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Nötigung zum Fahrstreifenwechsel – Fahrverbot

OLG Stuttgart, Az.: 1 Ss 647/97, Beschluss vom 10.12.1997

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11. August 1997 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht … hat den Angeklagten wegen Nötigung zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150,00 DM verurteilt und gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt.

Es hat festgestellt: Der Angeklagte befuhr … mit seinem Pkw die Bundesstraße 27 in … bei lebhaftem zweispurigem Verkehr, wobei er zu dem vor ihm ebenfalls auf dem linken Fahrstreifen fahrenden Pkw des Zeugen … aufschloß. Da er sich durch diesen an der gewünschten zügigeren Fahrweise gehindert sah, betätigte er zunächst die Lichthupe, um dem Zeugen … zu bedeuten, er möge entweder den Fahrstreifen wechseln oder schneller fahren. Dieser konnte wegen des Verkehrsaufkommens auf dem rechten Fahrstreifen jedoch nicht nach rechts einscheren; andererseits durfte er auch nicht mehr als die ohnehin schon (in etwa) eingehaltene zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h fahren. Über eine Strecke von ungefähr 5 km fuhr der Angeklagte daher unter teils ganz erheblicher Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstands hinter dem Zeugen … her, wobei er fünf Mal auf Teilstrecken von 96,28 m bis zu 1202,7 m Länge, insgesamt fast 2,5 km den Sicherheitsabstand auf bis zum 6,17 m, 8,95 m, 7,83 m, 6,55 m und 6,89 m verringerte. Kurz vor der Ausfahrt … betätigte er nochmals die Lichthupe, bis der so bedrängte Zeuge … schließlich die Möglichkeit hatte, nach rechts einzuscheren. Der Angeklagte überschritt nun die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um (mindestens) 41 km/h.

In der Berufungsverhandlung hat der Angeklagte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Landgericht hat seine Berufung mit der Maßgabe verworfen, daß das Fahrverbot auf sechs Wochen herabgesetzt wurde.

II.

Nötigung zum Fahrstreifenwechsel - Fahrverbot
Symbolfoto: Heiko Barth/Bigstock

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, weil die Erwägungen des Landgerichts zur Rechtsfolgenbemessung an durchgreifenden Mängeln leiden.

1. Bei der Bemessung der Geldstrafe hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten die hohe Gefährdung berücksichtigt, die sein extrem dichtes Auffahrens über eine Distanz von zusammengerechnet fast 2,5 km auf der belebten Straße mit sich brachte. Hinzu komme, daß er mit seiner bedrängenden Fahrweise dem Zeugen … bewußt angesonnen habe, durch schnelleres Fahren oder zu knappes Einscheren auf den rechten Fahrstreifen gegen Verkehrsvorschriften zu verstoßen.

Diese Strafzumessungserwägungen sind rechtsfehlerhaft, weil sie eine nach § 46 Abs. 3 StGB unzulässige Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen der Nötigung (§ 240 StGB) enthalten. Denn die Nötigung zum Fahrstreifenwechsel oder zum Schnellerfahren setzt gerade voraus, daß der Nötigende an das vorausfahrende Fahrzeug über eine längere Strecke unter extremer Mißachtung des gebotenen Sicherheitsabstands heranfährt, um durch diese gefährliche Fahrweise eine psychische Zwangswirkung auf den vorausfahrenden Fahrer auszuüben. Der Nötigungsvorsatz, der durch das Betätigen der Lichthupe nach außen erkennbar wird, muß sich gerade darauf beziehen, den Vorausfahrenden zum Einscheren nach rechts oder zu einer wesentlich schnelleren Fahrweise zu zwingen (vgl. zuletzt BayObLG NJW 1993, 2882; Tröndle, StGB, 48. Auflage, § 240 Rdnr. 28 mit weiteren Nachweisen).

