt worden, dass die Einnahme wegen der vorhandenen Restmenge nicht bestimmungsgemäß sein könne. Ihm sei der Verdacht eröffnet worden, dass es sich bei dem frisch wirkenden Marihuana um widerrechtlich erlangtes Rauschgift und nicht um das ursprünglich erworbene Medizinalcannabis handle. Der Kläger habe sich hierzu nicht geäußert. Er habe ein ärztliches Attest für das am 21. November 2019 erworbene Marihuana sowie ein Attest vom 2. Dezember 2019, verwendbar bis 31. Januar 2020, vorgelegt und erklärt, seit dem 2. Dezember 2019 kein Rezept mehr erhalten zu haben. Das letzte eingelöste Rezept sei das vom 21. November 2019 gewesen. Die dem Kläger entnommene Blutprobe enthielt 64 ng/ml THC, 21 ng/ml 11-Hydroxy-THC und 214 ng/ml THC-Carbonsäure. Nach dem ärztlichen Befundbericht vom 16. März 2020 beweisen die festgestellten Werte einen kürzlich erfolgten Cannabis-Abusus und stand der Kläger zum Tatzeitpunkt nachweislich unter dessen Einfluss. Mit Strafbefehl vom 24. Juni 2020 wurde dem Kläger zur Last gelegt, unter der Wirkung eines berauschenden Mittels im Straßenverkehr fahrlässig ein Kraftfahrzeug geführt und durch eine weitere selbständige Handlung Betäubungsmittel besessen zu haben. Auf seinen Einspruch hin stellte das Amtsgericht Amberg mit Beschluss vom 10. November 2020 das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig gegen eine Geldauflage und ein Fahrverbot von einem Monat ein. Mit Beschluss vom 16. April 2021 wurde das Verfahren endgültig eingestellt.

Nach einem ärztlichen Attest vom 4. November 2020 ist dem Kläger wegen einer depressiven Verstimmung medizinisches Cannabis verordnet worden. Da es sich bei der Depression um eine Krankheit mit wechselnd ausgeprägter Symptomatik handle, sei die Inhalation mittels Vaporisator je nach Ausprägung der Symptomatik auch nur bei Bedarf möglich.

Nach Anhörung entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. August 2021 gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis aller Klassen, forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids abzuliefern, und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. In den Gründen führte sie u.a. aus, dass aufgrund der beiden Fahrten unter Cannabiseinfluss am 16. März 2019 und am 6. März 2020 von fehlender Fahreignung auszugehen sei. Die festgestellten Cannabiskonzentrationen belegten, dass der Kläger unmittelbar nach Aufnahme einer größeren Dosis Haschisch oder Marihuana am Straßenverkehr teilgenommen habe. Am 6. März 2020 seien mehrere Merkmale festgestellt worden, die auf missbräuchlichen Betäubungsmittelkonsum hindeuteten. Der Kläger habe angegeben, medizinisches Marihuana mit sich zu führen. Aus dem Rezept vom 21. November 2019 und der vorhandenen Restmenge von ca. 3 g Marihuana ergebe sich aber, dass er sich nicht an die verordnete Einnahmemenge von 1 g pro Tag gehalten haben könne. Das Marihuana sei wegen des Verdachts auf widerrechtlich erlangtes Rauschgift sichergestellt worden. Daher sei eine weitere Aufklärung in Form einer Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht angezeigt gewesen.

Am 17. September 2021 legte der Kläger Widerspruch ein, den Regierung der Oberpfalz mit Bescheid vom 31. Januar 2022 zurückwies.

Am 3. März 2022 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage erheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Mit Schreiben vom 18. Mai 2022 beantragte er für beide Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten. Den Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2022 (RO 8 S 22.662) ab.

