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Fahrerlaubnisentziehung aufgrund Cannabiseinfluss

VG Gelsenkirchen – Az.: 7 L 214/18 – Beschluss vom 05.03.2018

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der sinngemäße Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 651/18 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 2. Januar 2018 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -) kommt nicht in Betracht. Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Bei evidenten Eignungsmängeln – wie hier beim gelegentlichen Konsum von Cannabis und fehlendem Trennungsvermögen – bedarf es wegen der Gefahr für höchste Rechtsgüter keiner differenzierten, auf die Umstände des Einzelfalles eingehenden Begründung der sofortigen Vollziehung.

Vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 3 Bs 214/05 -, juris, Rn. 3 ff.

Diesen Anforderungen wird die von dem Antragsgegner gegebene Begründung gerecht. Er hat deutlich gemacht, dass der Antragsteller ohne die Anordnung des Sofortvollzugs hochrangige Rechtsgüter anderer Menschen gefährden könnte.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, erweist sich bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Antrags- und Klagevorbringen Folgendes auszuführen:

Die Entziehungsverfügung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Der Antragsteller hat sich gemäß § 11 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – i. V. m. Ziffer 9.2 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist im Fall der gelegentlichen Einnahme von Cannabis die Kraftfahreignung in der Regel zu verneinen, wenn zwischen Konsum und Fahren nicht getrennt wird. Das ist hier der Fall.

Maßgeblich ist insofern, dass der Antragsteller am 18. August 2017 gegen 23:15 Uhr in I. b. T. unter Cannabiseinfluss ein Fahrzeug geführt hat. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums N. vom 25. September 2017 festgestellte THC-Wert von 6,8 ng/ml (= µg/l) übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz – StVG – durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/ml und rechtfertigt die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 – mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. Zu den neuesten Erkenntnissen und der Frage der Beibehaltung dieses Grenzwertes siehe VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 – und Beschluss vom 25. Februar 2016 – 7 L 30/16 -; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 432/16 -, juris, Rn. 64 ff, 122, das abweichend von der neueren Empfehlung der Grenzwertkommission weiterhin von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Serum ausgeht.

Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann. Unerheblich ist es für die Frage der mangelnden Trennung, dass er nur einmal ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt hat.

Ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. etwa Beschluss vom 30. März 2017 – 7 L 217/17 -; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 432/16 -, juris, Rn. 143; OVG NRW, Beschluss vom 29. Mai 2017 – 16 B 473/17 -, jeweils m. w. N., a.A. Bay. VGH, Urteil vom 25. April 2017 – 11 BV 17.33 – (Revision zugelassen).

Die Kammer geht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung auch von einem gelegentlichen Konsum aus. Diesen hat der Antragsteller eingeräumt.

Der Antragsteller hat seine Kraftfahreignung bis zum maßgeblichen Entziehungszeitpunkt auch nicht wiedererlangt. Soweit der Antragsteller vorträgt, seit sechs Monaten vor dem Drogenscreening am 6. Januar 2018 – folglich seit dem 6. Juli 2017 – keine Drogen mehr konsumiert zu haben, ist dies bereits nicht glaubhaft, da der Vorfall vom 18. August 2017 in diesem Zeitraum liegt und für diesen Zeitpunkt der Cannabiskonsum belegt ist. Zudem ist eine einzelne Blutentnahme nicht geeignet einen in der Vergangenheit liegenden drogenfreien Zeitraum von sechs Monaten sicher zu belegen. Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, den insoweit erforderlichen Nachweis, dass er nunmehr zwischen Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen kann, in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 14 Abs. 2 FeV). Während des anhängigen Entziehungsverfahrens kann ein Wiedererteilungsantrag nicht gestellt werden.

Bei feststehender Ungeeignetheit steht dem Antragsgegner kein Ermessen zu und die Fahrerlaubnis ist zwingend zu entziehen.

Die in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung insoweit ist ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin nicht gegeben. Dass das Interesse des Antragstellers, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Selbst wenn wegen der diesbezüglich noch ausstehenden höchstrichterlichen Klärung von offenen Erfolgsaussichten der Klage ausgegangen würde, hätte der Antrag des Antragstellers keinen Erfolg. Denn die vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung fiele auch mit Blick darauf, dass die Entziehungsverfügung nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, zu seinen Lasten aus. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen und im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen. Die mit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis eventuell verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller muss er als Betroffener jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG – ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

So auch: OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 – 16 B 74/15 -, juris m. w. N.

Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Sie entspricht den Anforderungen von §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und ist rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 i.V.m. 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG -. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Entziehung einer Fahrerlaubnis betrifft, ist ungeachtet der im Streit stehenden Fahrerlaubnisklassen nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren zu halbieren.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 – juris.

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