Diese Umstände, die erst den Tatbestand der Nötigung begründeten, hätte das Landgericht bei der Bemessung der Geldstrafe nicht zu Lasten des Angeklagten heranziehen dürfen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß sich dieser Rechtsfehler auf die Anzahl der verhängten Tagessätze und damit auf die Höhe der Geldstrafe ausgewirkt hat.

2. Bei der Verhängung und Bemessung des Fahrverbots hat das Landgericht zwar gesehen, daß der Angeklagte nicht vorbelastet ist und seit der Tat 28.000 km ohne Beanstandung mit dem Pkw zurückgelegt hat. Es meint jedoch, das bedrängende, hochgefährliche Fahrverhalten des Angeklagten begründe so starke Bedenken gegen seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, daß nicht darauf verzichtet werden könne, ihn durch die Anordnung eines Fahrverbots zu warnen und zu veranlassen, sich auf seine Pflichten als Kraftfahrer zu besinnen.

Diese Begründung für die Verhängung des Fahrverbots läßt besorgen, daß das Landgericht die Gesichtspunkte, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis als Maßregel der Besserung und Sicherung führen, und diejenigen, die die Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe mit dem Ziel der Warnung und Besinnung des Kraftfahrers zum Ziel haben, nicht hinreichend unterschieden hat. Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB, die als Maßregel der Besserung und Sicherung Personen, die zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet sind, aus dem Straßenverkehr ausschließen will, soll das Fahrverbot nach § 44 StGB bei schuldhaft begangenen Verkehrsverstößen, die noch nicht die mangelnde Eignung des Täters ergeben, der Warnung und Besinnung dienen, wobei die spezialpräventive Einwirkung auf den Täter im Vordergrund steht (vgl. zuletzt OLG Köln NZV 1996, 286 mit weiteren Nachweisen). Das Fahrverbot nach § 44 StGB hat daher den Charakter einer Nebenstrafe, für die das Erfordernis der Schuldangemessenheit gilt (vgl. BGHSt 24, 348).

Diese unterschiedlichen Voraussetzungen und Zwecke der Fahrerlaubnisentziehung und des Fahrverbots scheint das Landgericht nicht bedacht zu haben, wenn es das verhängte Fahrverbot auch mit der mangelnden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet; ein Eignungsmangel ist gerade nicht Voraussetzung für die Verhängung eines Fahrverbots.

Der Fehler kann sich zu Ungunsten des Angeklagten ausgewirkt haben, weil das Landgericht möglicherweise ohne den von ihm angenommenen Eignungsmangel kein oder nur ein kürzer bemessenes Fahrverbot verhängt hätte.

Als Nebenstrafe darf das Fahrverbot nur verhängt werden, wenn der mit ihm angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht werden kann (vgl. BGHSt 24, 348). Im Falle einer Geldstrafe als Hauptstrafe ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch zu prüfen, ob nicht im Einzelfall eine Erhöhung der Geldstrafe ausreichend ist, um den Kraftfahrzeugführer zu warnen (vgl. OLG Köln NZV 1996, 286). Erwägungen zu der Frage, ob statt eines Fahrverbots eine erhöhte Geldstrafe als Warnung für den Angeklagten ausreichend gewesen wäre, enthält das angefochtene Urteil nicht, obwohl sich solche Erwägungen angesichts der seit der Tat verstrichenen Zeit von einem Jahr und sieben Monaten und wegen der Folgen des Fahrverbots für die berufliche Tätigkeit des Angeklagten aufgedrängt hätten. Das Übersehen dieser Kompensationsmöglichkeit stellt ebenfalls einen Rechtsfehler dar; das Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs. 1 StPO) hätte einer Kompensation nicht entgegengestanden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 331 Rdnr. 12 mit weiteren Nachweisen).

III.

Die Sache bedarf hinsichtlich der Rechtsfolgen insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung, bei der auch die von der Revision nunmehr vorgetragenen neuen Gesichtspunkte zur persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Angeklagten zu berücksichtigen sein werden.

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