Auf gerichtliche Anfrage teilte der Kläger mit am 25. Januar 2023 eingegangenem Schreiben seines Bevollmächtigten vom „22.3.2022“ mit, er benötige nur wenig Cannabis, auch nicht 1 g pro Tag. Die Verordnung laute nur auf bis zu 1 g am Tag. Er hole daher Rezepte, wenn sein Vorrat erschöpft sei, und je nach verfügbarem Arzttermin. Er habe Rezepte vom 21. November 2019, 2. Dezember 2019, 9. März 2020, 9. Juli 2020, 3. November 2020, 23. Januar 2021, 21. Dezember 2021 und 27. Januar 2022. Er nehme Cannabis sehr oft nur stoßweise zur Bekämpfung von Symptomen, nicht regelmäßig ein. Die Vorräte, die sich z.B. aus dem zweimaligen Arztbesuch 2019 ergeben hätten, hätten also durchaus bis März reichen können. Von den 20 g seien noch 2,8 g vorhanden gewesen. Nachdem die Polizei diese sichergestellt habe, habe er am 9. März 2020 ein neues Rezept geholt, das bis 9. Juli 2020 gereicht habe. Trotz noch vorhandenem Vorrat habe er drei Monate später wieder ein neues Rezept geholt, da gerade ein Arzttermin frei gewesen sei. Dieses Rezept habe bis 23. Januar 2021 gereicht. Dann habe er erst wieder am 21. Dezember 2021 ein Rezept geholt. Am 27. Januar 2022 habe er sich ein Rezept ausstellen lassen, dieses aber nicht mehr aufgebraucht. Daraus ergebe sich, dass der Kläger fortlaufend in medizinischer Behandlung gewesen sei. Ihm könne nicht unterstellt werden, zwischendurch illegal Cannabis geraucht zu haben. Mit am 27. Januar 2023 eingegangenem Schreiben vom „27.3.2022“ reichte der Kläger einen ärztlichen Krankenblattauszug zur Medikamentationsweise nach und erklärte, er sei wegen eines Burn-Out-Syndroms, Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen in Behandlung gewesen. Da Cannabis auch in geringen Mengen eine gute Wirkung in diesem Bereich habe, sei er erst wieder zum Arzt gegangen, wenn Störungen vorhanden oder noch nicht beendet gewesen seien.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2023 lehnte das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wegen mangelnder Erfolgsaussichten ab. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung sei die Klage unzulässig, weil aufgrund der Abgabe des Führerscheins das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Im Übrigen sei die Klage voraussichtlich unbegründet, weil der Kläger nicht in ausreichendem Maß Unterlagen vorgelegt habe, aus denen sich eine ordnungsgemäße Verschreibung von Medizinalcannabis zum Zeitpunkt des 6. März 2020 ergebe. Begründeten Tatsachen, wie hier der regelmäßige Cannabiskonsum, Zweifel an der Fahreignung, treffe den Fahrerlaubnisinhaber, der sich auf eine Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis berufe, eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Aufklärung der nur ihm und seinen Ärzten bekannten Grunderkrankung(en), der Eignung von Medizinalcannabis zur Behandlung dieser Erkrankung(en) und der Gründe, weshalb eine alternative Behandlung medizinisch bei ihm nicht in Betracht komme. Komme er dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, dürfe die Behörde davon ausgehen, dass die Voraussetzungen der Nr. 9.4 und 9.6 der Anlage 4 zur FeV und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG nicht erfüllt seien. Die vom Arzt als „depressive Verstimmung“ bzw. „Depression“ bezeichnete Grunderkrankung werde nicht hinreichend konkretisiert (z.B. Schweregrad). Die Aufzählung von Krankheitsbildern durch den Bevollmächtigten des Klägers genüge ebenfalls nicht. Ob die Einnahme von Medizinalcannabis indiziert sei, lasse sich daher nicht nachprüfen. Dass die Cannabisblüten als „ultima ratio“ nach Ausschöpfung anderer Behandlungsmöglichkeiten verschrieben worden seien, lasse sich den vorgelegten Unterlagen nicht ansatzweise entnehmen und spreche gegen eine medizinische Indikation. Außerdem sei das Medikament nicht ordnungsgemäß verschrieben worden. Insbesondere sei weder eine Einzel(höchst)dosis, die für das Ausmaß und die Dauer der Beeinträchtigung der Fahreignung durch die berauschende Wirkung von Cannabis offensichtlich entscheidende Bedeutung habe, noch die Anzahl der Einzeldosen pro Tag festgelegt worden. Nach dem zuletzt vorgelegten Karteikartenauszug vom 23. Januar 2023 sei lediglich eine Tageshöchstdosis von 1 g festgelegt worden. Nähere Vorgaben zum Gebrauch gebe es nicht. Es bleibe dem Kläger überlassen, in welchen Zeitabständen und in welchen Einzeldosen er im Falle von Beschwerden das Cannabis einnehme. Es gebe keine eindeutigen Vorgaben, auf deren Basis ausreichend verlässlich ausgeschlossen werden könne, dass die Fahreignung durch die Einnahme von Cannabis zur Behandlung nicht mehr gegeben sei. Außerdem liege keine bestimmungsgemäße Einnahme und ärztliche Überwachung vor. Gegen eine bestimmungsgemäße Einnahme spreche, dass sich der Kläger eine Art „Vorrat“ anlege, wenn er nach seiner eigenen Einschätzung an diesem Tag gerade keinen Bedarf habe. Hieraus werde ersichtlich, dass auch keine ausreichende ärztliche Kontrolle stattfinde. Denn erst nach dem bestimmungsgemäßen „Verbrauch“ könne und dürfe ein neues Rezept ausgestellt werden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger, der 1 g am Tag nicht benötige, diese Tagesdosis verschrieben bekommen habe. Zudem sei davon auszugehen, dass er regelmäßig konsumiere. Er habe gegenüber der Polizei am 9. März 2020 selbst angegeben, er dürfe Cannabis aufgrund einer ärztlichen Verordnung bis zu 1 g täglich einnehmen. Ob der Kläger weiterhin konsumiere, sei aufgrund des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 31. Januar 2022 nicht entscheidungserheblich.

Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Soweit das Verwaltungsgericht der Ansicht sei, die vorgelegten Unterlagen würden keine „ordnungsgemäße Verschreibung“ und „ärztliche Überwachung“ belegen, ersetze es die ärztliche Behandlung durch seine von Vorurteilen geprägte Meinung von Diagnose, Behandlung und Verschreibung von Cannabis. Ohne die mündliche Verhandlung abzuwarten und ohne irgendwelche Ausführungen darüber, warum beim Kläger Fahreignungszweifel bestünden, gehe es davon aus, dass die Beweislast ebenso umgekehrt sei wie bei Dauerkonsumenten. Der Umstand, dass die Verordnung durch einen Arzt erfolgt und die verordnete Menge gering sei und der Patient angebe, das verordnete Cannabis nicht regelmäßig, sondern bei Bedarf zur Abwehr von Krankheitsschüben zu nehmen, werde ignoriert oder in sehr laienhafter Manier uminterpretiert. Das Gericht verkenne, dass die Mitwirkungsobliegenheit und die Reichweite ihrer Erfüllung nicht Gegenstand des PKH-Verfahrens seien, weil es nicht von einer solchen ausgehe, sondern von einer echten Beweislastumkehr. Die Kritik an der ärztlichen Verschreibung und der „Überwachung“ sei abzulehnen. Ob diese Behandlung angemessen sei, sei in einer sachverständigen Beweisaufnahme zu klären, bei der der Sachverständige die Fragen stelle. Diese Tatsachenfeststellung könne nicht im PKH-Verfahren durch Juristen antizipiert werden. Rechtlich könne eine medizinische Verschreibung und Behandlung nur kritisiert werden, wenn dazu Anlass bestehe. Vorliegend disqualifiziere das Gericht die Behandlung ohne irgendeinen Anlass. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger außerhalb der Therapie Cannabis einnehme, auch keinen dahingehenden Verdacht. Weder im Fahrverhalten noch im Lebenswandel zeigten sich entsprechende Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht versuche, das Medizinprivileg zu unterlaufen und stemme sich gegen die Zeit und Cannabis, welches mittlerweile in breitem Umfang als harmloses und nebenwirkungsarmes Arzneimittel in großem Umfang verschrieben werde, ohne dass dabei eine statistisch erhöhte Zahl von Fällen fehlender Fahreignung aufträten. Das Gericht versuche, das medizinische Cannabis entgegen der Intention des Gesetzgebers als Rauschmittel zu deklarieren. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses beschränke die Möglichkeit der medizinischen Anwendung auf nicht existierende Fälle, statt sich damit auseinanderzusetzen, warum Cannabis im Dauerkonsum immer zu Fahruntauglichkeit führe, medizinische Behandlungen aber nie. Da der Gesetzgeber strenge Regelungen für die Fahrtauglichkeit gefunden, gleichwohl aber das Cannabisprivileg geschaffen habe, erscheine es logisch, dass Cannabis nicht per se die Fahrtauglichkeit berühre und das totale Verbot beim Autofahren also andere Gründe haben müsse. Daraus ergebe sich, dass die Annahme, eine vom Gericht angezweifelte medizinische Behandlung führe zur Fahruntauglichkeit, Unsinn sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers für das noch in erster Instanz anhängige Klageverfahren zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten versagt (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO). Auf die geltend gemachte wirtschaftliche Bedürftigkeit des Klägers kommt es daher nicht mehr an.

Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es zwar, dass ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen oder die Entscheidung jedenfalls von einer schwierigen, ungeklärten Tatsachen- bzw. Rechtsfrage abhängt (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 166 Rn. 36; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 64 ff.; BVerfG, B.v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – NJW 2013, 1727 Rn. 11 ff.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen jedoch dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 14; Wysk, a.a.O. Rn. 37).

Nach diesen Maßstäben ist das Verwaltungsgericht zutreffend von nicht hinreichenden Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage ausgegangen, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 40) davon auszugehen war, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Mai 2021 (BGBl I S. 850), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).

Derartige Tatsachen, die Anlass boten, an der Fahreignung des Klägers zu zweifeln hat das Verwaltungsgericht entgegen dem mit der Beschwerde erhobenen Vorwurf dargelegt, nämlich die nachweislich zweimalige Verkehrsteilnahme unter der Wirkung von Cannabis sowie der anzunehmende regelmäßige Cannabiskonsum. Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV besteht keine Fahreignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum (vgl. auch Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [Vkbl S. 110] in der Fassung vom 17.2.2021 [Vkbl S. 198]). Bei gelegentlichem Cannabiskonsum ist die Fahreignung nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nur gegeben, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust zu verzeichnen sind. Wegen der Gründe des Verordnungsgebers, den Konsum von Medizinalcannabis hinsichtlich der Fahreignung anders zu bewerten (vgl. Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV) als den Konsum von illegal beschafftem Cannabis, wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf den Widerspruchsbescheid (S. 6 f.) der Regierung der Oberpfalz Bezug genommen. Hieraus ist jedenfalls nicht zu schließen, dass der Konsum von Cannabis „per se“ nicht die Fahreignung berühre.

1.1. Der Kläger hat zweimal nicht zwischen dem Konsum und dem Fahren getrennt und dabei den insoweit maßgeblichen Risikogrenzwert von 1 ng/ml (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2019 – 3 C 2.18 – juris Rn. 17 f. m.w.N.) jeweils um ein Vielfaches überschritten.

1.2. Hinzu kommt, dass mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen ist, dass er regelmäßig Cannabis konsumiert. Es kann dahinstehen, ob dies bereits aus der Angabe geschlossen werden kann, bis zu 1 g Cannabis täglich einnehmen zu dürfen, denn er hat andererseits behauptet, dies nicht zu tun. Jedenfalls ist diese Annahme gerechtfertigt, weil die in seinem Blut festgestellten Werte des THC-Metaboliten THC-COOH von 305 ng/ml und 214 ng/ml die Konzentration von 150 ng/ml THC-COOH im Blutserum erheblich übertroffen haben (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2022 – 11 CS 21.3010 – juris Rn. 10 m.W.N.). Dass eine derartige Konzentration nur bei regelmäßigem Cannabiskonsum zu erreichen ist, stellt eine gesicherte, auf rechtsmedizinischen Untersuchungen beruhende Erkenntnis dar (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2019 – 11 CS 18.2605 – NJW 2019, 2339 Rn. 13 m.w.N.; Daldrup/Käferstein/Köhler/Maier/Musshoff, Blutalkohol 2000, S. 39/43 f.; Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Aufl. 2016, § 3 Rn. 127 ff., 230 ff. jeweils unter Hinweis auf einzelne Studien; Zwerger, Berührungspunkte von Toxikologie und Rechtsprechung: Blutwerte nach Cannabiskonsum und Fahreignung, XV. Symposium der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie, 18. – 21.4.2007, Tagungsband S. 61/65 unter Hinweis auf gutachtliche Stellungnahmen des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München an das Staatsministerium des Innern vom 23.8.2005 und 25.10.2005; vgl. auch Kriterium D 4.1 N Nr. 8 der Beurteilungskriterien, Urteilsbildung in der Fahreignung, 4. Aufl. 2022, S. 176, wonach bereits eine THC-COOH-Konzentration von mehr als 100 ng/ml nicht mehr mit der Annahme gelegentlichen Cannabiskonsums in Einklang zu bringen ist), der die ständige Rechtsprechung und Fachliteratur gefolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2022 und B.v. 24.4.2019 jeweils a.a.O.; SächsOVG, B.v. 14.7.2021 – 6 B 257/21 – juris Rn. 5; OVG LSA, B.v. 9.6.2021 – 3 M 118/21 – ZfSch 2021, 538 Rn. 5; OVG SH, B.v. 14.2.2020 – 5 MB 2/20 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg., B.v. 27.8.2018 – OVG 4 S 34.18 – juris Rn. 5 m.w.N.; HessVGH, B.v. 15.9.2016 – 2 B 2335/16 – juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 11.2.2015 – 16 B 50/15 – juris Rn. 8; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 10. Aufl. 2022, Vor § 29 ff. Rn. 471; Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 3 StVG Rn. 52 ff.; Zwerger, ZfS 2007, 551/552). Konzentrationen von 100 bis 150 ng/ml liegen oberhalb der Werte, die nach Rauchversuchen im Blut bzw. Serumproben festgestellt worden sind (vgl. Daldrup/Käferstein/Köhler/Maier/Musshoff, a.a.O. S. 43 m.w.N.).

2. Weiter ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen des sog. Arzneimittelprivilegs gemäß Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV verneint hat. Die in dem angefochtenen Beschluss genannten Voraussetzungen stellen keine vorurteilsbehaftete Rechtsmeinung des Gerichts dar, sondern sind vom Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegeben und in medizinischen Fachkreisen und der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt. Anders als der Kläger meint, trifft es nicht zu, dass „medizinische Behandlungen … nie“ zum Wegfall der Fahreignung führen. Vielmehr dürfen Dauerbehandlungen mit Arzneimitteln, wie sich aus Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV ergibt, jedenfalls nicht die Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß herabsetzen. Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV, die zu einer regelmäßigen oder gelegentlichen Einnahme führt, nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies zudem voraus, dass die Cannabiseinnahme indiziert und ärztlich verordnet ist (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 303), ferner, dass das Medizinalcannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien [StAB] zur Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation, aktualisierte Fassung vom August 2018, abgedruckt in Schubert/Huetten/Reimann/ Graw, a.a.O., S. 440/443; vgl. auch BayVGH, B.v. 31.3.2022 – 11 CS 22.158 – juris Rn. 12; B.v. 30.3.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 12; B.v. 16.1.2020 – 11 CS 19.1535 – Blutalkohol 57, 133 Rn. 22; B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – Blutalkohol 56, 273 Rn. 23 ff.; VGH BW, B.v. 23.1.2023 – 13 S 330/22 – NJW 2023, 861 Rn. 6 m.w.N.; B.v. 31.1.2017 – 10 S 1503/16 – VRS 131, 207 = juris Rn. 8 f.; OVG NW, B.v. 5.7.2019 – 16 B 1544/18 – Blutalkohol 56, 342 = juris Rn. 4 ff.; OVG Saarl, B.v. 8.11.2021 – 1 B 180/21 – ZfSch 2022, 57 = juris Rn. 14; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 62a ff.). Eine missbräuchliche Einnahme, die z.B. bei einer Einnahme des Medikaments in zu hoher Dosis oder entgegen der ärztlichen Verschreibung angenommen werden kann, beurteilt sich nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV und schließt danach die Fahreignung aus (BayVGH, B.v. 16.1.2020, a.a.O. Rn. 25).

2.1. Vorliegend ist von einem missbräuchlichen Beikonsum von nicht ärztlich verordnetem Cannabis auszugehen, der die Annahme fehlender Fahreignung gemäß § 11 Abs. 7 FeV rechtfertigt (Dauer, a.a.O. § 2 StVG Rn. 62c). Die polizeiliche Feststellung, der Kläger habe am 6. März 2020 in der Apothekerbox 2,8 g frisch aussehendes und riechendes Marihuana mitgeführt, bei dem es sich nicht um das am 21. November 2019 an ihn ausgegebene Marihuana gehandelt haben könne, wies darauf hin, dass er auch Cannabis illegalen Ursprungs konsumiert hat. Davon ist offenbar auch das Strafgericht ausgegangen, denn es hat ihm u.a. einen strafbaren Betäubungsmittelbesitz gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG vorgeworfen. Dieser Annahme steht die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO nicht entgegen, da sie einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne der hohen Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung (Anklagereife) voraussetzt (Peters in MünchKomm zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 153a Rn. 8). Außerdem hat der Kläger keine wahrheitsgemäßen Angaben zu seinem Konsum gemacht, sodass sein Vorbringen zu seinen Konsumgewohnheiten nicht glaubhaft ist. Seine Angabe, vierzehneinhalb Stunden vor der Messung rund 0,1 g Marihuana inhaliert zu haben, ist mit einem THC-Wert von 64 ng/ml Blutserum um 23:47 Uhr nicht in Einklang zu bringen (vgl. den ärztlichen Befundbericht vom 16. März 2020 und Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, § 3 Rn. 126 ff.). Ein weiteres Indiz für einen illegalen Konsum ergibt sich aus den in seinem Blut festgestellten hohen THC-COOH-Werten und dem daraus zu schließenden regelmäßigen Cannabiskonsum, der durch die von ihm vorgelegte Verschreibung von 5 g Cannabis am 21. November 2019 bis 6. März 2020 nicht gedeckt gewesen sein kann.

2.2. Zudem hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt hinreichend dargelegt und belegt hat, dass bei ihm die Voraussetzungen des Arzneimittelprivilegs erfüllt waren. Die Gelegenheit, dies nachzuholen bzw. nachträglich darzulegen, dass die Beklagte von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, die ihm das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 2. Januar 2023 eingeräumt hat, hat er nicht wahrgenommen.

a. Zum einen hat er keine nachvollziehbaren Unterlagen zur Indikation der Cannabismedikation beigebracht. Wann die Verschreibung von Cannabis, das nach Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG zu den verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln gehört, zu medizinischen Zwecken indiziert ist, ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG. Danach darf es ärztlich nur verschrieben werden, wenn seine Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist, d.h. geeignet und erforderlich ist (Hochstein in BeckOK BtMG, Stand 15.3.2023, § 13 Rn. 22). Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Dementsprechend hat der Arzt in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Betäubungsmittelverschreibung ultima ratio ist und nicht durch die Verschreibung von Arzneimitteln oder eine andere Behandlungsart ersetzen werden kann. Unterbleibt dies, ist die Verschreibung unbegründet im Sinne von § 13 Abs. 1 BtMG und gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. a BtMG strafbar (vgl. Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl. 2022, § 13 Rn. 17, 22). Kommen andere Maßnahmen in Betracht, die zur Erreichung des Ziels geeignet sind, wie eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, ist diesen der Vorrang zu geben (vgl. Patzak, a.a.O. § 13 Rn. 23).

b. Auch wenn es insoweit auf die Einschätzung des behandelnden Arztes ankommen mag, genügt eine bloße Behauptung allein nicht. Im Krankenversicherungsrecht ist die Beachtlichkeit der ärztlichen Einschätzung an das Erfordernis einer von dem Arzt zu erbringenden Begründung gebunden, die eine Prüfung ihrer objektiven Grundlagen ermöglicht (BSG, U.v. 10.11.2022 – B 1 KR 28/21 R – juris Rn. 28). Dementsprechend kann die Fahrerlaubnisbehörde, die von Amts wegen zu ermitteln hat (Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG), ob die Voraussetzungen der Sonderregelung der Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV für psychoaktiv wirkende Arzneimittel erfüllt sind, eine schlüssige Darlegung und die Vorlage nachvollziehbarer Unterlagen verlangen. Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bedient sie sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG sollen die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Kommt der betreffende Beteiligte seiner hieraus folgenden Mitwirkungslast bzw. -obliegenheit nicht in angemessenem Umfang nach, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre, darf dem im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung getragen werden (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 26 Rn. 40, 43 f.; § 24 Rn. 12a ff., 50; Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 26 Rn. 44, 52; Schneider, a.a.O. Rn. 36; BayVGH, B.v. 8.11.2019 – 11 CS 19.1565 – juris Rn. 24). Da der Arzt seine Befunde und Entscheidungen zu dokumentieren und dem Patienten auf Verlangen Unterlagen herauszugeben hat (Hochstein in BeckOK BtMG, § 13 Rn. 30; § 10 Abs. 2 MBO-Ä 1997), wäre es dem Kläger möglich gewesen, medizinische Unterlagen über die Gründe für die Cannabisverschreibung und deren Begründetheit vorzulegen. Dies wäre ihm auch zumutbar gewesen, weil er aus der ärztlichen Verschreibung von Cannabis bzw. aus der Sondervorschrift der Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV zu den allgemeinen Regelungen in Nr. 9.1 und 9.2 der Anlage 4 zur FeV einen rechtlichen Vorteil für sich herzuleiten sucht und die zur Begründung der Sonderregelung führenden Umstände aus seiner privaten Sphäre stammen, ggf. die Entbindung seines Arztes von der Schweigepflicht erfordern und daher ohne seine Mitwirkung unaufklärbar sind.

Eine nachteilige Beweiswürdigung infolge unzureichender Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung ist nicht mit einer Umkehr der Beweislast gleichzusetzen (Ramsauer, VwVfG, § 24 Rn. 12c). Im Übrigen ist, wie eingangs dargelegt, dem Verwaltungsgericht auch im Prozesskostenhilfeverfahren unter bestimmten Voraussetzungen eine Beweiswürdigung nicht verwehrt. Hier lagen nach den vorstehenden Ausführungen konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würde.

c. Zum andern hat das Verwaltungsgericht zu Recht bemängelt, dass die vorgelegten Verschreibungen nicht den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) entsprechen, weil sie keine Einzeldosis oder aber einen Hinweis auf eine Gebrauchsanleitung enthalten. Eine unbestimmte Verschreibung nach individuellem Bedarf nur mit Angabe der Tageshöchstdosis hat der Verordnungsgeber nicht vorgesehen (Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, § 9 BtMVV Rn. 8).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, wobei eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Streitwertfestsetzung ist im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfallende Festgebühr von 66,- Euro jedoch entbehrlich.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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